Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Bdaian, das ist ein Argument, vor allem was die Schleuderbleie angeht. Immerwieder hochgefroren und abgesammelt, bis irgendein Germane eben gezielt nachgeforscht hat. Sein Name war Tony Clunn aus Kent , und der sammelte eben tatsächlich u.a. Schleuderbleie ;-). Ob man ihn zu den Germanen zählen kann, ist wohl unerheblich, zu den Eingeborenen kann man ihn wohl nicht zählen.
Trotz allem erscheint mir die Funddichte für die angenommene Zahl von Menschen zur Zeit noch etwas dünn für 3 Legionen mit zumindest einem Teil der Hilfstruppen.

Aber das ändert sich vielleicht, wenn man den "Bereitstellungsraum" "die Lager" der Germanen findet. Die müssen ja schließlich , so sie den Hinterhalt geplant haben, irgendwo auf die Römer gewartet haben. Die für die Vernichtung von 3 Legionen nötige Menge Germanen muß sich irgendwo in der Nähe (~1-2 Wegstunden) gesammelt haben. Sowas muß schließlich besprochen und diskutiert werden, man muß sich sammeln, usw. bei vermuteten mindestens 8000 Legionären sind das auch ungefähr so viele Germanen. Die kriegt auch ein Arminius nicht so einfach unter einen Hut, zumal die sich wohl kaum gut kannten und jeder "Teileinheitsführer" auch sein eigenes Süppchen kochen wollte. So große germanische Heere an einem Platz sind bis in die Neuzeit recht selten.
Normal für einen sicheren Angriff ist die dreifache Übermacht, das wären dann 24 000 Germanen , das ne menge Volks
 
Bdaian, das ist ein Argument, vor allem was die Schleuderbleie angeht. Immerwieder hochgefroren und abgesammelt, bis irgendein Germane eben gezielt nachgeforscht hat. Sein Name war Tony Clunn aus Kent , und der sammelte eben tatsächlich u.a. Schleuderbleie ;-). Ob man ihn zu den Germanen zählen kann, ist wohl unerheblich, zu den Eingeborenen kann man ihn wohl nicht zählen.
Trotz allem erscheint mir die Funddichte für die angenommene Zahl von Menschen zur Zeit noch etwas dünn für 3 Legionen mit zumindest einem Teil der Hilfstruppen.

Aber das ändert sich vielleicht, wenn man den "Bereitstellungsraum" "die Lager" der Germanen findet. Die müssen ja schließlich , so sie den Hinterhalt geplant haben, irgendwo auf die Römer gewartet haben. Die für die Vernichtung von 3 Legionen nötige Menge Germanen muß sich irgendwo in der Nähe (~1-2 Wegstunden) gesammelt haben. Sowas muß schließlich besprochen und diskutiert werden, man muß sich sammeln, usw. bei vermuteten mindestens 8000 Legionären sind das auch ungefähr so viele Germanen. Die kriegt auch ein Arminius nicht so einfach unter einen Hut, zumal die sich wohl kaum gut kannten und jeder "Teileinheitsführer" auch sein eigenes Süppchen kochen wollte. So große germanische Heere an einem Platz sind bis in die Neuzeit recht selten.
Normal für einen sicheren Angriff ist die dreifache Übermacht, das wären dann 24 000 Germanen , das ne menge Volks

Wie viele spätere, noch viel größere Schlachten hat es gegeben, bei denen man kaum Objekte vorfindet.

Ich habe als Kind auf dem Schauplatz einer der größeren Napoleonischen Schlachten gelebt, bin mit meinen Eltern oft über die Felder gelaufen und habe trotzdem nie etwas gefunden. Später habe ich im örtlichen Archäologischen Museum mitgeholfen und da tauchten gelegentlich einzelne Funde auf z.B. eine französische Spore bei Ausgrabungen an einer vorrömischen Siedlung oder eine Kanonen- oder Musketenkugel hier und dort. Alles in allem jedoch nichts, aus dem man schliessen könnte dass dort einst ca. 140.000 Mann sich gegenseitig die Köpfe einschlagen wollten. Ich würde nicht unterschätzen was plündernde und sammelnde Anwohner im Laufe der Zeit alles davontragen können.
 
Bdaian, das ist ein Argument, vor allem was die Schleuderbleie angeht. Immerwieder hochgefroren und abgesammelt, bis irgendein Germane eben gezielt nachgeforscht hat. Sein Name war Tony Clunn aus Kent , und der sammelte eben tatsächlich u.a. Schleuderbleie ;-).
Sehe ich auch so. Also haben die Römer nicht geschossen, weil sie keine Munition mehr hatten oder weil sie nicht schießen konnten. Was ich wahrscheinlicher finde, habe ich ja schon geschrieben.

Trotz allem erscheint mir die Funddichte für die angenommene Zahl von Menschen zur Zeit noch etwas dünn für 3 Legionen mit zumindest einem Teil der Hilfstruppen.
Diesen Eindruck kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Wenn ich die Veröffentlichungen zu Kalkriese richtig in Erinnerung habe, dann sind in den ergrabenen Bereichen einige tausend Fundstücke ausgebuddelt worden, die fast sämtlich auf ein nachträgliches gewaltsames Plündern hindeuten, darunter Ausrüstungsteile von Menschen ebenso wie von Zaumtieren. Ohne es jetzt beschwören zu wollen, aber: Ich meine, es war der Kalkriese-Kritiker Wolters, der anmerkte, dass die Fundstücke auf die Anwesenheit einer kompletten römischen Armee samt Tross bei Kalkriese schließen lassen.

Aber das ändert sich vielleicht, wenn man den "Bereitstellungsraum" "die Lager" der Germanen findet. Die müssen ja schließlich , so sie den Hinterhalt geplant haben, irgendwo auf die Römer gewartet haben. Die für die Vernichtung von 3 Legionen nötige Menge Germanen muß sich irgendwo in der Nähe (~1-2 Wegstunden) gesammelt haben.
Das verstehe ich jetzt noch weniger. Da war doch der Abschnittswall. Also eher "1-2 Wegsekunden". Wie viel mehr "Bereitstellungsraum" braucht es noch? 400 Meter breit und fünf Meter tief. Auf diesem Wall konnte man locker 300 Mann in einer Reihe aufstellen und vier Reihen davon hintereinander staffeln - um mal wie der seelige Marcus Caelius arithmetisch zu argumentieren. Das waren 1200 Mann. Und das war nur die "Besatzung" des Walls. Hinter dem Wall hangaufwärts konnte man drei, fünf, zehn Staffeln gleicher Breite und Tiefe aufstellen, die sich im "Rotationsprinzip" abgelöst haben:

Die Wall-Besatzung springt vom Wall hinunter (zwei Meter sind nicht unüberwindbar), greift an, kämpft eine Weile im Engpass, währenddessen besetzt von hinten nachrückend die nächste Linie den Wall, die im Engpass kämpfenden Einheiten rücken zum Wall zurück und ziehen sich, gedeckt durch die neue Wallbesatzung, durch die zahlreichen Durchlässe im Wall zurück.

Welche andere Funktion soll ein derart wellenförmig gebauter Abschnittswall mit derart vielen Durchgängen gehabt haben? Es gab diesen Wall. Er hatte diese Form. Aus der Form einer existierenden Befestigung kann man in der Regel ablesen, welchem Zweck sie diente. Und mir fällt kein anderer Zweck als der eben beschriebene ein.

Sowas muß schließlich besprochen und diskutiert werden, man muß sich sammeln, usw. bei vermuteten mindestens 8000 Legionären sind das auch ungefähr so viele Germanen. Die kriegt auch ein Arminius nicht so einfach unter einen Hut, zumal die sich wohl kaum gut kannten und jeder "Teileinheitsführer" auch sein eigenes Süppchen kochen wollte. So große germanische Heere an einem Platz sind bis in die Neuzeit recht selten.
Normal für einen sicheren Angriff ist die dreifache Übermacht, das wären dann 24 000 Germanen , das ne menge Volks
Alles richtig. Was schließen wir daraus nun? Dass es die Varus-Schlacht gar nicht gab? Das fände ich dann doch etwas überzogen. Es würde nämlich zu dem logischen Schluss führen, dass es auch all die Schlachten des Germanicus nicht gab, von denen Tacitus ausgiebig berichtet. Dass sich die Germanen gegen acht vorgewarnte Germanicus-Legionen behaupten konnte, ist ja wohl noch unwahrscheinlicher, als die Möglichkeit, aus dem Hinterhalt drei Varus-Legionen zu überraschen.

So unwahrscheinlich man es finden mag: Es ist den Germanen gelungen, genug Truppen zu versammeln, um Varus zu besiegen. Okay, das gilt natürlich nur, wenn man nicht von der ersten Verschwörungstheorie der europäischen Geschichte ausgeht...

