Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@Tela

Ich lehne den Cassius Dio nicht grundsätzlich als Quelle ab. Ich lehne seine Beschreibung der Varusschlacht ab (übrigens bin ich in diesem Forum nicht der einzige der den Bericht des Dio über den Verlauf der Clades Variana begründet in Frage stellt). Den weitaus aussagekräftigeren Quellen des Paterculus und des Tacitus stimme ich nach meiner Interpretation vollkommen zu. Etwas anderes (extreme Quellenverbiegungen) möge man mir erst Beweisen bevor plumpe Pauschalaburteilungen an dieser Stelle gemacht werden.

Gruß Maelo
 
Fakt ist doch: Die nachträglich bestatteten Knochen kann ich mit Tacitus in Verbindung bringen (so wie es die Kalkriese Leute auch machen). Die Gruben allerdings eher nicht. Und auch die relativ geringe Anzahl der Knochen nicht...

Ich möchte mich der Argumentation von "salvus" ausdrücklich anschließen. Einen durch Tacitus überlieferten Tumulus ohne weiteres mit „mehreren Gruben“ in Verbindung zu bringen, ist nicht nachvollziehbar.

Auch die Liegezeit der Knochen mit sechs Jahren anzunehmen, halte ich inzwischen für zweifelhaft.

Ich frage mich, warum sich die Vermutung, in Kalkriese habe die Varusschlacht stattgefunden, immer noch so hartnäckig in den Medien hält.

MfG
max
 
Ich lehne den Cassius Dio nicht grundsätzlich als Quelle ab. Ich lehne seine Beschreibung der Varusschlacht ab (übrigens bin ich in diesem Forum nicht der einzige der den Bericht des Dio über den Verlauf der Clades Variana begründet in Frage stellt).

Na dann, wie begründest du deine Ablehnung? Dass die Schlachtbeschreibung Literatur und kein Tatsachenbericht ist, ist offenkundig. Doch sind die reinen Fakten, die Cassius Dio liefert, deswegen auch falsch? Und sind sie deswegen falsch, weil sie nicht zu deiner Theorie passen?
Den weitaus aussagekräftigeren Quellen des Paterculus und des Tacitus stimme ich nach meiner Interpretation vollkommen zu.

Warum sind Paterculus und Tacitus aussagekräftiger?

Und vollkommen sicher nicht, sondern nur soweit, wie es sich für deine 'Theorie' anpassen lässt.
Etwas anderes (extreme Quellenverbiegungen) möge man mir erst Beweisen bevor plumpe Pauschalaburteilungen an dieser Stelle gemacht werden.

Stichwort:
Lippeverlauf- und Bezeichnung in römischer Zeit.
Ausgangspunkt des Varus.
Weg des Varus und des Asprenas.
Umfang des Germanicusfeldzuges vor Erreichen des Varusschlachtfeldes
 
Ich möchte mich der Argumentation von "salvus" ausdrücklich anschließen. Einen durch Tacitus überlieferten Tumulus ohne weiteres mit „mehreren Gruben“ in Verbindung zu bringen, ist nicht nachvollziehbar.
Dann beantworte bitte die von Maelonn und mir gestellten Fragen.
Auch die Liegezeit der Knochen mit sechs Jahren anzunehmen, halte ich inzwischen für zweifelhaft.
Aufgrund welcher den Gesamtbefund berücksichtigenden Erkenntnisse?

Ich frage mich, warum sich die Vermutung, in Kalkriese habe die Varusschlacht stattgefunden, immer noch so hartnäckig in den Medien hält.
Ganz einfach: Weil die Mehrheit der Wissenschaftler, die sich zum Thema äußern, ebenfalls dieser Meinung sind!
 
Einen durch Tacitus überlieferten Tumulus ohne weiteres mit „mehreren Gruben“ in Verbindung zu bringen, ist nicht nachvollziehbar.

Wer macht das? Welcher Befürworter von Kalkriese sagt: Wir wissen von einem Tumulus, schaut her, wir haben die Gruben, was also wollt ihr noch?
Auch die Liegezeit der Knochen mit sechs Jahren anzunehmen, halte ich inzwischen für zweifelhaft.

Das ist dir unbenommen.
Ich frage mich, warum sich die Vermutung, in Kalkriese habe die Varusschlacht stattgefunden, immer noch so hartnäckig in den Medien hält.
Vielleicht, weil es immer noch ganz gute Argumente pro Varusschlacht gibt und weil die anderen Möglichkeiten (pontes longi oder Angrivarierwall noch schlechter passen).
 
