Das griechische Heer in spätgeometrischer Zeit

Wenn es nun diese Art Proto-Phalanx wie sie beschrieben wurde, wirklich gab, wie sah dann die gesellschaftliche Zusammensetzung des Heeres aus? Haltet ihr ein Adelsheer für nicht realistisch oder waren eurer Meinung nach bäuerliche Kontingente im Heer vorhanden?
 
Leider mangelt es mir momentan an den zeitlichen Kapazitäten, aber vielleicht kannst du dich dazu durchringen, zwischendurch noch ein Buch zu dem Thema zu lesen, ehe wir weiterdiskutieren. Z.B. in den oben von mir empfohlenen Werken sind die von dir gewünschten Informationen enthalten. Eine Diskussion wird irgendwann etwas ermüdend, wenn sie zur reinen Fragestunde mutiert.
 
Bei einer "Proto-Phalanx" stelle ich mir einen Vorläufer der klassischen Phalanx vor. Kann man diesen Vorläufer in Homers Zeiten belegen. Ich halte diese Formationen weiterhin für einfache Gruppierungen also rudimentäre Schlachtformationen. Aber ich ändere meine Meinung gerne wenn Belege auftauchen.
Der Aspis ist nicht zwingend notwendig für eine Phalanx. Denk an die makedonische Phalanx die ja auch keine allzu großen Schilder trugen (wenn überhaupt welche). Außerdem könnte man auch mit dem geometrischen Achterschild eine Phalanx bilden...

Wir stoßen hier auf eine Schwierigkeit, die auch DerKorinther schon angedeutet hat. Was macht eine Phalanx aus? Einerseits widersprichst Du der Deutung der homerischen Kampfweise als "Protophalanx", andererseits scheinst Du Phalanx als seit weitgehend zu definieren, weil sozusagen der benutzte Schild egal ist. Dann kämpfen die homerischen basileis und laoi bereits in einer Phalanx, wenn damit nur die in Reihen und Glieder geordnete Aufstellung gemeint ist.

Da ein Teil der Hopliten auf Bildern des 7. Jhr. mit mehr als einem Speer gezeigt wird, also scheinbar Hopliten in Phalanx häufig mindestens einen Wurfspeer trugen, kann man auch den Verzicht auf Wurfwaffen nicht als Kriterium für eine Phalanx nehmen.

Definitionen sind Kästchen und historische Wirklichkeit paßt nie ganz in Kästchen, aber ich würde eine klassische Phalanx als eine dichte Formation aus Reihen und Gliedern bezeichnen, die hauptsächlich mit dem Speer den gemeinsamen Nahkampf sucht, wobei das wesentliche Schutzelement durch große, überlappende Schilde massiver Konstruktion erzielt wird und nicht auf den individuellen Soldaten, sondern das Funktionieren der Einheit bezogen ist (die aspis schützt auch die rechte Seite des Nebenmannes). Letzteres nehme ich für die homerische Zeit nicht an, ich vermute mehr eine aufs Individuum bezogene Schutz- und Kampfphilosophie (mit Kampf in Formation) ähnlich wie bei den römischen Legionären oder den iberischen und keltiberischen Bewohnern Hispaniens. Daher "Protophalanx" (denn eine "Proto-Manipulartaktik" würde ich den Leuten nicht zugestehen.)

Eine Formation mit sarissai ist für mich keine klassische Phalanx, allerdings ist das gemeinsame Kampfelement für mich so groß, daß ich sie als Weiterentwicklung der Phalanx in die gleiche Ecke stellen würde. Es kommt auch bei ihr in extremer Weise auf den Zusammenhalt der Formation an. Außerdem gab es für sarissai-Phalangen auch das enge Manöver, wo man die Abstände halbierte und so einen vergleichbaren Schutz erreichte wie die klassische Phalanx.


Wieso denn das^^? Die klassische und hellenistische Epoche sind weitgehend erforscht. Die geometrische Epoche und die noch länger zurückliegende Geschichte Griechenlands liegen weitgehend im Dunkeln. Auf diese weitgehend unerforschten Gebiete der Geschichte muss man sein Augemnmerk richten, damit in unseren Geschichtsverständnis nicht dunkle Flecken verbleiben.

Weil ich keine Ahnung von der geometrischen Epoche habe, es wenig Quellen dazu gibt, ich mir keine anschauliche Vorstellung der Leute und ihrer Umwelt, ihrer Kriegszüge und Probleme machen kann, und das Ganze daher als blutleer empfinde. :p Als Laie kann ich mir so eine Einstellung eben erlauben. Für Dich als angehenden Archäologen/Historiker (?) sieht das natürlich anders aus. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hmm...gut, einverstanden: Lassen wir das mit der Proto-Phalanx einmal so stehen. Die Kämpfer standen demnach entweder in lockerer Formation um ihre Speere effektiv auf den Feind werfen zu können oder (bzw. nachdem sie ihre Speere verschoßen hatten) schloßen sich in einer engen Kampfformation zusammen um sich besser zu verteidigen bzw. angreifen zu können.

