Kriegsschuldfrage zum Zweiten Punischen Krieg

Hmm ich kann dir nicht ganz folgen. Warum sollte immer der Verlierer an einen Krieg Schuld sein? Geht es dir um die Rezeption der Sieger? Dann hast du sicherlich recht. (Warum sollte sich ein Sieger auch als Agressor darstellen?)
 
Ich bin der Meinung daß die Frage nach der Kriegsschuld an sich nicht objektiv beantwortet werden kann, es tragen immer beide Parteien das ihrige dazu bei - klar da kann man gewichten, aber nach welchen Kriterien? Und auf welcher Grundlage?

In der Regel bleibt für die Nachwelt nur das erhalten was der "Sieger" festlegt bzw. bewußt an Dokumenten der unterliegenden Partei "übrigläßt". Danach stehen meist nur die Ansichten des "Siegers" in welchen alle Schuld dem Gegner gegeben wird und andererseits oft aus der Nachkriegszeit (Unterdrückung, Fremdherrschaft, Besatzung) der Unterlegenen stammende Berichte, die aus einer Mischung aus Mystifizierung, Märtyrerlegenden und Rachegedanken, entstanden.

Eine nachträgliche Analyse und Klärung der "Schuldfrage" als solche halte ich persönlich für unmöglich und vom Ansatz her schon subjektiv - ist aber nur meine Meinung ;)
 
Hier stoßen wir auf ein Interpretations- (und Quellen-) problem. War die Expansion der Barkiden in Spanien "gegen Rom gerichtet"? Diente Spanien als wirtschaftliches Sprungbrett Richtung Italien und damit Richtung Rom?

Wenn wir den Römer glauben, ja.
Wir können davon ausgehen dass Karthago (bzw. die Barkiden) darüber im Klaren gewesen sein müssen, dass sie - je weiter sie in den Norden vordrangen - immer mehr in "römische Interessensgebiete" (wenn man dies überhaupt so sagen kann) vorstießen. Karthago (die Barkiden) nahmen dies jedoch in Kauf. Dies kann - muss man jedoch nicht - als eine karthagische Inkaufnahme eines Kriegsrisikos mit Rom werten.

Als Rom dann aber den Ebrovertrag Karthago anbot, konnte man in Karthago ja wohl eher davon ausgehen, dass die bisherigen - vor allem aber die zukünftigen Eroberungen in Spanien Roms Segen haben würden.
Hier wäre von Interesse ob die barkidsche Eroberungspolitik in Spanien von der karthagischen Elite initiiert oder legitimiert wurde. Wäre dem so könnte man von einer Umlenkung der barkidischen Interessen durch die karthagische Elite (die wohl dem Ehrgeiz dieser Familie argwöhnisch gegenüberstand) sprechen, die das Ziel hatte die Barkiden so weit wie nur möglich von der karthagischen Innenpolitk fernzuhalten.

Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob der Argwohn Karthagos den Barkiden gegenüber vor dem 2. Punischen Krieg gegeben war. Immerhin muss man bedenken, dass Karthago während des 2. Punischen Krieges diesen Krieg immer unterstützt hat, eine Opposition gegen Hannibal, dessen Pläne und Wünsche ist eigentlich kaum erkennbar. Erst nach dem verlorenen Krieg gibt es Äußerungen, die auf Missfallen hindeuten. Doch das kann man auch als Gefälligkeitsäußerungen gegenüber Rom deuten und nicht zwingend als Beweis hernehmen, wie die Haltung vor dem Krieg war.

Ich bin daher der Meinung, dass die Eroberung Spaniens durch die Barkiden deshalb wohl kaum als eine imperialistische Maßnahme mit Hinblick eines Krieges auf Rom gewertet werden kann.

Sehe ich genauso. Danke für die schöne Analyse. Ich tue mich also weiter schwer damit Karthagos Aktionen in Spanien als Teil einer karthagischen Kriegsschuld zu sehen.
 
"Schuld" am Krieg ist immer der Verlierer, kenne bisher keinen Fall wo das anders gewesen wäre...

... sollte sich im Laufe dieser Diskussion ergeben, dass Rom zielgerichtet auf den Krieg hingearbeitet hat, Karthago dagegen nicht, wäre Rom die Schuld zuzuweisen, womit ein Fall gegeben wäre, wo der Sieger am Krieg "Schuld" gehabt hätte.
 