In einer Hinsicht hast Du aber schon Recht: Auch ich finde die Theorie, dass Arminius nur mit abtrünnigen Hilfstruppen die Legionen besiegt haben soll, wenig glaubwürdig. Diese Theorie würde auch nicht erklären, warum Germanicus seine Rachefeldzüge bevorzugt gegen die Brukterer, Marser und Chatten geführt hat. Diese drei Stämme müssen - neben den Cheruskern - vorab vom geplanten Überfall auf Varus gewusst haben und daran beteiligt gewesen sein. Das ist natürlich nur eine Theorie, die ich nicht beweisen kann. Allerdings halte ich es schon für ein starkes Indiz, dass zwei der Feldzeichen der verloren gegangenen Legionen ausgerechnet bei den Brukterern und den Marsern gefunden wurden.

Jedenfalls war der Angriff gegen die Varus-Legionen keine Aktion, die man "spontan" und ohne Vorbereitung abziehen konnte. Das war von langer Hand geplant. Für einen Teil dieser Planung halte ich den Abschnittswall bei Kalkriese. Natürlich ohne es beweisen zu können. Nur aufgrund des "gesunden Menschenverstands": Wenn etwas aussieht wie ein Schwein und riecht wie ein Schwein und außerdem noch grunzt, dann ist es zumeist ein Schwein...

MfG
 
Zwischenbemerkung: Ich werde mich nicht ins Schwert stürzen, weil Andere meine äußerst naheliegenden Vermutungen nicht teilen. Ja ich würde es nicht einmal tun, wenn man sie dennoch eines Tages hieb und stichfest widerlegen könnte, gleichwohl bin ich ziemlich sicher, diesbezüglich auch weiterhin ruhig schlafen zu können.

Daher, wie schon Pontius Pilatus: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben!
 
Zwischenbemerkung: Ich werde mich nicht ins Schwert stürzen, weil Andere meine äußerst naheliegenden Vermutungen nicht teilen. Ja ich würde es nicht einmal tun, wenn man sie dennoch eines Tages hieb und stichfest widerlegen könnte, gleichwohl bin ich ziemlich sicher, diesbezüglich auch weiterhin ruhig schlafen zu können.

Daher, wie schon Pontius Pilatus: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben!

Ich möchte Dir nicht zu nahe kommen, Marcus, aber deine Vermutungen sind weder naheliegend noch müssen sie stichfest widerlegt werden. (genau so gut könnte ich verlangen, dass man mir nachweist, dass Amerika nicht vom neapolitanischen Gemüsehändler Carcciophoro Quilombo entdeckt wurde)

Ich schaue immer wieder mit Interesse in diese Diskussion hinein und wundere mich, mit wieviel Leidenschaft über das Thema gestritten wird.

Zweifel, dass die Schlacht stattgefunden hat, habe ich nicht und deine Theorie, dass es eine Antike Propagandaerfindung ist, halte ich für an den Haaren herbeigezogen.

Ob sie nun genau in Kalkriese stattfand, bzw. ob dort ein Teil der Kämpfe erfolgte, darüber kann man trefflich diskutieren.

Die Funddichte mag gering sein, dass ist sie aber auch wie o.e. auch an anderen Bekannten Schlachtfeldern. Trotzdem wurden Objekte gefunden, die in die Zeit passen, und die nur bei einer Niederlage verloren gehen würden.

So lange kein anderer Fundort auftaucht, der sich den in den antiken Texten beschriebenen Gegebenheiten noch stärker ähnelt und mit noch ausführlicheren Funden, ist diese Fundstätte weiterhin die naheliegendste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es sind ja nicht nur die Äpfelchen der Tausend Maultiere, sondern auch Teile ihrer Ausrüstung, die bei so einem Theater verloren gehen. Und davon wurde eben nicht die Menge gefunden, die in so einem Chaos , wie einem überfallenen Troß zu erwarten wäre.
Hätten die Schleuderer noch Geschosse gehabt, in nennenswerter Zahl, wären die zu finden. Und seien es nur die weggeworfenen, um schneller laufen zu können.

Ein nennenswerter Troß und nennenswerte römische Fernwaffen waren also nach der derzeitigen Fundlage nicht vor Ort. Es sind kaum Funde im ausgegrabenen Areal.
Wo hätten die sich verschießen können? Bei den vorhergehenden Kampfhandlungen. Nach Tacitus haben die Germanen ja schon Tage vor dem Ende immer wieder "angegriffen". Und irgendwann ist die Munition eben verbraucht.

Man kann sich über solche Aussagen und die mit ihnen verbundenen Erwartungshaltungen immer wieder nur wundern. Was meinst du denn, soll auf einem geplünderten Schlachtfeld gefunden werden? Was meinst du denn erhält sich über 2000 Jahre unter welchen Bedingungen?
Kalkriese ist ein sehr außergewöhnlicher Fundort und die Versuche den Kalkrieser Fundreichtum zu bagatellisieren angesichts dessen, was wir sonst so haben, ist wirklich irritierend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Quijote (1)

So, nun endlich mal:

Das ist unlogisch. Kalkriese soll kein Ort der Varusschlacht sein, weil es nicht eine Schlacht war, sondern ein Krieg mit mehreren Schlachten?

Nein, äußerst logisch: wenn es die die e i n z i g e ganz große Varusschlacht in greulichen Wäldern, Untergang der drei Legionen in vier Tagen usw. - und die war ja gemeint -, überhaupt nicht gab, kann sie wohl auch nicht in Kalkriese stattgefunden haben!

Zuzustimmen wäre allerdings dem Argument, daß trotzdem Varus-Truppen in Kalkriese gekämpft haben könnten, - dann hätte Deine rhetorische Frage aber genau genommen lauten sollen: "Kalkriese soll kein Ort e i n e r (und nicht der) Varusschlacht sein...?"

Nur, wenn tatsächlich Varus-Truppen in Kalkriese kämpften - nach meiner Annahme dann aber an nur einem von vielen Orten -, und höchstwahrscheinlich auch nicht alle drei Legionen, dann gingen sie dort aber (noch) nicht unter, sondern siegten bzw. marschierten erfolgreich durch den Paß. Wie ich inzwischen mit meiner Interpretation der Fundlage und örtlichen Gegebenheiten dargelegt habe.


Das ist aber doch Unsinn. Varus fiel nämlich erst später in Ungnade, nicht schon nach seinem Ableben. Und warum hätte ausgerechnet der der julisch-claudischen Familie feindlich gesonnene Tacitus eine Legende im Dienste der augusteischen Staatsraison bedienen sollen? Zumal diese angenommene Legende im krassen Widerspruch zum Monumentum Ancyranum steht, welches die augusteische Selbstsicht darstellt?
"Ganz Germanien habe ich befriedet...!" So in der Endfassung v. 14. n.Chr. wahrscheinlich aber schon lange zuvor begonnen. Man glaubt geradezu das (heimliche) Hohngelächter der Augustus-Gegner zu vernehmen: "Von wegen...!" War doch nur fünf Jahre vorher die "neue Provinz" verloren gegangen und noch keineswegs wieder zurückerobert.

Das ließ sich nicht einfach bestreiten oder gar verheimlichen, sowenig wie der Verlust von drei Legionen. Man konnte es nur schönfärben, sodaß Augustus in diesem Punkt seiner Selbstdarstellungs-Propaganda wenigstens nicht als bloßer Wichtigtuer dastand, sondern als einer der alles versucht und nichts falsch gemacht hat!

Aber wie konnte man das bewerkstelligen, dem Princeps zu Diensten?

Fragen wir uns doch einmal, was sich wohl ein antiker Joseph Goebbels ausgedacht hätte? Ich denke im Prinzip dasselbe wie der echte im 20. JH zu den Niederlagen seines "Augustus" Hitler, was er bekanntlich sogar bis ans für jeden erkennbare Ende und damit ins geradezu absurde fortführte ("Endsieg"): die Ereignisse selbst nicht unbedingt bestreitend, - sie aber umdeutend!

Wie ich es in meinem Stalingrad-Beispiel dargelegt habe.

Und insofern standen auch die Deutungsbemühungen der augusteischen Propaganda nicht in "... krassen Widerspruch zum Monumentum Ancyranum...". Zwar wurde Unschönes berichtet (das meintest Du wohl) - das ging ja auch garnicht mehr anders -, aber es schmälerte dennoch nicht das Image des Princeps. Genau so etwas mußte her, um von der peinlichen Tatsache wenigstens abzulenken - ganz ungeschehen machen konnte man sie wie gesagt ja nicht mehr -, daß Augustus imperialer Germania-Plan jämmerlich gescheitert war!

