Welcher Stamm siedelte bei Wiesbaden zur Zeit des gallischen Kriegs?

Richtig bemerkt, die Tacitus-Stelle lässt die Deutung einer Zwangsansiedlung mit Galliern nicht zu. Laut Tacitus kamen die mittellose Gallier freiwillig über den Rhein und haben das herrenlose Gebiet östlich des Rheins, das spätere Dekumaten-Land besiedelt. Die gallischen Siedung wurden danach durch Grenzverschiebung (Limes) abgesichert.

Herrenlose Gebiete direkt östlich des Rheins tauchen immer wieder auf. 39/38 v. Chr. werden die Ubier ins linksrheinische umgesiedelt, Tiberius siedelte 7. v. Chr. große Teile der Sugambrer und eine Suebengruppe im Linksrheinischen. Die Chatten verließen das ihnen zugewiesene Gebiet, gingen ins Innere Germaniens, weg vom Rhein. (Nicht zu vergessen ist hier noch die Abwanderung der Markomannen vom Oberlauf des Mains Richtung Böhmen unter Zurücklassung elbgermanischer Neckar-Sueben.)
Das Gebiet direkt östlich des Rhein war danach "frei". Die Chance für die armen Gallier, die es in Besitz nahmen.
Wahrscheinlich bezieht sich Tacitus Anmerkung über eingewanderte Gallier auch eher auch die Civitas Taunensium, eine römische Civitas, die nicht nach einem lokalem Stamm benannt wurde und an die Civitas Mattiacorum angrenzte.

Das war der Zustand der Region. In der Zeit dürften auch die Mattiaker an Rhein und Main aufgetaucht sein. Ihre Verbindung zu den gallischen Kolonisten ist unklar. Folgt man der Tacitus Beschreibung waren sie nicht identisch, sondern verschieden.

Laut Tacitus (Germania Kapitel 28) siedelten in vorrömischer Zeit die Helvetier am Main, südlich oder nördlich des Mains, die genaue Lokalisierung scheitert am undeutbarem hercynischem Gebirge:
Daß einst der Gallier Sachen stärker waren, sagt der hohe Gewährsmann, nun unter den Göttern, Julius; und darob ist es glaublich, daß auch Gallier nach Germanien hinübergingen ... Also hatten, was zwischen dem Waldgebirg Hercynia und den Flüssen Rhein und Main liegt, die Helvetier inne, das Jenseitige die Bojer, Beides ein gallisches Volk.
In Caesars De bello Gallico siedelten die Helvetier Rhein und Rhone. Wahrscheinlich waren sie schon mit den Kimbern in Schweiz gezogen.
Dem Zitat merkt man auch Tacitus Gallier- und Germanenverständnis an. Gallier im Sinne Tacitus sind alle die aus Gallien kommen, ob sie sich in Germanien oder Italien niederlassen, spielt keine Rolle. Germanen kommen aus Germanien und bleiben Germanen, auch wenn sie sich rechts des Rheines niederlassen. Keltisch-sprachige Eingeborene rechts des Rheins wie Nemeter, Vangionen, die er nicht auch helvetische oder bojische Einwanderung zurückzuführt, müssen für Tacitus natürlich Germanen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du wirst mir sicher zustimmen, dass es in Deutschland um 600 n. Chr. keine Kelten mehr gab. Insofern ist davon auszugehen, dass es sie auch im 2.-5- Jh. nicht mehr gegeben hat. Das ist allerdings keine Zauberei, denn da in diesen Gebieten zur Kaiserzeit germanisch gesprochen wurde
Gab es da nicht im Eifel-Hunsrückgebiet noch an die Grenze des Hochmittelalters keltoromanische Sprahinseln von erheblicher Größe-ich meine zumindest ,irgendwo mal sowas gelesen zu haben.

Also ich vertrete ja folgende Theorie:
Die römische Unterteilung der Völker Mitteleuropas in Gallier und Germanen ist m.E. nicht ethnologischer sondern ideologischer Natur.-Mit der Eroberung Galliens und dem Vordringen zum Rhein waren die Kelten offiziell besiegt und damit dürfte es keine unabhängigen Kelten mehr geben . Das hätte das Caesar und seine Nachfolger desavouiert und sie zumindest eine Teil ihrer Legitimation gekostet.
Gleichzeitig wurden die Germanen als neue Gegner aufgebaut und deshalb hatten alle jenseits des Rheins als Germanen zu gelten.
 
