Turksprachen - verstehen sich ihre Sprecher?

Dieter

Premiummitglied
Türkische User an die Front:

Es geht um die Frage, wie gut - oder wie schlecht - sich Menschen mit verschiedenen Turksprachen untereinander verstehen. Wie ist es also um eine Verständigung zwischen Türkei-Türken, Uiguren, Kasachen, Usbeken, Aserbaidschanern, Kirgisen oder Turkmenen bestellt?

Im Thread "Ethnogenese der Türken" tauchte dieses Problem auf und wir konnten bei unserer Diskussion keine Einigkeit erzielen.
 
So, ich habe jetzt mal eine entsprechende Stelle aus der Encyclopedia of Islam abgetippt:
The fact that Turkic languages, with the exception of the marginal languages, are very similar at the structural level, does predicate the mutual comprehension of different Turkic speakers, but this is, to a certain extent, possible only within the smaller genetic groups, i.e. Oghuz, Kipchak and Uyghur.
[EI, X, 713b, G. Hazai]
(Übertragung von mir: Die Tatsache, daß die Türksprachen, mit Ausnahme der Randsprachen, einander strukturell sehr ähnlich sind, legt den Schluß nahe, sie seien untereinander verständlich. Doch das ist, bis zu einem gewissen Grad, nur innerhalb der kleineren genetischen Gruppen möglich, z.B. Oghuz, Kipchak und Uyghur.)

Dieter, Du zitiertest im anderen Thread unter anderem Wikipedia, die ja gerade für turkologische (und iranistische) Themen _sehr_ mit Vorsicht zu genießen ist. Vor allem unter Turk-Fans ist die Vorstellung, sie könnten sich mit allen anderen Turk-Sprachigen unterhalten, sehr beliebt und paßt wunderbar zu dem Tenor, den viele türkische Themen bei Wiki haben.
Dein anderes Zitat von hier Turksprachen stelle ich einfach noch mal komplett rein:
Das Türkei-Türkisch wird konkret dem Turksprachen-Zweig des Oghusischen zugeordnet und bildet mit ca. 80 Millionen Sprechern den wichtigsten Teil dieses Zweigs. Das stark verwandte Aserbeidschanisch nimmt mit 30 Millionen Sprechern den zweiten Rang ein. Daneben gibt es noch weniger bekannte Sprachen wie Turkmenisch, Chorasan-Türkisch, Afschagarisch und andere ... Tatsächlich aber besteht beispielsweise als Türkei-Türke die Möglichkeit der zumindestet partiellen Verständigung mit einem anderen Turksprachler aus den vorgenannten Regionen
Das Textchen sagt lediglich, daß innerhalb der oghusischen Gruppe eine zumindest partielle Verständigung möglich ist. Also keine Ausweitung der These auf die gesamte Familie der Turksprachen. Das bestätigt wiederum auch der von mir zitierte EI-Artikel.
 
In der Wikipedia gibt es Wortlisten, aus denen man die Ähnlichkeiten ersehen kann. Vergleichbares gibt es aber auch in den romanischen oder germanischen Sprachen, ohne dass Deutsche und Holländer oder Spanier und Portugiesen flüssig miteinander reden können.
http://de.wikipedia.org/wiki/Turksprachen

Soweit ich weiß, kommen türkische Politiker bei "Verwandtenbesuchen" nicht ohne Dolmetscher aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,
Ein ehemaliger türkischer Kulturminister sagte er könne sich problemlos mit den anderen turksprachigen Menschen verstaendigen.Er haette waehrend seiner Amtszeit kein Dolmetscher gebraucht.Aber er fügte hinzu, er komme aus der Provinz Bayburt,da spreche man sowieso kein Istanbul-türkisch.Er müsste als Kind das Istanbuler türkisch lernen...
Also es kommt darauf an,aus welcher Region ter Türkei-Türke ist.
 
Hallo,
Ein ehemaliger türkischer Kulturminister sagte er könne sich problemlos mit den anderen turksprachigen Menschen verstaendigen.Er haette waehrend seiner Amtszeit kein Dolmetscher gebraucht.Aber er fügte hinzu, er komme aus der Provinz Bayburt,da spreche man sowieso kein Istanbul-türkisch.Er müsste als Kind das Istanbuler türkisch lernen...
Also es kommt darauf an,aus welcher Region ter Türkei-Türke ist.
Die Türkei-Türken behaupten das sehr gern. Mein Turkologen-Kollege erzählte passend dazu sehr schadenfroh, wie ein türkischer Fernsehmoderator seinen baschkirischen Gast aufforderte, doch in seiner Muttersprache zu sprechen - man sei ja sprachlich sowieso unter sich. Der Baschkire tat das und brachte den türkischen Moderator (und alle anderen anwesenden Türken) äußerst in Verlegenheit... :D Gerade türkische Politiker verfolgen mit einer solchen Aussage praktisch immer das Ziel, die anderen Turkvölker mit in ihr kulturelles und möglichst auch politisch/wirtschaftliches Boot zu holen. Ob die nun wollen oder nicht.
 