Als Rom dann aber den Ebrovertrag Karthago anbot, konnte man in Karthago ja wohl eher davon ausgehen, dass die bisherigen - vor allem aber die zukünftigen Eroberungen in Spanien Roms Segen haben würden.

Davon konnte man ausgehen. Was war jedoch vor dem Ebrovertrag? Bis zu dieser vertraglichen Zugeständnis ihrer Eroberungen, konnten die Barkiden nicht ohne weiters annehmen, dass Rom diese anerkennt bzw. weitere überhaupt zulässt. Es hat wohl keine unmittelbare Gefahr bestanden - dies gebe ich zu - allerdings bestand ein gewisses Risiko. Dies gingen die Barkiden ein. Dies ist daher m.E. das einzige Argument, dass auf eine gezielte Aktion Richtung Rom hindeutet. (Welches wie ich denke in meinem vorherigen Beitrag relativiert habe)

Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob der Argwohn Karthagos den Barkiden gegenüber vor dem 2. Punischen Krieg gegeben war. Immerhin muss man bedenken, dass Karthago während des 2. Punischen Krieges diesen Krieg immer unterstützt hat, eine Opposition gegen Hannibal, dessen Pläne und Wünsche ist eigentlich kaum erkennbar. Erst nach dem verlorenen Krieg gibt es Äußerungen, die auf Missfallen hindeuten. Doch das kann man auch als Gefälligkeitsäußerungen gegenüber Rom deuten und nicht zwingend als Beweis hernehmen, wie die Haltung vor dem Krieg war.

Natürlich konnte sich Karthago eine "anti-barkidische" Position während des Krieges nicht erlauben. Die Barkiden - so autonom sie auch auftraten - blieben doch stets Vertreter Karthagos. Selbst wenn von Seiten Karthagos eine Verurteilung des Angriffes, ja sogar eine Auslieferung Hannibals wie von den Römern gefordert gekommen wäre, wäre Rom doch stets misstrauisch geblieben (mit einen möglicherweise nachfolgenden Krieg). Möglicherweise hätte man selbst bei einem Neutralbleiben der Karthager den Krieg mit den Barkiden als Grund für eine Eroberung weiterer karthagischer Gebiete genommen.

Von daher denke ich, dass Hannibal und der Angriff auf Sagunt Karthago in eine Lage gebracht hat, die nur eine Option übrig ließ - den Krieg zu bestreiten oder sich auf einen späteren - unausweichlichen - Krieg, ohne die Mittel der Barkiden und Spaniens.

.. sollte sich im Laufe dieser Diskussion ergeben, dass Rom zielgerichtet auf den Krieg hingearbeitet hat, Karthago dagegen nicht, wäre Rom die Schuld zuzuweisen, womit ein Fall gegeben wäre, wo der Sieger am Krieg "Schuld" gehabt hätte.

Auf römischer Seite wäre hier wohl auch der gallische Krieg Caesars als ein reiner Angriffskrieg zu nennen, dem man heutzutage schwerlich den Galliern zuschieben kann.
 
Ich würde den Satz so formulieren: Rom hat Hannibal und Karthago durch sein Bündnis mit Sagunt in eine Lage gebracht, die auf Krieg hinauslaufen musste.

Und wir sind wieder einmal bei Sagunt angelangt. Die Frage ist doch: Warum "zwang" Rom mit diesem Bündnis Karthago zum Angriff? M.E. ist der Angriff auf Sagunt die direkte Reaktion auf den Angriff dieser Stadt auf einen prokarthagischen Ibererstamm, nicht als Reaktion auf das Bündnis mit Rom. Hier bleibt natürlich die Frage im Raum stehen, inwieweit Rom hier die Finger im Spiel hatte.

Es stellt sich die Frage: Bereute Rom zu diesem Zeitpunkt den Ebrovertrag und die damit einhergehende Okkupierung des Landes durch die Karthager? Stellte der Angriff Sagunts auf diesen Ibererstamm und der darauffolgende Krieg (der zu Anfang wohl gemerkt um Spanien ging!) eine Art von "Reue-Aktion" Roms dar, um diesen Vertrag und den damit de jure einhergehenden Verlust Spaniens für die römischen Interessen zu negieren?

