Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@Tib.Gabinius

1.) Du vergisst, dass wir über das Jahr 14 n.Chr. (das Todesjahr des Augustus) sprechen.

2.) Du ignorierst, dass Tacitus die Gründe für die Meuterei nennt:
allgemein schlechte Dienstbedingungen, verlängerte Dienstzeiten der Veteranen und zu geringer Sold.

Diese Missstände gehören in die Regierungszeit des Augustus.

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass unzufriedene Legionäre (ob angetrunken oder nicht) ihre Wut an den Münzen des Augustus ausließen. Und zwar nach Bekanntwerden seines Todes. Kaum ein Legionär hätte den Mut gehabt, das Bildnis des Kaisers zu dessen Lebzeiten zu verunstalten.

Ich frage Dich, wann, wenn nicht im Zuge der Meuterei 14 n.Chr., die Münzen des Augustus zerkratzt wurden?
 
1.) Du vergisst, dass wir über das Jahr 14 n.Chr. (das Todesjahr des Augustus) sprechen.
Eigentlich sprechen wir über den Zeitraum der Varusschlacht bis zu Caecina. Wo ich das vergessen haben soll ist mir ein Rätsel und eine Begründung für deine Behauptung wäre ebenfalls angebracht.

2.) Du ignorierst, dass Tacitus die Gründe für die Meuterei nennt:
allgemein schlechte Dienstbedingungen, verlängerte Dienstzeiten der Veteranen und zu geringer Sold.
Ich ignoriere das nicht, ich habe aber auch den genauen Wortlaut Tacitus' bereits zitiert, in dem er mehrfach, eindeutig, nicht leugnenbar benennt, dass die Soldaten sich gegen Tiberius erhoben. Tacitus schreibt übrigens auch, wie ich ebenfalls zitierte, dass es den Soldaten auch um die Hoffnung ging, sich im kommenden Aufstand zu bereichern.
Andersherum reitest du auf den erschlagenen centuriones rum, sagst aber nie dass "cedo alteram" als Beispiel aufgeführt wird. Dass dieser nicht als Beispiel der "niedergemachten, allgemeinen Obrigkeit" getötet wurde, sondern weil er ein grausamer Tyrann gegen seine Soldaten war. Das andere centurionen später sogar verurteilt werden als Mittäter an der Meuterei bleibt da außen vor.
Du kannst es drehen wie du willst, wenn du Tacitus anführst musst du zu auch anerkennen, dass er, genau wie Cassius Dio, nahezu wörtlich sagen, dass die Soldaten sich beim Wechsel gegen den neuen Kaiser erhoben.
Das die Umstände die sie so weit gebracht haben unter Augustus entstanden sind hat nie einer bestritten, es ist ja auch unbestreitbar. rotzdem revoltierten die Soldaten eben NICHT gegen Augustus oder dessen Verwandten Germanicus.
Du bezichtigst die Kalkrieser der geistigen Trägheit, aber dass hier ein Argument gegen die Varusschlacht als problematisch anzusehen ist, das versuchst du mit den immer gleichen, längst widerlegten Worten zu entkräften.

Dann beantworte doch bitte die folgende Frage: wenn es in dem Aufstand wahllos gegen die Obrigkeit ging oder gezielt gegen Augustus, warum wissen wir dann von so vielen Ausnahmen und warum sind die Münzen derart selektiv zerkratzt?

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass unzufriedene Legionäre (ob angetrunken oder nicht) ihre Wut an den Münzen des Augustus ausließen. Und zwar nach Bekanntwerden seines Todes. Kaum ein Legionär hätte den Mut gehabt, das Bildnis des Kaisers zu dessen Lebzeiten zu verunstalten.
Also haben sie sich nicht getraut gegen Augustus zu revoltieren, aber die Herrschaft des Tiberius trauen sie sich anzutasten indem sie die Symbole staatlicher Gewalt angreifen? Sie wenden sich also gegen Tiberius? Einverstanden. So steht es bei Tacitus.
Was nicht bei Tacitus steht, ist Wut auf Augustus. Das die Soldaten ihre Umstände Augustus persönlich anheim legen und noch dazu nicht auf Tiberius übertragen (den sie als Feldherren und direkten verantwortlichen kannten) ist eine Behauptung deinerseits.
Eck sieht das anders. In dem hier bereits zitierten Aufsatz zur Rekrutierung neuer Soldaten für bestehende Truppen sagt er deutlich, dass diese Angelegenheiten (Rekrutierung, Entlassung usw.) in den Händen des jeweiligen Kommandeurs lagen. Bestrafung war bekannterweise Aufgabe der Tribunen (wird übrigens auch deutlich wenn am Ende der Meuterei die Soldaten die Chance erhalten ihre Rädelsführer zu verurteilen, diese werden von Tribunen vorgeführt und diese geben die Urteilsfindung dann an die Soldaten ab, außer bei den centuriones). Die unmittelbare Befehlsgewalt lag in den Händen der centuriones, und, wie oben bereits erwähnt, diese bekamen dann wohl auch die Wut ab oder eben nicht.