Denn so wie Hitlers höchstpersönliche "geniale Strategie" als "Oberbefehlshaber der Wehrmacht" offiziell nicht bei Stalingrad scheiterte, war auch Augustus als Politiker von Verantwortung für das Germanien-Desaster befreit: Ungunst der Götter, klimatische und geographische Verhältnisse, ein hinterlistiger, an sich aber unterlegener Gegner und ein unfähiger General!

Die Parallelen zur Goebbels´schen Stalingrad-Propaganda stechen doch geradezu ins Auge, oder etwa nicht? Nichts neues unter der Sonne. Es sind sogar nahezu dieselben Argumente, nur die Götter wurden durch Schlagworte wie "Verhängnis", "ungünstige Fügung" usw. ersetzt. Und auch Hitler entließ am laufenden Band angeblich unfähige Generäle, die er für Niederlagen verantwortlich machte, die in Wirklichkeit ihm persönlich anzulasten waren; wie nicht zuletzt ja sogar der ganze Rußlandkrieg überhaupt. Was dann den Vergleich mit Augustus "Unternehmen Germania" abrundet.

Augustus seinerseits zeigte sich unmittelbar nach der Katastrophe zwar zunächst in aller gebotenen traditionellen Form als "Trauernder" - was schließlich unvermeidbar war und allseits erwartet wurde -, und gewährte sogar den Überresten des Varus ein Familienbegräbnis (aber kein Staatsbegräbnis!).

Doch zugleich verbot er Berichte über den Verlust der Legionen "zu seinen Lebzeiten" und verwehrte den Überlebenden die Rückkehr in die Heimat!

Was normalerweise über Römer verhängt wurde, die aus Kriegsgefangenschaft freigekauft wurden. Wer nicht im Kampf fiel oder sich in aussichtsloser Lage ins Schwert stürzte, sondern sich dem Feind ergab "...mit dem mögen die Feinde alsdann tun was sie wollen!" So die radikale römische "Virtus"-Ideologie.

Einerseits waren demnach also die Überlebenden, vielleicht sogar alle Varus-Soldaten, auch die Gefallenenen, verächtliche Versager (sie und ihr Feldmarschall, nicht Augustus) , - wofür es wieder eine neuzeitliche Entsprechung gibt: auch für Stalin war jeder russische Kriegsgefangene ein zu bestrafender Verräter!

Und noch Tiberius tadelte den Germanicus wegen der Bestattung der Varus-Gefallenen mit dem Argument, dies hätte ihm aus formalreligiösen Gründen nicht zugestanden. Was nicht gerade überzeugend klingt.

Andererseits waren diese Überlebenden aber wohl auch unerwünschte Zeugen, was ziemlich nahe liegt! Soldaten und Offiziere, die empört herumerzählten, die ganze offizielle "Varusschlacht"-Geschichte vom jämmerlichen Untergang im dunklen Wald und von ihrem dummen Feldmarschall sei total gelogen, es wäre überall tapfer gekämpft worden, auch Varus hätte sich durchaus als fähiger Feldherr erweisen, aber die Übermacht der aufständischen Germanen wäre einfach zu groß gewesen, - das wäre sicher das Letzte gewesen, was Augustus für sein Image als "Befrieder ganz Germaniens" und Mehrer des Reiches gebrauchen konnte!

Das Einzige, was ich den antiken Darstellungen glaube, ist die Begeisterung des Varus für Gerichtsverhandlungen. Er war von Haus aus Jurist und vermutlich an militärischen Dingen nur pflichtgemäß interessiert. Syrien hatte in dieser Hinsicht ja auch wenig Anforderungen gestellt, und man darf wohl auch davon ausgehen, daß er nach Germanien eher als Verwaltungsfachmann für eine im goßen und ganzen bereits befriedete neue Provinz (wie man meinte) bestellt wurde, denn als dringend benötigter Militärstratege. Außerdem hatte er dafür seine Stabsoffiziere, - auf die er übrigens im Zweifelsfall auch gehört haben dürfte! In Judaea hatte er sich z.B. als Freund Herodes d. Gr. und juristischer Experte im Prozeß gegen dessen gegen ihren Vater konspirierende Söhne engagiert.

Und Tacitus, der der julisch-claudischen Familie feindlich Gesonnenene?

Nun, auch zu seiner Zeit wäre es sicher nicht gut angekommen, allzusehr am Nimbus des göttlichen Augustus als Vollender, wenn nicht sogar eigentlichem Schöpfer des Imperium Romanum zu kratzen. In dessen grandioser Nachfolge ja auch des Tacitus oberster Brötchengeber und Imperator stand. Er wird, wie später auch Cassius Dio, in den Senatsarchiven nachgesehen oder sich sonstwie an der offiziellen Version orientiert haben.

Sollte er etwa schreiben: alles garnicht wahr, Augustus ließ lügen, und so war es wirklich? Heute geht das, - aber beispielsweise im heutigen Rußland oder England in bezug auf Stalin oder Churchill käme man mit allzuviel Image-Demontage trotzdem wohl nicht unbedingt auf die Bestseller-Liste.

Cassius Dio war diesbezüglich schon mutiger und deutet zumindest an, daß es höchstwahrscheinlich gelogen war! Doch was stattdessen wirklich geschah sagt auch er nicht. Möglicherweise weil er es schlicht nicht wußte, - nach zweihundert Jahren. Das stand ja auch nirgends nachzulesen.

Tacitus verfolgte hinsichtlich der Germanen im übrigen eine literarisch-propagandistische Doppelstrategie: mal waren sie edle Wilde, an denen sich die von Verweichlichung und Unmoral bedrohten Römer ein Beispiel nehmen sollten, - dann zeigte er sich wiederum ganz als traditioneller römischer Patriot und Herrenmensch, der die Germanen als primitive Barbaren, als trunk- und spielsüchtige Waldmenschen schilderte. Die an und für sich auch leicht zu besiegen gewesen wären, wäre Varus nicht so unfähig und Arminius nicht so treulos und verschlagen gewesen.

Und daß aus dem Treulosen und Verschlagenen, der sonst leicht zu besiegen gewesen wäre, dann auf einmal wieder der tapfere "Befreier Germaniens" wird, der Rom sogar auf der Höhe seiner Macht herausforderte usw. - nun ja, wenn man schon verloren hat, dann wenigstens gegen einen Gegner von außergewöhnlichem Format!

Und dann noch etwas: für Tacitus und Cassius Dio war das, wovon sie schrieben bekanntlich rund hundert, bzw. sogar zweihundert Jahre her. Es dürfte daher im Publikum niemanden mehr weiter interessiert haben, was damals wirklich geschah! Zumal das auch reichlich langweilig gewesen wäre, ganz ohne Sumpf und Wald-Drama! Schon grundsätzlich gab es ja kein Interesse des gebildeten Salons an objektiver Geschichsschreibung wie heute.

Was man im Grunde und hauptsächlich lesen wollte waren die topoi und spannende Geschichten. Und das wurde bedient, - also liefen nachts Wölfe um Caecinas Lager und zwei Geisterreiter ritten mitten durch die Wälle!

Und auch ob er sich tatsächlich theatralisch vors Lagertor legte, um seine fliehenden Soldaten zu beschämen, ja ob diese Panik überhaupt stattfand könnte ebenso fraglich sein wie der spätere "raffinierte Trick" mit dem zurückgelassenen Troß. Für so etwas gab´s Applaus, nicht für trockene Faktendarstellungen!

Dasselbe, so meine ich, wird daher auch für die Gänsehaut-Story von den im unheimlichen Sumpf und Wald dahinstolpernden Legionären des Varus gegolten haben. Ich gehe sogar davon aus, daß gerade die spannenden und gruseligen Elemente dieser Version von deren ursprünglichen sicher nicht dummen Erfindern im Augustus-Auftrag wohlüberlegt waren. Ein wesentliches Kennzeichen gut gemachter Propaganda ist bis heute, daß sie die Gemüter ergreift!

War der "Lederstrumpf" des Engländers Fenimore Cooper ein historischer Tatsachenbericht? Natürlich nicht, wurde auch niemals behauptet. Aber was für eine Story! Und wie gut die Briten dabei wegkamen, nicht wahr?
 
Nein, äußerst logisch: wenn es die die e i n z i g e ganz große Varusschlacht in greulichen Wäldern, Untergang der drei Legionen in vier Tagen usw. - und die war ja gemeint -, überhaupt nicht gab, kann sie wohl auch nicht in Kalkriese stattgefunden haben!

Aber alle Quellen reden von dieser Schlacht. Und selbst wenn du mit dem Grabstein des Marcus Caelius einen Krieg annimmst (siehe auch die zitierte Erklärung Vössings zur Vokabel bellum), dann impliziert das, dass es auch mindestens eine Schlacht gab. Denn ein Krieg besteht nun mal aus Schlachten. Mindestens einer.

