Scheuten Pferde vor Speeren?

Wulf

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Ich hoffe, dass das Thema richtig platziert ist, ansonsten bitte ich darum, es zu verschieben.
Meine Frage ist, ob die Pferde der (schweren) Kavallerie, speziell im Mittelalter aber auch in anderen Epochen, frontal speer-/pikentragende (oder auch andere Stangenwaffen) Infanterie angreifen konnte, oder ob sie davor scheuten. Sachbücher hab ich dazu noch nicht gelesen, aber in Bernard Cornwells Romanen zur Arthussage erwähnt der Erzähler mehrmals, dass sich die besten Pferde nicht trauen würden, in eine Masse aus Speeren zu reiten. Sonst hab ich allerdings nie davon gehört. Stimmt es also, dass Pferde vor Speeren scheuten?

Danke im Voraus.
 
Richtig ausgebildete Schlachtrösser würden sogar in eine massive Mauer rennen.
Der Grund ist dass die Pferde so trainiert werden, dass die Mauer aus Speeren jedes mal vor ihnen zurück weicht und das Pferd durch lässt. Bevor die Pferde in einer echten Kampfsituation merken, dass dem nicht so ist, ist es bereits zu spät.
 
Auch die am besten trainierten Kavalleriepferde reiten nicht in eine Menschenmasse hinein, mit oder ohne Speere.

Wenn diese Menschenformation keine Speere hat, dann können die Reiter nahe heranreiten und von ihrer erhöhten Position auf das Fussvolk einhauen. Die Speere dienen deshalb dazu, Pferd und Reiter auf Abstand zu halten.

Dazu gibt es sehr zahlreiche Berichte, vor allem aus der napoleonischen Zeit. Damals gab nur sehr seltene Fälle in denen Infanteriekarrees oder Blöcke von Reiterei zersprengt wurden. Im bekanntesten Fall (Schlacht von Talavera) war dieses, weil ein sterbendes Pferd in eine Formation hineinraste und diese zersprengte. So lange Infanteristen zusammenhielten waren sie relativ sicher.

Die Vorschriften gaben vor, bei Kavalleriegefahr Karrees zu bilden bzw. bei kleinen Gruppen "Trauben" die im geringsten Fall aus zwei bis drei Mann bestehen konnten (was nicht mehr viel half jedoch besser war als gar nichts). Wenn ein einzelner Infanterist von einem Reiter angegriffen wurde, sollte er mit dem Bajonett richtung Schnauze des Pferdes stoßen, was meistens zum Aufbäumen des Tieres führte, und dann die linke Seite des Reiters gewinnen auf der dieser sich schlechter verteidigen konnte.

Das ist zwar aus der napoleonischen Zeit am besten dokumetiert, gilt aber auch für alle anderen Zeiten. Ob die Flämischen Haufen bei Courtrai oder die Schweizer bei Murten und Grandson, standhafte Infanterie konnte kaum von Kavallerie bezwungen werden. Das Problem war die Standhaftigkeit, weil kaum jemand vor einer heranreitenden Pferdemasse stehen bleibt.
 
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Legat, hast du vielleicht irgendwelche Quellen? Bdaians Antwort ist besser belegt und da es auch nachvollziehbar klingt, würde ich dem Glauben schenken. Eure Aussagen widersprechen sich schließlich, also wäre ich für Begründungen dankbar, Legat.
 
Quellen? Du meinst zeitgenössische Ausbildungshandbücher für Kavallerie? Das würde schwer werden, in Sekundärliteratur stößt man allerdings immer wieder hierauf.

Ich hatte einmal die Möglichkeit mit Bekannten die Berliner Polizeipferdestaffel zu "besichtigen" und was mir dort an Ausbildungstechniken geschildert wurde, klingt für mich schon so, dass man Pferde durchaus entgegen ihrer Triebe zu soetwas bringen könnte, und wenn Sie wie Legat es schildert keine GFefahr mit dem hineinreiten in eine Menschenmasse verbinden scheint mir das sogar noch wahrscheinlicher.