Kurzum, die Quellen zeichnen ein Bild eines zwar durch den Wechsel der Kaiser animierten Aufstandes, der durchaus brutale und ausufernde Züge bekam, im Großen und Ganzen aber halbwegs offensichtlich zielgerichtet und vielleicht sogar geführt ablief. Man fiel eben nicht über jeden Legaten her (schlechthin DIE Vertreter des Augustus vor Ort), metzelte nicht jeden Tribun nieder, die primipilares scheinen ebenfalls nicht auf der "to do" Liste gestanden zu haben und selbst Verwandte des Augustus, die man nach deiner Darstellung ja nun ungeahndet meucheln könnte, rührt man nicht an, im Gegenteil. Aber auch sie sind verantwortlich für die Zustände.

Also wesentlich differenzierter, als du wahrhaben möchtest, gehen die Soldaten vor.
Und nur zur Betonung, das soll nicht heißen, dass die besagten Mißstände keine Rolle gespielt hätten. Ohne diese wäre es wohl kaum zum Aufstand GEGEN TIBERIUS gekommen. Und auch dass diese Mißstände aus der Zeit des Augustus herübergeschleppt wurden steht zweifelsfrei fest.
Das aber die Soldaten sich nur an den Münzen, die zudem auf einem potentiellen Schlachtfeld des Jahres 9 n.Chr. gefunden wurden, Luft machten, sonst aber nichts "typisch augusteiisches" angerührt haben spricht eher gegen einen Blick der Soldaten auf Augustus, genauso, wie es auch die Quellen berichten...

Ich frage Dich, wann, wenn nicht im Zuge der Meuterei 14 n.Chr., die Münzen des Augustus zerkratzt wurden?
Ich hatte dir dazu bereits vor einigen Postings eine Frage gestellt. Wenn du mir meine beantwortest, ziehe ich stante pede nach.
Die Frage lautete: Warum soll der Mangel an einer Erklärung für diese Münzen bzw. deren Zustand und Fundort eine andere, eigentlich problematische Erklärung wahrscheinlich machen, die ebenfalls die Hälfte der Fragen (etwa der Verteilung) offen läßt?

Und weil ich ohnehin poste:
Ich habe mir die Diskussion nochmal durchgelesen, und muss das hier dann jetzt auch mal richtig stellen:
Wieso unterstellst du mir, ich hätte alle Legionäre als Analphabeten, aus der untersten Schicht kommend und besoffen dargestellt?!
Ich habe mehrmals wiederholt, dass ich dies nicht für die Regel halte!
Du hast geschrieben:
Kann mir nicht vorstellen, dass die meisten lesen konnten. Bedenke aus welche sozialen Schichten die Legionäre kamen und dass es keine Schulpflicht gab!
sowie:
Ich kann mir (weiterhin) gut vorstellen, dass
a. nicht alle (vielleicht auch nur wenige) das Konterfei auf den Münzen unterscheiden konnten

Deine Relativierungen lauteten:
Ich behaupte ja nicht, dass die Legionäre generell nicht in der Lage waren das Portrai zu identifizieren.
und
Jetzt nicht wieder falsch verstehen: ich behaupte nicht, dass alle Soldaten dazu nicht in der Lage waren.
und
Wenn es selbst eingefleischten Numismatikern nicht auf Anhieb gelingt ein Portrai auf einer römischen Münze zu benennen, so werden doch noch Zweifen geäußert werden dürfen, dass es so einige Legionäre auch nicht konnten!
Und auch noch einmal:
Ich behaupte nicht, dass es in der Mehrzahl so war

Deine Darstellung des Soldaten als "aus unteren Schichten" stammend hast du nicht widerrufen.
Beim Thema Alphabetisierung hast du zwar ein "überzeugt" von dir gegeben, aber weiter insistiert, dass die Soldaten, oder der andere Teil von "vielleicht auch nur wenige" das Bild nicht erkennen, ergo auch die Schrift nicht lesen konnten.
Und zum Thema der Alkoholisierung habe ich ja bereits etwas geschrieben.
Das ist eines der Probleme in unserer Diskussion. Nicht nur, dass du zwar das eine sagst, den Kontext dann aber doch wieder zum anderen schlägst, sondern dass du dir auch selbst widersprichst.
 
Die Frage lautete: Warum soll der Mangel an einer Erklärung für diese Münzen bzw. deren Zustand und Fundort eine andere, eigentlich problematische Erklärung wahrscheinlich machen, die ebenfalls die Hälfte der Fragen (etwa der Verteilung) offen läßt?

Es ist keineswegs der Mangel an einer Erklärung, die eine andere Erklärung, die deiner Meinung nach problematisch ist und ebenfalls die Hälfte der Fragen (etwa zur Verteilung) offen lässt, wahrscheinlich macht.

Es geht um die Tatsache, dass im rechtsrheinischen Germanien im Soldatengeld außergewöhnlich häufig Zerkratzungen festzustellen sind. Die Erklärung, die Wolters und Kehne vertreten, sieht einen Zusammenhang zur Meuterei von 14 n.Chr..


Nun würde ich gerne eine Alternative hören.
 
Es ist keineswegs der Mangel an einer Erklärung, die eine andere Erklärung, die deiner Meinung nach problematisch ist und ebenfalls die Hälfte der Fragen (etwa zur Verteilung) offen lässt, wahrscheinlich macht.