Nur, wenn tatsächlich Varus-Truppen in Kalkriese kämpften - nach meiner Annahme dann aber an nur einem von vielen Orten -, und höchstwahrscheinlich auch nicht alle drei Legionen, dann gingen sie dort aber (noch) nicht unter, sondern siegten bzw. marschierten erfolgreich durch den Paß. Wie ich inzwischen mit meiner Interpretation der Fundlage und örtlichen Gegebenheiten dargelegt habe.

Es ist doch so, dass in Kalkriese deutliche Spuren davon zu finden sind, dass dort ein Tross mit einigen Reichtümern verloren gegangen ist. Das spricht doch sehr dafür, dass genau hier der Feldherr und seine Entourage zumindest einiges an Wert verloren haben. Desweiteren gibt es etliche Spuren davon, dass hier Geldbeutel vergraben wurden, was ebenfalls auf eine sehr desolate Lage hinweist. Das Auffächern der Funde nach Westen hin deutet auf eine Auflösung der Befehlsstrukturen.


"Ganz Germanien habe ich befriedet...!" So in der Endfassung v. 14. n.Chr. wahrscheinlich aber schon lange zuvor begonnen. Man glaubt geradezu das (heimliche) Hohngelächter der Augustus-Gegner zu vernehmen: "Von wegen...!" War doch nur fünf Jahre vorher die "neue Provinz" verloren gegangen und noch keineswegs wieder zurückerobert.

Und was folgerst du daraus?

Das ließ sich nicht einfach bestreiten oder gar verheimlichen, sowenig wie der Verlust von drei Legionen. Man konnte es nur schönfärben, sodaß Augustus in diesem Punkt seiner Selbstdarstellungs-Propaganda wenigstens nicht als bloßer Wichtigtuer dastand, sondern als einer der alles versucht und nichts falsch gemacht hat!

Aber wie konnte man das bewerkstelligen, dem Princeps zu Diensten?

Sicher nicht, indem man einen erfahrenen Feldherren und Diplomaten wie Varus mit drei Legionen in einer Schlacht untergehen lässt. Eher umgekehrt.

Und insofern standen auch die Deutungsbemühungen der augusteischen Propaganda nicht in "... krassen Widerspruch zum Monumentum Ancyranum...". Zwar wurde Unschönes berichtet (das meintest Du wohl) - das ging ja auch garnicht mehr anders -, aber es schmälerte dennoch nicht das Image des Princeps. Genau so etwas mußte her, um von der peinlichen Tatsache wenigstens abzulenken - ganz ungeschehen machen konnte man sie wie gesagt ja nicht mehr -, daß Augustus imperialer Germania-Plan jämmerlich gescheitert war!

Die Logik deiner Überlegungen erschließt sich auch bei wohlwollendem Lesen nicht. Außerdem ignorierst du weiterhin, dass einige unserer wichtigsten Autoren erklärte Gegner des Prinzipats waren und daher kein Interesse an einer Verklärung der Varusniederlage zu Gunsten des Kaiserhauses hatten. Das Monumentum Ancyranum zeigt viel mehr, dass ein Widerspruch in der augusteischen Selbstsicht und der Varusberichterstattung post cladem liegt. Diesen Widerspruch thematisierst du erst gar nicht. Man darf wohl annehmen, dass das daran liegt, dass dieser Widerspruch mit deiner Hypothese nicht in Einklang zu bringen ist.

Denn so wie Hitlers höchstpersönliche "geniale Strategie" als "Oberbefehlshaber der Wehrmacht" offiziell nicht bei Stalingrad scheiterte, war auch Augustus als Politiker von Verantwortung für das Germanien-Desaster befreit: Ungunst der Götter, klimatische und geographische Verhältnisse, ein hinterlistiger, an sich aber unterlegener Gegner und ein unfähiger General!

Ich habe es schon mal geschrieben, aber ich wiederhole es gerne: Die Sündenbockwerdung Varus' setzt nicht sofort ein, sondern erst später, vermutlich sogar erst nach dem Tod Augustus'. Die ersten Zeugnisse sehen Varus als Opfer eines Verrats (Manilius, Strabon), erst mit Velleius Paterculus setzt die Varuskritik ein, wohl, nachdem Quictilius Varus, der Sohn des Feldherren Quinctilius Varus bei Tiberius in Ungnade gefallen war.
Und gerade hier, bei Velleius findet sich der Widerspruch zwischen der augusteischen Sicht auf Varus und der tiberischen Sicht: Augustus lässt den Kopf des Varus, der von Arminius an Marbod und von diesem nach Rom geschickt wurde ehrenvoll bestatten. Das widerspricht völlig der sonstigen Sicht auf Varus, die uns Velleius anbietet.

Die Parallelen zur Goebbels´schen Stalingrad-Propaganda stechen doch geradezu ins Auge, oder etwa nicht?

Etwa nicht...

Doch zugleich verbot er Berichte über den Verlust der Legionen "zu seinen Lebzeiten" und verwehrte den Überlebenden die Rückkehr in die Heimat!
Ja, um Panik zu unterbinden. Immerhin waren gerade drei Legionen mit Anhang vernichtet worden.

Und noch Tiberius tadelte den Germanicus wegen der Bestattung der Varus-Gefallenen mit dem Argument, dies hätte ihm aus formalreligiösen Gründen nicht zugestanden. Was nicht gerade überzeugend klingt.
Dies ist Tacitus von Tiberius in den Mund gelegt, siehe auch die endgültige Abberufung Germancius' aus Germanien, wo Tacitus noch deutlicher sagt, dass Tiberius seinen Neffen Germanicus aus Neid wegen dessen Erfolgen aus Germanien abberief. Die germanischen Legionen hatten nach Augustus' Tod gegen Tiberius rebelliert, Germanicus war derjenige, der die Revolte wieder unter Kontrolle gebracht hatte, Germanicus war derjenige, der sich nach der Varusschlacht wieder tiefer ins germanische Gebiet wagte, was Tiberius nicht in diesem Maße gemacht hatte, nachdem er nach der Varusschlacht die Rheinlegionen wieder in Ordnung brachte. Tiberius hatte schlicht Angst, von Germanicus, der den Ehrentitel seines verstorbenen Vaters und Tiberius' Bruders übernommen hatte, ersetzt zu werden.

Andererseits waren diese Überlebenden aber wohl auch unerwünschte Zeugen, was ziemlich nahe liegt! Soldaten und Offiziere, die empört herumerzählten, die ganze offizielle "Varusschlacht"-Geschichte vom jämmerlichen Untergang im dunklen Wald und von ihrem dummen Feldmarschall sei total gelogen, es wäre überall tapfer gekämpft worden, auch Varus hätte sich durchaus als fähiger Feldherr erweisen, aber die Übermacht der aufständischen Germanen wäre einfach zu groß gewesen, - das wäre sicher das Letzte gewesen, was Augustus für sein Image als "Befrieder ganz Germaniens" und Mehrer des Reiches gebrauchen konnte!

Dies ist weder ein Argument für noch wider einer Schlacht. Nochmal: Die große Niederlage von drei Legionen war viel peinlicher, als das Überrennen von ein paar isolierten Vorposten. Für die hätte sich Augustus nun wirklich nicht schämen müssen.

Und Tacitus, der der julisch-claudischen Familie feindlich Gesonnenene?

Nun, auch zu seiner Zeit wäre es sicher nicht gut angekommen, allzusehr am Nimbus des göttlichen Augustus als Vollender, wenn nicht sogar eigentlichem Schöpfer des Imperium Romanum zu kratzen. In dessen grandioser Nachfolge ja auch des Tacitus oberster Brötchengeber und Imperator stand. Er wird, wie später auch Cassius Dio, in den Senatsarchiven nachgesehen oder sich sonstwie an der offiziellen Version orientiert haben.

Darin stehst du nun aber gegen die gesamte Altertumswissenschaft, die sich ziemlich einig darüber ist, dass Tacitus dem julisch-claudischen Kaiserhaus ans Bein pinkelte, wo es nur eben ging. (Dieses war im Übrigen zum Zeitpunkt seiner Aktivität gar nicht mehr an der Macht).
Ich empfehle dir dazu die Lektüre von Michael Hausmanns Dissertation Die Leserlenkung durch Tacitus in den Tiberius- und Claudiusbüchern der 'Annalen', Berlin 2009.

Cassius Dio war diesbezüglich schon mutiger und deutet zumindest an, daß es höchstwahrscheinlich gelogen war! Doch was stattdessen wirklich geschah sagt auch er nicht. Möglicherweise weil er es schlicht nicht wußte, - nach zweihundert Jahren. Das stand ja auch nirgends nachzulesen.

Damit schwächst du nun aber deine eigene Argumentation.