Hier denke ich muss man zwischen zwei Modellen unterscheiden:

1. Roms "Reue" lag vorwiegend in der Angst vor dem karthagischen Machtzuwachs. Mit dem wirtschaftlichen Vorteilen und ibero-keltischen Söldner (die Konflikte mit den Kelten in Norditalien lagen noch in Erinnerung) stellte Karthago eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Der vorangegange Krieg mit Karthago und die Okkupierung Sardiniens und des karthagischen Teils Siziliens durch Rom, schürte in Rom sicher die Angst vor einen neuen Krieg, der möglicherweise auch in Italien stattfinden konnte. Möglicherweise stellt Sagunt und der Angriff auf den Ibererstamm eine Präventivmaßnahme dar, um den Krieg auf karthagischen Boden ausfechten zu können. Spanien bot zwei entscheidende Vorteile als Kriegsschauplatz. (a) Es war karthagischer Boden, noch dazu derjenige der die wirtschaftliche Hauptlast eines Krieges traen würde müssen und (b) dieser Teil des karthagischen Reiches war noch nicht lange punisch und die Ibererstämme betrieben eine sehr eigenständige Politik, was bedeutete dass Überläufer und neue Verbündete leicht zu finden waren.

2. Die wirtschaftlichen Interessen an Spanien standen im Vordergrund.(Möglicherweise auf Betreiben Massilias, dem Verlierer des Ebrovertrages?) Hier stellt sich die Frage, ob sich die wirtschaftlichen Vorteile die die Römer aus Spanien ziehen konnten, die Kosten und Risiken eines Krieges mit Karthago aufwogen. Ich würde dies verneinen. Spanien war - wie in diesem Thread bereits gesagt - wirtschaftlich durchaus attraktiv, für Rom bestand jedoch - im Gegensatz zu Karthago - kein zwingender Grund. Mit Sizilien und Sardinien waren zwei wirtschaftlich vorteilhafte Gebiete den Römern in die Hände gefallen.

Ich würde daher zu ersteren tendieren.
 
Kleiner Nachtrag zu der karthagischen Legitimation der barkidischen Eroberungen:

Inwieweit diese auf barkidischen Einfluß/Zwang beruhten kann ich nicht beurteilen, sie werden jedoch m.E. zweifellos eine große Rolle gespielt haben.

Im Frühjahr 237 wurde Hamilkar Barkas (aufgrund dessen Entscheid laut Heftner die Wahl überhaupt auf Spanien gefallen war) zum Feldherrn auf unbestimmte Zeit ernannt. Dies ist ein Zeichen der Legitmation durch Karthago. Ein weiteres Indiz ist m.M.n. die Sendung eines Teils der Beute und Tributzahlungen an Karthago durch Hamilkar. Es wurde demnach zumindest der Schein gewahrt, dass man in karthagischem Auftrag handelte. Inwieweit hier Karthago gute Miene zum bösen Spiel machte, kann ich nicht sagen. Ich denke die Barkiden entwickleten rasch eine sehr eigenständige Politik, während Karthago versuchte zumindest nominell die Führung zu beanspruchen. (Dies geht auch aus der nachträglichen Absegnung der Nachfolge Hamilkars durch Hasdrubal durch die karthagische Elite hervor)
 
...Es stellt sich die Frage: Bereute Rom zu diesem Zeitpunkt den Ebrovertrag und die damit einhergehende Okkupierung des Landes durch die Karthager? Stellte der Angriff Sagunts auf diesen Ibererstamm und der darauffolgende Krieg (der zu Anfang wohl gemerkt um Spanien ging!) eine Art von "Reue-Aktion" Roms dar, um diesen Vertrag und den damit de jure einhergehenden Verlust Spaniens für die römischen Interessen zu negieren?...



Ich habe mehr als nur Probleme die Begriffe „Reue“ und „Angst“ Roms vor Karthago oder den Barkiden im Kontext mit ihrer Politik gegenüber Karthago und besonders was Spanien betrifft zwischen dem 1. & 2. Punischen Krieg irgendwo festmachen zu können.