Es geht um die Tatsache, dass im rechtsrheinischen Germanien im Soldatengeld außergewöhnlich häufig Zerkratzungen festzustellen sind. Die Erklärung, die Wolters und Kehne vertreten, sieht einen Zusammenhang zur Meuterei von 14 n.Chr..
Bleibt die frage nach dem warum?
Aber gut, wie versprochen:
Nun würde ich gerne eine Alternative hören.
Alföldi berichtet in seiner Einführung zur Antiken Numismatik von weit verbreiteten Zweckentfremdungen römischer Münzen. Altbekannt dabei sind natürlich die Nutzung als Schmuckstücke, zerbrochen oder nicht, eingefasst usw.
Sie führt dabei aber auch Beispiele an, bei denen im großen Umfang Münzen als Werkzeuge oder Hilfsmittel genutzt wurden. So bspw. als "Stempel" für Kreisrunde Einbuchtungen. Sie berichtet weiterhin, dass diese Münzen Spuren davontrugen, zum einen natürlich Abdrücke und Kratzer vom Gebrauch selbst, aber auch Spuren der dazu genutzten Unterlage.
Für mich erscheint eine solche Nutzung zu uns bislang unbekanntem Zweck angesichts der Fundlage möglich, zumal die Fundorte die Nutzung eines Provisoriums nahe legen könnten. Immerhin sind das Lager und Orte im Aufbau bzw. auf dem Feldzug.
Die Probleme, die ich Ansprach nochmal kurz überschlagen:

- Fundort: rechtsrheinischen, kein Fund (soweit wir das bislang sehen) am den Standorten der Meuterei
- Münzauswahl: nur "Kleingeld" eines bestimmten Typs
- Motivauswahl: Augustus, bezogen auf das Bild des Avers, die Legende ist m.W. unangetastet.

Die Fundorte lassen sich bei der Wolters-Kehne Theorie nicht erklären (oder?).
Die Münzauswahl zu begründen wurde, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, mit dem hohen Wert anderer Münzen begonnen. Diese Erklärung ist angesichts der dargestellten "blinden Wut", der nicht eingeschränkten Nutzung der Münzen im Nachhinein und dem Ziel der Schmähung nicht nachzuvollziehen.
Motivauswahl: Das Problem, Augustus statt Tiberius zu wählen haben wir bereits diskutiert. Die Quellen sprechen dagegen. Ignoriert man diese bleibt die Frage, warum die Schmähung nicht vollständig ist. Münzen die zu diesem Zweck beschädigt wurden weisen wenigstens zuweilen auch Schäden an der Legende auf.

Bei der Nutzung als Werkzeug:
Fundorte: erklärt sich durch den charakter als provisorisches Werkzeug wenn das geeignete nicht zur Verfügung steht.
Münzauswahl: kann mit der richtigen Größe und Form oder dem speziellen Motiv, gewicht usw. erklärt werden.
Auch Augsburg, als gerade im Aufbau befindliches Lager dass spontan wegen Überschwemmung verlassen wurde, fällt in diese Beschreibung.
Motivauswahl: spielt nur bei Nutzung zur Herstellung von Dekor in Form des Motives eine Rolle, auch dann wäre es so erklärbar. Andernfalls wäre das Motiv irrelevant, eine gezielte beschädigung des Motives bzw. Verschonung der Legende war nicht Ziel oder beabsichtigt.

Kurzum: ich will nicht sagen: so wars. Aber diese Erklärung ist mindestens genauso gut wenn nicht ein kleines Stück besser.
Zumindest läßt sie bestimmte Fragen nicht offen.
 
Du meinst, die Legionäre hätten die Münzen verwendet, um das Augustus-Portrait zum Beispiel in Leder, Blech oder weichers Metall zu prägen? Interssante Überlegung. Wäre auch denkbar.

MfG
 
Das ist eine denkbare Nutzung, die erklären würde, warum diese Münze mit diesem Motiv (kann auch die Rückseite gemeint gewesen sein).
wenn statt dem Motiv die Größe oder das Gewicht den Ausschlag gegeben haben bei der Auswahl, dann ist natürlich das Motiv (ob Avers oder Revers) irrelevant.
 
Kurzum: ich will nicht sagen: so wars. Aber diese Erklärung ist mindestens genauso gut wenn nicht ein kleines Stück besser.
Zumindest läßt sie bestimmte Fragen nicht offen.

Alföldy schreibt von einem allgemeinen Phänomen, dass auf einigen wenigen römischen Münzen zuweilen zu beobachten ist. Manche Münzen weisen Kratzer in Folge von Gebrauch (zum Teil durch Zweckentfremdung) auf.
Bei den Fundkomplexen, die wir hier besprechen, weisen allerdings ungefähr 50% der Münzen diese markanten Stiche auf. Ein so hoher Prozentsatz an beschädigten Münzen ist ungewöhnlich.

