Vielvölkerstaat der habsburgischen Monarchie

I
Meine Gedanken wären: Als Ostblockstaat stand das Land unter der Souveränität und Einfluss der Sowjetunion. Der autoritäre Sozialismus hatte zur Folge dass die Wirtschaft stagnierte und die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung sich breit gemacht hatte. Politische Freiheit gab es nicht, sodass der Nationalismus sich nicht entfalten konnte. Dies hat sich mit dem Start der Reformbewegung unter A. Dubcek (prager frühling) für eine kurze zeit geändert.
Spielt das politische und wirtschaftliche system wirklich eine Rolle bei der Frage ob Nationalstaat oder nicht? Mir erscheint dein 2 Ansatz gewinnbringender:
War die tschechoslowakische Republik auch kein Nationalstaat, weil es ein Vielvölkerstaat war?
Mit den ersten Gedanken kann man nun natürlich überlegen wie leicht/schwer ein Nationalstaat (oder vielmehr 2) entstehen konnten.
 
Letzteres ist interessant, kannst Du bitte erklären, wieso? Und ab wann spricht man von `Tschechen`? Ab 19. Jh?


Chronica Boëmorum ("Chronik von Kosmas") aus XII Jhdt. enthalt die altesten Denkmaler dieser Sprache.
In XIII Jhdt. wurde ein paar religiose Hymnen (zB Hlg. Wenzel-Hymne) geschrieben. Seit ca. 1620 wurde tschechisch vor allem die Sprache der Bauern, die Eliten waren deutschsprachig. In XIX Jhdt. wurde die tschechische Sprache grammatisch verschlusseln (Josef Jungmann und andere).
 
Ich habe mal eine Karikatur eingescannt. Das Bild ist aus Brigitte Hamanns Hitlers Wien entnommen, leider habe ich keinen Bildnachweis gefunden, es ist aber in einem Kontext zu den Jahren 1908/09 abgedruckt. Eine Bildunterschrift gibt es nicht, im Fließtext wird allerdings aus der Kronenzeitung zitiert, was nahe legen würde, dass es sich um eine Karikatur aus der Kronenzeitung handelt.
 

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Animositäten im Vielvölkerstaat

Hallo,
ich lese gerade den Kershaw über Hitler und da wird verschiedentlich erwähnt, im K.u.K. Reich konnten sich die einzelnen Bevölkerungsteile nur schwer miteinanderarrangieren, insbesondere der deutsche Teil pflege einen regelrechten Hass auf die Tschechen, wobei die wohl insgesamt recht unbeliebt waren.
Kann mir jemand sagen warum gerade die Tschechen? Und wie war das überhaupt in der Donaumonarchie mit der Diskriminierung?

Gruß, Theoderich:winke:
 
Die letzten Jahre der Donaumonarchie wurden in einer Dokuserie über die Habsburger, entstanden in den späten 80 und frühen 90er Jahren, in einer eigenen Folge beleuchtet. Diese hiess "Völkerkerker - Hort der Völker", ein wie ich finde, sehr treffender Name für diese letzte Zeitspanne des Habsburgerstaates.

Der Themenbereich ist äußerst komplex und nicht mit einem Post zu beantworten. Ich würde dir daher raten, dir mal zwei (aus meiner Sicht) herausragende Ereignisse genauer anzuschauen, die recht gut die damaligen Konflikte beleuchten.
Zum einen die gescheiterte Badenische Sprachenverordnung:
(Sehr kurz dazu die deutschsprachige Wikipedia: Kasimir Felix Badeni ? Wikipedia)

und der mährische Ausgleich von 1905: Mährischer Ausgleich ? Wikipedia

Meine Meinung dazu ist dass die Nationalitätenprobleme Österreich-Ungarns lösbar gewesen wären, leider hat die Regierung es nicht nur verabsäumt, die damals schon im Reichsrat bestehenden Massenparteien (Christlichsoziale und Sozialdemokraten), einzubinden, sondern hat tatenlos zugesehen, wie das Parlament zur Spielwiese radikaler Kräfte wie die Jungtschechen und die Deutschnationalen verkam.
 
Interessant, das hat mir ein wenig weitergeholfen. Immer wieder faszinierend, wie ein Staat durch die Borniertheit der jeweils herrschenden auseinanderbrechen kann, da wachsende Spannungen einfach ignoriert oder unterdrückt werden.
 
