Hat die Reservatspolitik nicht zusätzlich die Dezimierung der Indianerstämme Nordamerikas
bewirkt oder war sogar beabsichtigt ?
Ich las da von Unmöglichkeit zu Ackerbau und Jagd in den Reservaten - Abhängigkeit von Lebensmittel-Lieferungen durch die Indianerbehörde - wobei dann diese Lebensmittel auch noch schlechter Qualität oder gar verdorben waren.....
Sind eine grosse Zahl von Reservatsindianern einfach schlicht verhungert ?
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Jein. Beabsichtigt war vor allem, die Indianer in den Reservaten zu 'zivilisieren', sprich: zur Übernahme der weißen Lebensweise zu bringen/ zu zwingen. Also so etwa wie in 'Unsere kleine Farm', Mami und Papi und die Kinderchen betreiben eine Farm und leben glücklich und froh. Dies wurde vor allem bei den Ethnien als dringend notwendig erachtet, die vorher keinen Ackerbau betrieben hatten.
Die Ackerbau treibenden Ethnien zb an der gesamten Ostküste der USA verfügen weitgehend nicht über Reservationen; die Haudenosaunee (Irokesen) in den USA und Kanada sind eine der vorhandenen Ausnahmen. Andere wie zb die Five Civilized Nations wurden mehrfach aus ihren Gebieten vertrieben, da diese durch deren Wirtschaftsweise bereits entwickelt waren und damit lukrativ für eine Übernahme durch Weiße erschienen.
Die Zuteilung der Reservationen erfolgte willkürlich - nicht jede nation bekam dort Land, wo sie auch vorher gelebt hatten: die Kickapoo wurden aus dem Gebiet unterhalb der Großen Seen nach Texas verschoben; ein Teil der Cayuga (Haudenosaunee) ins Indian Territory, dh ins spätere Oklahoma. Die Gebiete wurden weitgehend danach ausgesucht, ob sie für eine weiße Besiedlung lukrativ waren oder nicht. Auf diese Weise kam es dazu, daß über 50% des verbliebenen indianischen Landes aride oder halbaride Gebiete sind, sprich: Wüste oder Halbwüste.
Natürlich konte es vorkommen, daß man bei der Zuteilung ein ökonomisches Interesse noch nicht wahrnahm, das sich aber später ergeben konnte. Dies geschah zb im Fall der Großen Lakotareservation, auf der Goldfunde zu weiteren juristisch nicht gedeckten Enteignungen führten. Auch in den 1970er Jahren wurde noch Land der Lakota enteignet, um dort Uran abzubauen. Oder im Fall der Osage-Reservation, auf der später Öl gefunden wurde (die Osage galten als relativ reich, erreichten aber bis in die 1970er Jahre auch mit den Öleinnahmen nur ein Jahreseinkommen von ca $ 7,000 pro Familie, was immer noch unterhalb der damaligen Armutsgrenze lag).
Die auf den Reservationen zwangsangesiedelten nations erhielten keinerlei Hilfen bei der (Wieder-)Einführung einer landwirtschaftlich geprägten Wirtschaftsweise, also keine Kredite für Saatgut, zur Beschaffung von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln oder auch nur zum Bau von Scheunen oder Ställen. Weiterhin wurde zb bei den Plains nations darauf geachtet, daß die traditionelle Lebensweise in Dörfern aufgebrochen wurde - die Familien mußten auf den zugeteilten Parzellen siedeln. Hiermit sollte vor allem eine erneute politische Organisation der nations verhindert werden.
Im Fall der vorher von Jagd und Sammeln lebenden nations waren die Reservationen viel zu klein, um dauerhaft diese Lebensweise weiterzuführen. Dies war durchaus beabsichtigt. Daß es dadurch teilweise zu Konflikten mit der weißen Umgebung kam, war auch vorhersehbar: einige Indianer jagten dann eben 'slow elk' auf den Weiden. Dies führte ebenso zur Abhängigkeit von Lebensmittellieferungen wie eben auch die Nichthilfen beim Umstieg oder Wiedereinstieg in die Landwirtschaft.
In vielen Fällen wurden Lebensmittellieferungen von den sogen Indianeragenten beauftragt und kontrolliert. Der Agent hatte die Möglichkeit, sich auf 'seiner' Reservation - üblicherweise recht unkontrolliert - wie ein Gott aufzuspielen und wer bei diesen Lieferungen in die eigene Tasche wirtschaftete, blieb weitgehend unbehelligt. Nur einige gingen so brutal rücksichtslos vor, daß dies selbst im fernen Washington einen unangenehmen Geruch und damit Handlungen auslöste. Üblicherweise immer dann, wenn es zu Hungerrevolten auf den Reservationen und zu Ausbrüchen kam.
In vielen Fällen war die Versorgung schlecht, resultierte aber nicht in Hungertoten, wenn auch viele Menschen unterernährt bzw mangelernährt waren. Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß Sammeln von Nutzpflanzen ebenfalls weitgehend unmöglich war bzw gemacht wurde (für das Jagen und Sammeln außerhalb der rez mußten beim Agenten Passierscheine beantragt werden; Personen, die keinen beantragten, galten als flüchtig und konnten von der Armee gewaltsam wieder eingefangen werden). Die gelieferten Lebensmittel gehörten überwiegend nicht zur traditionellen Nahrung, wie zb Mehl und Öl.
Ja, es hat Hungertote gegeben, zumindest auf einigen Reservationen war dies auch ein erhebliches Problem. Spätestens, wenn es zu Revolten und zur Flucht kam, mußte das Problem jedoch wahrgenommen werden. Allgemein herrschten aber viel mehr Mangel-/ Unterernährung, die Folgekrankheiten auslösten und die allgemeine Lebenserwartung begrenzten.
Weiterhin wurden nations teilweise auch in Gebieten angesiedelt, in denen Krankheiten endemisch waren oder es wurden nations aus der Wüste nach Florida verbracht, wie es im Fall der Inde (Apachen) als kollektive Bestrafung geschah. Im Zusammenhang mit der Ernährungssituation kam es zu erheblichen Sterbeziffern.
Hinzu kam das Verbot der traditionellen Lebensweise, der geforderte Umstieg auf eine oktroyierte Lebensweise, der jedoch ohne materielle Unterstützung blieb und auch ausbildungsmäßig nicht unterstützt wurde.