Tacitus verfolgte hinsichtlich der Germanen im übrigen eine literarisch-propagandistische Doppelstrategie: mal waren sie edle Wilde, an denen sich die von Verweichlichung und Unmoral bedrohten Römer ein Beispiel nehmen sollten, - dann zeigte er sich wiederum ganz als traditioneller römischer Patriot und Herrenmensch, der die Germanen als primitive Barbaren, als trunk- und spielsüchtige Waldmenschen schilderte. Die an und für sich auch leicht zu besiegen gewesen wären, wäre Varus nicht so unfähig und Arminius nicht so treulos und verschlagen gewesen.
Und daß aus dem Treulosen und Verschlagenen, der sonst leicht zu besiegen gewesen wäre, dann auf einmal wieder der tapfere "Befreier Germaniens" wird, der Rom sogar auf der Höhe seiner Macht herausforderte usw. - nun ja, wenn man schon verloren hat, dann wenigstens gegen einen Gegner von außergewöhnlichem Format!

Mag sein, spricht aber nicht mehr für deine Hypothese als für die communis
opinio
.

Und dann noch etwas: für Tacitus und Cassius Dio war das, wovon sie schrieben bekanntlich rund hundert, bzw. sogar zweihundert Jahre her. Es dürfte daher im Publikum niemanden mehr weiter interessiert haben, was damals wirklich geschah!

Warum hätten sie es dann schreiben sollen? Warum hätten sie Andeutungen machen sollen?

Dasselbe, so meine ich, wird daher auch für die Gänsehaut-Story von den im unheimlichen Sumpf und Wald dahinstolpernden Legionären des Varus gegolten haben. Ich gehe sogar davon aus, daß gerade die spannenden und gruseligen Elemente dieser Version von deren ursprünglichen sicher nicht dummen Erfindern im Augustus-Auftrag wohlüberlegt waren.

Wie jetzt? Augustus soll den Auftrag gegeben haben, seine Soldaten in cumulo als tumbe Vollidioten hinzustellen? Und das ist dann erst 200 Jahre später verwirklicht worden?
 
Sich nahekommende Nahetreter

Ich möchte Dir nicht zu nahe kommen, Marcus, aber deine Vermutungen sind weder naheliegend noch müssen sie stichfest widerlegt werden. (genau so gut könnte ich verlangen, dass man mir nachweist, dass Amerika nicht vom neapolitanischen Gemüsehändler Carcciophoro Quilombo entdeckt wurde)

Ich möchte Dir auch nicht zu nahe treten, aber dieser Absatz klingt mir doch eher, als hätte ich ein Glaubenssakrileg begangen!

Der Columbus-Vergleich ist ja nun nichts als Polemik, - als würde man jemandem, der die Reisen des Odysseus infrage stellt und ggf. Widerlegung verlangt entgegenhalten, er könne ebensogut verlangen, die Historizität Alexander d. Gr. zu widerlegen.

Selbstverständlich kann man die Vermutung (etwas anderes habe ich nicht vorgetragen), etwas bestimmtes habe sich n i c h t ereignet prinzipiell widerlegen. Nämlich indem man hieb und stichfest wie ich sagte nachweist daß es sich d o c h ereignet hat!

Das sehe ich aber z.Z. und im vorliegenden Fall nirgends. Auch nicht in Kalkriese!

Schwieriger wird es zugegebenermaßen wenn der Betreffende mit seiner Vermutung defintiv recht hat! Da es sich dann tatsächlich nicht ereignet hat, kann er auch nicht durch materiellen Gegenbeweis widerlegt werden, und aus sich selbst heraus läßt es sich ebenfalls weder beweisen noch widerlegen. Man müßte es beim Vortrag von Wahrscheinlichkeit und Plausibiliät belassen. Quasi eine Art Indizienprozeß!

Und auch er selbst würde niemals erfahren, daß er tatsächlich recht hatte!

In unserem Fall gäbe es indes eine mögliche Ausnahme: das Auffinden von Quellen, möglichst Primärquellen, aus denen zweifelsfrei hervorgeht, daß die Version einer einzelnen Varusschlacht eine Propagandaerfindung war! Gewissermaßen das Geständnis der Täter, der schriftliche Tatauftrag oder Aussagen von Tatzeugen.

Zweifel, dass die Schlacht stattgefunden hat, habe ich nicht...
Also wenn Du nicht mit Kalkriesefunden argumentierst ("...Ob sie nun genau in Kalkriese stattfand...") woher weiß du es dann so genau? Bei Tacitus & Co. gelesen, muß einfach wahr sein, was da steht? Glaubst Du auch an Geisterreiter und Wölfe, die nachts um Römerlager streichen, um eine bevorstehende Schlacht anzukündigen?

Trotzdem wurden Objekte gefunden, die in die Zeit passen, und die nur bei einer Niederlage verloren gehen würden.
So? Nur bei einer Niederlage? Welche denn, erzähl mal...

So lange kein anderer Fundort auftaucht, der sich den in den antiken Texten beschriebenen Gegebenheiten noch stärker ähnelt und mit noch ausführlicheren Funden, ist diese Fundstätte weiterhin die naheliegendste.
Welche Gegebenheiten werden denn in welchen Texten beschrieben? Vielleicht ein trockener breiter Sandweg (hundert oder tausend Meter breit) am Fuß eines Hügels in einem Text über glitschige Wurzeln und dicht stehende riesige Bäume in einem finsteren Wald?

So gut wie nichts wird - zutreffend- beschrieben! Und die wenigen Funde erlauben vielfältige Deutungen. Sicher ist nur, daß dort römische Legionäre kämpften, und zwar hauptsächlich unmittelbar am Bergfuß, diesen umschließend, sowie hinter die Erdwälle vordringend. Dabei vermutlich die Wallstellung einnehmend. Gegen wen und wann und in welcher Zahl genau sie dort kämpften ist z.Z. aber nicht zu ermitteln.

Over and out, - mehr nicht! Man kann nun aus der Fundsituation einige eher allgemeine Schlüsse ziehen, begleitet von Plausibilitätserwägungen, die auf bestimmten Erfahrungsparametern und Kenntnissen fußen, so wie ich es tue. Und dies dann in den Rahmen einer umfassenderen Ver-mu-tung (keine einzelne Varusschlacht, Lagerhypothese, Caecina-Theorie usw.) einfügen.

Weiter gehe ich auch nicht, ich reklamiere nicht irgendwelche Gewißheiten über das wann, wieviel, wer oder warum. Nur das Eine oder Andere über das wie! Das einigemaßen zu erfassen halte ich für möglich.

Aber zu behaupten man wisse exakt, daß dort genau im Jahre 9 n.Chr. genau drei bestimmte Legionen (oder Teile von ihnen) nicht nur kämpften, sondern auch ihr Ende fanden - bloß weil einige höchst fragwürdige antike Hofschreiber sich in dieser Richtung geäußert haben, dazu noch recht fragmentarisch und wovon einer noch anmerkt, daß er selber seinen Quellen nicht glaubt -, also das finde ich reichlich...naja!

Besonders, dann noch von "Wissenschaft" zu reden ist völlig inakzeptabel und unseriös, das muß einmal gesagt werden! Würde man in der Biologie so vorgehen hätten wir in den Schulbüchern Einhörner und Drachen und eine Schöpfungsgeschichte anstelle der Evolutionstheorie!

Das ist es ja: und sind die tatsächlichen Anhaltspunkte noch so dünn gesät, ja man kann sogar sagen gerade dann wird wahrgenommen, was den vorbestehenden Erwartungen oder Überzeugungen am ehesten entspricht. Und was ihnen nicht entspricht, wird ausgeblendet, ignoriert, gibt es garnicht! Wie bei optischen Täuschungen oder Zaubertricks im Varieté. Nur daß man da dann doch irgendwie sicher ist, daß das Kaninchen nicht wirklich aus dem Hut kommt! Auch jeder Rechtsanwalt kann davon in bezug auf Zeugenaussagen vor Gericht ein Lied singen.

In humoristischer Weise auf die Spitze getrieben haben Monty Python das Prinzip in "Leben des Brian". An vielen Stellen, z.B. als die Menge verzückt vor der Sandale stehen bleibt, die Brian auf der Flucht vor seinen bedrohlichen Anhängern verloren hat: "Ein Wunder" Ein Wunder!"
 
Selbstverständlich kann man die Vermutung (etwas anderes habe ich nicht vorgetragen), etwas bestimmtes habe sich n i c h t ereignet prinzipiell widerlegen. Nämlich indem man hieb und stichfest wie ich sagte nachweist daß es sich d o c h ereignet hat!

Es läuft prinzipiell, in der Wissenschaft wie vor Gericht, andersherum: Derjenige der vermutet muss belegen.

Das sehe ich aber z.Z. und im vorliegenden Fall nirgends. Auch nicht in Kalkriese!

