Sieht man sich diese ersten 24 Stunden der Invasion genauer an, so bleibt die (natürlich spekulative) Frage, ob genau diese Zeitspanne nicht sehr von "Pleiten, Pech und Pannen" auf deutscher Seite geprägt waren.
Zur Einschätzung der Invasion durch Hitler und das OKW:
Dass die Invasion in Berchtesgarden im Führerhauptquartier bewusst zur Kenntnis genommen wurde und "freudig" begrüßt wurde kann man in den Tagebüchern von Goebbels nachlesen (Tagebücher, Bd. 5, Piper, S.2051).
Wobei sich Hitler am 06.06.1944 gegenüber Speer auch anders geäußert hat und weitere Invasionspunkte für wahrscheinlich hielt. (Ose: Entscheidung im Westen, S.113). Damit gab es eine Übereinstimmung in der Lagebeurteilung zwischen Rundstedt und Hitler. Alle folgenden Entscheidungen über die Freigabe von Reserven sind vor diesem Hintergrund zu bewerten.
Und zur Beurteilung der Invasionsfront. Die Fehleinschätzung der Feindlage und die Entscheidungen über den Einsatz der Kräfte ging von Hitler aus, der die "Armee Patton" am Pas de Calais erwartete, bestätigt und irregeführt durch den angloamerikanischen Geheimdienst.
Hitler fühlte sich subjektiv informiert und glaubte zu wissen, was in der Normandy passiert. Allerdings ist objektiv einzuschränken, dass die Feindaufklärung der WM absolut unzureichend war, sieht man von SIGINT und Kampfaufklärung ab, da es nahezu keine Luftaufklärung mehr gab. Die Täuschung von Hitler ging von den alliierten Geheimdiensten aus, die systematisch die Bedrohung der 15. Armee durch die Armee Patton versucht haben möglichst lange aufrechtzuerhalten (vgl. A.C. Brown: Bodyguard of Lies).
Wirft man ein Blick auf die Chonologie der Ereignisse, dann steht im Kriegstagebuch des WFSt folgendes:
"16.06.1944: ...die eigenen Massnahmen werden durch die Absprungbereitschaft der 1. amerikanischen Heeresgruppe [umgangssprachlich die Armee Patton] in Südostengland, die einen Angriff gegen die Front der 15. Armee wahrscheinlich macht, verzögert." (S. 456)
"07.07.1944: Weisung für die Kriegsführung im Westen: Da eine Landung bei der 15.Armee, sowie an der Mittelmeerküste wahrscheinlich, .... Die Reserven hinter der 15.Armee müssen vorläufig bleiben." (S.458)
"18./19.06.1944:...Es beginnt sich in Abfluß von Verbänden der Heeresgruppe Patton in Südengland in den Landekopf abzuzeichnen, wodurch die Wahrscheinlichkeit ener feindlichen Großlandung beim AOK 15 abnimmt." (S. 458)
Diese Irreführung hielt bis Ende Juli an und führte dazu, dass die 15. Armee völlig passiv blieb und weiterhin den größten Anteil des Nachschubs erhielt. So hat Hitler die rechtzeitige Freigabe der OKW-Reserven verhindert und dafür gesorgt, dass der durchaus als "heroisch" zu bezeichnende Abwehrkampf der 7. Armee zu einem sinnlosen Opfer wurde, da sich die Reihen der Divisionen dramatisch lichteten und bis Mitte August nicht mehr zu ersetzende Verlust in der Höhe von 250.000 deutschen Soldaten eintraten.
Zum Tag der Invasion:
Betrachtet man Warlimont (Im Hauptquartier der deutschen Wehrmacht 1939 bis 1945, Bd. 2, S.454) dann wird ersichtlich, dass der Chef des Generalstabs des OB West bereits um 06 Uhr am 06.06.1944 dem stellvertretenden Chef des WFSt. einen Bericht gab und auf die Invasion hingewiesen hat. Die Entscheidung über die Nicht-Freigabe von Reserven (Panzereinheiten) zur schnellen Bekämpfung der lokalen Bedrohung in der Normandy wurde von Jodl getroffen. Somit verhinderte das OKW eine schnelle Reaktion und nicht die lokalen Spitzengliederungen!