Außerdem würde eine konsequente Unmöglichkeit Pferde dazu zu bringen in Infanteriemassierungen hineinzureiten den ritterlichen "Schockangriff" mit Lanze doch unmöglich machen, oder sehe ich da was falsch?
 
Also, Pferde in Panik rennen durchaus in Menschenmengen. Nur lenkbar ist was anderes und ob der Reiter dann übelebt ist das zweite. Hinten galoppiernde Pferde, rasselnder Wagen, davor Infantrie , die rennen die übern Haufen. Solche Unfälle sind dokumentiert.

Es haben beide recht. Die Tiere scheuen vor der Masse Mensch und der Reiter dürfte massive Probleme haben, aber sie rennen rein (flucht nach vorn). Dann gibts da noch nen Unterschied zwischen Kaltblut und Warmblut. Kaltblüter greifen die Masse vor ihnen an,denn sie flüchten vor einer großen Gefahr hinter ihnen (warum laufen die hinter mir? Platz da) Warm/Vollblüter wollen nur flüchten.

Das Problem beim ganzen ist die Panik, bei Mensch und Tier. Steck mal nen Speer in die Erde und bleib da stehen, wenn 800kg mit Tempo 25-30 auf Dich zu kommen. Der Gaul rutscht ja noch sterbend in die Reihen. Und dahinter kommen noch welche
 
Tja ich würd mal so sagen,dass Bdaian recht hat,ich kenne mich ein wenig mit Pferden aus. Nur die wenigsten würden gut trainiert oder nicht, in eine lärmende, große, schwerbewaffnete Menschenmasse reiten, die dazu nicht sehr nett mit einem umgeht. Es gibt aber schon Methoden, Pferde an Feuer, Lärm und Druck zu gewöhnen. So werden z.B. auch Polizeitiere trainiert,sind aber halt nur sehr wenige Tiere, die es in diese Kavallerie schaffen. Zudem wurden die Pferde so angespornt, so aufgehetzt, dass diese in die massen ritten.Trotzdem: hast du nur einmal die Kontrolle zu verloren, so war es vorbei für dich und für die zehn Gegner die um dich standen. Wie eine Selbstzerstörung.
 
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Mein Argument bezog sich eben darauf, dass der Standpunkt "Pferde reiten generell nicht in Menschen sondern bleiben stehen" (überspitzt dargestellt) uns in die Verlegenheit bringen würde zu erklären warum Pferde zeitweise in der mittelalterlichen Kriegsführung eine große Rolle spielten wenn man mit ihnen keinen Angriff reiten kann ;)
 
