Antike Reitervölker

... ich hoffe, meine Frage passt hier her...

Meines Erachtens schon... :fs:

Ich habe ja schon öfter, unter anderem hier im Forum, gehört, Pferde wurden erst im 1. Jahrtausen v.Chr. geritten.
Nun lese ich aber zu meiner Verblüffung in "In Search of the Indoeuropeans" (J.P. Mallory, 1989, S. 199):
Sredny stog? Da wären wir doch in der Zeit zwischen 4500 - 3500. Kann das sein?

Im Zitat wird ja geschrieben probably - ergo vermutlich/wahrscheinlich; also war das seinerzeit eben längst nicht abgesichert.
Vgl. zur Einordnung dieser These 20 Jahre später:
Geschichte des Hauspferds/Steppenzone schrieb:
Oft wird Dereivka in der Ukraine als ältester Beleg für die Pferdedomestikation genannt. David Anthony hatte dort an Funden von Pferdezähnen der Sredny-Stog-Kultur um 4000 v. Chr. Abnutzungsspuren gefunden, die auf den Gebrauch von Zaumzeug zum Reiten hinwiesen (Lit.: Anthony, 1986, 1991). Neuere AMS-Daten zeigen jedoch, dass das betreffende Tier wahrscheinlich aus der Eisenzeit stammt.
Von Hauspferd ? Wikipedia
(Der auf den zitierten Text folgende Satz bzgl. der Völker Zentralasiens, welche bereits im 3. Jt. v. Chr. Sattel und Zaumzeug erfanden, dürfte mW mit seiner zeitlichen Einordnung jedoch nicht korrekt sein!)
 
Hallo,
ich hoffe, meine Frage passt hier her:
Ich habe ja schon öfter, unter anderem hier im Forum, gehört, Pferde wurden erst im 1. Jahrtausen v.Chr. geritten. Nun lese ich aber zu meiner Verblüffung in "In Search of the Indoeuropeans" (J.P. Mallory, 1989, S. 199):
Sredny stog? Da wären wir doch in der Zeit zwischen 4500 - 3500. Kann das sein?


Kann nicht sein und ist auch nicht so, diese Funde wurden tatsächlich falsch eingeordnet.
Eine C-14-Datierung hat ergeben, daß sie in Wirklichkeit viel jünger sind und aus der Zeit der Skythen stammen.

EDIT: Gerade sehe ich, daß Timotheus schon schneller war. Trotzdem noch einen Satz aus dem Lexikon der Germanischen Altertumskunde, Stichwort "Indogermanische Altertumskunde":
So sind in der Siedlung Dereivka der Srednij Stog-Kultur (Ukraine) weder eindeutige Hinweise auf domestizierte Pferde, auf einen Pferdekult noch Belege für das Reiten überliefert.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gerade sehe ich, daß Timotheus schon schneller war. Trotzdem noch einen Satz aus dem Lexikon der Germanischen Altertumskunde, Stichwort "Indogermanische Altertumskunde"...

Das ist ja nicht weiter schlimm, zumal Deine Literaturangabe noch besser ist als mein Verweis auf Wikipedia.



@Argisti:
Zur Grundproblematik derartiger zeitlicher Fehleinordnungen möchte ich nochmals auf den von mir bereits in Beitrag #10 verlinkten Artikel Marcus Junkelmann: Veröffentlichungen zum Reitwesen - Teil 1 bzw. dessen Lektüre hinweisen...
 
Mobiler zu sein, als sesshafte Völker ist ja auch noch lange kein Grund sich nicht mal einige Tage am selben Ort aufzuhalten um zB einen Hochofen zur Eisengewinnung zu bauen und sich Werkzeuge/Waffen zu schmieden.
Ein nomadisches Leben zu führen bedeutet nicht jede Nacht an einem anderen Ort zu verbringen.

Ich fasse das, mit dem Bau eines Hochofens zur Eisengewinnung während einer Wanderungspause, eher mal als scherzhafte Bemerkung auf.

Auch die Skythen haben sich aus dem Nomadentum weiterentwickelt.

Zitat:

Neben dem Wohnwagennomadismus lassen sich auch proto-urbane Strukturen nachweisen. Hierbei kann es sich um Winterquartiere, Herrschafts-Residenzen oder aber auch um Handwerks- und Handelsplätze gehandelt haben. So sind in der Ukraine und in Südrußland zahlreiche Burgwälle (gorodišče) aus skythischer Zeit nachweisbar (Busch 1993, 25f). Bei dem in Bel’sk nachweisbaren Burgwallsystem, das 4000 ha Innenfläche umfasst, handelt es sich möglicherweise um die aus Herodot (IV 108) bekannte Stadt Gelonos, in der eine griechisch-skythische Mischbevölkerung gelebt haben soll und wo man das Herrschaftszentrum der Skythenkönige des 7. und 6. Jh.s vermutet (R. Rolle / I.v. Bredow, Der Neue Pauly XI, 652). Die Verkürzung der skythischen Kultur auf ein kriegerisches Reitervolk ist sicherlich nicht statthaft. So trieben die Skythen mit den griechischen Kolonien schwunghaften Handel, der sowohl über Faktoreien (empória) als auch durch fahrende griechische Händler im Hinterland abgewickelt wurde (Herodot IV 17-20.107). Die Skythen verkauften vor allem Getreide, Wolle, Spinnfaserpflanzen, Trockenfisch sowie Edelmetalle aus dem Ural (Busch 1993, 20.25). Von den Erlösen erwarben sie hauptsächlich griechische Luxusware wie etwa Wein (vgl. Ailianos, Varia historia II 41) und Feinkeramik (Banri 2003).