Das ist grundsätzlich richtig. Nur wird ja immer versucht, gegen die Indizien zu argumentieren. Und wenn man gegen die Indizien argumentiert, dann muss man sehr wohl überzeugende Gegenargumente bringen!

Das einzige Gegenargument dürfte nur der ultimative Beweis für die Varusschlacht an einem anderen Ort sein. Diesen zu erbringen kann man wohl kaum erwarten. Das schaffen ja nicht mal die, die dies für sich in Anspruch nehmen und mit Millionenbeträgen jonglieren.
Zumal der Ablauf der Schlacht über mehrere Tage auch nur aus einer Überlieferung stammt. Aber was solls...!

P.S. Ich gebe ja zu, daß einige hier im Forum mehr über dieses Thema gelesen haben als ich. Das ist aber kein Freibrief, um logische Mechanismen ausklammern zu dürfen oder sie in das Reich der Fabeln zu verweisen. Mir sind die Leute mit eigener Logik lieber als die, die ständig mit Quellenangaben und Zitaten auflaufen, weil sie selber nicht denken können oder wollen. Denn Leute mit eigener Logik sind fast grundsätzlich toleranter.

Ich vertrete ja nur meine Ansicht die da lautet - entweder handelt es sich in Kalkriese um Ausläufer der Varusschlacht, dann muß aber sicher deren Ablauf neu geschrieben werden. Oder der Ablauf der Varusschlacht stimmt, dann paßt er aber nicht zu Kalkriese. Nicht mehr und nicht weniger.
 
Zuletzt bearbeitet:
72 Seiten Diskussion über den Ort der Varusschlacht?
Ich könnte mir vorstellen das dies noch weitere n+1 Seiten so weitergeht.
Ich, als reiner Geschichtsinteressierter gebe mich damit zufrieden das man zB ausschliesslich Münzen aus der Zeit vor und während der Varusschlacht gefunden hat, auch Tacitus Berichte über die Bestattungen der Römer durch einen Expeditionstruprr danach deuten auf den korrekten Ort hin sowie ungewöhnlich viele Waffenfunde.
Wenn man nun das Ausschlussverfahren nutzt, dann kann es eigentlich nur der richtige Ort sein.
Echte Beweise wird es wohl nur durch einen Zeitzeugen geben und das wird bei einer Schlacht, die nun mehr als 2000 Jahre her ist äußerst schwierig werden ;-)
 
72 Seiten Diskussion über den Ort der Varusschlacht?
Ich könnte mir vorstellen das dies noch weitere n+1 Seiten so weitergeht.
Ich, als reiner Geschichtsinteressierter gebe mich damit zufrieden das man zB ausschliesslich Münzen aus der Zeit vor und während der Varusschlacht gefunden hat, auch Tacitus Berichte über die Bestattungen der Römer durch einen Expeditionstruprr danach deuten auf den korrekten Ort hin sowie ungewöhnlich viele Waffenfunde.
Wenn man nun das Ausschlussverfahren nutzt, dann kann es eigentlich nur der richtige Ort sein.
Echte Beweise wird es wohl nur durch einen Zeitzeugen geben und das wird bei einer Schlacht, die nun mehr als 2000 Jahre her ist äußerst schwierig werden ;-)


Wenn das also so einfach wäre , hätten nicht diverse Forumsmitglieder mit einer Intensität und Leidenschaft diskutiert, die mit Sicherheit nicht hinter der der Schlacht zurücksteht?

Als ich vor Jahren mal die These hörte, daß es Zweifel an Kalkriese als Schlachtort der Varusschlacht gäbe, dachte ich, das müßten unverbesserliche Lokalpatrioten sein, die die Schlacht lieber in Ostwestfalen beim Hermannsdenkmal verorten möchten.