Dazu Marcus Junkelmann in "Die Reiter Roms. Teil II: Reitweise und militärischer Einsatz", S. 129:
Das sah freilich ganz anders aus, wenn die Kavallerie auf ein intaktes, gut eingeübtes und auf den Angriff gefaßtes Fußvolk stieß. Die zusammengeballte, durch eine Schildmauer gedeckte, eine Hecke von Spitzen vor sich haltende Masse konnte auch von der wuchtigsten Attacke nicht zersprengt werden. Selbst wenn die Reiter entschlossen waren, in den Menschenblock einzubrechen, verweigerten die Pferde, von seltenen Ausnahmen abgesehen, instinktiv vor einer festgefügten Front. Das war bei mittelalterlichen und neuzeitlichen Reiterangriffen nicht anders als im Altertum, und das haben wir auch selbst bei Gefechtsübungen mit Infanterie immer wieder festgestellt. Pferde, die einen einzelnen Mann ohne weiteres niederrennen - entgegen einem verbreiteten Vorurteil tun sie das wirklich -, scheuen vor einem dichtgeballten Menschenblock und sind nicht mehr vorwärtszubringen oder weichen aus.
Hervorhebungen von mir.
Anmerkungen: Besonders im Mittelalter war das Fußvolk eben nicht gut eingeübt, da häufig zusammengewürfelt und durch Neuaushebungen aufgefüllt. Wenn man den Nebenleuten nicht vertrauen kann, dass sie stehenbleiben, kommt es darauf an, nicht der Letzte zu sein, der dem Gaul im Weg steht. Hier setzt schon Psychologie ein. Ein zusammengewürfelter Fußgängerhaufen ohne Vertrauen wird von einem entschlossenen Reiterangriff in der Regel weit vor dem Kontakt gesprengt. (Hab ich selber schon mal bei einer Vorführung miterlebt: Sechs Zuschauer gegen einen Reiter - ich hab noch nie im Leben so schnell fünf erwachsene Männer sich in Luft auflösen sehen und der Gaul war noch 30 m von uns weg gewesen...)
Auf der anderen Seite muß aber auch der Reiter entschlossen sein. Jeder Springreiter kennt das: wenn er selbst zu viel Respekt vor dem Hindernis hat, merkt das der Gaul in der Regel und wird den Sprung in der Regel verweigern oder die gemeinsame Unentschlossenheit führt zum gemeinsamen Sturz. Oder aber, der Reiter bereitet sich auf ein Verweigern des Pferdes vor, dieses springt trotzdem und der Reiter verliert dadurch das Gleichgewicht, was ihn zumindest zeitweise auch als effektiven Kämpfer neutralisiert.
Die hauptsächliche Wirkung des mit Stangen- oder Feuerwaffen ausgerüsteten Karrees war jedoch die, dass sie mit Kontakt oder der ersten Salve (in der Regel auf weniger als 25 m abgefeuert) das erste Glied der angreifenden Reiterei zu fall brachten. Durch die durcheinanderpurzelnde Front wurden die nachfolgenden Reiter und Pferde gestoppt und in Unordnung gebracht, die Attacke konnte also nicht durchstoßen und die Reiter waren plötzlich hilflose Ziele. Nicht umsonst hießen die Waffen der Schweizer Gewalthaufen u. a. Roßschinder Roßschinder ? Wikipedia, da sie den Pferden Sehnen und Muskeln durchtrennen sollten, sprich den Gaul zu demobilisieren. Den Rest machte der Eigenschwung...
 
hallo leute
:)
ihr habt ja schon tolle argumente eingebracht
ich persönlich kenn mich zwar kaum mit pferden aus
aber ich denke was legat geschrieben hat hört sich für mich logisch an
wenn ein tier, so weit ich weiß, zuvor keine negativen erfahrungen mit einer speermauer o.Ä. hatte, kann ich mir durchaus vorstellen, dass diese ohne scheu in diesen pulk hineinritten
wenn sie es merkten war es bereits zu spät

was denkt ihr ?
 
Ich bin mittlerweile etwas gespalten, zwar ist das was Legat sagt einleuchtend, aber auch Bdaians/Neddys Argumente scheinen logisch.

Auch erinnere ich mich an die Schilderungen der Schlacht von Hastings, bzw der bildichen Darstellung, bei der Berittene einen disziplinierten Schildwall nicht durchbrechen konnten, bzw. ähnliches für den Byzantinischen Machtbereich in der Spätantike.

Das "Entscheiden von Fall zu Fall" , Wer und Wie, also wie organisiert war der Gegner und wie diszipliniert spielt hier wohl wirklich eine große Rolle., bzw. was ist an den Schilderungen voin absichtlich durch Scheuklappen fast blind gemachten Schlachtrössern dran die so in die gegnerischen Reihen preschten? Habe soetwas mal gehört aber in der Literatur nicht genauer gefunden
 
