Die Lage der Minderheiten in dem Osmanischen Reich

Meine Grundintention war es ja, in Erinnerung zu rufen, dass die Osmanen trotz religiöser Unterschiede kein völliger Fremdkörper im Vergleich zu den Oströmern waren,

Doch, das waren sie: religiös, kulturell und in ihrer gesamten Identität und Herkunft. Ebensogut könnte man Verwandtschaften der Inkas mit den Spaniern oder der Inder mit den Engländern postulieren.

Dass den byzantinischen Kaisern, nachdem sie allseits von osmanischem Territorium umschlossen waren, nur noch ein Vasallenstatus mit Tributen blieb und gelegentlich eine byzantinische Prinzessin durch Eheverbindung die Vernichtung des byzantinischen Staates hinauszögern sollte, ist verständlich. Das religiöse, kulturelle und imperiale Selbstverständnis der byzantinischen Kaiser blieben davon unberührt.
 
Doch, das waren sie: religiös, kulturell und in ihrer gesamten Identität und Herkunft. Ebensogut könnte man Verwandtschaften der Inkas mit den Spaniern oder der Inder mit den Engländern postulieren.

Jetzt vergleichst du Äpfel mit Birnen. Ich habe nie gesagt, dass die Osmanen als Dynastie mit den Byzantinern verwandt gewesen sein sollen, sondern einzelne (!) Verwandtschaftsverhältnisse einiger Mitglieder in Erinnerung gerufen.

Ausserdem, Fremdkörper in Bezug auf was? Das musst du näher erläutern. Die Osmanen sind nicht schnurstracks aus Zentralasien gekommen und haben im Handstreich alles einkassiert. Zwischen Osman und Mehmet liegen gut zweieinhalb Jahrhunderte, in denen die Osmanen als eigenständige Dynastie Teil der anatolischen Kultur wurden, und sie sogar am stärksten prägen sollten. Der Islam an sich hat ja einige Jahrhunderte zuvor dort Fuss gefasst. Die Beziehungen zwischen den beiden Mächten waren dementsprechend wechselseitig, mal kämpfte man gemeinsam auf dem Balkan, mal gegeneinander. Das die Einnahme Konstantinopels ein Umbruch für die Einwohner war, die sich mit der neuen Macht arrangieren mussten, habe ich darüber hinaus nie bestritten.


Dass den byzantinischen Kaisern, nachdem sie allseits von osmanischem Territorium umschlossen waren, nur noch ein Vasallenstatus mit Tributen blieb und gelegentlich eine byzantinische Prinzessin durch Eheverbindung die Vernichtung des byzantinischen Staates hinauszögern sollte, ist verständlich.


Eheliche Verbindungen zwischen den beiden Parteien gab es schon, als die Osmanen noch weit davon entfernt waren, Ostrom zu zerstören. Dieses Argument gilt daher nur eingeschränkt.



Das religiöse, kulturelle und imperiale Selbstverständnis der byzantinischen Kaiser blieben davon unberührt.

Zweifelsohne.
 
Zwischen Osman und Mehmet liegen gut zweieinhalb Jahrhunderte
Naja, nicht ganz. Osman regierte zu Beginn des 14. Jhdts., also waren es nicht einmal eineinhalb Jahrhunderte.

in denen die Osmanen als eigenständige Dynastie Teil der anatolischen Kultur wurden, und sie sogar am stärksten prägen sollten. Der Islam an sich hat ja einige Jahrhunderte zuvor dort Fuss gefasst.
Damit sagst Du doch selbst, dass sich Anatolien seit der Eroberung durch die Seldschuken verändert hat, vor allem religiös, aber auch kulturell. Das Anatolien, das die Osmanen und andere türkische Fürstentümer beherrschten, hatte nicht mehr allzu viel mit dem byzantinischen Anatolien zu tun. Natürlich veränderte sich die alteingesessene einfache Bevölkerung nur teilweise und allmählich, aber die türkische Oberschicht unterschied sich klar von der einstigen byzantinischen Oberschicht.
 
Naja, nicht ganz. Osman regierte zu Beginn des 14. Jhdts., also waren es nicht einmal eineinhalb Jahrhunderte.