Weil ich keine Ahnung von der geometrischen Epoche habe, es wenig Quellen dazu gibt, ich mir keine anschauliche Vorstellung der Leute und ihrer Umwelt, ihrer Kriegszüge und Probleme machen kann, und das Ganze daher als blutleer empfinde. :p Als Laie kann ich mir so eine Einstellung eben erlauben. Für Dich als angehenden Archäologen/Historiker (?) sieht das natürlich anders aus. :winke:
Naja schaun wir mal ob es zu einem Studium kommt ;), z.Z. muss ich mich mal von meiner Matura erholen.
 
Zuletzt bearbeitet:
(...) aber wenn zu Homers Zeiten tatsächlich immer nur ein paar Dutzend Adlige in die Schlacht gezogen wären, hätte er sich mit der Schilderung von solchen Truppenmassen doch lächerlich gemacht.

Nicht unbedingt; immerhin dürfte kein Mensch jemals ein gesamt-griechisches Aufgebot gesehen haben. Die Adligen, die an den Anblick kleiner Haufen von ein paar dutzend oder hundert Kriegern gewöhnt waren, mögen sich durchaus vorgestellt haben, dass es unüberschaubare Massen ergeben hätte, hätte man die kleinen Haufen aus ganz Griechenland zusammengezogen.

Und natürlich können die 50-100 Mann pro Schiff nicht allesamt Adlige gewesen sein und auch nicht nur nichtkämpfendes Gefolge, da müssen Fußsoldaten inkludiert sein.

Ich würde vermuten, das es keine scharfe Trennung zwischen Kombattaneten und Dienern/Helfern gegeben hat; Haupt- und Vorkämpfer waren die Adligen, die sich die kostspieleigen Rüstungen leisten konnten und durch eine lebenslange Erziehung im Kampf ausgebildet waren. Die "Masse" hatte (wie im europäischen Mittelalter) v.a. unterstützende Funktionen als Schützen, oder um in dichten Reihen den weichenden "Helden" den Rücken zu decken; daneben natürlich nicht-militärische Aufgaben; aber die entscheidende Rolle im Gefecht lag bei den Adligen. Im Gegensatz dazu steht die Hoplitenphalanx, wo die bisher zwar vorhandene, aber nachrangige Masse der Fußkämpfer die zentrale Rolle übernahm, u.a. durch die weitere Verbreitung von Rüstungsteilen, könnte ich mir vorstellen.
 
So ich hab ja gewusst dass ich darüber irgendwo gelesen habe. In "Das frühe Griechenland" von Kai Brodersen habe ich ein interessantes Kapitel zum Lelantinischen Krieg gefunden. Dieser Begriff bezeichnet einen Konflikt zwischen den griechischen Städten Chalkis und Eretria zwischen 710 und 650 vor Christus, also in spätgeometrischer und früharchaischer Zeit.

(...) Strabon führt weiter aus, daß Eretria auch Andros, Teos, Keos unnd andere Inseln beherrschte; er gibt eine (uns nicht erhaltene) Inschrift wieder, in der ein Aufmarsch von zweitausend Mann zu Fuß, sechshundert zu Pferd und sechzig Streitwagen genannt sind (Strabon 10, 10 p. 448) - eine große Streitmacht für eine solche Stadt und ein auffallend großer Anteil von Berittenen. (...)

(...) Tatsächlich war der also der Lelantinische Krieg ein gentleman's war; dafür spricht auch, daß auf einer weiteren Inschrift, die ebenfalls (nur) Strabon (10, 12 p. 448) zitiert, und die im Tempel der Artemis von Amarynthos stand, festgehalten war, beiderseits keine Fernwaffen zu verwenden, also das Steinewerfen und Pfeileschießen der unteren Klassen zu vermeiden. An eine solche Art von Kämpfen erinnerte man sich wohl auch eine Generation später noch, als bereits neue Methoden der Kriegführung üblich waren. (Archilochos 3 W = 3 D) (...)

(Aus: Kai Brodersen, Das frühe Griechenland, S. 100-101)
 
Ich halte dies schlichtweg für eine Übertreibung Homers. Ich glaube auch nicht dass sich Homer "lächerlich" gemacht hätte, wenn er fälschlicherweise von großen Massen an Kriegern beschrieb.