(Hab ich selber schon mal bei einer Vorführung miterlebt: Sechs Zuschauer gegen einen Reiter - ich hab noch nie im Leben so schnell fünf erwachsene Männer sich in Luft auflösen sehen und der Gaul war noch 30 m von uns weg gewesen...)
Auf der anderen Seite muß aber auch der Reiter entschlossen sein. Jeder Springreiter kennt das: wenn er selbst zu viel Respekt vor dem Hindernis hat, merkt das der Gaul in der Regel und wird den Sprung in der Regel verweigern oder die gemeinsame Unentschlossenheit führt zum gemeinsamen Sturz.
Ich bin absolut kein Pferdeexperte, aber ich bezweifle, dass die von Dir gesehene Vorführung oder Junkelmanns Gefechtsübungen wirklich aussagekräftig sind: Ich glaube nicht, dass bei diesen Vorführungen und Übungen Reiter und Infanteristen wirklich bereit waren, es auf einen Zusammenprall ankommen zu lassen und somit schwere Verletzungen zu riskieren. In einer richtigen Schlacht war die Bereitschaft dazu - trotz all der von Euch gebrachten psychologischen Einschränkungen, die grundsätzlich sicher richtig sind - wohl allemal höher - schon weil z. B. den Infanteristen bestimmt klar war, dass sie auf der Flucht erst recht gefährdet waren, von den verfolgenden Reitern niedergehauen zu werden.
Insofern ist das Beispiel mit dem Springreiter wohl sehr treffend: Die Pferde bei Junkelmann spürten vielleicht, dass ihre Reiter zögerten, wirklich auf die Front zu prallen, und zögerten daher erst recht selbst.
 
Meine eigene praktische Erfahrung mit Pferden ist sehr begrenzt so dass ich aus dieser heraus es nicht wagen würde, darüber zu urteilen. Aber im frühen 19. Jahrhundert wurde dieses Phänomen intensiv untersucht. Und tatsächlich, in all den vielen Gefechten der napoleonischen Zeit, wurde kaum eine Infanterieformation von Reitern zersprengt und dann war es entweder durch eine Zufall oder durch Unterstützung der Artillerie.

Schaut doch mal auf die Schlacht bei den Pyramiden: Tausende von hochbegabten Reitern die um die französischen Karees kreisten und diese nicht aufbrechen konnten. Oder die Kavallerieattacken bei Waterloo, bei denen die Elite der französischen schweren Reiterei ergebnislos gegen die Alliierten anritt.

Wenn eine Gruppe Infanteristen jedoch auf freien Feld in offener Formation erwischt wurde, war es um sie geschehen, sie wurden sofort aufgerieben.
 
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was mir auffällt ist, dass wir hauptsächlich von der zeit napoleons sprechen
wie war es in der antike ?
gibt es quellen ?
 
Antike, ist zumindest für den römischen Raum und zur Zeit des Principats eine eher undakbare Zeit, da Kavallerie hier eine geringere Rolle spielte, und aufgrund der Nichtverwendung von Steugbügeln im römischen Heer (obwohl diese zumindest in der Spätantike bekannt gewesen sein dürften), stellt sich die Frage nach wirklichen Frontalangriffen im Galopp nicht, man hätte sich allzu schnell selbst aus dem Sattel gehoben.

Allerdings lag das taktische Schwergewicht antiker Heere ja ohnehin eher bei der Infanterie.
 