Dann las ich einen Artikel im Spiegel über die Schlacht und meine eigenen Zweifel wuchsen. Nachdem ich mich dann im Internet und in der Literatur eingelesen habe, habe ich noch größere Zweifel (wenngleich ich eher Kalkriese als Teil der Varusschlacht vermute.) Aber schon die nächste Grabungssaison kann wieder alles verändern. Es muß ja nur ein Stückchen Blech mit einer eindeutigen Eingravierung der Legionskennzeichnung der Varuslegionen (17., 18 und 19.) auftauchen (oder einer der Legionen des Germanicus), schon wissen wir, welche Schlacht da war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine nachfolgende Besiedlung an diesem Ort kann auch nicht ausgeschlossen werden.
Doch! Der archäologische Befund spricht für das Kalkrieser Gelände von einer Besiedlung vor der Varusschacht und einer landwirschaftlichen Nutzung erst wieder seit dem Mittelalter. Das wurde auch schon oft genug geschrieben.
El Quijote, da irrst Du Dich. Wir wissen, dass einige dieser Siedlungen in der Gegend von Kalkriese auch zur Zeit der römischen Eroberungsfeldzüge in augusteisch-frühtiberischer Zeit bestanden haben, also auch zur Varuszeit.
Die offen herumliegenden Gebeine und Körperteile mögen aus ethischen oder ordnungsliebenden Gründen entfernt worden sein, oder sie haben fortlaufend Bären oder Wölfe angelockt die ihrerseits zu einer Gefahr für Leib und Leben der Menschen vor Ort wurden.
Dies ist schlicht Ignoranz des archäologischen Befunds und das weißt du!

Maelo hat vollkommen Recht. Ich verstehe Deinen Widerspruch nicht.
 
El Quijote, da irrst Du Dich. Wir wissen, dass einige dieser Siedlungen in der Gegend von Kalkriese auch zur Zeit der römischen Eroberungsfeldzüge in augusteisch-frühtiberischer Zeit bestanden haben, also auch zur Varuszeit.
Sicher. In der Gegend. Aber nicht in Kalkriese, sondern in Engter und Venne.

Maelo hat vollkommen Recht. Ich verstehe Deinen Widerspruch nicht.

Manchmal hat Unverständnis nichts mit der Argumentation oder intellektuellem Unvermögen zu tun, sondern mit dem eigenen Willen. Du und Maelo, ihr wisst beide ganz genau, dass der archäologische Befund [der von der Interpretation zu trennen ist!] derart ist, dass die Individuen erst nach ihrer Verwesung bestattet wurden. Da ist also einem einige km entfernt lebenden germanischen Bauern, der sich vorher nicht an den verwesenden Körpern (und dem dazugehörigen Gestank) gestört hat plötzlich nach Jahren aufgefallen "Och ist das unaufgeräumt dort am Wall des Arminius"? Oder "hm, da liegen blanke Knochen, die könnten Wölfe anlocken"? Das glaubt ihr doch wohl selber nicht.
 
Die offen herumliegenden Gebeine und Körperteile mögen aus ethischen oder ordnungsliebenden Gründen entfernt worden sein, oder sie haben fortlaufend Bären oder Wölfe angelockt die ihrerseits zu einer Gefahr für Leib und Leben der Menschen vor Ort wurden.

Maelo hat vollkommen Recht. Ich verstehe Deinen Widerspruch nicht.

Da bin ich anderer Meinung. Meines Wissens sind Leichen nur in den ersten Stadien der Verwesung für Aasfresser interessant. Mit dem Fortschreitend des Zersetzungsprozesses entstehen in der Leiche Stoffe, die das Fleisch ungenießbar machen. Kein Aasfresser geht an eine Monate alte Leiche. Die Zersetzungsarbeit wird dann nur noch von der Mikrofauna erledigt. Insbesondere Knochen, die selbst schon in den weiteren Zerfall übergehen, interessieren kein Raubtier, weil sie praktisch keinen Nährwert mehr haben. Die Germanen haben die Überreste also genau in der Zeit liegen lassen, als sie "Ungeziefer" angelockt haben. Da werden sie die Knochen kaum als störend empfunden haben, als sie für Raubtiere nicht mehr attraktiv waren.

Sicher hat das Schlachtfeld Raubtiere angelockt und sicher haben solche Raubtiere die Überreste durcheinandergebracht und verteilt. Meiner Ansicht nach wird der Effekt aber überschätzt. Kalkriese ist ja nicht die Serengeti. In unseren Breiten ist die Wilddichte nicht so hoch. Der Bestand an Raubtieren ist hier eher dünn. Man sollte sich das nicht so vorstellen, dass dort Monate oder gar Jahre nach der Schlacht Scharen von Bären, Wölfen und Wildschweinen das Feld behauptet hätten.