Mein Fehler. Aus irgendeinem Grund orden ich Osman immer wieder in die 1220er Jahre ein.:grübel:



Damit sagst Du doch selbst, dass sich Anatolien seit der Eroberung durch die Seldschuken verändert hat, vor allem religiös, aber auch kulturell. Das Anatolien, das die Osmanen und andere türkische Fürstentümer beherrschten, hatte nicht mehr allzu viel mit dem byzantinischen Anatolien zu tun. Natürlich veränderte sich die alteingesessene einfache Bevölkerung nur teilweise und allmählich, aber die türkische Oberschicht unterschied sich klar von der einstigen byzantinischen Oberschicht.


Natürlich, und eben dieses Anatolien war einst Herzland der Oströmer, ein Standbein ihrer Macht. Durch die entstehende Nachbarschaft zu den muslimischen Reichen entwickelten sich vielfältige Beziehungen in jedweder Hinsicht, ob politisch - militärisch, aber auch kulturell. Und wie das mit Nachbargebieten so ist, sie beeinflussen einander und werden mitunter sogar vertraut. Was ich sagen will: Anatolien stellt eine Art Spiegelbild zu Andalusien dar, freilich mit kleineren Abweichungen. Eine Seite ist auf dem absteigenden, die andere auf dem aufsteigenden Ast, und es gibt Konfliktpotenzial. Aber es ist dennoch keine Schwarz - Weiss Geschichte. Man kannte den Krieg, aber auch das friedliche Zusammenleben. In Konstantinopel gab es nicht umsonst ein muslimisches Viertel.
 
In Konstantinopel gab es nicht umsonst ein muslimisches Viertel.
Das gab es schon seit dem 8. Jhdt., als noch ganz Anatolien fest in byzantinischer Hand war. Es handelte sich einfach um ein Viertel arabischer Händler, so wie auch andere Handelsnationen in der Handelsmetropole Konstantinopel eigene Viertel hatten.

Durch die entstehende Nachbarschaft zu den muslimischen Reichen entwickelten sich vielfältige Beziehungen in jedweder Hinsicht, ob politisch - militärisch, aber auch kulturell. Und wie das mit Nachbargebieten so ist, sie beeinflussen einander und werden mitunter sogar vertraut.
Könntest Du das etwas präzisieren, idealerweise mit konkreten Beispielen?
An politisch-militärischen Beziehungen fällt mir auf die Schnelle vor allem ein, dass sich die Byzantiner bei ihren dynastischen Streitigkeiten immer wieder mit den Osmanen verbündeten und ihre Verbündeten dazu auch nach Europa holten, bis sich schließlich die Osmanen dauerhaft in Gallipoli festsetzten. Außerdem natürlich die Ehen - wobei aber immer nur Osmanen byzantinische Prinzessinnen heirateten, nie umgekehrt byzantinische Kaiser osmanische Frauen.
Aber kulturell? Inwieweit soll Konstantinopel vor seiner Eroberung von den Osmanen kulturell beeinflusst worden sein?
 
Das gab es schon seit dem 8. Jhdt., als noch ganz Anatolien fest in byzantinischer Hand war. Es handelte sich einfach um ein Viertel arabischer Händler, so wie auch andere Handelsnationen in der Handelsmetropole Konstantinopel eigene Viertel hatten.

Setzt die Erlaubnis zur Niederlassung nicht eine gewisse Toleranz gegenüber Nichtchristen voraus?


Aber kulturell? Inwieweit soll Konstantinopel vor seiner Eroberung von den Osmanen kulturell beeinflusst worden sein?

Beeinflusst von islamischen Reichen, schrieb ich. Die Errungenschaften der Araber kamen der westlichen Welt zugute, und diese Vorlage wurde dann erweitert - um auf Ostrom zurückzukommen: es gab durchaus kulturelle Einflussnahmen aufeinander. Auch die Sassaniden sollte man hier nicht vergessen. Für konkrete Beispiele allerdings müsste ich schon genauer nachschlagen.
 
Ausserdem, Fremdkörper in Bezug auf was? Das musst du näher erläutern.

Türkische Oghusen - die Begründer des Osmanischen Staates - und Byzantiner standen sich in zentralen Punkten fremd gegenüber, denn wichtige identitätsstiftende Elemente waren nicht deckungsgleich: nicht kulturell, nicht religiös, nicht in den sozialen Strukturen, nicht im Rechtswesen.

Die Traditionslinien in all diesen Bereichen haben die Byzantiner - oder besser die "Rhomäer, nämlich "Römer", wie sich nannten - seit dem Untergang Westroms ganz bewusst fortgeführt, da sie ihren Staat als unmittelbare Fortsetzung des Imperium Romanum betrachteten.