Ich bin absolut kein Pferdeexperte, aber ich bezweifle, dass die von Dir gesehene Vorführung oder Junkelmanns Gefechtsübungen wirklich aussagekräftig sind: Ich glaube nicht, dass bei diesen Vorführungen und Übungen Reiter und Infanteristen wirklich bereit waren, es auf einen Zusammenprall ankommen zu lassen und somit schwere Verletzungen zu riskieren.
Ich habe viele Jahre meines Lebens diesem liebenswerten Viehzeugs gewidmet. Das war auch der Grund, warum ich als einziger der sechs stehengeblieben bin, was mir in der Schlacht auch nix genützt hätte - ich wäre das erste Opfer gewesen. Das - im übrigen ausgezeichnet ausgebildete und sehr struppige - Gegnerpferd wurde von seinem Reiter etwa einen Meter vor mir angehalten. Es hätte mich als einzelnen ansonsten gerne zerpflückt. (Hat es später auch gemacht, da ich "irre - öhm freiwillig genug" (O-Ton Reiter) war, durfte ich gleich noch als Exempel herhalten für die Impro-Einlage: die zehn besten Methoden, wie ein Reiter fliehendes Fußvolk um ihr unwertes Leben bringt. - das Hottehü selbst hat auch noch ca. zwanzig davon beigesteuert...)
Der experimentelle Archäologe (der muss aus der Gegend um Aalen gekommen sein und trat in Hjemsted auf) meinte vor seinem Angriff zu uns, wir sollten nur stehen bleiben, dann wären wir sicher. Obwohl er uns also a) versprochen hat, dass uns nichts geschehen würde und wir b) auch WUSSTEN, dass es uns NICHT ans Leben geht, haben die fünf Nicht-Reiter reißaus genommen, was ich ihnen nicht verdenken konnte. Der Anblick des Pferd-Reiter-Gespanns war wirklich furchterregend und es war nur ein, nicht 500 Paare... Ziemlich so lautete auch die Manöverkritik des Reiters: Ihr wusstet, dass Euch nichts passieren wird! Ich habe Euch GESAGT, dass ihr am sichersten seid, wenn Ihr stehen bleibt und Ihr seid TROTZDEM getürmt!! Quod erat demonstrandum!!! Und der Kerl war nicht mal in Rittermontur, sondern hatte einen Haflinger unterm Hintern und Holzlanze und Holzschild!!!

In einer richtigen Schlacht war die Bereitschaft dazu - trotz all der von Euch gebrachten psychologischen Einschränkungen, die grundsätzlich sicher richtig sind - wohl allemal höher - schon weil z. B. den Infanteristen bestimmt klar war, dass sie auf der Flucht erst recht gefährdet waren, von den verfolgenden Reitern niedergehauen zu werden.
Genau das ist ja der psychologische Punkt. Jeder, und wirklich JEDER würde Dir akademisch und fern der Stätte bestätigen, dass er glaubt, weiß und überzeugt ist, dass seine individuellen Überlebenschancen im geschlossenen und kämpfenden Haufen am größten sind. Dann kommt die Schlacht ("Meine Herrn, jetzt wird's psychologisch.") und wieder alle Gesetze der Vernunft kommt das Tier im Menschen zum Vorschein und ganze Formationen zumindest unerfahrener (hier gefällte mir das englische "unseasoned" sehr gut) Fußgängerei türmen vor der Kavalkade, noch ehe sie heran ist. Das ist vielleicht vergleichbar mit Bajonettangriffen, die auch praktisch nie zu Ende geführt werden mussten, da eine Seite immer rechtzeitig den Zusammenhalt verlor und das Hasenpanier ergriff...
 
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Nun, wer ´s mal probieren möchte ....
Holsteiner Kaltblut -Hengst will irgendwo hin, glaubt mir, der geht dahin, ob da 1 oder 30 im Weg stehen und ein Hannoveraner-Hengst vom alten Schlag auch. Und einmal richtig in voller Karriere hält der 50 m hinter euch erst an und trabt weiter.Um 5 -6 Leute läuft der noch rum , wenn er kann. Ansonsten durch. Da kannste schreien brüllen oder was de willst. Entweder Schritt auf Seite oder Du liegst um. Passiert zwar wenig, weil das Pferd selten auf dich drauftritt, aber die vertun sich auch mal.
 
Ein interessantes Thema; ich vermute, die Realität sah sehr gemischt (und sehr blutig) aus und umfasste ein paar Facetten von all dem, was bisher angesprochen wurde.

Dabei ist die eigentliche Frage, wie ja auch von anderen gesagt: Wie fest geschlossen und standhaft ist ein Truppenkörper noch, wenn so eine Kavalkade sich nähert bzw ankommt?

In der Antike* sah das für die Fußtruppen idR sehr gut aus (mehr dazu s.u.); ein Problem war da eher, dass die Reiter halt schneller sind, und wenn die dann Bögen haben...