Wolters schreibt dazu:
„Eine ausgesprochen plausible, jedoch unser derzeitiges Chronologieschema durchbrechende Erklärung wäre, diese Verletzungen des Kaiserbildes mit der Meuterei der Legionen nach dem Tod des Augustus zu verbinden. Frank Berger spricht selbst vom „Ausdruck persönlichen individuellen Missfallens gegenüber dem Herrscher…, das sich aus der aktuellen Situation der Täter heraus erklärt.“ Soweit keine andere Erklärung für diese Einhiebe gegeben werden kann, wäre bei einem Enddatum von Haltern und Kalkriese um 9 n.Chr.- aufgrund der darunter liegenden Kontermarken- ein in den Quellen nicht überliefertes vergleichbares Ereignis für das Jahr 8 oder 9 n.Chr. zu postulieren. Eine spätere Datierung beider Fundkomplexe könnte hingegen auch diesen Befund mit der schriftlichen Überlieferung überzeugend in Übereinstimmung bringen.“

Reinhard Wolters, Anmerkungen zur Münzdatierung spätaugusteischer Fundplätze, in: Die Fundmünzen von Kalkriese und die frühkaiserzeitliche Münzprägung, Paderborn 2000, S.106
 
Völlig richtig, es war Meuterei, ein Alkoholverbot wäre demgegenüber nichtig gewesen. Aber: Woher die notwendigen Mengen an Wein für ein Massenbesäufnis nehmen, wenn man Soldaten gemeinhin mit posca versorgte? Das Zeug musste ja immer auch erstmal angeliefert werden.

Mit Sicherheit ist das Zeug auch angeliefert worden. Ich denke, es hat an solchen Gütern (selbst im tiefsten Germanien) nicht gefehlt.:D

Aber ich denke, dies ist eher ein Nebenkriegsschauplatz...

Die Legionäre müssen (und haben sich auch wohl nicht) zusaufen müssen.

Desweiteren glaube ich nicht an die "Tiberiusmünztheorie" (ich glaube, ich habe soeben ein neues Wort erfunden!). Die Meuterei 14 n.Chr. bezog sich in erster Linie auf Zustände in der römischen Armee, die eindeutig Augustus zu verantworten hatte. Die Probleme waren lange bekannt und sind durch den Machtwechsel erst richtig durchgebrochen. Ich kann Wolters/Kehne durchaus folgen. Eine schlüssige Alternativtheorie fehlt momentan.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alföldy schreibt von einem allgemeinen Phänomen, dass auf einigen wenigen römischen Münzen zuweilen zu beobachten ist. Manche Münzen weisen Kratzer in Folge von Gebrauch (zum Teil durch Zweckentfremdung) auf.
So klein ist der von Alföldi genannte Gebrauch nicht.
Von einem anderen Münzyp weiß sie zu berichten:
Letztere - untergewichtige Solidi aus der ersten Hälfte des 4. Jh.n.Chr. - haben oft Goldblechösen oder waren ursprünglich geöst. (...) Ihren Zweck können wir aber vorerst nicht erkennen.
und weiter:
Ende des 3. und Anfang des 4. Jh.n.Chr. benützten manche Werkstätten, die Bronzebeschläge für Kästchen hergestellt hatten, ältere und zeitgenössische Münzen größeren Formates als Treibstöcke, um kreisrunde Dekorationen zu schaffen.
Hier wird im plural gesprochen. Und es handelt sich nicht um EINE Münze, sondern um mehrere Funde, die nahe legen, dass hier Münzen zweckentfremdet wurden. Daneben gibt es dutzende wenn nicht hunderte Funde als Schmückstücke.

Bei den Fundkomplexen, die wir hier besprechen, weisen allerdings ungefähr 50% der Münzen diese markanten Stiche auf. Ein so hoher Prozentsatz an beschädigten Münzen ist ungewöhnlich.
Das stimmt. Und zwar ungewöhnlich per se. Egal welche der Theorien wir anlegen. Warum etwa 14 n.Chr. so viele Münzen beschädigt wurden, obwohl es einzelne dann auch getan hätten und wieso die Soldaten die Münzen dann behielten und sogar nach zwei Jahren mit sich führten...
Dieses Argument ist ein Problem für jeden Ansatz.

Wolters schreibt dazu:
„Eine ausgesprochen plausible, jedoch unser derzeitiges Chronologieschema durchbrechende Erklärung wäre, diese Verletzungen des Kaiserbildes mit der Meuterei der Legionen nach dem Tod des Augustus zu verbinden. Frank Berger spricht selbst vom „Ausdruck persönlichen individuellen Missfallens gegenüber dem Herrscher…, das sich aus der aktuellen Situation der Täter heraus erklärt.“ Soweit keine andere Erklärung für diese Einhiebe gegeben werden kann, wäre bei einem Enddatum von Haltern und Kalkriese um 9 n.Chr.- aufgrund der darunter liegenden Kontermarken- ein in den Quellen nicht überliefertes vergleichbares Ereignis für das Jahr 8 oder 9 n.Chr. zu postulieren. Eine spätere Datierung beider Fundkomplexe könnte hingegen auch diesen Befund mit der schriftlichen Überlieferung überzeugend in Übereinstimmung bringen.“
Ich habe dir auch so geglaubt,dass Wolters diese Theorie anführt, aber danke für das Zitat. Hier wird klar, dass es durchaus für möglich gehalten wird, dass es, so die Münzen wirklich "Unruhebeweise" sein sollten, diese nicht zwangsläufig auf 14 n.Chr. Hinweisen müssen. (Wenn Gegenstempel darauf sind wären die Untersuchungen dazu sicher hilfreich.)

Außerdem habe ich mehrfach Stellen der schriftlichen Quellen zititert, die sich nicht so leicht mit der Theorie vereinbaren lassen, wie es Wolters hier darstellt.
 
