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Polybios argumentiert kapitelweise und ziemlich rabulistisch zu Gunsten Roms. Er bemüht sogar einen Vertrag, den es nie gegeben habe, was Anlass genug ist, zu überlegen, ob dieser nicht doch existierte. Streng genommen besagt der Ebro-Vertrag allerdings, dass die Karthager den Ebro nicht in Waffen überschreiten dürften, über die Römer trifft er keine Aussage. Allerdings behauptet Polybios, dass zwischen Römern und Saguntinern ein Bündnis bestanden hätte und argumentiert, dass Hannibals Angriff auf Saguntum trotz seines Wissens um dieses Bündnis die römisch-karthagischen Verträge verletze und daher schon ein ausreichender casus belli gewesen sei.
Ich finde, Du tust Polybios unrecht. Er schreibt noch am wenigsten oder manchmal gar nicht zu Gunsten der Römer. Ich habe mir die Stellen noch mal angesehen. Er schreibt nur, es habe einen Vertrag mit Hasdrubal gegeben, wonach dieser den Iberos nicht überschreiten dürfe, das restliche Spanien sei nicht erwähnt worden. Später schreibt er, die römische Gesandtschaft habe Hannibal gewarnt, Sagunt anzugreifen, daß unter römischen Schutz stände, und den Iberos entgegen des mit Hasdrubal geschlossenen Vertrags zu überschreiten. Danach sagt er nicht, Sagunt sei im Vertrag erwähnt worden, die beiden Argumente der Römer müssen nicht zusammengehören. Eine Sagunt-Klausel erwähnen ausdrücklich Livius (21,2,7), Appian (z.B. Iberike 7,25) und Florus.
Seibert hält den Iberos-Vertrag insgesamt für eine Erfindung der romfreundlichen Schreiber (Seibert, Hannibal, 1993, S. 45 ff.). Er rechtfertigt Hannibals Ablehnung der römischen Warnung vor einem Angriff auf das angeblich verbündete Sagunt mit einem Hinweis auf den Lutatiusvertrag, der den beiden Vertragsparteien die jeweilige Herrschaftszone garantierte, in die sich Rom mit der Sorge um Sagunt eingemischt habe (Seibert, Hannibal, 1993, S. 57). Wie er zu der Ansicht gelangt, der karthargische Herrschaftsbereich habe aus Sicht der siegreichen Römer im Jahre 241 die Stadt Sagunt mit umfaßt, teilt er leider nicht mit.
Interessant auch die Schilderung der kriegslüsternen Römer, die sich nach Ablehnung der Warnung durch die Kartharger nicht zum Krieg entscheiden können, sondern die ganze Sache kontrovers hin und her debattieren und dann lieber eine Intervention in Illyrien starten (Seibert, Hannibal, 1993, S. 60 ff.).
Einsichtig ist Seiberts Hinweis auf die Ähnlichkeit der Kriegsanlässe 219/18 einerseits und 264 und 238 andererseits, als es um Messina bzw. Sardinien ging und die Römer ein (angebliches) fides-Verhältnis als Kriegsgrund nutzten. Da sich Karthargo und Hannibal nicht länger von Rom gängeln lassen wollten, gab es aus seiner Sicht wenig Hoffnung, friedlich aus der Situation herauszukommen. Hannibal rechnete daher wohl mit dem Krieg gegen Rom und bereitete diesen ab dem Zeitpunkt seines Entschlusses zum Vorgehen gegen Sagunt als Angriffskrieg sorgfältig vor (Seibert, Hannibal, 1993, S. 58, 64 ff.). Kann man auch anders sehen und Hannibals Handeln so interpretieren, daß er auf ein Dulden der Römer spekulierte (was ja auch fast passiert wäre, es gab solche Stimmen im Senat). Allerdings spricht für Seibert die Zeitschiene, die auf längerdauernde karthargische Vorbereitungen bereits ab 219 schließen läßt.
Generell gesprochen kann ich eine karthargische Empörung über Roms Einmischung nicht recht nachvollziehen. Rom machte nichts anderes gegenüber Karthargo als Karthargo gegenüber den iberischen Stämmen. Ein natürliches Recht der Kartharger, andere beherrschen und angreifen zu dürfen (doofe Barbaren halt), aber selbst von wieder anderen in Ruhe gelassen zu werden, erschließt sich mir nicht. Ich bleibe dabei, 218 sind wieder mal zwei imperialistische Mächte über Machtfragen aneinandergeraten, eine Schuldfrage zu stellen ist so interessant wie müßig.