Diese Traditionslinien brachen jedoch nach der Eroberung durch die Osmanen ab: so z.B. das römische Recht, das der "Corpus iuris civilis" Kaiser Justinians fortgebildet hatte und das in voller Kongruenz zum alten Rom bestand. Es wurde ersetzt durch das islamische Recht, die Scharia, die mit dem römischen Recht nichts gemein hatte.

Die byzantinische Kunst, die eine genuine Fortsetzung der spätrömisch-spätantiken Kunst war, fand ein abruptes Ende, denn ihre Ausdrucksformen standen vielfach im Gegensatz zum Islam. Statuen, Bildnisse, Plastiken oder Wandmalereien mit Genreszenen verschwanden ebenso wie Mosaike mit Heiligenbildnissen oder prachtvolle Bronzestatuen. Vieles davon lehnte der Islam sogar als "gotteslästerlich" ab.

Ebenfalls endete die blühende byzantinische Literatur. Sie war aufgebaut auf der Tradition des hellenistischen Geisteslebens und des römischen Staates und dabei stark verbunden mit der christlichen Weltanschauung. Romane, Dichtung, Lyrik, Chroniken sowie theologische Werke, die allesamt auf diesen Fundamenten standen, verschwanden. Dem Selbstverständnis des Islam waren sie oft nicht nur fremd, sondern standen sogar im Widerspruch zu zu seinen religiösen Geboten.

Als theoretisches Fach wurde die antike Musik im byzantinischen Unterricht rezipiert und weiterentwickelt. Bekannt ist heute vor allem die byzantinische Kirchenmusik, deren Tradition nach dem Fall von Konstantinopel zum Glück nicht endete, aber im Osmanischen Reich naturgemäß keine Stütze fand.

Man könnte diese Beispiele noch lange fortführen, doch wird deutlich, dass das Osmanische Reich auf allen Sektoren kein Erbe antrat und uralte Traditionslinien auch nicht fortführte. Um das zu verdeutlichen, möchte ich ein Beispiel nennen:

Die Spanier zerstörten die uralten Hochkulturen der Azteken und Inka. Dennoch würde ich die Spanier nicht als "Erben" der Azteken und Inka bezeichnen. Die Kulturen sind sich einfach zu fremd, weisen keine Übereinstimmungen auf und finden keinerlei Fortsetzung.
 
Die Spanier zerstörten die uralten Hochkulturen der Azteken und Inka. Dennoch würde ich die Spanier nicht als "Erben" der Azteken und Inka bezeichnen. Die Kulturen sind sich einfach zu fremd, weisen keine Übereinstimmungen auf und finden keinerlei Fortsetzung.

Sicher haben die Spanier ein aztekisches Erbe. Und ein inkaisches, wenn sich dieses auch auf wenige Dinge beschränkt. Aber zu behaupten, die Kulturen haben keinerlei Fortsetzung gefunden, ist auch falsch. Sowohl die mexikanische als auch die peruanische Kultur sind sehr beseelt von den vorspanischen Hochkulturen. Davon ist einiges natürlich Ideologie (ähnlich wie das Erstarken paganer Kulte in Europa mehr Ideologie las wirklich Religion ist), aber sehr viel ist eben auch echt. Die Großmutter eines Freundes von mir spricht bis heute Spanisch nur sehr gebrochen, aber fließend ihren indianischen Dialekt. Ihr Enkel spricht mexikanisches Spanisch, kann aber wenig Nahuatl, weil er nicht im Dorf, sondern in der Stadt aufgewachsen ist.
Die griechische Kultur in der Türkei ist eben nicht 1453 ausgestorben, sondern erst 1922 - und selbst das ist fraglich. Man könnte behaupten, sie existiert, wenn auch seit 1922 nur noch sehr versteckt, bis heute.
 
Von der war nur im ägäischen Küstensaum noch etwas spürbar - und wenn sie heute noch da sein soll, dann hat sie sich aber sehr gut versteckt.


Zahlenmässig bedeutende Gemeinden der kleinasiatischen Griechen gab es auch in der kappadokischen Region, sowie an der Schwarzmeerküste (einst Bithynien und Pontus). In Istanbul erhielt sich diese bis in die 50er Jahre.