Ein paar Anmerkungen zur Dislozierung einzelner Truppenteile am Tage der Invasion, auch um die Frage zu beleuchten, ob es hätte besser gemacht werden können. Beispielsweise bezogen auf die 12. SS Pz. Div.
Die tiefgreifenden unterschiedlichen Konzepte der Führungsgremien (Hitler, OKW, OB West, OB HG sowie der beteiligten Kommandeure der Panzereiheiten sei nur als Rahmenbedingung hingewiesen. Vor diesem sehr wichtigen Hintergrund des von Hitler im wesentlichen zu verantwortenden Befehls- und Dislozierungs-Chaos ist die Vermutung bzw. die Unterstellung, diese Division hätte bereits im Morgengrauen die Invasionsstrände angreifen können, einfach absurd. In Unkenntnis der Bedrohungssituation war im Rahmen der Reduzierung der Unsicherheit eine "Kampfaufklärung" in Richtung Caen durch die 12. SS Pz Div. vorgenommen worden.
Dabei sind die nachfolgenden Befehle einer Versammlung dieser Einheit bei Lisieux militärisch sinnvoll und geradezu zwingend gewesen. Ein Blick auf die Karte offenbart den Grund. Es gab keine Alternative zu Lisieux wollte man die Division in Richtung Caen zusammenziehen. Das ergibt sich aus dem Stationierungsraum der Division auf der Linie: Bernay, Orbee, Vimoutiers. Für alle drei Bereiche war Lisieux gleich gut zu erreichen. Von Lisieux führte ein gut ausgebautes Straßennetz nach Caen.
Die mit diesem Vormarsch und dem Versammlungsraum antizipierten Verluste bleiben dann auch aus. Insgesamt erfolgte das Vorrücken der 12. SS Pz-Div. im Rahmen der vorhandenen Beurteilung der Feindlage. Diese war gekennzeichnet durch unvollständige Informationen und am 06.06.44 konnte kein Divisionskommandeur in diesem Raum beurteilen, wie sich die Feindlage objektiv darstellt! Es hätte auch ein erweitertes Kommandounternehmen ala Dieppe sein können, oder ein Ablenkungsangriff im Rahmen einer Invasion, die an anderen Punkten stattfindet
Erst- bzw. Zweitklassigkeit der eingesetzten Divisionen. Es wird teilweise unterstellt, dass es sich bei der 21 Pz Div um eine zweitklassige Division handeln würde und so eine Erklärung für ihr "Versagen" bereitstellen. An diesem Punkt soll auf Zetterling verwiesen werden und seine Darstellung der Einheiten. Im einzelnen gibt Zetterling das Mengengerüst wie folgt wieder: "Since this was an unusal division it can be of interest to present its equipment in detail:
Stab Pz.Rgt. 22 3 Pz III, 1 Pz III (Bef), 5 Pz IV lg
Stab I./Pz.Rgt. 22 1 Pz III, 1 Pz III (Bef), 5 Pz IV lg
1./Pz.Rgt. 22 17 Pz IV lg.
2./Pz.Rgt. 22 17 Pz IV lg.
3./Pz.Rgt. 22 17 Pz IV lg.
4./Pz.Rgt. 22 17 Pz IV lg.
Stab II./Pz.Rgt. 22 5 Pz IV lg., 3 Somua (Bef)
5./Pz.Rgt. 22 5 Pz IV lg., 9 Somua
6./Pz.Rgt. 22 5 Pz IV lg., 2 Hotchkiss, 13 Somua
7./Pz.Rgt. 22 5 Pz IV lg., 13 Somua
8./Pz.Rgt. 22 6 Pz IV kz. "
Insgesamt kann man erkennen, dass es sich absolut nicht um eine zweitklassige Pz. Division gehandelt hatte. Bezogen auf ihre Ausstattung mit LKW und Zugmaschinen gehörte sie sogar zu den besser ausgestatteten Einheiten.