Zuerst zu Karthago: Der Sieg Roms im 1. Punischen Krieg war letztlich überwältigend gewesen. Karthago hatte immense Zahlungen zu leisten gehabt und der Söldnerkrieg hatte diesen Staat fast an den Rand seiner Existenz gebracht. Obwohl ein Frieden mit Karthago geschlossen war, erpresste Rom mehrfach Nachzahlungen unter diversen Vorwänden und erzwang weitere territoriale Zugeständnisse, als rebellierende karthagische Söldner Rom um Hilfe anriefen. Nur so kamen neben Sizilien auch noch Korsika und Sardinien direkt unter römische Herrschaft. Karthago leistete keinen Widerstand. Dass dies römische Ängste hätte schüren können halte ich für ausgeschlossen.
Der Vorgeschichte des 2. Punischen Krieges widmet sich Jakob Seibert sehr ausführlich auch in seinem Buch „Hannibal“ von 1993 und auch die Schwierigkeiten wie der Senat den Kriegsbeschluss der Volksversammlung abtrotzen musste. Nicht ohne Grund argwöhnte das Volk für wirtschaftliche Vorteile der Senatoren sein Blut geben zu müssen, ohne adäquat an der zu erwartenden Beute beteiligt zu werden. Eigene Gesetze wurden beschlossen, unter Anderem eines, dass Senatoren und ihren Söhnen den Besitz von Schiffen über 300 Amphoren Tragfähigkeit verbot…
Jakob Seibert „Hannibal“ S90f schrieb:
Nachdem der ärgste Stein des Anstoßes beseitigt war, legten die Konsuln dem Volk den [Anm. Kriegs-] Antrag vor. Sie schilderten wohl den Krieg als einen kurzen und leichten Waffengang mit großen Gewinnen. Die Karthager galten als reich. Für diese Menschen, die bisher in Rom ihren Tribut abgeliefert und die sie im letzten Krieg besiegt hatten, brachten sie nur Verachtung als militärische Gegner auf. Der verlockenden Faszination der […]beute konnten sich die Bürger nicht entziehen…
Für die Invasion in Afrika waren 160 Kriegsschiffe, dazu 12 Schnellsegler vorgesehen, während für das spanische Unternehmen nur 60 Schiffe ausreichen sollten, ein aufschlussreicher Hinweis auf das Schwergewicht der römischen Offensive. Bezeichnend für die Sorglosigkeit der römischen Vorbereitungen ist die Tatsache, dass die bei einem karthagischen Angriff gefährdeten Außenposten auf Sizilien und Sardinien nicht mit einem Heer geschützt wurden…

Karthago galt nach diesen Ereignissen als ein schwacher, leicht zu überwindender und zudem extrem reicher Staat. Alle Kriegsplanungen Roms zu Beginn des 2. Punischen Krieges tragen dieser Einschätzung Rechnung: Man wollte nahezu zeitgleich in die karthagischen Gebiete Spaniens einfallen und von Sizilien aus Karthago direkt angreifen. Hätte man Karthago eine wirklich ernste Widerstandskraft zugetraut, oder gar Angst vor den Puniern gehabt, hätte man sich niemals gleichzeitig auf zwei derart anspruchsvolle (Fern!) Unternehmungen eingelassen! Beide Unternehmungen sollten über das Meer gestartet werden (Stichwort: Karthagische Flottenschwäche) und beide Küsten waren feindlich besetzt ohne jeden römischen Stützpunkt, der eine sichere Landung hätte erleichtern können. Die Schwierigkeiten einer Seeinvasion setze ich als Bekannt voraus! Beide Unternehmungen mussten daher mit extremen Situationen zu Beginn fertig werden. Dass Rom sich dies zutraute, unterstreicht ihre Bewertung der militärischen Möglichkeiten Karthagos und die römische Einschätzung der Festigkeit des karthagischen Bündnissystems.