* alles sehr grob betrachtet, und total eurozentristisch... ;)

Für dass Mittelalter muss man davon ausgehen, dass Panzerreiter idR in der Lage waren, Formationen zu Fuß zu sprengen und niederzumachen. Wie oft sie diese wirklich niederritten bleibt dahingestellt, der mittelalterliche „Sturmangriff“ wurde eh in einem eher behaglichen Tempo ausgeführt. Was nicht heißt, dass es behaglich blieb, wenn der zum Ziel kam. Aber gerade mit der schweren Panzerung von Mann und (zunehmend auch) Ross war ein „hineingaloppieren“ gar nicht nötig. Wenn Erfahrungen mit Polizeipferden auf Demonstrationen irgendwas zeigen, dann dass ein „hineindrängen“ durchaus möglich ist.

Den filmmäßigen Kavallerieangriff im Galopp „Steigbügel an Steigbügel“ kann es erst in neuzeitlichen stehenden Heeren geben; erst diese hatten die Disziplin, Professionalität und Übung, um solch ein Manöver zu ermöglichen. Hier wurde er allerdings zur effektivsten Form des Kavallerieeinsatzes auf dem Schlachtfeld. Gut, eine Vorbedingung dafür war das Verschwinden der Piken, und in vielen Fällen brach die Formation bestimmt vor dem Zusammenprall auseinander. Dennoch frage ich mich, inwieweit das Ganze Sinn macht, wenn ein Einbruch in eine standhafte Formation unmöglich ist; v.a. wie eine solche Masse überhaupt noch anhalten soll, wenn sie erst mal nah genug am Gegner ist und dieser wider erwarten nicht weicht.

Zugegeben: Napoleon hat sich nach Waterloo vermutlich ähnliches gefragt; wie konnte das nur nicht klappen? ;)

Um meine Vorstellung eines neuzeitlichen Kavallerieangriffs kurz zusammen zu fassen: Wenn die Infanterie steht und schießt wie eine eins sind die Kavalleristen klump, bevor sie ankommen, und das Ganze bricht zusammen. Weicht die Infanterie, oder ein bedeutender Teil davon, ist auch der Rest nicht geschlossenes mehr, und das Ganze endet in einer panischen Flucht, verfolgt von wild geschwungenen Säbeln. Je näher das Ganze an einer "Pattsituation" ist, bzw an einigen Stellen die Infanteristen weichen, an anderer nicht, desto brutaler (und blutiger) wirds...

Neddy zitiert Junkelmann schrieb:
Das sah freilich ganz anders aus, wenn die Kavallerie auf ein intaktes, gut eingeübtes und auf den Angriff gefaßtes Fußvolk stieß. Die zusammengeballte, durch eine Schildmauer gedeckte, eine Hecke von Spitzen vor sich haltende Masse konnte auch von der wuchtigsten Attacke nicht zersprengt werden. Selbst wenn die Reiter entschlossen waren, in den Menschenblock einzubrechen, verweigerten die Pferde, von seltenen Ausnahmen abgesehen, instinktiv vor einer festgefügten Front.

Nun forscht und schreibt Junkelmann aber über Rom, wie je auch der Titel des zitierten Werkes verrät; und dir Römer verfügten zwar über eine Infanterie, die es im Punkt der Disziplin und effizienten Methodik durchaus mit neuzeitlichen Armeen aufnehmen konnte, aber über keine entsprechende schwere Kavallerie; dafür mangelte es an den Voraussetzungen, v.a. am geeigneten Pferdematerial. Die römische Kavallerie hatte andere Aufgaben, und damit auch eine andere Ausbildung (und eben andere Pferde). ME gibt es aus der Antike noch weniger Beispiele für direkte Angriffe auf große, geschlossene Formationen zu Fuß, als in Mittelalter oder Neuzeit.

Vielleicht erhellen zwei weitere (allerdings recht frühe) Beispiele, was ich meine: Die „Kampfgefährten“ Alexanders waren zweifellos eine „Schlachtfeld-Kavallerie“, aber sie war dazu gedacht, in entscheidenden Augenblicken in Lücken der gegnerischen Aufstellung vorzustoßen, oder diesen zu überflügeln. Ein direkter Angriff auf eine geschlossene Formation (damals eine Phalanx), traute sich auch diese Elitetruppe nicht zu, zumindest nicht von vorne.