Dazu sind vielleicht diese beiden links interessant:
Homers Katalog der Schiffe - Google Bücher
Edzard Visser: Homers Katalog der Schiffe, 1997.
(epische Erzählform, geographische Bezeichnungen als konkreter Hintergrund, Machtverteilung)

sowie für die reine Listung:
Catalogue of Ships - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Aber was soll uns das anderes sagen als, daß der beschriebene Krieg eine Art besondere Absprache darstellte, bei der extra festgelegt wurde, daß man keine Fernwaffen benutzte (scheinbar in Abweichung von der Norm) und in dem daher vor allem die oberen Klassen (zu Pferd und zu Fuß) antraten?
 
Dass man keine Fernkampfwaffen benutzte stellte keine Abweichung von der Norm dar, sondern galt späteren Generationen als erwähnenswert, da es zu ihrer Zeit bereits üblich war. Dies wollte m.E. der Autor ausdrücken.

Ich zitierte den Autor, da mir selbst nicht bewusst gewesen ist, dass die Griechen zu dieser Zeit Berittene UND Streitwägen eingesetzt haben.
 
Wenn das Nicht-Verwenden von Fernwaffen die Norm war, wieso sollte man dann eine Absprache, die Dinger nicht zu verwenden, in Stein meißeln?

Die Verwendung von Streitwagen und Reiterei ist interessant, allerdings findet man das auch noch woanders, z.B. bei den Assyrern. Eine für das Militär typische Transformationszeit, in der die alte, teure, prestigeträchtige, allerdings letztlich weniger leistungsfähige "Waffe" (im weitesten Sinne) zusammen mit neuen Ersatz"waffen" angewandt wird.

Was ich für wahrscheinlicher halte, wäre, daß die reichsten auf Streitwagen zum Schlachtort fuhren, die zweitreichsten auf Pferden zur Schlacht ritten, danach aber alle gemeinsam mit den drittreichsten zu Fuß kämpften.

M. Junkelmann vermutet einmal, der runde Hoplitenschild sei eigentlich ursprünglich ein Schild von Reitern gewesen, die ihn zu Pferde und zu Fuß einsetzen konnten.
 
Zu Pferde? Für einen Reiter ist der doch viel zu groß. Wenn der von Reitern getragen wurde, dann wohl wirklich nur, um vor der Schlacht abzusteigen und zu Fuß zu kämpfen.
 
Soweit mich meine Erinnerung nicht täuscht, wird der große Schild ab dem 3. Jhr. v. Chr. nachweisbar wieder von bestimmten Reitereinheiten verwendet. Ich müßte dazu aber noch mal nachschauen, genauso wie wegen Junkelmanns Aussage.

Wenn man sich übrigens die großen Langschilde hochmittelalterlicher Reiter anschaut, so viel kleiner/leichter als Hoplitenrundschilde waren die auch nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber sie waren nicht rund! Wie soll ein Reiter denn so einen großen Hoplitenschild benützen? Vor sich halten kann er den nicht, wenn er auf einem Pferd sitzt, er müsste ihn immer seitlich halten.
 
Eigentlich bin ich auch skeptisch, was den Einsatz eines Aspis vom Pferderücken angeht; allerdings machen die zum Rand hin versetzten Griffe das theoretisch durchaus möglich. Die linke Hand saß praktisch am Schildrand, so dass der Schild rechts nicht "übersteht" und mit dem Pferdehals in Konflikt gerät, sondern links, wo das sehr viel weniger stört. Aber der Sinn ist mir auch nicht einleuchtend, andere Schildkonstruktionen scheinen mir praktikabler bei geringerem Gewicht.
 
Nun ja, ich verstehe eure Bedenken, habe selbst dazu noch keine rechte Meinung. Ich will nur bemerken, daß man einen großen Dreiecksschild auch nur seitlich halten kann. Allerdings deckt dieser dann auch die gesamte Seite von Schulter bis Fuß, dafür stört er mehr am Bein beim Reiten. Es kann sein, daß es für das Reiten ohne Steigbügel vorteilhaft war, wenn der Schild nicht so weit runterreichte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Dreiecksschild wurde nach unten zu immer schmaler, den konnte man also so halten, dass er unten neben dem Pferd ist und oben doch den Reiter halbwegs von vorne deckt. Das ging bei einem Rundschild nicht.
 