Die Türkei-Türken behaupten das sehr gern. Mein Turkologen-Kollege erzählte passend dazu sehr schadenfroh, wie ein türkischer Fernsehmoderator seinen baschkirischen Gast aufforderte, doch in seiner Muttersprache zu sprechen - man sei ja sprachlich sowieso unter sich. Der Baschkire tat das und brachte den türkischen Moderator (und alle anderen anwesenden Türken) äußerst in Verlegenheit... :D Gerade türkische Politiker verfolgen mit einer solchen Aussage praktisch immer das Ziel, die anderen Turkvölker mit in ihr kulturelles und möglichst auch politisch/wirtschaftliches Boot zu holen. Ob die nun wollen oder nicht.

Turandokh,wenn der Moderator aus einer Istanbuler Familie ist,könnte er sogar Schwierigkeiten haben einen Türken aus Kars,aus Erzurum oder aus Erzincan zu verstehen.:pfeif:

Ich konnte ein Doku-Film auf Uigurisch, ohne Untertitel ,ganz gut verstehen.
Das Gagausische ist die gleiche türkische Sprache,die meine Vorfahren in Rumelien gesprochen haben.Ob ich baschkirisch verstehen würde?
Da müsste ich zuerst einem waschechten Baschkiren begegnen.
 
Turandokh,wenn der Moderator aus einer Istanbuler Familie ist,könnte er sogar Schwierigkeiten haben einen Türken aus Kars,aus Erzurum oder aus Erzincan zu verstehen.:pfeif:
Ja, eben. Und was genau würde einen Istanbuler/Trabzoner/hastenichgesehen dazu befähigen, ausgerechnet alle anderen Türksprachen zu verstehen, wenn er schon mit den Dialekten im eigenen Land Schwierigkeiten hat? Die Logik verschließt sich mir.
Daß Türkei-Türkisch und Uighurisch seltsamerweise recht ähnlich sind, hatten wir ja schon im anderen Thread festgestellt. Wie gesagt, konnte ich Uighurisch und Tatarisch aufgrund meiner Türkischkenntnisse einigermaßen verstehen, während mir gesprochenes Usbekisch trotz Usbekischlernens lange ein Rätsel blieb.
 
Ja, eben. Und was genau würde einen Istanbuler/Trabzoner/hastenichgesehen dazu befähigen, ausgerechnet alle anderen Türksprachen zu verstehen, wenn er schon mit den Dialekten im eigenen Land Schwierigkeiten hat? Die Logik verschließt sich mir.
Daß Türkei-Türkisch und Uighurisch seltsamerweise recht ähnlich sind, hatten wir ja schon im anderen Thread festgestellt. Wie gesagt, konnte ich Uighurisch und Tatarisch aufgrund meiner Türkischkenntnisse einigermaßen verstehen, während mir gesprochenes Usbekisch trotz Usbekischlernens lange ein Rätsel blieb.

Hast du mit einem Usbeken auf dem Land gesprochen?Vielleicht beinhaltet die jetzige usbekische Sprache zu viele russische Wörter?
 
Hast du mit einem Usbeken auf dem Land gesprochen?Vielleicht beinhaltet die jetzige usbekische Sprache zu viele russische Wörter?
Russisch kann ich ja auch einigermaßen; das wäre also nicht so das Problem gewesen. Ich habe in Taschkent gelebt - und jeder sagte mir, daß die einen ganz katastrophalen Dialekt sprechen. Der erste Lichtblick für mich war damals ein Gespräch mit einer Frau aus Süd-Usbekistan (Surkhandarya, ländliche Gegend). Da verstand ich zum ersten Mal fast alles. Nachdem ich dann eine Weile Privatunterricht bei einer Taschkenter Lehrerin gehabt hatte, durchschaute ich auch diesen Dialekt mit seinen grauslichen Zusammenziehungen und Verkürzungen. :D

Eine dialektreiche Sprache stellt ja immer ein Kontinuum dar, so daß die einen die Sprache des Nachbarlandes ganz gut verstehen, die anderen aber kaum - je nachdem, wie weit sie geografisch oder linguistisch davon entfernt sind. Ein Süd-Franzose wird Katalanisch mit Sicherheit besser verstehen als jemand aus Paris. Mein schwäbischer Kollege versteht einigermaßen Allemannisch - ich als Mitteldeutsche kapiere da gar nichts.
Natürlich verstehen Sprecher einiger Turksprachen Sprecher gewisser anderer Turksprachen recht gut, was geografische, aber auch sprachgeschichtliche Gründe hat. Aber das kann man nicht so verallgemeinern, daß man meint, alle könnten sich - mit wenigen Ausnahmen - einigermaßen miteinander verständigen. Nur darum geht es mir bei der Diskussion. Und wie gesagt: politische Erwägungen spielen bei dieser ganzen "Wir sind doch alle Türken und haben uns lieb"-Geschichte eine wichtige Rolle.
 