Die schwere Kavallerie Hannibals diente v.a. dazu, die gegnerischen Reiter zu schlagen, um dann die Infanterie des Gegners, an der Front gebunden, in Flanke oder Rücken zu fallen; perfekt umgesetzt bei Cannae. Auch hier war eine frontale Attacke auf eine römische Legion wenig erfolgversprechend.

Der Grund ist dass die Pferde so trainiert werden, dass die Mauer aus Speeren jedes mal vor ihnen zurück weicht und das Pferd durch lässt. Bevor die Pferde in einer echten Kampfsituation merken, dass dem nicht so ist, ist es bereits zu spät.

Das finde ich eine interessante These; worauf beruht Deine Vorstellung?

Nehmen ich auch das weitgehend unmilitärisches Beispiel (dass sich aber wohl auch aus dem militärischen Reitunterricht entwickelt hat), welches neddy schon anführte: Das moderne Springreiten. Auch über ein Hindernis (von einiger Höhe) zu springen ist etwas, was Pferde in der Natur weitgehend unterlassen; sie haben eine natürlich Hemmung vor so was, wenn ich das richtig sehe, und es bedarf einer umfangreichen Ausbildung und viel Vertrauen zwischen Reiter und Pferd, das das funzt. Wenn ich das richtig übersehe hat hierbei auch im wahrsten Sinne des Wortes der Reiter "die Zügel in der Hand": Er entscheidet, wann gesprungen wird. Ohne Reiter, oder wenn der Reiter das Kommando "Sprung" falsch ansetzt, scheitert das Ganze. BTW, Pferde, die ohne Reiter über Hindernisse springen, sind noch besser ausgebildet; die sieht man dann im Fernsehen als "Fury"...

Wenn es das Ziel des Sringreiters wäre, den Gaul voll vor eine Mauer brettern zu lassen, wären die Voraussetzungen gegeben... auch wenn ich mir vorstellen, macht man das zwei-, dreimal ist das Pferd (selbst wenn es sich nichts bricht) fürs Springreiten verloren, weil das nötige Vertrauen abhanden kommt.

P.S.: Ist irgendwie ziemlich unstrukturiert geworden, und ich hab glaub ich die Hälfte von dem, was ich schreiben wollte, vergessen; aber ist lang genug...

P.P.S.:

Wulf schrieb:
Sachbücher hab ich dazu noch nicht gelesen, aber in Bernard Cornwells Romanen zur Arthussage erwähnt der Erzähler mehrmals, dass sich die besten Pferde nicht trauen würden, in eine Masse aus Speeren zu reiten.

Zumindest für die Zeit, in die Cornwell seine Geschichte verlegt hat, stimmt das Gesagte durchaus; eine Reiterei, die entschlossene, spießbewehrte Formationen im direkten Angriff überwinden konnte, gab es im 6. Jh. in Britannien nicht.
 
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Den filmmäßigen Kavallerieangriff im Galopp „Steigbügel an Steigbügel“ kann es erst in neuzeitlichen stehenden Heeren geben; erst diese hatten die Disziplin, Professionalität und Übung, um solch ein Manöver zu ermöglichen.
Eigentlich waren aber schon die Tempelritter dafür berühmt, in engen Kavallerieformationen anzugreifen, z. B. auch in der Schlacht von Montgisard. Oder ist das nur ein Mythos?
 
Ich könnte mir vorstellen, dass, wie bei Infanterieangriffen, der eigentliche Sturm nur auf einem Bruchteil der Entfernung stattfand, z.B. um schnell durch den "Beschusssektor" zu gelangen und im Nahkampf nicht zu sehr aus der Formation /der Puste zu sein. Die "Weite" eines Ansturms sagt ja nichts über den, Englisch ausgedrückt "impact" aus, außer man stürmt nur 1 m weit ;)
 
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