Damit ist auch bereits viel über Spanien gesagt. Karthago besaß in Spanien durch die Eroberungen der Barkiden ein ausgedehntes, durch Stützpunkte und eine sehr starke Armee gesichertes Einfluss- & Herrschaftsgebiet! Rom dagegen besaß dort keinerlei Stützpunkte, ja nicht einmal gesicherte, Rom gegenüber ausreichend stark verbundene lokale Gruppen auf die man hätte zurückgreifen können. Man hoffte wohl durchaus, dort Verbündete zu gewinnen, hatte doch die karthagische Machtausweitung auch lokale Verlierer haben müssen. Aber feste Ansatzpunkte für eine solche Politik lassen sich nicht finden. Sagunt ist ein viel diskutierter Sonderfall und liegt eindeutig südlich der immer wieder im Kontext mit dem „Ebrovertrag“ angenommenen Grenze der Interessensphäre. Die Stadt hatte von sich aus Krieg gegen karthagische Bündnispartner begonnen und musste erwarten, dass diese ihre Klienten schützen würden. Es ist durchaus mehrfach diskutiert worden, dass Rom erst den viel genannten Vertrag mit Sagunt abschloss, als dessen Konflikt mit Karthago sich bereits abzuzeichnen begann. Manche sehen in Sagunt auch den von mir oben bestrittenen, spanischen Bündnispartner Roms, der eine Seelandung hätte erleichtern können. Gar einen festen (immerhin hielt die Stadt der Belagerung durch Hannibal sehr lange aus!) Rückhalt für römische Feldzüge. Dem ist aber nicht so: Rom brauchte für seine Landung am Besten eine verbündete, feste Stadt mit einem Seehafen, wo die Legionen hätten ausschiffen können und über den im Kriegsverlauf auch Nachschub an den Kriegsschauplatz hätte kommen können. Sagunt war dafür ungeeignet, weil es niemals eine Hafenstadt gewesen ist. Mir reicht diese Feststellung, ohne weiter auf den ominösen Ebrovertrag mit der angeblichen Ausnahme durch eine „Sagut-Klausel“ eingehen zu müssen. [FONT=&quot]Vielleicht sah Rom die Ausdehnung des karthagischen Machtbereichs in Spanien als eine auf lange Sicht potentielle Bedrohung an? Als der Krieg jedoch ausbrach, schätzte man sie keineswegs als starken Gegner ein.

[/FONT]

Ich würde den Satz so formulieren: Rom hat Hannibal und Karthago durch sein Bündnis mit Sagunt in eine Lage gebracht, die auf Krieg hinauslaufen musste.

Durch das oben Geschilderte erhält diese Beurteilung einiges an Plausibilität. Dazu kommen die für einen souveränen Staat kaum erfüllbaren Forderungen der römischen Gesandtschaft an Karthago, den Krieg abzuwenden, welche der oben zitierten Volksversammlung vorausging, woraufhin der Krieg in Rom beschlossen wurde. Dann hätte der Senat Karthago durch das Bündnis mit Sagunt und die anschließende Gesandtschaft nach Afrika in eine Lage gebracht, welche als Kriegsgrund ausreichen musste. In diesem Fall hätten also die verantwortlichen Senatoren in Rom vielleicht mehr "Angst" davor gehabt, die eigene Volksversammlung würde dem Krieg nicht zustimmen, als vor dem militärischen Potential Karthagos? Möglich ist eine solche Interpretation nur vor dem Hintergrund der oben geschilderten Kriegsplanungen in Rom und der Lageeinschätzung die ihnen zugrunde liegt.

Wenn das alles nach einem Freispruch 1. Klasse für Karthago an der Kriegsschuld aussieht, verzerrt ein alleiniger Blick auf Rom etwas das Bild. In Karthago kann nach der Behandlung im Anschluss an den römischen Sieg im vorherigen Krieg und die mehrfachen römischen Erpressungen eine durchaus romfeindliche Stimmung unterstellt werden. Man hatte um seine Existenz kämpfen müssen (Söldnerkrieg) und war dabei von Rom weiter unter Druck gesetzt worden, wo es doch mindestens hätte vermittelnd eingreifen können. Die spanischen Eroberungen setzte Karthago in die Lage sich aus dieser Situation zu befreien und sich wieder als Macht zu etablieren, was allein in der Antike selbstständige Politik ermöglichen konnte. Weiterhin konnte man nach den Ereignissen Rom nicht länger als eine vertrauenswürdige, oder gar wohlwollende Nachbarschaft ansehen. An der Spitze solcher Überlegungen haben sicherlich auch die Barkiden gestanden. Als Rom nach dem Beginn des Krieges mit Sagunt in Karthago vorstellig wurde, hätte vielleicht eine weniger starke Persönlichkeit wie Hannibal eine eher abwartende Haltung einnehmen können um einem friedlichen Ausgleich nicht im Wege zu stehen. Er betrieb aber mit Nachdruck die Eroberung der Stadt und verlor dabei bekanntlich auch ein Auge, was für seinen persönlichen Einsatz spricht. Gleichzeitig mit der Eroberung bereitete er in Spanien alles für seinen Zug nach Italien vor, nicht ohne seinem Bruder Hasdrubal eine angemessene Armee und eine stabilisierte Machtbasis in Spanien hinterlassen zu können. Auch war in Karthago nach den Erfahrungen des letzten Krieges ein Signalsystem an der Küste etabliert worden, mit welchem es in die Lage versetzt werden sollte auf eine Invasion angemessen reagieren zu können. Auch gab es offensichtlich dort militärische Kräfte die als ausreichend angesehen wurden, diese Aufgabe zu bewältigen. Rom mochte glauben leichtes Spiel zu haben, doch Karthago war vorbereitet und bereitete dem „arroganten Gegner“ einige Überraschungen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mehr als nur Probleme die Begriffe „Reue“ und „Angst“ Roms vor Karthago oder den Barkiden im Kontext mit ihrer Politik gegenüber Karthago und besonders was Spanien betrifft zwischen dem 1. & 2. Punischen Krieg irgendwo festmachen zu können.

