->Warum hieß Deutschland im 18. Jahrhundert immernoch "Heiliges Römisches Reich"?<-

Hallo,

nochmal zur Eingangsfrage:

Warum hieß Deutschland im 18. Jahrhundert immernoch "Heiliges Römisches Reich"?

Wurde schon viel richtiges genannt.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass das Reich im 18. Jhd. in erster Linie "Deutsches Reich" oder "Deutschland" genannt wurde, bzw. kaum noch ein Unterschied zwischen dem "Römischen" Reich und seinem deutschen Kerngebiet gemacht wurde.

Beispiel
die "historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs" von 1788

aber sehr richtig: das Kaisertum hat von seiner universellen Würde nie abgelassen und verstand sich weiterhin als römisch, und daher auch dessen Reich.

hjwien
Kann man im 10 Jh. vom "Deutschen Reich" sprechen?

Ich meine schon. Die Bezeichnung hatte es zu der Zeit zwar noch nicht gegeben, aber eine politische Loslösung vom Westfrankenreich hatte schon insoweit stattgefunden, dass das Gebilde, was später "Deutsches Reich" genannt wurde, vorhanden war.

Dieter
Das ist sicherlich ein Fehlschluss, denn innerhalb der Reichsgrenzen lagen um 1500 - zumindest formal - immer noch Reichsitalien, die französischsprachige Freigrafschaft Burgund und die frankophonen südlichen Niederlande sowie die slawischsprachigen Gebiete des Königreichs Böhmen und der Markgrafschaft Mähren. Je schattenhafter allerdings die Macht des Reichs in diesen Gebieten wurde, desto mehr gewann der Zusatz "deutscher Nation" an Gültigkeit.

Ist für mich kein Widerspruch. Das Reich der Deutschen ist ja nicht notwendigerweise eines, indem nur Deutsche leben, sondern vielmehr eines, das von Deutschen beherrscht wird. Eigentlich wäre es in der Historie eine Ausnahme, wenn sich Reiche nur auf das Siedlungsgebiet einer bestimmten Ethnie beschränken sollten... Auch beim HRR haben wir bereits im Mittelalter schon den deutlich formulierten Anspruch einer deutschen Hegemonie.
 
Ich hab noch eine gute Quelle zur Reichsbezeichnung im 18.Jhd.

"Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste" von 1742

Eintrag
"Reich, das Römische Reich Deutscher Nation"

Reich, wird insbesondere und mit einem gewissen Vorzuge bey uns das Römische Reich Deutscher Nation, Imperium Romano-Germanicum, L’Empire d’Allemagne, genennet, das ist, dasjenige mächtige Reich, welches unter einem höchsten Oberhaupte, dem Röm. Kayser, und den Reichs-Ständen, als Gliedern, von Conrado I her, auf die Deutsche Nation gebracht, durch Otten den Grossen befestiget, und bis auf unsere Zeit erhalten worden. Es wird ein Reich genennet, weil es den grössesten Königreichen an Umfang und Macht nicht weichet, indem es sich von den Alpen bis an die Ost-See, und von jenseits des Rheins bis über die Oder erstrecket. Das Römische Reich, weil die Beherrschung der Stadt Rom lange Zeit bey den Deutschen Königen gewesen, und sie derselben sich ausdrücklich noch nicht begeben. Das Deutsche [8] Reich, weil es das alte Deutschland mit seinen Völckerschafften mehrentheils begreifft.

http://de.wikisource.org/wiki/Zedler:Reich,_das_R%C3%B6mische_Reich_Deutscher_Nation
 
Hallo,

nochmal zur Eingangsfrage:

Wurde schon viel richtiges genannt.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass das Reich im 18. Jhd. in erster Linie "Deutsches Reich" oder "Deutschland" genannt wurde, bzw. kaum noch ein Unterschied zwischen dem "Römischen" Reich und seinem deutschen Kerngebiet gemacht wurde.

Schon beim Blick auf das Reichsterritorium zwischen dem 11. und 18. Jh. wird sichtbar, dass sich der Begriff Heiliges Römisches Reich im Lauf der Jahrhunderte immer stärker auf den von Deutschen besiedelten Reichsteil verengte.

Im späten Mittelalter war Reichsitalien de facto verloren gegangen, denn in Oberitalien mit seinen wohlhabenden Stadtrepubliken und Signorien übten die Kaiser nur noch eine schattenhafte Macht aus - wobei man reichsrechtliche Machtstrukturen von denen der Habsburger als Landesherren trennen muss. Vom zweiten Reichsteil, dem Königreich Burgund, das einst bis zum Mittelmeer reichte, war nur noch die Freigrafschaft Burgund übriggeblieben, den Rest hatte sich Stück für Stück Frankreich einverleibt. Der Westfälische Friede brachte mit dem Ausscheiden der Eidgenossenschaft und der Niederlande aus dem Reichsverband weitere gravierende Gebietseinbußen, sodass man spätestens seit dem 16./.17. Jh. wirklich von einem Reich "deutscher Nation" sprechen muss - auch wenn das slawische Königreich Böhmen und französischsprachige Teile der südlichen Niederlande noch zum Reich zählten.

Die Beibehaltung des Begriffs "Heilig" für das Reich bis zu seinem Untergang ist sicherlich nur einer Jahrhunderte alten Tradition geschuldet, denn vom usprünglich sakralen Bedeutungsinhalt - der Kaiser als oberster Priester, Gottes Stellvertreter auf Erden und Beschützer der Christenheit - war de facto nur wenig geblieben.
 
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