Desweiteren glaube ich nicht an die "Tiberiusmünztheorie" (ich glaube, ich habe soeben ein neues Wort erfunden!). Die Meuterei 14 n.Chr. bezog sich in erster Linie auf Zustände in der römischen Armee, die eindeutig Augustus zu verantworten hatte. Die Probleme waren lange bekannt und sind durch den Machtwechsel erst richtig durchgebrochen. Ich kann Wolters/Kehne durchaus folgen. Eine schlüssige Alternativtheorie fehlt momentan.
Dann löse bitte das Quellenproblem (Widerspruch zu den literarischen Quellen einerseits und mangelnde Funde an den Meutereistandorten).
 
Du hast geschrieben, dass du Wolters folgen kannst und keine gleichwertige Alternative siehst.
Dementsprechend vermute ich, dass du eine Lösung dafür hast, warum die Quellen so eindeutig von einem gezielten Aufstand gegen Tiberius sprechen und so wenig "Anti-Augusteiisches" zu erkennen ist, und warum andererseits die beiden Standorte der Meuterei keine dieser "Meutereimünzen" aufweisen.
Es wäre also nett, wenn du mir verstehen hilfst, warum diese Theorie einleuchtend ist.
 
Eine Frage zu den Münzfunden in den Legionslagern am Rhein:

Hat man da viele Münzen mit Bildern von Augustus und Tiberius gefunden? Oder sind entsprechende Münzen eigentlich insgesamt dort eine Seltenheit?

Und eine weitere Frage zu den Münzfunden von Waldgirmes:

Wenn ich das richtig verstehe, kann man die Schichten in Waldgirmes so bezeichnen.

a. Siedlungsschicht mit Zerstörungshorizont, vermutlich 9 n. Chr.
b. Siedlungsschicht mit Reparaturen, vermutlich zwischen 9 und 16 n. Chr.
c Zerstörungsschicht, vermutlich 16 n. Chr.

Kann man aufgrund der Ausgrabungen sagen, welcher dieser drei Schichten die fraglichen Münzen zuzuordnen wären?

Und zur Frage Augustus oder Tiberius als Ziel der Meuterei:

Sicher gehen die Mißstände auf die Zeit des Augustus zurück, aber der Aufstand richtet sich genauso klar gegen Tiberius. Immerhin soll dem Germanicus ja die Herrschaft anstelle des Tiberius übertragen werden. Sagt wenigstens Tacitus. Der Vorschlag kommt von den Legionen, Unmut ist also doch eindeutig in Bezug auf die Person des Tiberius zu erkennen. Und bei der anscheinend großen Masse von zerkratzten Münzen, sollte man da nicht dennoch erwarten, dass da wenigstens die eine oder andere mit dem Bildnis des Tiberius darunter sein sollte? Tiberiusmünzen gibts ja nicht erst beginnend mit dem Jahr 14!
Und die Frage von Tib. Gabinius ist ja auch berechtigt, warum wir die Münzen nicht in den Rheinlagern finden. Wir sollen also davon ausgehen, dass die ehemaligen Meuterer die Münzen nach Germanien geschleppt haben? Warum bleiben sie dann aber in Augsburg?

Eine weitere Frage:
Kennen wir zerkratzte Münzen auch aus anderen Zeiten? Können wir die in anderen Zeiten mit bekannten Meutereien verbinden?
 
Auf der Suche nach Antworten habe ich zu guter letzt auch Gevatter google genutzt, und bin in einem Numismatikforum gelandet (wie Maelonn vorher wohl auch).
Dabei wurde folgends Bild präsentiert:
http://www.numismatikforum.de/download/file.php?id=55353&mode=view

Damit habe ich zumindest zum ersten Mal ein Bild dieser Beschädigungen, und ehrlich gesagt bin ich überrascht. Es wurde bislang immer von einer gezielten Entstellung des Porträts gesprochen. Aber die unter diesem Link gezeigten Münzen weisen vereinzelte Scharten (die mit Sicherheit willkürlich waren) auf, die das Antlitz des Kaisers entstellen.
Auch sieht man die Kerben auch auf den Rückseiten der Münzen, dort, wo kein Kaiser abgebildet ist.

Dazu schreibt denn auch einer der Diskutanten dort:

Kurzer Nachtrag: Ich hatte heute Kontakt zu Dr. Ilisch, einem bekannten Numismatiker. Er ist der Bearbeiter der Münzen der Lager Oberaden, Beckinghausen und eben auch Anreppen, in dem die Hiebe auch auftauchen.

"Er hat die Stiche auf den Münzen in Anreppen genau ausgezählt und kommt zu dem Ergebnis, dass sie gleich verteilt über Vorder- u. Rückseite der Münzen sind. Eine gezielte Beschädigung des Kaiserportraits (Damnatio?)schließt er somit aus, übrigends auch bei meinem Stück, weil das Gesicht nicht beschädigt wurde."

Falls das stimmt, und man kann sich ja bei den abgebildeten Stücken davon überzeugen, dass beide Seiten was abbekamen, dann ist die Theorie rund um die Meuterei ein weiteres Mal in Frage gestellt, außer jemand will behaupten, die Meuterer waren in ihrer ungebändigten Wut nicht nur fleißig sondern auch übergründlich, dabei aber irgendwie auch schlampig.