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Natürlich verstehen Sprecher einiger Turksprachen Sprecher gewisser anderer Turksprachen recht gut, was geografische, aber auch sprachgeschichtliche Gründe hat. Aber das kann man nicht so verallgemeinern, daß man meint, alle könnten sich - mit wenigen Ausnahmen - einigermaßen miteinander verständigen. Nur darum geht es mir bei der Diskussion. Und wie gesagt: politische Erwägungen spielen bei dieser ganzen "Wir sind doch alle Türken und haben uns lieb"-Geschichte eine wichtige Rolle.

Türkisch ist meine Muttersprache,manchmal höre ich von meiner Mutter alttürkische Wörter,die ich zuvor noch nie gehört habe.
Eine Zeit spaeter höre ich die gleichen Wörter auf irgendeinem Doku-Kanal aus irgendeinem turkischsprachigen ehemaligen UDSSR-Land.
Ich kann mich noch erinnern;als Kind sah ich zum ersten mal ein sowjetisches Film mit Untertitel.Auf einmal sprachen Frauen auf irgendeiner Sprache,die ich verstehen konnte.Gab es also doch türkische Kommunisten,und obendrein mit Kopftuch.:D

Also ich würde sagen,ohne irgendwie nationalistisch zu sein,ich könnte mich mindestens ''einigermassen'' gut mit anderen Turkvolkern verstaendigen.
 
Türkisch ist meine Muttersprache,manchmal höre ich von meiner Mutter alttürkische Wörter,die ich zuvor noch nie gehört habe.
Eine Zeit spaeter höre ich die gleichen Wörter auf irgendeinem Doku-Kanal aus irgendeinem turkischsprachigen ehemaligen UDSSR-Land.
Ich kann mich noch erinnern;als Kind sah ich zum ersten mal ein sowjetisches Film mit Untertitel.Auf einmal sprachen Frauen auf irgendeiner Sprache,die ich verstehen konnte.Gab es also doch türkische Kommunisten,und obendrein mit Kopftuch.:D

Also ich würde sagen,ohne irgendwie nationalistisch zu sein,ich könnte mich mindestens ''einigermassen'' gut mit anderen Turkvolkern verstaendigen.
Nur so viel noch: Du hast also eine uighurische Doku ganz gut verstanden und einen sowjetischen Film, der gut und gerne aserbaidshanisch (dem Türkei-Türkischen sehr nah) gewesen sein kann. Das ist jetzt nicht wirklich repräsentativ.
Mir sind da wissenschaftliche Befunde (siehe z.B. den EI-Artikel) und weit gestreute empirische Erfahrungen wesentlich lieber. Beides hat für mich das Ergebnis, daß eine allgemeiner Verständigung unter fast allen Turksprechern nicht ohne weiteres möglich ist.
Aber jetzt höre ich lieber auf, mich hier rumzuärgern. Hat eh keinen Sinn.
 
Ansonsten: Ich höre zum ersten mal, dass Leute aus der Türkei, die Türkisch und nicht etwa Kurdisch, Georgisch, etc. miteinander sprechen, sich untereinander nicht verstehen können. Es gibt zwar regionale Unterschiede, die sind aber noch lange nicht so groß, wie z.B. unsere deutschen Dialekte (die meistens untereinander sogar immer noch verständlich sind). Kann sein, dass einige Türken so nuscheln, wie Hans Moser seinerzeit, dann liegt es aber am Individuum, nicht an seiner Region.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ansonsten: Ich höre zum ersten mal, dass Leute aus der Türkei, die Türkisch und nicht etwa Kurdisch, Georgisch, etc. miteinander sprechen, sich untereinander nicht verstehen können. Es gibt zwar regionale Unterschiede, die sind aber noch lange nicht so groß, wie z.B. unsere deutschen Dialekte

Das ist exakt das, was ich schon mehrfach sagte - was man mir freilich nicht glaubte - und was auch Türken in diesem Thread bestätigt haben. :winke:
 
Es gibt zwar regionale Unterschiede, die sind aber noch lange nicht so groß, wie z.B. unsere deutschen Dialekte
Dann verstehe ich aber nicht, warum man beim 'Türkischen' von diversen Sprachen redet. Wäre doch dann nur eine, oder nicht? :confused:
Oder handelt es sich beim Bereich der Turksprachen um ein Dialektkontinuum?
 
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