Ein weiterer Punkt, der zur Diskussion anregt, war der zeitgleiche Abtransport der Panther Abteilung der Panzerlehr-Division. Die verladenen Panzer/Panther gehörten organisatorisch zur 3. Pz. Division, die im Osten stationiert war. Die Verlegung folgte somit, trotz der drohenden Gefahr der Invasion, aus primär organisatorischen Überlegungen. Am 05. 06.44 waren die östlichsten Züge bereits bei Magdeburg während die letzten noch bei Paris waren.
Die Ursache für den Abfluss der Pantherabteilung war, dass die 3. Panzer Div aufgefrischt werden sollte. Ihr Status war im Juni 44: Reserve, unterstellt bei 6. Armee in der Südukraine am Dnjestr bei Kishinev. Für 2 Monate (Juni und Juli) war sie aus den aktiven Kämpfen herausgezogen worden.
Die Verlagerung dieser Panzer ist militärisch vermutlich unsinnig gewesen, deswegen auch der Protest von Bayerlein. Und Panzer von der Westfront an die Ostfront zu verlegen war in doppelter Hinsicht schwierig. Zum einen war die ausdrückliche Genehmigung von Hitler für die Verlegung zu erwirken, um dem Ausbluten des Westheeres im Vorfeld der Invasion entgegen zu wirken und zum anderen die Bereitstellung von ausreichendem Transportraum für die Verladung der Panzer. Ab Mitte 1944 zeichnete sich eine "Transportkrise" ab, die spätesten im November 44 zu einer harten Reglementierung von Transporten führte.
Die Verlegung war jedoch mittelfristig bereits eingesteuert worden und somit völlig unabhängig von irgendwelchen Terminen im Rahmen der Invasion.
Die Dislozierung und die Verlegung des III Flakkorps stellt einen weiteren Aspekt dar, über die Dislozierung von WM-Einheiten im Rahmen der Invasion wild zu spekulieren.
1. Das Flakkorps war nach der Neuformierung Anfang März/April 44 erst einsatzbereit.
2. Im Kern bestand es aus 4 motorisierten Flak-Sturmregimentern.
3. Anfang Mai die Forderung von Rommel an Göring, es dem Heer zu unterstellen und im Raum Orne Vire, dem späteren Invasionsraum zu stationieren. Göring lehnte es ab und so blieben die überwiegenden Teile direkt am Kanal stationiert.
4. Ende Mai (25.05) übernahm W. Pickert (W. Pickert: Das III Flakkorps in der Normandie-Schlacht) das Korps.
5. Flak-Sturmregiment 2- 4 lagen zu diesem Zeitpunkt am Kanal (Nähe Pas de Calais), während das 1. Flak-Sturmregiment bereits in Bayeux, also in der Normandie, am D-Day lag! Es wurde dahin kurz vor Beginn der Invasion verlegt (vgl. Pickert, s.o. S. 6).
6. Noch am 06.06.44 wurde der Befehl erteilt, das restlich Korps in die Normandie - also für FStReg. 2 bis 4 !!!! in die Normandy zu verlegen.
7. Während der kritischen Tage im Rahmen der Schlacht in der Normandy wurde Pickert zur Berichterstattung zu Göring zitiert.
Das Fazit: Es waren insgesamt weniger Pleiten, Pech oder Pannen, sondern eine gezielt Desinformation von Hitler durch die angloamerikanischen Täuschungsmaßnahmen und eine desaströse Gesamtlage in Italien und an der Ostfront.
Das Bild einer Decke, die man nach rechts zieht und sofort die linke Seite entblößt, wäre vermutlich eine angemessene Methaper, um die extreme Überbeanspruchung der WM zu illustrieren. Im Rahmen der wenigen zur Verfügung stehenden Optionen, haben die Verbände der WM einen relativ erfolgreichen, aber völlig sinnlosen Abwehrkampf geliefert. Und dieses war Leuten wie Rommel oder Speidel bewußt.