So war das aber nicht. Man war sich in Österreich-Ungarn sehr wohl der Probleme bewusst, und es gab auch reichlich Lösungsvorschläge - aber eben keinen, der für alle Seiten akzeptabel gewesen wäre. Und so behalf man sich nach dem Ausgleich von 1867, der mehr Probleme schuf als löste, nur noch mit halbherzigen Lösungsansätzen, die niemanden zufriedenstellten.
 
Interessant, das hat mir ein wenig weitergeholfen. Immer wieder faszinierend, wie ein Staat durch die Borniertheit der jeweils herrschenden auseinanderbrechen kann, da wachsende Spannungen einfach ignoriert oder unterdrückt werden.

Das kann man so nicht sagen, denn man muss die Menschen stets aus ihrer Zeit heraus beurteilen und nicht nach heutigen Maßstäben messen.

Im 19. Jh. und ohnehin zuvor stand der Herrscher mehr oder weniger absolut an der Spitze und die Völker hatten einheitlichen Staatsgesetzen zu folgen. Es gab einen Staat und eine Staatssprache - am besten auch nur eine Religion, was die französischen Könige nach Vertreibung der Hugenotten durchsetzten - und das uns so vertraute Wörtchen "Autonomie" für andere Volksgruppen war nicht oder wenig geschätzt.

So verfuhren die Vielvölkerstaaten Osmanisches Reich, Russisches Reich und natürlich auch die Donaumonarchie. Gewiss gab es zu Beginn des 20. Jh. zunehmend Zugeständnisse der Regierenden des "Staatsvolks" an die anderssprachigen Nationalitäten, doch waren sie in der Regel nur gering und stets unter Druck erfolgt. Im übrigen verfuhren die Engländer in ihren Kolonien auch nicht viel anders und lediglich "weißen" Kolonien wie Kanada oder Australien wurden größere Zugeständnisse hinsichtlich einer Autonomie gemacht.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg bröckelten diese Strukturen unter dem Druck der Verhältnisse und es wäre interessant zu mutmaßen, wie lange wohl der Vielvölkerstaat der Habsburger ohne den Ersten Weltkrieg noch überdauert hätte.
 
Dieter, da kann ich Dir in Bezug auf Österreich-Ungarn nicht ganz zustimmen!

Es gab in den Habsburger-Staaten nie eine einheitliche Staatssprache, der einzige der das versuchte war Joseph II. Ansonsten war sich die Dynastie der Heterogenität ihrer Länder durchaus bewusst und legte ein enormes Geschick in der Integration lokaler Eliten in den Herrschaftsapparat an den Tag.

Nach dem Ausgleich von 1867 gab es zwar Magyarisierungs-Tendenzen in der ungarischen Reichshälfte (in den Ländern der Stephanskrone um genau zu sein), diese richtete sich übrigens auch gegen die deutschsprachige Minderheit im heute zu Österreich gehörenden Burgenland. In der cisleithanischen Hälfte hingegen gab es keine bewußte Germanisierungspolitik.
ABER (deswegen schreib ich ja "bewußte"):
In dieser Hälfte gaben bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 30 Mio (Ö-U Gesamt 52 Mio) 9-10 Mio Deutsch als Muttersprache (12 in ganz Ö-U) an, die zweitgrößte Gruppe waren die Tschechen mit 6 Mio, Polen mit 5 Mio. Deutsch war also nicht nur die meistgesprochene Sprache, sondern auch jene der Hauptstadt bzw. der großen Städte und galt als "lingua franca" der Monarchie. Eine von oben verordnete Einheitssprache war es hingegen nicht.
Die Polen - nach den Tschechen die größte slawische Sprachgruppe in Österreich - waren sogar eine Stütze der Monarchie, die im Reichsrat vertretenen polnischen Parteien waren meist auf Seite der Regierung.
 
Interessant, was du da berichtest. Wie war denn das mit der Sprache vor Gerichten oder in Gesetzestexten? Erfolgte das auch in den jeweiligen Volkssprachen? :grübel:
 
Interessant, was du da berichtest. Wie war denn das mit der Sprache vor Gerichten oder in Gesetzestexten? Erfolgte das auch in den jeweiligen Volkssprachen? :grübel:

Wenn ich mich richtig erinnere (ans Studium, so alt bin ich nun doch noch nicht) wurden Gesetzestexte übersetzt. Wie die Gerichtssprache variiert hat weiß ich nicht (Dolmetscher gab es, ob auch die Sprache der Richter an die Mehrheitssprache angepasst wurde kann ich nicht 100% bestätigen, glaube aber ja).

Um hier exakte Aussagen treffen zu können muss ich etwas in meiner Bibliothek recherchieren:grübel: und ersuche um Geduld...
 
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