Ich habe meine Erinnerung wieder etwas aufgefrischt:

1. Im 3. Jhr. v. Chr. tauchen vermehrt Abbildungen von Kavalleristen mit großem Rundschild (aspis) auf. Wann und wieso die Entwicklung gestartet hat, ist umstritten. Manche meinen, das verstärkte Auftreten tarentinischer Söldner, die schon immer einen Schild benutzten, ab 320 v. Chr. sei entscheidend gewesen. Ich folge hier Duncan Head, der die (Wieder-)Einführung des großen Reiterschildes mit Pyrrhos Erfahrungen in Italien verbindet und von einer Verbreitung ab den 270er Jahren ausgeht. Polybios (IV, 25) teilt mit, daß die griechische Kavallerie Schilde führt und sich die Römer daran ein Beispiel genommen haben. Pausanias schreibt, daß Pyrrhos Reiterschild in Argos als Trophäe blieb.

Da das hier off topic ist, belasse ich es mal dabei, siehe aber auch unten zur angeblichen Unmöglichkeit der Benutzung.


2. Markus Junkelmann (Die Reiter Roms, Teil II, S. 21) weist darauf hin, daß frühe Vasen aus der Archaik zwar oft Krieger mit aspis zeigen, denen ein Ungepanzerter das Pferd hinterherführt, oft aber auch Kampfszenen mit Reitern mit aspis und Stoßlanze gezeigt werden, wobei dann der ungepanzerte Jüngling mit Wurfspeeren, auch auf einem Pferd, in den Kampf eingreift. Man kann also auch von aufgesessenem Kampf mit Schild ausgehen. Da mich die Archaik kaum interessiert, habe ich allerdings leider keine Vasenbilder als Beispiele abgespeichert, vielleicht hat jemand anderer welche.

Junkelmann sagt weiter, daß die aspis auf dem Pferd nicht sonderlich schwer zu führen ist und weist zu Recht darauf hin, das runde und ovale römische Kavallerieschilde des 2. bis 5. Jhr. n. Chr. ungefähr gleiche Ausmaße und Gewichte wie aspides hatten (z.B. Durchmesser/Breiten von 92 bis 97 cm). Er hält die aspis ursprünglich evtl. sogar für einen Reiterschild (Die Reiter Roms, Teil III, S. 175).

3. Ich habe mal einen Versuch mit meiner aspis gemacht (allerdings nicht auf einem echten Pferd). Sie ist recht groß (96 cm Durchmesser, man findet Exemplare von 80 bis 100 cm Durchmesser) und entspricht für eine Replika sehr genau der orginalen suppentellerartigen Schildform (was leider selten ist). Allerdings ist sie viel zu schwer, 9,5 kg. Orginale werden auf 6 bis 8 kg geschätzt (z.B. Peter Conolly). Trotz des unrealistisch hohen Gewichts ist der Schild recht angenehm auch bei breitbeinigem Sitzen oder auf dem Fahrrad zu tragen. Er liegt mit dem oberen Innenrand auf der Schulter auf, unten am Oberschenkel an und schützt leicht schräg gestellt die gesamte linke Seite.

Viel unangenehmer als das Monster zu Fuß zu benutzen, kann der Einsatz auf dem Pferd nicht gewesen sein, solange man die Zügelführung beherrschte. Da ich außerdem immer generell der Ansicht bin, daß unsere Vorfahren keine Trottel waren, gehe ich davon aus, daß die bildlichen Quellen, die den Einsatz des Schildes zu Pferde zeigen, zutreffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun ja, ich verstehe eure Bedenken, habe selbst dazu noch keine rechte Meinung. Ich will nur bemerken, daß man einen großen Dreiecksschild auch nur seitlich halten kann. Allerdings deckt dieser dann auch die gesamte Seite von Schulter bis Fuß, dafür stört er mehr am Bein beim Reiten. Es kann sein, daß es für das Reiten ohne Steigbügel vorteilhaft war, wenn der Schild nicht so weit runterreichte.

Lange her, aber dennoch eine Antwort: ;)

Unabhängig von der Steigbügelfrage ist ein tropfenförmiger Schild die ideale Form für einen Reiter: Sie deckte ziemlich genau den gesamten Körper inkl Bein ab, wenn man auf einem Pferd sitzt, zumindest nach einer Seite. Damit vereint sie max Schutz bei min Gewicht. Gleiches lässt sich über einen Aspis nicht sagen. Ein großer, runder Schild , der bedeutende Teile des Körpers deckt, steht bei der statistisch doch eher länglichen Gestalt des Menschen grundsätzlich zur Seite über. Beim Spis konzentrierte sich das auf die linke Seite, um so mit dem Ineindandergreifen der Schilde den Zusammenhalt der Phalanx zu erhören. Zu Pfrd funzt diese Idee einach nicht. Wenn entsprechende Abbildungen gibt würde ich immer von Reitern ausgehen, die zum Gefecht absteigen. Oder es sind evtl kleinere runde Schilde gemeint, nicht ein Aspis.
 
Zurück
Oben