Und ein wenig weiter gesucht, so kommt man hierauf:
http://www.numismatikforum.de/download/file.php?id=54595&mode=view
und
http://www.romancoins.info/CMK-AVGLug.jpg
sowie
http://www.arminius-numismatics.com/coppermine1414/cpg1414/albums/userpics/10001/1200.jpg
 
Auf der Suche nach Antworten habe ich zu guter letzt auch Gevatter google genutzt, und bin in einem Numismatikforum gelandet (wie Maelonn vorher wohl auch).
Dabei wurde folgends Bild präsentiert:
http://www.numismatikforum.de/download/file.php?id=55353&mode=view

Damit habe ich zumindest zum ersten Mal ein Bild dieser Beschädigungen, und ehrlich gesagt bin ich überrascht. Es wurde bislang immer von einer gezielten Entstellung des Porträts gesprochen. Aber die unter diesem Link gezeigten Münzen weisen vereinzelte Scharten (die mit Sicherheit willkürlich waren) auf, die das Antlitz des Kaisers entstellen.
Auch sieht man die Kerben auch auf den Rückseiten der Münzen, dort, wo kein Kaiser abgebildet ist.

Fragestellung hatten wir schon mal:

#2156
Was die beschädigten Münzen angeht, so mag ich nicht so recht an die "Meuterei-These" glauben. Die Beschädigungen der Münzen, die in Maelonns Link zu sehen sind, scheinen mir eher einen zufälligen Charakter zu haben. Wenn man sauer auf einen Augustus oder Varus war, dann zerstört man deutlich das Portrait und zerkratzt die Münze nicht am Rand oder auf der Rückseite!

Mein erster Gedanke war der, dass die Münzen als Unterlage oder Werkzeug bei alltäglichen Arbeiten (z.B. Instandhaltung der Ausrüstung, Reparatur von Kettenhemden) gedient hatten.
Das fehlen der Beschädigungen auf Silber- und Goldmünzen würde ebenfalls dafür sprechen, denn diese waren sicher seltener in den Börsen einfacher Legionäre zu finden gewesen und höhergestellte Offiziere ließen sicher arbeiten.

Sollten die Beschädigungen an Münzen wirklich nur rechtsrheinisch vorgekommen sein, so komme ich mit meiner Vorstellung jedoch in Erklärungsnot!

Oder kann man sich vorstellen, dass bestimmte Werkzeuge nur in den linksrheinischen Stammlagern verfügbar waren oder Reparaturen nur dort von bestimmten Handwerkern durchgeführt werden konnten (Beispiel Kettenhemden)?! :grübel:

Gruß
Andreas

(mögliche ) Antwort:
#2157
Eine mögliche damnatio memoriae wollte ich nicht unterstellen. Hätte es sowas bezüglich Augustus gegeben, wäre das in den Quellen sicher irgendwo erwähnt. Wenn allerdings tatsächlich fast die Hälfte der bei Kalkriese gefundenen Asse solche Beschädigungen aufweisen (an anderer Stelle habe ich gelesen, dass in mehreren Fällen gezielt die Nase des Portraits zerstochen worden sei), dann muss es sich schon um den Ausdruck einer Art von kollektivem Unmut handeln.

Die spezielle Münze, um die es im Numismatiker-Forum ging, würde ich auch nicht zu hoch bewerten. Die dort beschriebenen Schäden könnten alle möglichen Ursachen haben. Das stellt aber nicht den auf jeden Fall hochinteressanten Gesamtbefund in Frage: nämlich dass Kupferasse mit dem Augustus-Bild erstaunlich oft gezielt beschädigt wurden. Dafür muss es doch irgendeine Erklärung geben. Die Meuterei des Jahres 14 halte ich für unwahrscheinlich. Wäre das der Anlass gewesen, hätten solche Münzen gehäuft in Köln, Xanten und Pannonien auftauchen müssen. Sie finden sich aber in rechtsrheinischen Militärlagern.

MfG
 
Dieser mir nicht bekannte Dr. Ilisch schließt doch nun aber gezielte Beschädigungen hinsichtlich Anreppen angeblich aus. Damit wäre die Diskussion wieder einen Schritt zurück gegangen, denn nur, wenn die gezielte Beschädigung unstreitig wäre, könnte man über einen Zusammenhang zu einer damnatio/Meuterei (wann auch immer) sprechen. Was ist also mit den Münzen von Kalkriese, wer zählt die genau aus? Hier sollten sich die Numismatiker erstmal einigen. ;) Was Wolters im Jahre 2000 dazu geschrieben hat, würde ich nicht überbewerten.
 
Zuletzt bearbeitet:
kann ich mir gut vorstellen, dass es im Troß einige Leute gab, die etwas zu verkaufen hatten! Sei es Waren oder Frauen.
Auch im Spiel lässt sich was gewinnen.

Alles richtig, insbesondere in vermeintlichen Friedenszeiten :rechts: Varus

Warum sollten die Soldaten ihr Geld (zumindest einen Teil davon) nicht mitnehmen?
Hätten sie es denn im Stammlager lassen sollen? (Gab es denn schon so was wie eine Bank?)