Gab es da nicht im Eifel-Hunsrückgebiet noch an die Grenze des Hochmittelalters keltoromanische Sprahinseln von erheblicher Größe-ich meine zumindest ,irgendwo mal sowas gelesen zu haben.
Der heilige Hieronymus hat berichtet, dass die Landbevölkerung im Umland von Trier beinahe dieselbe Sprache wie die Galater (Kelten) in der heutigen Türkei gesprochen hatten.
Die keltische Sprachinsel soll bis ins hohe Mittelalter bestanden haben (hab ich jedenfalls mal gelesen, komme aber grad nicht drauf, wo - evtl. bei Demandt)
 
Der heilige Hieronymus hat berichtet, dass die Landbevölkerung im Umland von Trier beinahe dieselbe Sprache wie die Galater (Kelten) in der heutigen Türkei gesprochen hatten.

Nicht ganz: "Galatas excepto sermone Graeco, quo omnis oriens loquitur, propriam linguam eamdem pene habere quam Treviros."

"Die Galter haben außer der griechischen Rede, welche im gesamten Osten gesprochen wird, noch ihre eigene Sprache, welche fast wie die der Treverer ist."
 
propriam linguam eamdem pene habere quam Treviros
sinngemäß hatte ich das doch auch wiedergegeben?!
...bei Behördengängen (jedenfalls zu Zeiten römischer Administration) dürfte die erwähnte Landbevölkerung auch latein gesprochen haben; und die Galater waren mindestens zweisprachig, was sich ja in neuer Umgebung als ganz praktisch erweist ;)
Interessant ist der Umstand, dass Hieronymus die Ähnlichkeit erwähnt.
 
sinngemäß hatte ich das doch auch wiedergegeben?!
...bei Behördengängen (jedenfalls zu Zeiten römischer Administration) dürfte die erwähnte Landbevölkerung auch latein gesprochen haben; und die Galater waren mindestens zweisprachig, was sich ja in neuer Umgebung als ganz praktisch erweist ;)
Interessant ist der Umstand, dass Hieronymus die Ähnlichkeit erwähnt.
Zunächst einmal wissen wir nicht, ob Hieronymus hier aus eigener Anschauung berichtet. Zweitens spricht er nicht explizit von der Landbevölkerung und auch nicht - ein allerdings zu vernachlässigender Aspekt -, dass sie diesselbe Sprache sprächen, sondern eine ähnliche (p[a]ene).

Die Frage ist außerdem, wie viel Einblick er wirklich hatte. Ich höre zuhause täglich Polnisch (was ich nicht verstehe) und in meiner Umgebung viel Russisch, ich spreche fließend Spanisch, kann Portugiesisch lesen und dann auch verstehen. Wenn ich aber Portugiesisch höre, halte ich es regelmäßig zunächst für eine slawische Sprache. Wie wird das Hieronymus mit dem Treverischen gegangen sein? Und hat er das Galatische jemals gehört?

Wenn man mal seine Form der Treverer auseinandernimmmt, Treviros, dann schaut das beinahe so aus, als aber er dieses Volk pseudoetymologisiert: Viros, Akk. Pl. für vir, 'Mann', 'Mensch'. Da stellt sich von Neuem die Frage: Wie viel Einblick hatte Hieronymus wirklich in die Sprache der Treverer?

Nur damit das deutlich ist: Ich bewege mich hier im hypothetischen Bereich, aber mir scheint diese beiläufige Bemerkung des Hieronymus, die überall zitiert und immer als Beleg für das Überleben des Festlandkeltischen angeführt wird, nicht ausreichend hinterfragt worden zu sein.
 
Gab es da nicht im Eifel-Hunsrückgebiet noch an die Grenze des Hochmittelalters keltoromanische Sprahinseln von erheblicher Größe-ich meine zumindest ,irgendwo mal sowas gelesen zu haben.

Also ich vertrete ja folgende Theorie:
Die römische Unterteilung der Völker Mitteleuropas in Gallier und Germanen ist m.E. nicht ethnologischer sondern ideologischer Natur.-Mit der Eroberung Galliens und dem Vordringen zum Rhein waren die Kelten offiziell besiegt und damit dürfte es keine unabhängigen Kelten mehr geben . Das hätte das Caesar und seine Nachfolger desavouiert und sie zumindest eine Teil ihrer Legitimation gekostet.
Gleichzeitig wurden die Germanen als neue Gegner aufgebaut und deshalb hatten alle jenseits des Rheins als Germanen zu gelten.


Das kann man durchaus vertreten.

Es gibt natürlich vieles, was so nicht zusammenpassen will.
Ich denke wir werden da noch manche Überraschung erleben.
 
Die römische Unterteilung der Völker Mitteleuropas in Gallier und Germanen ist m.E. nicht ethnologischer sondern ideologischer Natur.-

Zweifellos ist sie unter anderem auch sprachlicher Natur, und wer keltisch sprach, war vermutlich ein Kelte, wer germanisch sprach, ein Germane.