Die Idee von ethischen oder ordnungsliebenden Gründen schließlich halte ich für völlig abwegig. Dort lagen tote Feinde, die von den Germanen besiegt worden waren. Die Gebeine waren sichtbare Zeichen dieses Sieges. Wahrscheinlicher ist, dass der Platz eine Art Wallfahrtsort war. "Ordnung schaffen" musste dort auch niemand. Ich würde wetten, dass die Menschen in jenen Zeiten des Krieges mit dem Prozess der Verwesung von Leichen gut genug vertraut waren, um zu wissen, dass sich das Problem des Vorhandenseins von Knochen in überschaubarer Zeit ganz von selbst löst. Man muss nicht buddeln, man muss nur ein paar Jahre warten und alle Reste sind weg.

Sowohl in der historischen Überlieferung als auch aus der jüngeren Vergangenheit kennen wir zahlreiche Belege dafür, dass es völlig "normal" ist, gefallene Feinde nicht zu bestatten. Sowas passiert nur, wenn der Gestank stört oder Seuchen drohen. Ansonsten bestatten in der Regel nur die eigenen Kameraden. Und selbst die nicht immer.

MfG
 
Für mich waren diese Knochengruben von jeher immer das beste Argument für die Varus-These in Kalkriese. Weitaus nachvollziehbarer als z.B. die Sache mit den Münzen.

Trotzdem ist die Sache schon aufgrund der geringen Anzahl (17+1) nach wie vor seltsam. Und warum bestattet man diese Knochen direkt an dem Wall? Eine eigenartige Stelle.

Trotzdem: Wenn man man die Sache genau bedenkt, fällt es außerordentlich schwer eine wirklich sinnvolle Theorie abzuliefern welche gegen die Varus-These spricht (außer evt. die Caecina-Sache, aber dieses Fass möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht schon wieder öffnen). Das mit den ordnungsliebenden Germanen ist wirklich komplett abzuschreiben. Zerstückelte Leichen sind möglich aber können auch nicht so recht gefallen. Die Sache mit den Wundverbänden hinsichtlich der Knochengruppen scheint mir bezgl. der Fundlage auch am logischten, obwohl diese Sache mit Sicherheit nicht endgültig sein muß. Es ist wie immer mit Kalkriese: Man hat Argumente pro und contra. Allerdings sollte man auch realistisch abwägen.:winke:
 
Und warum bestattet man diese Knochen direkt an dem Wall? Eine eigenartige Stelle.

Die Knochen sind ja nicht direkt am Wall bestattet worden. Die Gruben liegen zwischen - geschätzt nach dem Plan aus dem Fundkatalog Kalkriese 3 - 5 und 55 m vom Wall entfernt. Zur Beantwortung: Weil sie dort lagen, weil es am wenigsten Aufwand machte, sie dort zu bestatten, wo sie sich gerade befanden.
 
Für mich waren diese Knochengruben von jeher immer das beste Argument für die Varus-These in Kalkriese.

Trotzdem ist die Sache schon aufgrund der geringen Anzahl (17+1) nach wie vor seltsam. Und warum bestattet man diese Knochen direkt an dem Wall? Eine eigenartige Stelle.

:winke:


Neben den bereits genannten, günstigen Umständen für den Knochenerhalt möchte ich auch darauf hinweisen, daß Kalkriese wohl nicht der "Endpunkt" der Auseinandersetzung war. Hier ist eine römische Armee entlangmarschiert und wurde angegriffen, aber wohl nicht komplett vernichtet. Lädiert ist sie weitermarschiert, wobei einiges an Menschen und Material "verlorenging" und liegenblieb.


In diesem Thread (oder einem ähnlichen zu dem Thema) wurde diese These erwähnt (war das nicht der Ritter von der traurigen Gestalt namens Don Quixote???). Das würde aber auch bedeuten, daß es irgendwoanders in mehr oder weniger Entfernung von Kalkriese noch das eine (oder mehrere) Schlachtfelder geben sollte, wo der Rest der Varuslegionen vernichtet wurde. (Jetzt müßte man nur im Umkreis von so 20 - 30 km geschätzt um Kalkriese überall nachschauen, oder??? :grübel::grübel::grübel:)
 
Hallo Freunde der Geschichtsforschung

Die römische Armee war eine durchstrukturierte und höchst rational aufgebaute Institution. Die Straßen der Römer wurden nach Möglichkeit schnurgerade errichtet, der Aufbau der Militärlager folgte einer strengen schematischen Maßgabe und die Schlachtformationen bestanden aus klar gegliederten Truppenteilen. Nichts in dieser Hinsicht wurde dem Zufall überlassen. Ordnung war ein hohes Gebot. Dieses sind Gründe warum Rom überhaupt zu der antiken Weltmacht aufsteigen konnte.