Ein Bankwesen im heutigen Sinne gab es noch nicht, das entwickelte sich von Italien ausgehend erst im SpätMA. Geld konnte beim Aquilifer der Legion hinterlegt werden. Und dennoch haben wir literarische Nachricht, dass Legionäre ihre Habseligkeiten im Lager zurückließen und offensichtlich darauf vertrauen konnten, sie nach einem Feldzug wiederzufinden. Praktischerweise stammt diese Nachricht aus einem Text zur Varusschlacht.
Velleius Paterculus, HR 2,120,3: "Hier soll nun auch L. Asprenas mit Fug und Recht Erwähnung finden. Er war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet, indem er in Eilmärschen in das untere Winterquartier zog. Damit bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden waren, in ihrer Treue. Dennoch gibt es Leute, die glauben, er habe zwar die Lebenden gerettet, aber auch die Hinterlassenschaft der mit Varus Umgekommenen an sich gebracht und nach seinem Belieben die Erbschaft der getöteten Soldaten angetreten."

Also, selbst die Varuslegionen, die "wie mitten im Frieden [...] viele Wagen und auch Lasttiere mit sich [führten]", begleitet durch "zahlreiche Kinder und Frauen und noch ein[em] stattlicher Sklaventroß, was sie ebenfalls zu einer gelockerten Marschform zwang" (Bericht des Cassius Dio) führten nicht alle ihre Habseligkeiten mit. Wieviel weniger wohl die Legionen des Germanicus?
 
Also, selbst die Varuslegionen (…) führten nicht alle ihre Habseligkeiten mit. Wieviel weniger wohl die Legionen des Germanicus?

Die Diskussion, ob die Legionäre des Germanicus Geld mit sich führten oder nicht ist müßig und wird in wissenschaftlichen Kreisen nicht in Frage gestellt.
Den Quellen nach war ein Grund ihrer Meuterei, die Auszahlung des Legats des Augustus (eine einmalige Auszahlung aus seinem Erbe). Germanicus hat dieses Legat in doppelter Höhe aus eigener Kasse auszahlen müssen uns zwar sofort, also noch im Sommerlager.
Wolters hält fest, dass diese Auszahlung in „altem Geld“ stattfand, also eventuell mit den in Kalkriese häufig auftretenden Gaius-Lucius-Denaren. Es ist nicht auszuschließen, dass auch Aurei (1 Aureus = 25 Denare) zur Auszahlung der Beträge genutzt wurden.
Für die Legionäre bestand kein Anlass mehr, das Porträt dieser Münzen zu zerstören.
Dieses eingeklagte Geld werden die Legionäre während ihrer Feldzüge sicher nicht am Rhein zurückgelassen haben. Aber dieses Thema hatten wird schon diskutiert.


Zurück zu den Zerkratzungen:

Zunächst einmal: Nicht jeder Kratzer auf einer Münze ist eine Zerstörung des Porträts. Kratzer auf dem Revers sind also aus der Betrachtung auszunehmen. In den genannten Fundorten häufen sich allerdings in besonderem Maße Kupfermünzen, die im Porträt des Kaisers Einhiebe aufweisen. Das sieht übrigens auch Frank Berger so:

Frank Berger spricht selbst vom „Ausdruck persönlichen individuellen Missfallens gegenüber dem Herrscher…, das sich aus der aktuellen Situation der Täter heraus erklärt.“

Wolters wendet dagegen ein, dass uns eine mit 14 n.Chr. vergleichbare Meuterei aus der Varuszeit nicht bekannt ist. Sie müsse folglich postuliert werden.

Zu den Orten:
In der Numismatik ist es methodisch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die linksrheinischen und rechtsrheinischen Fundkomplexe miteinander zu vergleichen, da grundsätzlich andere Bedingungen vorliegen. Rechts des Rheins kann von einem Enddatum von 9 n.Chr. bzw. 16 n.Chr. ausgegangen werden, während diese Zeitmarken in den großen Rheinlagern nicht vorliegen. Mit anderen Worten: In den Rheinlagern blieben die zerkratzten Münzen im Umlauf, vermengten sich mit neuen Emissionen und wurden, manchmal erst nach Jahrzehnten, aufgrund des schlechten Zustandes aussortiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fragestellung hatten wir schon mal:

#2156

(mögliche ) Antwort:
#2157
Willkommen zurück in der Diskussion. Ich würde mich dann aber auch über Antworten auf die dir zuletzt gestellten Fragen freuen.

Das in den von dir zitierten Beiträgen die Kratzer schon einmal erwähnt wurden, beweist, dass ich dort einem Beitrag zu wenig Aufmerksamkeit habe zukommen lassen, vielen Dank.
In deiner potentiellen Antwort steckt aber keine Antwort auf die Frage der rückseitigen Beschädigungen drin, sondern nur in dem Zusammenhang leider falsche Relativierung. Denn es handelt sich nicht um eine beschädigte Münze sondern um viele, von denen auch mehr als ein Beispiel im Numismatikerforum zu sehen ist.
Auch wurde bislang das Zitat von Dr. Lutz Ilisch nicht angeführt (so es denn korrekt ist!), denn damit widerspricht ein Numismatiker inklusive fundierter Forschung im Rücken der These, wie auch andere Numismatiker in verschiedenen Details nicht zustimmen.