Ich habe diese Begriffe in Ermangelung anderer Begriffe benutzt (Ich war auch nicht besonders zufrieden mit ihnen)

Karthago galt nach diesen Ereignissen als ein schwacher, leicht zu überwindender und zudem extrem reicher Staat. Alle Kriegsplanungen Roms zu Beginn des 2. Punischen Krieges tragen dieser Einschätzung Rechnung: Man wollte nahezu zeitgleich in die karthagischen Gebiete Spaniens einfallen und von Sizilien aus Karthago direkt angreifen. Hätte man Karthago eine wirklich ernste Widerstandskraft zugetraut, oder gar Angst vor den Puniern gehabt, hätte man sich niemals gleichzeitig auf zwei derart anspruchsvolle (Fern!) Unternehmungen eingelassen! Beide Unternehmungen sollten über das Meer gestartet werden (Stichwort: Karthagische Flottenschwäche) und beide Küsten waren feindlich besetzt ohne jeden römischen Stützpunkt, der eine sichere Landung hätte erleichtern können. Die Schwierigkeiten einer Seeinvasion setze ich als Bekannt voraus! Beide Unternehmungen mussten daher mit extremen Situationen zu Beginn fertig werden. Dass Rom sich dies zutraute, unterstreicht ihre Bewertung der militärischen Möglichkeiten Karthagos und die römische Einschätzung der Festigkeit des karthagischen Bündnissystems.

Danke für diese Schilderung. Ich denke ich muss meine Einschätzung revidieren.

Die Stadt hatte von sich aus Krieg gegen karthagische Bündnispartner begonnen und musste erwarten, dass diese ihre Klienten schützen würden.

Gerade dies ist doch der Knackpunkt! Ging Sagunt nun eigenständig gegen den Bündnispartner Karthagos vor? Können wir eine römische Einflußnahme in dieser Hinsicht ausschließen? Dazu wäre wichtig, zu wissen, inwieweit der Kriegsgrund in diesem Falle schlüssig ist.

[FONT=&quot]Vielleicht sah Rom die Ausdehnung des karthagischen Machtbereichs in Spanien als eine auf lange Sicht potentielle Bedrohung an? Als der Krieg jedoch ausbrach, schätzte man sie keineswegs als starken Gegner ein.
[/FONT]

Dies hatte ich im vorigen Beitrag gemeint. Möglicherweise drückte ich mich missverständlich aus. Wir können daher von einer Einschätzung einer unmittelbaren Gefahr durch das Barkidische Spanien für Rom (wie du bereits ausgeführt hast) nicht mehr ausgehen. Ich bin jedoch mit dir einer Meinung, dass es möglicherweise eine längerfristige Bedrohung in diesem neuen karthagischen Machtbereich sah.
 
Ich wäre zurückhaltend beim Revidieren von irgendwelchen Ansichten. Die ganze Frage ist doch äußerst umstritten und schwer durchschaubar. Wenn ich mir z.B. Goldsworthy, Heftner und Heuss anschaue, um nur mal drei Autoren zu nennen, wo ich die Bücher zu Hause habe und nicht in die Bibliothek muß, alle drei interpretieren den Ausbruch des Krieges jeweils anders und alle drei auch jeweils anders als z.B. tela und tejason.