MfG Jürgen
 
Ich halte es für selbstverständlich, bei Zitaten auch die Quellen dazu anzugeben. Ein Link erspart Interessierten den Umweg über Google.
 
Ja die Kunstgegenstände der Skythen sind schon toll. Aber die anderenVölker haben auch schöne Sachen gefertigt.
Wie zum Beispiel diese Rekonstruktion aus einem Saken-Kurgan zeigt:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/56/Issyk_Golden_Cataphract_Warrior.jpg

Da können sich die modernen Mongolen ne Scheibe von abschneiden :D

Gab es denn bei den Mongolen keinen mit dem der Skythen vergleichbaren Tierstil oder andere nennenswerten Künste? Wenn nicht, woran kann das liegen? Gibt es überhaupt archäologische Funde der Mongolen, die Kunstschätze beinhalteten?
 
Diesen Irrtum begang schon Pytheas bei seiner Nordfahrt, er hielt nämlich die Anwohner der Nordsee jenseits Britanniens für Skythen.
 
Der skythische Tierstil darf nicht mit dem germanischen Tierstil verwechselt werden.

Der Begriff "skythischer Tierstil" ist ein fester kulturgeschichtlicher Terminus, einen germanischen Tierstil hingegen kenne ich nicht, was nicht ausschließt, dass germanische Fibeln und andere Schmuckgegenstände Tiere zeigen.
 
Der Begriff "skythischer Tierstil" ist ein fester kulturgeschichtlicher Terminus, einen germanischen Tierstil hingegen kenne ich nicht, was nicht ausschließt, dass germanische Fibeln und andere Schmuckgegenstände Tiere zeigen.


Es gibt einen „germanischen Tierstil“. Dieser darf aber nicht mit den eurasiatischen Tierstil, zu den der skythische Tierstil gehört, verwechselt werden. „Tierstil“ ist nur ein Oberbegriff für verschiedene künstlerische Tierdarstellungen. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen den „germanischen Tierstil“, der zur germanischen Kunst gehört, und zwischen einen „eurasiatischen Tierstil“, der seinen Ursprung in Zentralasien hat.
 
Eine Anmerkung zu dieser Seite: manche der dort geführten Aussagen kann man jedoch durchaus - vorsichtig formuliert - mit einem Fragezeichen versehen.
Bspw. von Steppengeschichte


Vgl. dazu nämlich aus Marcus Junkelmann: Veröffentlichungen zum Reitwesen - Teil 1

Anm.: Kürzer ging die relevante Passage zur Verdeutlichung des Fehlers auf der Steppenreiterseite nicht; ich bitte deswegen um Nachsicht.

Nach neusten Forschungsstand stammt der Steigbügel ursprünglich aus Korea, wo er bereits im 3. Jh. nachgewiesen ist. Von dort verbreitete der Steigbügel sich über China und Zentralasien bis nach Europa aus.
 
Die Austellung "Goldener Horizont" Hannover Ausstellungen Niedersaechsisches Landesmuseum Hannover Sonderausstellungen - http://www.schwarzaufweiss.de
habe ich mir angesehen und möchte vorab feststellen, dass ich die Kritik im Link nicht teile. Im Gegenteil, mir gefiel die schlichte Präsentation in Tischvitrinen gut.