Dieser mir nicht bekannte Dr. Ilisch schließt doch nun aber gezielte Beschädigungen hinsichtlich Anreppen angeblich aus. Damit wäre die Diskussion wieder einen Schritt zurück gegangen, denn nur, wenn die gezielte Beschädigung unstreitig wäre, könnte man über einen Zusammenhang zu einer damnatio/Meuterei (wann auch immer) sprechen. Was ist also mit den Münzen von Kalkriese, wer zählt die genau aus? Hier sollten sich die Numismatiker erstmal einigen. ;) Was Wolters im Jahre 2000 dazu geschrieben hat, würde ich nicht überbewerten.
Das sehe ich genauso.

Ein Bankwesen im heutigen Sinne gab es noch nicht, das entwickelte sich von Italien ausgehend erst im SpätMA. Geld konnte beim Aquilifer der Legion hinterlegt werden.
Dazu sei auch noch zu erwähnen, dass es sehr wohl eine Buchhaltung gab, die Geldumlauf einschränken konnte. Wir wissen aus erhaltenen Soldabrechnungen, dass den Soldaten nicht ihr volles Gehalt ausgezahlt wurde, sondern Teile für Ausrüstung, Verbrauchsmaterial usw. einbehalten wurde. Dieses Geld gab es wohl nie außerhalb der Buchführung.

Die Diskussion, ob die Legionäre des Germanicus Geld mit sich führten oder nicht ist müßig und wird in wissenschaftlichen Kreisen nicht in Frage gestellt.
Das ist richtig. Menge und Art des Geldes darf aber diskutiert werden.
Den Quellen nach war ein Grund ihrer Meuterei, die Auszahlung des Legats des Augustus (eine einmalige Auszahlung aus seinem Erbe). Germanicus hat dieses Legat in doppelter Höhe aus eigener Kasse auszahlen müssen uns zwar sofort, also noch im Sommerlager.
Dazu wäre ein Quellenzitat interessant.



Zurück zu den Zerkratzungen:
Zunächst einmal: Nicht jeder Kratzer auf einer Münze ist eine Zerstörung des Porträts.

Fasziniernederweise argumentierst du damit genauso wie die "geistig Trägen" aus Kalkriese es ganz zu Anfang auch mit den Kratzern auf dem Avers taten...
Kratzer auf dem Revers sind also aus der Betrachtung auszunehmen.
Würden sie einzeln auftreten und einen einfachen Kratzercharakter haben sicherlich.
Sie treten aber in großer Zahl und sind vom Charakter identisch mit denen auf dem Avers. Ignorieren kannst du sie also nicht.
In den genannten Fundorten häufen sich allerdings in besonderem Maße Kupfermünzen, die im Porträt des Kaisers Einhiebe aufweisen. Das sieht übrigens auch Frank Berger so:

Frank Berger spricht selbst vom „Ausdruck persönlichen individuellen Missfallens gegenüber dem Herrscher…, das sich aus der aktuellen Situation der Täter heraus erklärt.“
Der gleiche Frank Berger sieht aber die Datierung anders... was du mal wieder unterschlägst.
Zudem hast du ganz richtig hingewiesen, dass sie sich "häufen". Sie sind also nicht immer genau im Porträt. Die Verteilung hat offensichtlich zufälligen Platz auf den Münzen. Manchmal im "Gesicht" mitunter aber auch nur der (leere) Rand, selten einmal die Legende...
Das kannst du versuchen zu ignorieren, hilft aber der These nicht weiter.

Wolters wendet dagegen ein, dass uns eine mit 14 n.Chr. vergleichbare Meuterei aus der Varuszeit nicht bekannt ist. Sie müsse folglich postuliert werden.
Und setzt damit voraus, dass die Münzen nur und ausschließlich während einer Meuterei beschädigt worden sein können. Er schließt eine reine Unmutsbekundung damit genauso aus, wie Beschädigung durch Zweckentfremdung, Spiel oder sonstigen, uns schlicht nicht bekannten Optionen.

In der Numismatik ist es methodisch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die linksrheinischen und rechtsrheinischen Fundkomplexe miteinander zu vergleichen, da grundsätzlich andere Bedingungen vorliegen. Rechts des Rheins kann von einem Enddatum von 9 n.Chr. bzw. 16 n.Chr. ausgegangen werden, während diese Zeitmarken in den großen Rheinlagern nicht vorliegen. Mit anderen Worten: In den Rheinlagern blieben die zerkratzten Münzen im Umlauf, vermengten sich mit neuen Emissionen und wurden, manchmal erst nach Jahrzehnten, aufgrund des schlechten Zustandes aussortiert.
Und nicht eine solche Münze wurde während ihrer Umlaufzeit verloren, zweckentfremdet oder schlicht weggworfen...
Zwar hast du recht, dass ein Vergleich nicht unbedingt möglich ist, aber die Tatsache, dass diese Münzen so oft auftreten, aber kein einziges Mal an den Orten, an denen sie auch nach deiner Auffassung am meisten vertreten gewesen sein müssen ist nicht glaubhaft.
Selbst wenn die Zahl der rechtsrheinisch verlorenen Münzen die Hälfte der real existierenden Bestände dargestellt hätte, so müßte sich rein statistisch auch etwas davon am Umlaufort der anderen Hälfte finden lassen.
Dem ist aber nicht so.
 
Zurück
Oben