Auf dem Höhepunkt der römischen Machtentfaltung betraten 8 Legionen, ein etwa 50000 Mann starkes Heer, in einem gesicherten Gebiet, das Schlachtfeld der Varuslegionen auf dem die Gebeine der Varuslegionen herumlagen, nur um diese zu bestatten und ihnen dadurch eine ehrende Geste zukommen zu lassen. Selbst wenn nicht alle Gebeine in dem einen histographisch belegten Grabtumulus bestattet wurden, so kann es nicht sein ,dass die übrigen Knochen von dieser beschriebenen durchstrukturierten und rational agierenden römischen Armee, lieb- und würdelos in irgendwelchen Bodensenken deponiert wurden. Diese Knochenablage in der Niewedder Senke, die locker durch fünf Personen an einem Vormittag geschafft werden konnte, war sicherlich nicht das Werk dieser riesigen Germanicusarmee. Die Römer hätten sich bei einer Erdbestattung weit mehr Mühe gemacht und Gruben gegraben die nach einem sinnvollem System angelegt worden wären. Die 8 Knochengruben von Kalkriese folgen keinerlei System in ihrer Anlage zueinander noch in ihrer Größe. Die Germanicuslegionen hätten bei der Bestattung sicher auch Menschen- und Tierknochen voneinander unterschieden.

Ich bestreite, und der Grabungsbefund legt es nahe, dass weder die Tierkadaver noch die menschlichen Überreste vollständig verwest waren als sie versorgt wurden. Zwei Maultiere wurden in anatomischen Verband vom Wallmaterial verschüttet als sie noch nicht der vollständigen Verwesung ausgesetzt waren. Zu behaupten, dass sie während der Kampfhandlungen, und durch die Kampfhandlungen vollständig vom Wallmaterial begraben wurden ist abwegig, wenn man bedenkt dass dieser Wall kaum mehr als 1,5 Meter hoch war. Ein Maultier ist in Rückenlage verendet, wobei seine Beine die erste Zeit nach oben gen Himmel ragten. Erst nach dem Ende der Leichenstarre und bei Beginn der Verwesung kippten die Beine zur Seite und wurden dann vom Wallmaterial überlagert. Ein Pferd wurde ebenfalls vom Wallmaterial begraben, wobei vorher noch große Stücke aus dem Kadaver von Raubtieren herausgerissen wurden. Diese Tatsachen belegen, dass sich erst geraume Zeit nach diesem Ereignis jemand die Mühe gemacht hat, die Kadaver mit Erdmaterial abzudecken.

Etwas ähnliches muss auch für die Deponierung in den Knochengruben gelten, denn auch hier waren aufgrund des archäologischen Befundes einige Körperteile im Verbund, also noch nicht vollständig verwest, als sie eingelagert wurden.

Wer sich diese Arbeit aus welchen Gründen gemacht hat (mögliche Gründe habe ich bereits angeführt), wird sich sicherlich nicht mehr abschließend klären lassen, aber das war bestimmt nicht das Werk der Legionen des Germanicus.

Gruß Maelo
 
Neben den bereits genannten, günstigen Umständen für den Knochenerhalt möchte ich auch darauf hinweisen, daß Kalkriese wohl nicht der "Endpunkt" der Auseinandersetzung war. Hier ist eine römische Armee entlangmarschiert und wurde angegriffen, aber wohl nicht komplett vernichtet. Lädiert ist sie weitermarschiert, wobei einiges an Menschen und Material "verlorenging" und liegenblieb.