- in Kalkriese ist belegt, dass hier eine römische Armee vernichtend geschlagen wurde
- in Kalkriese ist belegt, dass hier menschliche Überreste im Abstand von mehreren Jahren zur Schlacht bestattet wurden, was für den Zeitrahmen, in dem die Kalkrieser Schlacht stattfand für genau eine Schlacht belegt ist, nämlich die Varusschlacht
- die Datierung von Kalkriese ergibt sich aus den Funden: 7 n. Chr. tpq, die Schlussmünze ist von 2 n. Chr. die Gegenstempel von Varus können erst nach seinem Antritt als Statthalter 7 n. Chr. auf die Münzen gekommen sein
- es ist keine Nielloverzierung gefunden worden, die erst ab Tiberius auftaucht

Also wenn Du nicht mit Kalkriesefunden argumentierst ("...Ob sie nun genau in Kalkriese stattfand...") woher weiß du es dann so genau? Bei Tacitus & Co. gelesen, muß einfach wahr sein, was da steht? Glaubst Du auch an Geisterreiter und Wölfe, die nachts um Römerlager streichen, um eine bevorstehende Schlacht anzukündigen?

Leider hat Tacitus uns nur den Ortsnamen teutoburgensis saltu und nicht Kalkriesum hinterlassen, wäre auch zu schön gewesen... =)

So? Nur bei einer Niederlage? Welche denn, erzähl mal...

Ich bin zwar nicht der Angesprochene, aber trotzdem: Die vielen Beutel mit Münzen, die hochwertigen Gegenstände aus dem Tross (u.a. Götterfigurinen, ein Bett etc., die Haarnadel einer Frau). Wenn der Tross oder das Lager angegriffen wird, dann ist die Schlacht in der Regel verloren.

Welche Gegebenheiten werden denn in welchen Texten beschrieben? Vielleicht ein trockener breiter Sandweg (hundert oder tausend Meter breit) am Fuß eines Hügels in einem Text über glitschige Wurzeln und dicht stehende riesige Bäume in einem finsteren Wald?

Gerade bei Kalkriese war ein Teil des Weges abgegraben worden, im Vorfeld des Walls war die Grasnarbe abgetragen worden, was den Untergrund natürlich weniger fest macht, stattdessen rutschiger und pampiger. Es ist auch nicht so, als wären die Flugsanddünen durchgängig gewesen, sie waren von Sumpflöchern unterbrochen. Die ein km breite Flugsandzone, die immer wieder gegen die Kalkrieser angeführt wird, bedeutet nämlich nicht, dass hier durchgängig ein trockener sandiger Boden vorgeherrscht hätte. Aber das ist alles in der Fachliteratur nachzulesen.

Dabei vermutlich die Wallstellung einnehmend.
Woraus ist das bitte zu schließen?

Aber zu behaupten man wisse exakt, daß dort genau im Jahre 9 n.Chr. genau drei bestimmte Legionen (oder Teile von ihnen) nicht nur kämpften, sondern auch ihr Ende fanden - bloß weil einige höchst fragwürdige antike Hofschreiber sich in dieser Richtung geäußert haben, dazu noch recht fragmentarisch und wovon einer noch anmerkt, daß er selber seinen Quellen nicht glaubt -, also das finde ich reichlich...naja!

Wann willst du dich eigentlich anzuerkennen bequemen, dass es sich außer bei Manilius und Velleius gerade nicht um "Hofschreiber" handelt. Weder Strabon noch Ovid noch Tacitus noch Sueton kann man diesen Vorwurf machen.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Deine ganze Hypothese fußt auf einem einzigen Wort auf einem Gedenkstein, welches sich zwanglos damit erklären lässt, dass niemand gerne in einer Niederlage gefallen sein will, gerade bei den Römern, welche daran glaubten, dass solange man sich an die glorreichen Heldentaten eines Toten erinnerte, dieser noch nicht ganz verblichen sei. Aufgrund dieses einen Wortes erklärst du alle anderen Quellen für falsch und beschwörst eine Propgandahypothese ohne jede Logik und ohne Hinweis in den Quellen.
 
Bei Tacitus & Co. gelesen, muß einfach wahr sein, was da steht?
Dazu zwei Zitate aus: Zvi Yavetz, Tiberius, Der traurige Kaiser. Biographie, München 1999:

Tacitus zu lesen ist ein Vergnügen, doch man muss es mit Vorsicht tun. Seine Texte enthalten zwar keine Lügen, aber sein feiner Stil ermöglicht es ihm, die Wahrheit zu verwischen. (S. 19)

Deshalb habe ich im ganzen Buch deutlich gemacht, dass ich mich hinsichtlich der geschilderten Tatsachen auf Tacitus stütze - ist doch bisher niemanden der Beweis gelungen, dass Tacitus die Unwahrheit sagt. (S. 170).
 
Drücke ich mich so mißverständlich aus?

Hi, nur kurz zwei Punkte, zu mehr heute keine Zeit mehr:

Warum hätten sie es dann schreiben sollen? Warum hätten sie Andeutungen machen sollen?

Ich meinte doch daß die Wahrheit niemanden mehr wirklich interessierte. Obwohl die Frage zu Augustus Zeiten womöglich im geheimen Kreis noch heiß diskutiert wurde. Sagen wir mal so wie es in zweihundert Jahren wahrscheinlich niemanden mehr brandheiß interessiert, wer die Twin Towers zerstört hat. Aber die Geschichte von Bin Laden würde man vielleicht immer noch gerne lesen, wahr oder nicht, einfach weil sie spannend ist.

In zweitausend Jahren sind Historiker dann vielleicht sogar in ähnlicher Lage wie wir heute in Sachen Varus, weil man womöglich nur ein paar Artikel aus der Washington Post und einige Bücher (in Fragmenten) von regierungsnahen Autoren über nine eleven zur Verfügung hat. Aber was wäre wenn die heutigen "Verschwörungstheoretiker" recht hätten, und die CIA doch...?

Die Geschichte der politischen "Ganz großen Lüge" (in: Philip Knightley, Die Spionage im 2o. Jahrhundert) ist doch nun wirklich ausgesprochen umfangreich. Und auch nicht neu. Wie sagte Voltaire: "Geschichte ist die Lüge, auf die sich die Historiker geeinigt haben!"

Und sie haben es geschrieben, weil es in den Senatsakten stand. Natürlich auch, weil sie eine römische Geschichte schreiben wollten. Und weil es zugleich eine attraktive Geschichte war. Solche topoi wie den erwähnten mit den Wölfen und Geisterreitern werden sie vermutlich selber noch hinzugefügt haben.

Die Andeutungen des Cassius Dio wiederum können einfach mit integrem Charakter zu tun gehabt haben, oder er war so etwas ähnliches wie ein Buchautor in der EX-DDR, der zwar seinen Job nicht verlieren wollte, und daher meist "sozialistisch korrekt" schrieb, insgeheim aber gegen die Nomenklatura eingestellt war. Sodaß er sich ab und zu den einen oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl für ebenfalls kritische Intellektuelle leistete. So stelle ich mir das jedenfalls bei CD vor.

Wie jetzt? Augustus soll den Auftrag gegeben haben, seine Soldaten in cumulo als tumbe Vollidioten hinzustellen? Und das ist dann erst 200 Jahre später verwirklicht worden?
Nein, bitte nochmnal lesen. Es stand bereits seit 200 Jahren den Senatsakten, aus denen CD sich informierte. "Verwirklicht" wurde es zu Augustus Zeiten. Und für den - falls es so war wie ich vermute -, dürfte gegolten haben: Besser die als tumbe Vollidioten usw. als ich!
 
Zuletzt bearbeitet:
Fragen wir uns doch einmal, was sich wohl ein antiker Joseph Goebbels ausgedacht hätte? Ich denke im Prinzip dasselbe wie der echte im 20. JH zu den Niederlagen seines "Augustus" Hitler, was er bekanntlich sogar bis ans für jeden erkennbare Ende und damit ins geradezu absurde fortführte ("Endsieg"): die Ereignisse selbst nicht unbedingt bestreitend, - sie aber umdeutend!
(...)
Denn so wie Hitlers höchstpersönliche "geniale Strategie" als "Oberbefehlshaber der Wehrmacht" offiziell nicht bei Stalingrad scheiterte, war auch Augustus als Politiker von Verantwortung für das Germanien-Desaster befreit: Ungunst der Götter, klimatische und geographische Verhältnisse, ein hinterlistiger, an sich aber unterlegener Gegner und ein unfähiger General!

Die Parallelen zur Goebbels´schen Stalingrad-Propaganda stechen doch geradezu ins Auge, oder etwa nicht?
nein, da sticht nichts ins Auge - und ich muss gestehen: fand ich anfangs einige deiner Beiträge zur Belebung der Diskussion wenn nicht sachlich, so doch erfrischend, so bin ich über derart hahnebüchene Vergleiche doch recht entsetzt. Und ich bin ziemlich sicher, sogar ohne Kalkriesekenner zu sein, dass "Überlegungen zu einem antiken Goebbels" kein einziges antikes Schlachtfeld ausgraben, finden oder deuten.
 