Es ist natürlich denkbar, dass wir die keltischen Briten eigentlich als Germanen betrachten müssen und die germanischen Sachsen im Kern Kelten waren - nur wussten das die Betroffenen leider nicht!
 
Die römische Unterteilung der Völker Mitteleuropas in Gallier und Germanen ist m.E. nicht ethnologischer sondern ideologischer Natur.-Mit der Eroberung Galliens und dem Vordringen zum Rhein waren die Kelten offiziell besiegt und damit dürfte es keine unabhängigen Kelten mehr geben . Das hätte das Caesar und seine Nachfolger desavouiert und sie zumindest eine Teil ihrer Legitimation gekostet.
Kelten gab es auch noch u.a. in Britannien, Irland (Hibernia) und Noricum. Caesar nahm nie in Anspruch, Britannien vollständig unterworfen zu haben, Irland und Noricum erst recht nicht. Caesar nahm nur in Anspruch, ganz Gallien unterworfen zu haben, und da machte er auch kein Geheimnis daraus, dass die Einwohner Belgicums teilweise Germanen waren.
 
Zweifellos ist sie unter anderem auch sprachlicher Natur, und wer keltisch sprach, war vermutlich ein Kelte, wer germanisch sprach, ein Germane.

Es ist natürlich denkbar, dass wir die keltischen Briten eigentlich als Germanen betrachten müssen und die germanischen Sachsen im Kern Kelten waren - nur wussten das die Betroffenen leider nicht!

Die Ärmsten.;)
Kein Schimmer wie ausgeprägt und wichtig (eher unwichtig) das "Nationalgefühl" in der Wahrnehmung im 1.+2. Jahrhundert rechtsrheinisch war.

Bei der Völkerwanderung ist es dann klar.
Gote ist, wer Gote sein will.
 
Nur damit das deutlich ist: Ich bewege mich hier im hypothetischen Bereich, aber mir scheint diese beiläufige Bemerkung des Hieronymus, die überall zitiert und immer als Beleg für das Überleben des Festlandkeltischen angeführt wird, nicht ausreichend hinterfragt worden zu sein.
Setzt man die Ansprüche moderner Sprachwissenschaft an Hieronymus und andere spätantike Autoren an, so wirken die dann durchaus ein wenig unbeholfen - allerdings übersteigt man mit diesem Anspruch auch deren Erfahrungs- und Wissenshorizont.
Hieronymus hielt seine Beobachtung oder Bemerkung offenbar für mitteilenswert, wenn auch en passent. Ähnliches gilt für Procop, der nebenbei berichtet (bella), dass sich manche Barbaren zwar andere Namen gaben (Ostgoten, Westgoten, Gepiden, Wandalen) und unereinander haderten, aber doch eine gemeinsame gotische Sprache sprächen. Procop kannte natürlich die Feinheiten der histor. Sprachwissenschaft und damit die kleinen Unterschiede nicht - aber ist seine Mitteilung darum komplett falsch? Zumindest, soweit es die Sprachtrümmer zulassen, bestätigt die Zuordnung "ostgermanische" Sprachen Procops Bemerkung.
Ob Demandt u.a. die Hieronymusstelle quasi unreflektiert erwähnen? Ich glaube das eher nicht. ...aber das ist natürlich auch spekulativ.
Immerhin gab es in der Spätantike manchen sehr sprachkundigen Autor: ich erinnere mich da gerne an einen Bischof, in dessen Gegenwart die Burgunden lieber nicht burgundisch sprachen, um sich mit Barbarismen und Fehlern nicht zu blamieren (falls diese schöne Geschichte über den Solon der Burgunder wahr ist) ;)
 
Ich wußte doch ,da war was:D aber so abwegig ist das nicht,daß gerade in dem Rückzugsraum zwischen den alten Römerstädten Trier-Köln und Mainz sich die kelto-romanische Kultur und Sprache am längsten erhalten haben soll.Wenn nicht da,wo sonst ?
 
Ich wußte doch ,da war was:D aber so abwegig ist das nicht,daß gerade in dem Rückzugsraum zwischen den alten Römerstädten Trier-Köln und Mainz sich die kelto-romanische Kultur und Sprache am längsten erhalten haben soll.Wenn nicht da,wo sonst ?


Die Moselromanen. Als "Latein"-Sprecher nachgewiesen bis ca. 1000 nChr
Natürlich da, wo sonst?
Einer musste doch den Franken den Weinbau beibringen.
 
Ich wußte doch ,da war was:D aber so abwegig ist das nicht,daß gerade in dem Rückzugsraum zwischen den alten Römerstädten Trier-Köln und Mainz sich die kelto-romanische Kultur und Sprache am längsten erhalten haben soll.Wenn nicht da,wo sonst ?