Übrigens hier mein Nachtrag dazu, dass es durchaus islamischen kulturellen Einfluss auf Byzanz gegeben hätte, wenn auch "nur" auf Sizilien: Norman-Arab-Byzantine culture - Wikipedia, the free encyclopedia und hier ein bisschen allgemeiner: http://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_influences_on_Christian_art
 
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Allerdings machte sich der islamische Einfluss auf Sizilien erst im Zuge seiner Unterwerfung der Insel geltend, also als die Byzantiner ihre Herrschaft verloren.
 
Ja klar, das war aber auch bei den islamischen Eroberungen des 7. Jhdts. der Fall, dass die Bevölkerung der von den Arabern unterworfenen ehemals byzantinischen Gebiete im Land blieb. Insofern könnte man das auch als Beispiel für islamischen Einfluss auf Byzanz nehmen. In unserer Diskussion ging es aber um islamischen Einfluss auf die noch unter byzantinischer Herrschaft stehenden Gebiete, vor allem auf Konstantinopel selbst.
 
In unserer Diskussion ging es aber um islamischen Einfluss auf die noch unter byzantinischer Herrschaft stehenden Gebiete, vor allem auf Konstantinopel selbst.


Stimmt, ich sehs gerade wieder. Diesbezüglich muss ich zurückrudern. Aber wenigstens eine gewisse Symbiose in der Kunst und Architektur - wenn auch nicht in Byzanz selbst, sondern (ehemals) assoziierter Gebiete.
 
Weite Teile des Osmanischen Reichs waren überhaupt nicht von Türken bewohnt und die Herrschaft wurde von dem muslimischen Teil der einheimischen Bevölkerung getragen.

Viele zogen freiwillig hin vor allem nach Istanbul. Aber viele waren auch Flüchtlinge der balkanischen Befreiungskriege. Ein gutes Beispiel ist der Belgrader Wald (der als Flüchtlingslager für Personen aus dem Belgrader Sandzaks in der Zeit von 1788-1815 diente und diesem Umstand seinen Namen verdankt.

Was man den Osmanen ankreiden kann ist das die religiöse Trennung so stark war das außer den Albanern sich keine weiteren multireligiöse Nationen bilden konnten. Seien es nun die Muslime und Christen in Bosnien oder die Pomanken welche trotz der ununterbrochenen versuche der Bulgarisierung, gibt Die griechischsprachigen Muslime sind weitgehend Assimiliert durch die Türken.

Vieles was im 19. Jahrhundert und auch in den 90er Jahren geschehen ist, kann man ohne Kenntnisse des osmanischen Reichs nicht verstehen.
 
Was man den Osmanen ankreiden kann ist das die religiöse Trennung so stark war das außer den Albanern sich keine weiteren multireligiöse Nationen bilden konnten.


Ob man das so pauschal sagen kann? Immerhin waren die orthodoxen Kirchen untereinander ja auch spinnefeind, von einer Annäherung an den Westen ganz zu schweigen (im 19. Jahrhundert gab es unter den christlichen Untertanen der Osmanen auf dem Balkan durchaus ziemliche Spannungen, von denen manche eine Eigendynamik entwickelten, die zum Befreiungskrieg mutieren konnten - was z.T. auch geschah).

Die Osmanen haben sich um ihre Provinzen kein bisschen gekümmert - Hauptsache Treuebekundung (z.B. Erwähnung des Sultans im Freitagsgebet, oder Truppenstellung) und Tribute stimmten. Es galt "divide et impera".

Das kann man ihnen durchaus anlasten.
 
Ob man das so pauschal sagen kann? Immerhin waren die orthodoxen Kirchen untereinander ja auch spinnefeind, von einer Annäherung an den Westen ganz zu schweigen (im 19. Jahrhundert gab es unter den christlichen Untertanen der Osmanen auf dem Balkan durchaus ziemliche Spannungen, von denen manche eine Eigendynamik entwickelten, die zum Befreiungskrieg mutieren konnten - was z.T. auch geschah).

Die Osmanen haben sich um ihre Provinzen kein bisschen gekümmert - Hauptsache Treuebekundung (z.B. Erwähnung des Sultans im Freitagsgebet, oder Truppenstellung) und Tribute stimmten. Es galt "divide et impera".

Das kann man ihnen durchaus anlasten.


Ich denke aus meinen Ausführungen sollte eigentlich klar sein das ich damit Menschen gleicher Sprache und mehr oder weniger gleicher Kultur meine.

Außerdem der Balkan hat sich dem Westen angenähert wenn nicht sogar kopiert. Ein Beispiel ist das verschwinden der byzantinischen Kirchenmusik und die Ersetzung durch gregorianische Klänge in den Kirchen.
 
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