Marcus Caelius, führe doch einfach mal die Anhaltspunkte auf, die gegen die Historizität der Varusschlacht sprechen, ohne gewichtige Fakten - etwa die Stellung zum Kaiserhaus der einzlenen Autoren - zu unterschlagen. Und weiche nicht ständig, so nicht unbedingt notwendig, nach Stalingrad, in die DDR, nach Nine-eleven oder in den Bible-Belt aus.
 
Die Andeutungen des Cassius Dio wiederum können einfach mit integrem Charakter zu tun gehabt haben, oder er war so etwas ähnliches wie ein Buchautor in der EX-DDR, der zwar seinen Job nicht verlieren wollte, und daher meist "sozialistisch korrekt" schrieb, insgeheim aber gegen die Nomenklatura eingestellt war.

Da kannst du doch auch sicher Textbeispiele aus Cassius Dio bringen, die diese Interpretation unterstützt! Vor allem, dass Cassius Dio gegen das System eingestellt war!
Sodaß er sich ab und zu den einen oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl für ebenfalls kritische Intellektuelle leistete. So stelle ich mir das jedenfalls bei CD vor.

Nur mal als Nachfrage, weil ich vielleicht etwas nicht richtig verstanden habe: Tacitus stellst du dir als nicht kritischen Intellektuellen vor?
 
Es läuft prinzipiell, in der Wissenschaft wie vor Gericht, andersherum: Derjenige der vermutet muss belegen.

Falsch, - andersrum ist es andersrum: In der Naturwissenschaft jedenfalls gilt eine Theorie solange als wahr bis sie widerlegt ist! Nach Sir Carl Popper und allgemein anerkannt. Eben das ist der Motor des wissenschaftlichen Fortschritts, der "Trick" sozusagen: ein gewisser Einstein z.B. stellt eine Relativitätstheorie auf, - und tausende Wissenschaftler weltweit bemühen sich sie zu widerlegen!

Und gerade weil es so viele sind und alle sozusagen selber gerne den Nobelpreis hätten, ist die Wahrscheinlichkeit - relativ - hoch, daß es auch einem oder mehreren gelingt! Umgekehrt ist es nicht so. Alle hätten nur gesagt: "Hahaha, er kann´s nicht beweisen, dummes Zeug, vergessen!"

Er hätte es in der Tat nicht beweisen können, es war eine Theorie, wie der Name schon sagt. Und Einstein selber sprach auch immer nur von "vorläufigen Wahrheiten"! Erst später konnte man die Theorie tatsächlich experimentell beweisen. Aber n u r aufgrund der vielen intensiven Bemühungen, sie zu widerlegen!

Es ist wirklich so, genau so wird naturwissenschaftlich gearbeitet. Eisernes Gesetz, frag` den nächstbesten Bio-, Physik- oder Mathestudenten. Arzt oder Apotheker geht wahrscheinlich auch.
- in Kalkriese ist belegt, dass hier eine römische Armee vernichtend geschlagen wurde
Es ist n i c h t belegt! Wodurch denn, zum Kuckuck? Muß ich jetzt aber doch mal sagen.

- in Kalkriese ist belegt, dass hier menschliche Überreste im Abstand von mehreren Jahren zur Schlacht bestattet wurden, was für den Zeitrahmen, in dem die Kalkrieser Schlacht stattfand für genau eine Schlacht belegt ist, nämlich die Varusschlacht.
Für die Varusschlacht belegt? Weil ein römischer Autor das geschrieben hat? "Es steht geschrieben" wie der Moslem sagt, oder was ist gemeint? Nieswurz hilft gegen Magenkrämfe, weil Hildegard von Bingen das geschrieben hat, brauchen wir nicht weiter zu überprüfen. Licht aus im Labor. Meine Güte...

Es sind keine Belege, sondern Behauptungen, die vor fast 2.000 Jahren aufgeschrieben wurden. Sie können wahr sein, müssen es aber nicht! Allenfalls kann man vermuten, es für wahrscheinlich - oder auch für unwahrscheinlich -, halten (wie ich). Mehr aber nicht!

Und die Leichen: Ja und? Wer weiß wer die vergraben hat. Auch das soll ein Beweis sein? Weil ein antiker Autor etwas ungefähr, ganz vage ähnliches geschrieben hat? Dessen Schriften selber (s.o.) per se keinerlei Beweiswert haben? Der außerdem von einem Massengrab mit tausenden Leichen schrieb? Und von einem Drusus-Grabmonument ganz in der Nähe, - wo bitte ist das? Haben auch die Germanen mitgenommen?

Dir ist es natürlich unbenommen das alles so zu sehen und zu glauben, - aber daß "Wissenschaftler" in Kalkriese das verbreiten, finde ich unseriös!

Genau das was ich vorhin schrieb:"... und sind die tatsächlichen Anhaltspunkte noch so dünn gesät...was den vorbestehenden Erwartungen oder Überzeugungen am ehesten entspricht...!"

Und die Münzen: Da folge ich vorläufig Wolters, Lippek et al. Überall in Deutschland mehr Varus-Münzen als in Kalkriese, Münzen (und ein Schwertscheidenbeschlag) von spanischen Legionen (I. + V.) die erst Tiberius 10 n.Chr. zur Verstärkung holte, keine Klarheit darüber, wie lange Münzen von den Münzstätten (z.B. Lugdunum) bis zu den Legionen brauchten usw. usw.

So kann - wie Wolters und Lippek überzeugend nachweisen -, eine Schlußmünze a.d. 9 einfach nur deswegen eine sein, weil die nachfolgenden Prägungen die Truppe erst nach vielen Jahren erreicht hätte. Es scheint mir schlüssig wenn daher vorgetragen wird, daß eine sichere Münzdatierung für die Jahre zwischen a.d. 9 bis 15 nicht möglich ist! Die Einzelheiten lies bitte bei den genannten Autoren nach, das würde hier zu weit führen.

Alles nur Qualm, nichts genaues, und es ärgert mich schwarz wenn dann von Beweisen und Gewißheiten geredet wird, so geht das einfach nicht!

Ich bin wie ganz am Anfang gesagt erst nach vielen Jahren wieder in die Materie eingestiegen, ganz und gar unvoreingeommen und nur an der Sache interessiert. Und ich muß schon sagen, was die "Kalkrieser" sich da leisten ist wirklich unglaublich! Inzwischen bin ich auch sicher, daß es nur um Gelder, Posten, Politik und Rechthaberei geht!

Ich bin zwar nicht der Angesprochene, aber trotzdem: Die vielen Beutel mit Münzen, die hochwertigen Gegenstände aus dem Tross (u.a. Götterfigurinen, ein Bett etc., die Haarnadel einer Frau). Wenn der Tross oder das Lager angegriffen wird, dann ist die Schlacht in der Regel verloren.
Ich hatte es doch ge-schrie-ben: in Panik dahineilender Troß - aber von Truppen gedeckt -, alles mögliche fällt vom Wagen, o h n e daß der Troß angegriffen worden sein muß! Lies doch den Abschnitt einfach noch mal nach.

Gerade bei Kalkriese war ein Teil des Weges abgegraben worden, im Vorfeld des Walls war die Grasnarbe abgetragen worden, was den Untergrund natürlich weniger fest macht, stattdessen rutschiger und pampiger. Es ist auch nicht so, als wären die Flugsanddünen durchgängig gewesen, sie waren von Sumpflöchern unterbrochen. Die ein km breite Flugsandzone, die immer wieder gegen die Kalkrieser angeführt wird, bedeutet nämlich nicht, dass hier durchgängig ein trockener sandiger Boden vorgeherrscht hätte. Aber das ist alles in der Fachliteratur nachzulesen.
Jaja, solange ich nicht mit einem sachkundigen Geologen oder Biologen vor Ort darüber gesprochen habe glaube ich kein Wort davon. Eine ziemlich merkwürdige Beschreibung für einen regelmäßig von röm. Legionen benutzten Heerweg. Wozu ich mich übrigens auch schon geäußert hatte. Aber Hauptsache es war matschig, und Sumpflöcher waren auch da und demnächst werden wohl auch ein oder zwei "riesige Bäume" auftauchen. Mit glitschigen Wurzeln. Reim` dich oder ich freß` dich...