Vielleicht hat Heuss am ehesten recht (obwohl bei weitem der älteste Autor), der beiden Parteien eine Spekulation unterstellt, daß die jeweils andere Seite keinen Krieg wagen würde, die beide schief gegangen sind.

Was meines Erachtens klar gegen Karthargos/Hannibals völlige Unschuld spricht, ist die sehr schnelle Verlegung enormer Truppen aus Spanien Richtung Italien nach dem Fall Sagunts. Wenn Rom Karthargo eine Falle gestellt hat, dann aber mal monatelang abwartet und einen kleinen Krieg in Illyrien beginnt, klingt das schon an sich wenig überzeugend. Und dann braucht der bösartige Provokateur mit der Sammlung und Versendung seiner Truppen auch noch so lange, daß Hannibal schon in der Nähe der Rhone ist, bevor das für Spanien bestimmte Heer der Römer dort eintrifft?

Zum Angriff Sagunts auf den barkidischen Klientelstamm ist zu sagen, daß es wohl um Forderungen Sagunts gegen einen Stamm ging, den Sagunt ständiger Angriffe auf sein Gebiet beschuldigte. Es gab also keine einseitige Agressivität Sagunts. Hannibal hätte seine Klienten auch zurückpfeifen können, wenn er friedliebend gewesen wäre.
 
Was meines Erachtens klar gegen Karthargos/Hannibals völlige Unschuld spricht, ist die sehr schnelle Verlegung enormer Truppen aus Spanien Richtung Italien nach dem Fall Sagunts.

Nach dem Fall Sagunts entlässt Hannibal erst einmal sein Heer, unternimmt selbst eine Pilgerfahrt nach Gades. Von einer schnellen Verlegung enormer Truppen in Richtung Italien kann also nicht die Rede sein!

Abgesehen davon war das dann auch zu einem Zeitpunkt, als es schon Krieg gab, nämlich nach dem Fall Sagunts. Rom drohte während der Belagerung mit Krieg, wenn Hannibal weiter machen würde mit der Belagerung.

Die Handlungen nach dem Fall Sagunts sind also nicht wirklich dazu angetan den Willen Karthagos, Hannibals, der Barkiden zum Krieg mit Rom zu belegen!
 
Sagunt fiel erst nach angeblich 8 Monaten Belagerung, also wohl Ende 219, Anfang 218. Natürlich entließ Hannibal danach sein Heer ins Winterlager und hatte Zeit für seine Pilgerreise. Was er gemacht hätte, wenn Sagunt früher gefallen wäre, ist unergründlich. Es fällt auf, daß das Heer, was Hannibal dann im Frühjahr 218 Richtung Italien führte, ziemlich gewaltig gewesen sein muß, selbst wenn Polybios Zahl von 102000 nicht zutreffen sollte. So was stampft man nicht in ein paar Monaten aus dem Boden, man könnte lange Vorbereitungen vermuten, die an einer rein spanisch-bedingten und Rom gegenüber defensiv eingestellten Haltung starke Zweifel aufkommen lassen.

Andererseits könnte man, falls man der Rom-Verschwörungstheorie zuneigt, für die langsame Antwort Roms nach dem glücklichen Fall Sagunts den gallischen Aufstand in der Cisalpina, der scheinbar früh 218 ausbrach, verantwortlich machen.

Meiner Ansicht nach sind die Fakten einfach zu vieldeutig, um eine eindeutige Kriegsschuldzuweisung hinzubekommen.
 
Die Zahlen von Hannibals Heer sind aus mehreren Gründen unglaubwürdig. Kann man im Detail bei Seibert nachlesen.

Liste doch mal die Fakten auf, die für eine karthagische Kriegschuld sprechen. Vielleicht auch noch solche, die für eine eindeutige und ausschließliche karthagische Schuld sprechen, wie es die Quellen angeben.
 
@ Luziv: Eine Frage habe ich aber noch:

Welchen Sinn hatte der Ebrovertrag aus deiner Sicht und warum bricht ihn Rom dann schon wenige Jahre später für das Bündnis mit Sagunt?
 