Es gibt allerdings eine andere sprachliche Kuriosität im Moselraum, die bemerkenswert ist. Dort hielt sich aus römischer Zeit bis ins 11. Jh. eine kleine romanische Sprachinsel, deren Existenz sich auch romanisierten Kelten verdankt. Die Rede ist von der Moselromanischen Sprache, deren lange Existenz bis heute verblüfft Moselromanische Sprache ? Wikipedia

Unter anderem deutet der Ortsname Welschbillig auf die einstige Präsenz der Welschen - also der romanisierten Kelten - in der gesamten Region hin.

 
Die Moselromanen. Als "Latein"-Sprecher nachgewiesen bis ca. 1000 nChr
Natürlich da, wo sonst?
Einer musste doch den Franken den Weinbau beibringen.

Es gibt allerdings eine andere sprachliche Kuriosität im Moselraum, die bemerkenswert ist. Dort hielt sich aus römischer Zeit bis ins 11. Jh. eine kleine romanische Sprachinsel, deren Existenz sich auch romanisierten Kelten verdankt. Die Rede ist von der Moselromanischen Sprache, deren lange Existenz bis heute verblüfft Moselromanische Sprache ? Wikipedia

Unter anderem deutet der Ortsname Welschbillig auf die einstige Präsenz der Welschen - also der romanisierten Kelten - in der gesamten Region hin.


Die Schwaben sind einfach schneller:pfeif:
 
Die Schwaben sind einfach schneller:pfeif:

Ich hatte lediglich die Absicht, die Info zur Moselromanischen Sprache zu verdichten.

Im übrigen finde ich es überaus erstaunlich, dass sich diese Sprache noch über 600 Jahre (!) nach dem Zusammenbruch Westroms in Deutschland halten konnte. Das zeigt einmal mehr, dass die Romanisierung in den linksrheinischen Gebieten stark gewesen sein muss, auch wenn sich nicht wie in Frankreich oder Spanien eine romanische Sprache endgültig durchsetzte.
 
Im übrigen finde ich es überaus erstaunlich, dass sich diese Sprache noch über 600 Jahre (!) nach dem Zusammenbruch Westroms in Deutschland halten konnte. Das zeigt einmal mehr, dass die Romanisierung in den linksrheinischen Gebieten stark gewesen sein muss, auch wenn sich nicht wie in Frankreich oder Spanien eine romanische Sprache endgültig durchsetzte.

Das ist es auch.
Wobei vermutlich das "Spezialistentum" dies begünstigt hat.

Bei manchen Orts- und Flurnamen "Wahlental" zB könnte man auf die Idee kommen, dass da ebenfalls noch lange "Welsche" gehaust haben.
Die Profis gehen aber eher von späteren Zuwanderungen aus.
 
Na die Diskussion ist ja mal wieder wunderbar !

Plädiere aber trotzdem für den Dünsberg und den bei Tacitus genannten Hauptort der Chatten. Sonst kommt man in die Verlegenheit einen weiteren Ort bei Ptolemaios "Arctaunum" order auch "Artaunum" 50 km südlich von Wiesbaden lokalisieren zu müssen. Aber so gesichert sind seine Koordinaten nicht, als das man eine definitive Aussage treffen könnte.

Nach den neuesen transformierten Daten des Ptolemaios lag Mattiacum nahe Naunheim - schaust Du hier:
http://maps.google.com/maps/ms?ie=UTF&msa=0&msid=113227378687572833113.000490b1bb0ecad317036

Ansonsten bitte mal meine alte Karte der Trevererstämme anschauen !

Herm
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach den neuesen transformierten Daten des Ptolemaios lag Mattiacum nahe Naunheim - schaust Du hier:
Magna Germania - Google Maps

Nur leider bleibt das Verfahren mit dem die Berliner Wissenschaftler darauf gekommen sind im Dunkeln. Das was z.B. die Ptolemaiosforscher in Bern über seine Arbeitsweise herausgefunden haben lässt eher den Schluss zu, dass ein mathematisches Verfahren zumindest bei der Magna Germania fehl am Platz ist.
Verlässliche Fixpunkte an denen man eine Ausgleichsrechnung beginnen kann sind hier rar.
Warum "Novaesium" nicht auf Neuss korrigiert wurde ist mir auch schleierhaft. Ebenso nicht Luppia an die Lippe.
Und die in Deinem Link beschriebenen Orte berufen sich sehr oft auf die erste schriftliche Erwähnung. Also in den meisten Fällen auf sehr fragwürdige fränkische Schenkungs- und Besitzurkunden.

Aber ich habe diese Woche gesehen, dass die Herren nun auch kostenpflichtigt veröffentlicht haben...

Gruss
jchatt
 
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