Diese Vitrinen waren klar zeitlich und in der ethnischen Zuschreibung gegliedert.
Falls es im Link nicht deutlich wird:
1.Katakombengrabkultur Russische Föderation: Ergeninskij
Zeitlich und thematisch paßt diese Kultur aus dem 3. vorchristlichen Jts. mE nicht ins Thema "Reitervölker". Die ausgestellten Artefakte zeigten keinen besonderen Bezug zur Pferdehaltung, es gab Schmuck, Keramik und Funde aus einem Handwerkergrab mit "Düsenfragmenten"? (muß ich noch suchen)
2.Ab der 2. Vitrine Kimmerer Kimmerer ? Wikipedia wurde durch die Ausstellung deutlich, wie wichtig das Reitpferd für die Kultur war. Die Funde stammen zwar überwiegend aus Gräbern, vielleicht verfälscht das das Bild. Wenn aber mitbegrabene Pferde solch liebevoll gestaltetes Zaumzeug trugen, kann man annehmen, dass auch lebende Reitpferde zu besonderen Anlässen aufwändig geschmückt wurden.
3. Am Tisch der Skythen Skythen ? Wikipedia glänzte es dann wirklich golden, sehr eindrucksvoll. Allerdings waren dort einige Nachbildungen ausgestellt, auf den anderen Tischen nicht. Das Skythengold ist ja auch schon in einer eigenen Ausstellung durch Europa gewandert, dabei wurden auch Nachbarn wie die Massageten angesprochen. Den Skythenkomplex als Volk zu bezeichnen, ist umstritten. Sie lebten als nordöstliche Nachbarn der Griechen und sind durch griechische Quellen bekannt.
Mir stellt sich daher die Frage, ob man Kimmerer und Skythen in Verbindung mit der griechischen Kultur betrachten kann. Sie vielleicht als Landhandelspartner reich wurden? Betrieben die Griechen nicht eher Seehandel über das Mittelmeer? Die Pferdekopfschale (si. 1. Link) hat mich besonders beeindruckt, diese war nicht als Kopie ausgezeichnet. Ich kenne mich mit dem griechischen Kunststil nicht aus, typisch skythisch vom Design fand ich sie auch nicht.
Hat vielleicht Jemand die Austellung auch gesehen, sie kommt aus Linz (meine ich) und kann mir zu der Schale mehr sagen und überhaupt zur skythisch-griechischen Beziehung?

In der Ausstellung ging es mit 6 weiteren Vitrinen Sarmaten, Hunnen, Awaren, Chazaren, Pecenegen, Polowzer weiter und endete zeitlich vor den Mongolen. Bei einigen Gruppen klang auch diese Handelsverbindung zu Land an, z.B. mit den Warägern im Kiewer Rus.
 
Die Pferdekopfschale (si. 1. Link) hat mich besonders beeindruckt, diese war nicht als Kopie ausgezeichnet. Ich kenne mich mit dem griechischen Kunststil nicht aus, typisch skythisch vom Design fand ich sie auch nicht.
Hat vielleicht Jemand die Austellung auch gesehen, sie kommt aus Linz (meine ich) und kann mir zu der Schale mehr sagen und überhaupt zur skythisch-griechischen Beziehung?
Zu der Pferdekopfschale stand auch weiter nichts im Katalog. Sie ist zwar abgebildet darin, aber ich hatte nur zusätzlich die Herkunft unter dem Bild gefunden: Kurgan Bratoljubovskij bei Ol'tino, Region Cherson, Grabung 1990. Es ist eine Goldphiale aus dem 5. Jh. v. Chr.
 

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Die Austellung "Goldener Horizont" Hannover Ausstellungen Niedersaechsisches Landesmuseum Hannover Sonderausstellungen - http://www.schwarzaufweiss.de
habe ich mir angesehen und möchte vorab feststellen, dass ich die Kritik im Link nicht teile. Im Gegenteil, mir gefiel die schlichte Präsentation in Tischvitrinen gut.
Das bringt uns zwar jetzt nicht direkt beim Thema „Reitervölker“ weiter, aber für diejenigen, die die Ausstellung noch besuchen wollen, möchte ich doch den Hinweis bringen, was mit der Art der Präsentation bezweckt werden soll. Man sieht es dann vielleicht mit anderen Augen.
Abgesehen davon war ich als geladener Gast bei der Ausstellungseröffnung zunächst auch nicht sehr erbaut: wenn ca. 200 Leute sich zur gleichen Zeit darauf stürzen, sieht man wirklich nicht viel.

Als „normaler“ Museumsbesucher kann man das dann anders auf sich wirken lassen. Mit der Vitrinen-Ebene 90 cm wollte man in der Höhe des Steppengrases (ca. 1 m) bleiben und an einen Horizont erinnern. Die Wege zwischen den Vitrinen bedeuten das niedergetretene/-gerittene Gras. Die Exponate, versenkt in den Vitrinen = wie gefunden, versenkt im Steppenboden. Die halbrunden Module, die die 90 cm überragen, bedeuten nichts anderes als die Kurgane in der Weite der Steppe. Hier wird jeweils die entsprechende Kultur kurz dargestellt in Verbindung mit Landschaftsfotos.
 
Der Begriff "skythischer Tierstil" ist ein fester kulturgeschichtlicher Terminus, einen germanischen Tierstil hingegen kenne ich nicht, was nicht ausschließt, dass germanische Fibeln und andere Schmuckgegenstände Tiere zeigen.
Zitat aus
„Die Germanen“ Ein Lexikon zur europäischen Frühgeschichte von Döbler:
Rund ein bis eineinhalb Jahrtausende liegen zwischen dem Tierstil der Skythen und dem germanischen Tierstil der Goten, Sweben, Langobarden und schließlich der Wikinger…
In der Kunstgeschichte werden folgende germanische/nordische Tierstile unterschieden:
Tierstil I = 6. Jh.
Tierstil II = 7. Jh.
Tierstil III = 8. Jh.
Oseberg = 9. Jh.
Borre-Stil = 9./10. Jh.
Jelling-Stil = 10. Jh.
Mammen-Stil = Ende 10. Jh.
Urnes-Stil = Ende 12. Jh.
 
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