Woraus ist das bitte zu schließen?
Aus den erheblichen Fundkonzentrationen u.a. hinter dem Wall. Meine Güte, wie oft soll ich das denn noch schreiben? Nachzusehen u.a. in: W.Schlüter, Römer im Osnabrücker Land, S. 25-26, copyright Landschaftsverband Osnabrücker Land.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Deine ganze Hypothese fußt auf einem einzigen Wort auf einem Gedenkstein, welches sich zwanglos damit erklären lässt, dass niemand gerne in einer Niederlage gefallen sein will, gerade bei den Römern, welche daran glaubten, dass solange man sich an die glorreichen Heldentaten eines Toten erinnerte, dieser noch nicht ganz verblichen sei. Aufgrund dieses einen Wortes erklärst du alle anderen Quellen für falsch und beschwörst eine Propgandahypothese ohne jede Logik und ohne Hinweis in den Quellen.
Ach was! Ich habe hier seitenlang noch sehr viel mehr dazu geschrieben! Und ich erkläre keine Quelle deswegen für zweifelhaft (falsch habe ich nie gesagt) . An den Gedenkstein habe ich übrigens in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr gedacht!
 
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Falsch, - andersrum ist es andersrum: In der Naturwissenschaft jedenfalls gilt eine Theorie solange als wahr bis sie widerlegt ist! Nach Sir Carl Popper und allgemein anerkannt. Eben das ist der Motor des wissenschaftlichen Fortschritts, der "Trick" sozusagen: ein gewisser Einstein z.B. stellt eine Relativitätstheorie auf, - und tausende Wissenschaftler weltweit bemühen sich sie zu widerlegen!


Und seit wann ist die Geschichtswissenschaft eine Naturwissenschaft?

Und die Leichen: Ja und? Wer weiß wer die vergraben hat. Auch das soll ein Beweis sein? Weil ein antiker Autor etwas ungefähr, ganz vage ähnliches geschrieben hat? Dessen Schriften selber (s.o.) per se keinerlei Beweiswert haben?


Das mit der nachträglichen Bestattung stammt aus Tacitus. Und dessen Schriften sollen per se keinerlei Beweiswert haben? Gehts noch? :nono:


Der außerdem von einem Massengrab mit tausenden Leichen schrieb? Und von einem Drusus-Grabmonument ganz in der Nähe, - wo bitte ist das?


Nicht gefunden worden. Passiert in der Archäologie immer wieder, dass man leider nicht alles findet, was schriftlich überliefert ist?
Haben auch die Germanen mitgenommen?


Nö.
Dir ist es natürlich unbenommen das alles so zu sehen und zu glauben, - aber daß "Wissenschaftler" in Kalkriese das verbreiten, finde ich unseriös!


Kannst du gerne machen. Ich bin sicher, falls irgendein Wissenschaftler, der sich mit römischer Geschichte auskennt, deine Ausführungen lesen sollte, er zur gleichen Bewertung kommt.




Ich bin wie ganz am Anfang gesagt erst nach vielen Jahren wieder in die Materie eingestiegen, ganz und gar unvoreingeommen und nur an der Sache interessiert.


Dafür weißt du aber schon ganz genau, was alles nicht stimmt. Kompliment!

Ach was! Ich habe hier seitenlang noch sehr viel mehr dazu geschrieben! Und ich erkläre keine Quelle deswegen für zweifelhaft (falsch habe ich nie gesagt).


Wortklauberei, ob jetzt zweifelhaft oder falsch. Du lehnst alles an Quellen ab, was deiner Theorie widerspricht.
An den Gedenkstein habe ich übrigens in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr gedacht!

Das ändert auch nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Falsch, - andersrum ist es andersrum: In der Naturwissenschaft jedenfalls gilt eine Theorie solange als wahr bis sie widerlegt ist!

Solange es die Möglichkeit der Widerlegung (Falsifikaion) per Experiment oder Beobachtung gibt; so dass nicht der Fall ist, handelt es sich schlicht weg nicht um eine naturwissenschaftliche Theorie.

Wenn Du schon probierst, naturwissenschaftliche Methoden auf die Geschichte zu übertragen, dann mach es richtig. Stell eine Behauptung auf, die mit vorhandenen Methoden oder Funden widerlegbar ist, und prüfe sie. Das hast Du mE nicht getan. Du vermutest etwas in die historischen Quellen hinein, was eben nicht widerlegbar ist.

ElQ hat in zwei Dingen mE die wichtigen Punkte getroffen: Warum ein Desaster wie die Niederlage des Varus erfinden, wenn sie sich nicht ereignet hat? Warum die vorhandenen Funde ignorieren? Wie immer man die jetzt im einzelnen wertet, naturwissenschaftlich gedacht drängt sich der Schluss auf: Da war irgendwas. Die Berichte von der Varus-Schlacht bieten eine Erklärung. Warum antike Verschwörungstheorien ersinnen, wenn Ockhams Rasiermesser klar in eine andere Richtung schneidet? Versteh ich nicht...
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade bei Kalkriese war ein Teil des Weges abgegraben worden, im Vorfeld des Walls war die Grasnarbe abgetragen worden, was den Untergrund natürlich weniger fest macht, stattdessen rutschiger und pampiger.

Man weiß wahrscheinlich sogar wo diese abgestochenen Grassoden gelandet sind. Das gesamte Areal in Kalkriese ist mit prähistorischer Siedlungskeramik übersäht. Eine Konzentration dieser Keramik wurde im aus Grassoden errichteten Wall gefunden. Möglicherweise wurde also dort nicht ein Weg abgegraben, sondern ein Wall errichtet. Oder beides.

Die Siedlungskeramik und weitere Funde führen J. Harnecker zu folgender Lanschaftsbeschreibung:
"Die Ergebnisse der Grabung ...zeigen, dass nicht alle römischen Funde unmittelbar mit dem Kampfgeschehen zusammenhängen können. Weiterhin machen sie deutlich, dass in unmittelbarer Nähe zum Kampfgebiet zeitgleich oder unmittelbar anschließend germanische Siedlungen existierten, in denen Plünderungsgut weiterverarbeitet wurde. Zusammen mit den weiteren Siedlungsnachweisen an Fuß des Kalkrieser Berges und im weiteren Umfeld belegen sie auch, dass der nördliche Wiehengebirgsrand um die Zeitenwende keine Urwaldregion, sondern besiedeltes Gelände war. Dort fanden sich abwechselnd Wälder, aufgelassene Altsiedlungen, in die Büsche und Gehölz zurückkehrten und auch gerade erst besiedelte und beackerte Flächen"

Wiederum fällt es mir schwer aufgrund dieser Landschaftsrekonstruktion an einen überraschenden Hinterhalt zu glauben.

Gruss
jchatt
 
Man weiß wahrscheinlich sogar wo diese abgestochenen Grassoden gelandet sind. Das gesamte Areal in Kalkriese ist mit prähistorischer Siedlungskeramik übersäht. Eine Konzentration dieser Keramik wurde im aus Grassoden errichteten Wall gefunden. Möglicherweise wurde also dort nicht ein Weg abgegraben, sondern ein Wall errichtet. Oder beides.

Darauf habe ich in diesem Thread schon mehrmals hingewiesen.

Die Siedlungskeramik und weitere Funde führen J. Harnecker zu folgender Lanschaftsbeschreibung:
"Die Ergebnisse der Grabung ...zeigen, dass nicht alle römischen Funde unmittelbar mit dem Kampfgeschehen zusammenhängen können. Weiterhin machen sie deutlich, dass in unmittelbarer Nähe zum Kampfgebiet zeitgleich oder unmittelbar anschließend germanische Siedlungen existierten, in denen Plünderungsgut weiterverarbeitet wurde. Zusammen mit den weiteren Siedlungsnachweisen an Fuß des Kalkrieser Berges und im weiteren Umfeld belegen sie auch, dass der nördliche Wiehengebirgsrand um die Zeitenwende keine Urwaldregion, sondern besiedeltes Gelände war. Dort fanden sich abwechselnd Wälder, aufgelassene Altsiedlungen, in die Büsche und Gehölz zurückkehrten und auch gerade erst besiedelte und beackerte Flächen"

Auch darüber hatten wir schon mal diskutiert. Das Problem ist das mit dem zeitgleich und dem unmittelbar anschließend. In erster Linie bezieht er sich ja auf das germanische Gehöft in Engter, etwa vier km von Kalkriese entfernt.

Wiederum fällt es mir schwer aufgrund dieser Landschaftsrekonstruktion an einen überraschenden Hinterhalt zu glauben.

Nichtsdestotrotz wird man den gegen den Weg gerichteten Wall erklären müssen. Da der Hof, der unmittelbar im Wallvorfeld lag, ja zum Zeitpunkt der Schlacht längst aufgegeben war, müssen wir es auch mit einer wieder verwilderten Kulturlandschaft zu tun gehabt haben. Dass aber die topoi von undurchdringlichen Wäldern und Sümpfen nicht so einhundertprozentig ernst zu nehmen sind, ist, glaube ich, allgemeiner Konsens.
 
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