In diesem Thread (oder einem ähnlichen zu dem Thema) wurde diese These erwähnt (war das nicht der Ritter von der traurigen Gestalt namens Don Quixote???). Das würde aber auch bedeuten, daß es irgendwoanders in mehr oder weniger Entfernung von Kalkriese noch das eine (oder mehrere) Schlachtfelder geben sollte, wo der Rest der Varuslegionen vernichtet wurde. (Jetzt müßte man nur im Umkreis von so 20 - 30 km geschätzt um Kalkriese überall nachschauen, oder??? :grübel::grübel::grübel:)
Wahrscheinlich weiter als 20 - 30 Kilometer. Einigermaßen gesichert erscheint, dass die Römer von Osten nach Westen durch den fünf oder sechs Kilometer langen Engpass zogen. Da westlich der Wallreste noch große Mengen an römischen Fundstücken ausgegraben wurden, steht fest, dass ihnen der Durchbruch gelungen ist. Das Ende muss also weiter westlich gekommen sein.

Meiner Ansicht nach kann es sich bei Kalkriese auch nicht um eine späte Phase des Kampfes gehandelt haben. Zwei Argumente dafür:

1. Es wäre den Germanen sicher nicht gelungen, ein so großes römisches Heer in einem mehrtägigen Kampf zu einem vorbereiteten Hinterhalt (Wall) zu drängen. Die einzig vernünftige Erklärung dafür, dass der Kampf vor diesem Wall stattfand, sehe ich darin, dass die Legionen von vermeintlich befreundeten germanischen Scouts dort hingeführt wurden.

2. Die Funde zeigen, dass die Römer beim Kampf vor dem Wall noch einen Tross mitgeführt haben. Am Ende der viertägigen Schlacht haben sie sicher keinen solchen Tross mehr gehabt. Jedenfalls keinen nennenswerten (dazu gleich noch ein paar Nachsätze).

Deshalb gehe ich davon aus, dass die Legionen von angeblich verbündeten Germanen, die den Aufstand von langer Hand vorbereitet hatten, bis in den Engpass zwischen Sumpf und Höhenzug geführt wurden. Da wurden sie - noch in gelockerter Ordnung marschierend - plötzlich massiv angegriffen. Ihre einzige Möglichkeit, sich aus den Kämpfen zu lösen, bestand darin, an dem Wall entlang aus dem Engpass herauszumarschieren. Wenn Kalkriese Teil der Varusschlacht ist, müssten sich dort demnach die Kämpfe des ersten Tages der Schlacht abgespielt haben. Danach sind die Legionen noch zwei bis drei Tage lang marschiert. Pro Marschtag konnten sie unter den Bedingungen sicher nicht viel mehr als 20 Kilometer zurücklegen. Der Ort der endgültigen Niederlage könnte also rund 60 Kilometer von Kalkriese entfernt liegen.

Nochmal zum Thema Tross. Das ist schonmal angsprochen worden:
Sie [die Funde] zeigen, dass die Legionen zu dem Zeitpunkt noch einen Tross hatten, der am vierten Tag des Kampfes wohl nicht mehr existiert hat...

Vorsicht, bei Cassius Dio, dessen Quellenwert ich - wie ich bei keiner Gelegenheit müde werde zu betonen - bzgl. der Varusschlacht für sehr gering halte - ist davon die Rede, dass die Römer einen Teil ihrer Wagen verbrannten, nicht alle. Cassius Dio ist überhaupt der einzige, der etwas in dieser Richtung zu berichten weiß.
Ich stütze mich mit der Aussage nicht so sehr auf Cassius Dio sondern auf die mutmaßlichen Gegebenheiten. Römisches Militär musste aufgrund seiner Kampfweise gewaltige Mengen an Material mitschleppen. Pro Legionär waren das 30 Kilo Material oder mehr. Zusätzlich dazu noch das Zeug, das auf Karren und Tragtieren mitgeführt wurde. Dieses Material war wichtig, denn die militärischen Erfolge der Legionen hingen in hohem Maße mit den Pionierleistungen zusammen, zu denen sie fähig waren. Zum Beispiel mussten sie die Wege, über die sie mit all dem Material ziehen wollten, erstmal begehbar machen. Es musste also das Ziel der germanischen Angreifer sein, den Römern ihren Tross zu nehmen. Dass der Tross ein Grund für die Niederlage war, lässt sich auch aus späteren Anordnungen von Tiberius schließen. Zudem: Wenn es stimmt, dass es sich um eine drei oder vier Tage dauernde Marschschlacht handelte, konnten die Legionäre sich auf diesem Marsch wegen der dauernden Kämpfe nicht mit viel Gepäck belasten. Und der Tross (Karren und Maultiere) war in dieser Phase am verwundbarsten. Am Ende der vier Tage kann vom Tross einfach nicht mehr viel übrig gewesen sein.

