Ausserdem, Fremdkörper in Bezug auf was? Das musst du näher erläutern.
Türkische Oghusen - die Begründer des Osmanischen Staates - und Byzantiner standen sich in zentralen Punkten fremd gegenüber, denn wichtige identitätsstiftende Elemente waren nicht deckungsgleich: nicht kulturell, nicht religiös, nicht in den sozialen Strukturen, nicht im Rechtswesen.
Die Traditionslinien in all diesen Bereichen haben die Byzantiner - oder besser die "Rhomäer, nämlich "Römer", wie sich nannten - seit dem Untergang Westroms ganz bewusst fortgeführt, da sie ihren Staat als unmittelbare Fortsetzung des Imperium Romanum betrachteten.
Diese Traditionslinien brachen jedoch nach der Eroberung durch die Osmanen ab: so z.B. das römische Recht, das der "Corpus iuris civilis" Kaiser Justinians fortgebildet hatte und das in voller Kongruenz zum alten Rom bestand. Es wurde ersetzt durch das islamische Recht, die Scharia, die mit dem römischen Recht nichts gemein hatte.
Die byzantinische Kunst, die eine genuine Fortsetzung der spätrömisch-spätantiken Kunst war, fand ein abruptes Ende, denn ihre Ausdrucksformen standen vielfach im Gegensatz zum Islam. Statuen, Bildnisse, Plastiken oder Wandmalereien mit Genreszenen verschwanden ebenso wie Mosaike mit Heiligenbildnissen oder prachtvolle Bronzestatuen. Vieles davon lehnte der Islam sogar als "gotteslästerlich" ab.
Ebenfalls endete die blühende byzantinische Literatur. Sie war aufgebaut auf der Tradition des hellenistischen Geisteslebens und des römischen Staates und dabei stark verbunden mit der christlichen Weltanschauung. Romane, Dichtung, Lyrik, Chroniken sowie theologische Werke, die allesamt auf diesen Fundamenten standen, verschwanden. Dem Selbstverständnis des Islam waren sie oft nicht nur fremd, sondern standen sogar im Widerspruch zu zu seinen religiösen Geboten.
Als theoretisches Fach wurde die antike Musik im byzantinischen Unterricht rezipiert und weiterentwickelt. Bekannt ist heute vor allem die byzantinische Kirchenmusik, deren Tradition nach dem Fall von Konstantinopel zum Glück nicht endete, aber im Osmanischen Reich naturgemäß keine Stütze fand.
Man könnte diese Beispiele noch lange fortführen, doch wird deutlich, dass das Osmanische Reich auf allen Sektoren kein Erbe antrat und uralte Traditionslinien auch nicht fortführte. Um das zu verdeutlichen, möchte ich ein Beispiel nennen:
Die Spanier zerstörten die uralten Hochkulturen der Azteken und Inka. Dennoch würde ich die Spanier nicht als "Erben" der Azteken und Inka bezeichnen. Die Kulturen sind sich einfach zu fremd, weisen keine Übereinstimmungen auf und finden keinerlei Fortsetzung.