Ich denke nicht, dass die Verlegung von Truppen nach Italien ein Zeichen des Willens zum Krieg von Karthago vor dem Fall von Sagunt darstellt. Die Barkiden hatten zu diesem Zeitpunkt (soweit mich mein Gedächtnis nicht trügt) Spanien noch nicht restlos unter ihrer Kontrolle. Z.T. gab es Gebiete die noch erobert werden mussten, z.T. war die Herrschaft der Barkiden noch relativ instabil. Sowohl für die Eroberung als auch die Befriedung der ansäßigen Bevölkerung waren Truppen nötig, daher sind von langer Hand vorbereitete Rüstungs- und Rekrutierungsprogramme mit Blick auf Rom zwar nicht unmöglich, m.E. allerdings nicht existent.
 
Sehe ich genauso.

Mit Beginn des Konfliktes um Sagunt allerdings könnte Hannibal klar geworden sein, dass die Entwicklung auch auf einen neuen Konflikt mit Rom hinauslaufen könnte. Dafür könnte man zwei Gründe finden:

1. Die Ereignisse um Sagunt gleichen sich ziemlich denen vor Beginn des 1. Punischen Krieges.

2. (wichtiger) Die Forderungen Roms an Hannibal und Karthago während der Belagerung von Sagunt könnten gezeigt haben, dass Rom konfliktbereit war.

Nur beweisen Ereignisse Hannibals, der Barkiden oder der Karthager allgemein im Zuge der Sagunt-Krise nicht, dass man mit Beginn der Aktivitäten in Spanien die Grundlagen legen wollte einen erneuten Krieg gegen Rom zu führen.

Ich sehe nachwievor bis zur Sagunt-Krise keine karthagische Aktivität, die es berechtigen würde die Kriegsschuldfrage zum 2. Punischen Krieg an Karthago zu geben. Und die Sagunt-Krise wurde maßgeblich auch durch römisches Verhalten hervorgerufen, nicht durch karthagisches.

Und man kann ja wohl keineswegs Karthago die Schuld geben, wenn man auf römische Provokationen und Vertragsbrüche reagiert.
 
Schuld... Schuld sind beide Parteien, weil sie es beide drauf angelegt haben. Ich würde aber eher sagen Rom, weil die diese reisige Flotte gebaut haben. Ist übrigens ein schönes beispiel dafür, dass es Wettrüsten schon lange vor dem Kalten Krieg gab! :D
 
Sehe ich genauso.

Mit Beginn des Konfliktes um Sagunt allerdings könnte Hannibal klar geworden sein, dass die Entwicklung auch auf einen neuen Konflikt mit Rom hinauslaufen könnte. Dafür könnte man zwei Gründe finden:

1. Die Ereignisse um Sagunt gleichen sich ziemlich denen vor Beginn des 1. Punischen Krieges.

2. (wichtiger) Die Forderungen Roms an Hannibal und Karthago während der Belagerung von Sagunt könnten gezeigt haben, dass Rom konfliktbereit war.

Nur beweisen Ereignisse Hannibals, der Barkiden oder der Karthager allgemein im Zuge der Sagunt-Krise nicht, dass man mit Beginn der Aktivitäten in Spanien die Grundlagen legen wollte einen erneuten Krieg gegen Rom zu führen.

Ich sehe nachwievor bis zur Sagunt-Krise keine karthagische Aktivität, die es berechtigen würde die Kriegsschuldfrage zum 2. Punischen Krieg an Karthago zu geben. Und die Sagunt-Krise wurde maßgeblich auch durch römisches Verhalten hervorgerufen, nicht durch karthagisches.

Und man kann ja wohl keineswegs Karthago die Schuld geben, wenn man auf römische Provokationen und Vertragsbrüche reagiert.

Das Problem liegt doch im Grunde darin, dass die karthagische Herrschaft in Spanien, welche den Karthagern eine neue wirtschaftliche und herrschaftliche Basis sicher sollte, zu dieser Zeit - also die Zeit kurz vor der Belagerung Sagunts - noch im Aufbau begriffen war. Von daher können wir - leider - nicht beurteilen ob die Barkiden bzw. Karthago durch diese neue Machtbasis im späteren Verlauf der Geschichte doch einen Krieg mit Rom angefangen hätte. Wobei es in diesem hypothetischen Fall jedoch wohl eher um die Inseln des Mittelmeeres die für Karthago im 1. Punischen Krieg verloren gingen, gegangen wäre.

Ansonsten stimme ich mit dir überein, dass eine karthagische Teilschuld (abgesehen von der bereitwilligen Annahme des Krieges) kaum auszumachen ist. Die Initiative ging in diesem Falle von Rom aus.
 
Zurück
Oben