MfG

P.S.: Und mäkel nicht immer am armen Dio rum. Der hatte schonmal Recht in einer Frage, in der alle ihm immer Phantasterei nachgesagt haben. :p
 
Ach, @maelo!

Zu Den von Dir geäußerten Thesen zu den Knochen schreibe ich jetzt nichts mehr. Nur noch drei Fragen dazu:

- Wer hat die Bestattung denn vorgenommen?
- Warum sollte jemand ausgerechnet ein Maultier beerdigen?
- Wenn die Knochen zum Zeitpunkt der Bestattung noch einen Verbund hatten, warum ist das an der großen Mehrheit der Knochen in den Gruben dann nicht mehr zu sehen?

Nun aber zu folgenden Aussagen:
Auf dem Höhepunkt der römischen Machtentfaltung betraten 8 Legionen, ein etwa 50000 Mann starkes Heer, in einem gesicherten Gebiet, das Schlachtfeld der Varuslegionen auf dem die Gebeine der Varuslegionen herumlagen, nur um diese zu bestatten und ihnen dadurch eine ehrende Geste zukommen zu lassen.
Germanicus ist keineswegs ausgezogen, um die gefallenen Varuslegionen zu bestatten. Er ist ausgezogen, weil sich der Feind neu formierte und weil er ihn "zersplittern" wollte, damit nicht "die ganze Wucht des Krieges aufeinmal" über die Römer hereinbreche. Das war keine Bestattungsmission, das war ein Präventivschlag. Vielleicht auch ein Vergeltungskrieg. Jedenfalls wollte Germanicus nicht die gefallenen Römer sondern die germanischen Feinde unter die Erde bringen. Die Bestattung erfolgte "nebenbei", gegen den Willen des Kaisers und nicht, um die Gefallenen zu ehren, sondern um die Lebenden aufzustacheln. Lies bei Tacitus nach, wie die Bestattung angeblich auf die Bestattenden gewirkt hat, dann weißt Du, welchem Zweck sie diente. Und schließlich: Wenn die Legionen so ein hochstrukturiertes und effektives Instrument waren, wie Du es beschreibst, dann wäre es ziemlich naiv von Germanicus gewesen, mit allen acht Legionen auf dem Schlachtfeld, "in einem gesicherten Gebiet", aufzumarschieren. So viele Leute hätten da gar nichts sinnvolles tun können. Die wären anderswo viel nützlicher gewesen. So, wie Du das beschreibst, führt man keinen Krieg!

MfG
 
Ich bestreite, und der Grabungsbefund legt es nahe, dass weder die Tierkadaver noch die menschlichen Überreste vollständig verwest waren als sie versorgt wurden. Zwei Maultiere wurden in anatomischen Verband vom Wallmaterial verschüttet als sie noch nicht der vollständigen Verwesung ausgesetzt waren. Zu behaupten, dass sie während der Kampfhandlungen, und durch die Kampfhandlungen vollständig vom Wallmaterial begraben wurden ist abwegig, wenn man bedenkt dass dieser Wall kaum mehr als 1,5 Meter hoch war.

Der Wall wird etwa 2 m hoch gewesen sein und es ist relativ gleichgültig, ob der Wall noch während der Kampfhandlungen oder erst später abgerutscht ist, die vom Wall verschütteten Maultiere jedenfalls hat er unter sich begraben und so nimmt es nicht wunder, dass ihre Erhaltung eine andere ist, als die der Knochen in den Knochengruben, die eben im ggs. zu den Maultieren zunächst an der Erdoberfläche lagen.

Ein Maultier ist in Rückenlage verendet, wobei seine Beine die erste Zeit nach oben gen Himmel ragten. Erst nach dem Ende der Leichenstarre und bei Beginn der Verwesung kippten die Beine zur Seite und wurden dann vom Wallmaterial überlagert.
Sie zeigten nach oben, frei in den Himmel ragten sie nicht: "Der Knochen stand im steilen Winkel im Sediment, die Gelenkpfanne wies nach oben. Diese Position zusammen mit der erschlossenen Lage der Oberarmbeine lässt nur den Schluss zu, dass die Vorderbeine des Tieres steil nach oben gerichtet waren. Da der Kopf auf der Seite lag, bedeutet dies, dass der Tierkörper in sich verdreht war. Ein Hindernis muss die Vorderbeine daran gehindert haben, ebenfalls zur Seite zu fallen und eine flache Lage einzunehmen. [...] Bei der Verwesung des Kadavers muss die Schulter bereits hinterfüllt gewesen sein, da sie sonst ihre steile Lage nicht beibehalten hätte.
Nach Aussage des Grabungsbefundes kommt als Hindernis, das die Vorderbeine des Tieres in dieser unnatürlichen Position gehalten hat, nur der an dieser Stelle aus Rasensoden aufgebaute Wall in Frage. Der Tierkadaver muss im Bereich des nördlichen Wallfußes gelegen haben. [...] Ein Konvolut aus Geschirrteilen mit er darin hängenden Bronzeglocke kam im Winkel zwischen Brust, Hals und Wall zu liegen. Es mag dort, zumindest bereits teilweise von Wallmaterial überdeckt, der Aufmerksamkeit derer entgangen sein, die das Schlachtfeld nach brauch- oder einschmelzbaren Metallteilen abgesucht haben." Uerpmann/Uerpmann, Tierknochenfunde aus den Grabungen am Oberesch. In Kalkriese 3, S. 129 f.

Ein Pferd wurde ebenfalls vom Wallmaterial begraben, wobei vorher noch große Stücke aus dem Kadaver von Raubtieren herausgerissen wurden. Diese Tatsachen belegen, dass sich erst geraume Zeit nach diesem Ereignis jemand die Mühe gemacht hat, die Kadaver mit Erdmaterial abzudecken.

Im Vgl. der Pferde und Maultierkadaver: "Auffallend bleibt jedenfalls, dass der Pferdekadaver in Schnitt 34 so deutliche Spuren des Zugriffs von Aasfressern zeigt, während der Maultierkadaver im knapp 50 m entfernten Schnitt 32 unversehrt blieb. Als Grund für den Erhaltungsunterschied ist vor allem an eine unterschiedlich schnelle Sedimentüberdeckung der Kadaver zu denken. Offenbar wurden die unmittelbar am Wallfuß liegenden Tierleichen in den Schnitten 20 und 32 so schnell vom Versturz überdeckt, dass den Aasfresssern der Zugang verwehrt blieb. Möglicherweise wurde der Wall in manchen Bereichen noch während des Schlachtgeschehens so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass die direkt am Wallfuß liegenden Tierleichen verdeckt wurden. Im Bereich von Schnitt 34 scheint das nicht der Fall zu sein. ZWar lag der Pferdekadaver ewtwas vom Wallfuß entfernt, der zum Wall hin verschleppte Teil des Brustkorbes zeigt jedoch, dass dieses Bauwerk noch stand, während sich die Aasfresser an dem Kadaver zu schaffen machten. Später muss es dennoch der Wallversturz gewesen sein, der die Rest des Tieres konservierte." Uerpmann/Uerpmann, S. 143.

Etwas ähnliches muss auch für die Deponierung in den Knochengruben gelten, denn auch hier waren aufgrund des archäologischen Befundes einige Körperteile im Verbund, also noch nicht vollständig verwest, als sie eingelagert wurden.
Dieses Argument haben wir in den letzten Tagen häufgier gelesen. Es wurden Gegenargumente dazu gebracht, u.a. das von Rost/Großkopf, dass die Hände sich in Verbänden befanden oder sonst wie trotz Verwesung vor dem Auseinanderfallen geschützt waren. Worauf ebenfalls hingewiesen wurde, worauf es bisher aber noch keine überzeugende Antwort gegeben hat ist, dass diese Hände a) nicht gewaltsam vom Körper getrennt wurden und b) dass sie die absoluten Ausnahmen bilden, was die anatomische Zusammengehörigkeit bedeutet. Wer die Hände als Ausgangspunkt von Neuüberlegungen nehmen möchte, der muss diese beiden diskrepanten Aspekte auch erklären!

Wer sich diese Arbeit aus welchen Gründen gemacht hat (mögliche Gründe habe ich bereits angeführt),
Welche nicht überzeugen!
 
P.S.: Und mäkel nicht immer am armen Dio rum. Der hatte schonmal Recht in einer Frage, in der alle ihm immer Phantasterei nachgesagt haben. :p

Da geht es mir ja letztlich nur um seine deutlichen Abweichungen von den Darstellungen der anderen drei wichtigen "Chronisten" des Schlachtgeschehens und seine unverwundbaren Supergermanen... du weißt schon.
 
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