Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Hallo, ich bin neu hier.


Mich interessiert die frage, ob man weis, wo die Varusschlacht stattfand?

Ein Kolleg von mir war neulich in Kalkriese, erst felsenfest überzeugt ( meiner meinung nach voreingenommen) dass dies der ort sei.

nach dem lesen von tacitus berichts über den agrierwall ist er der felsenfrsten ansicht, dass Kalkriese NICHt der ort der varusschlacht ist.

Wurde eigentlich jemals grossartig im "Teutoburger wald" gesucht?

Hat man das fort bei Aliso je gefunden?


Im schlimmsten Fall ist das komplette Schlachtfeld längst überbaut :-(
 
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Mich interessiert die frage, ob man weis, wo die Varusschlacht stattfand?

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Moin moin

Die Frage kann man ganz eindeutig mit ja oder auch nein beantworten! ;)

Schau dir mal die Anzahl der Beiträge zu diesem Thema hier an und du wirst erahnen wie eindeutig man die Frage beantworten kann!

Beginne doch mal die Beiträge zu lesen (nicht abschrecken lassen, es lohnt sich)! Du wirst schnell erkennen, wie vielschichtig das Problem der Lokalisierung ist.

Gruß
Andreas
 
Wurde eigentlich jemals grossartig im "Teutoburger wald" gesucht?
Der heutige Teutoburger Wald hat diesen Namen im 17. Jahrhundert aufgrund des Schlachtberichtes von Tacitus bekommen und weil man die Schlacht damals dort lokalisiert hat (der erste war der Reformator Melanchthon).
Angeblich sollen dort, beim Ort Schlangen im Lippischen im 18. Jahrhundert Münzen gefunden worden sein, auf die sich Lokalisten gerne berufen. Was aber stutzig macht, ist dass keine dieser Münzen erhalten ist und es sich auch welche darunter befunden haben sollen, die das Konterfei des Arminius mit Suebenknoten zeigten. Sprich: Es handelte sich um einen "Hoax".

Hat man das Fort bei Aliso je gefunden?
Man hat diverse Römerlager gefunden. Einige davon wurden als Aliso angesprochen. Das aussichtsreichste ist Haltern, wobei es auch Argumente gegen Haltern gibt.
 
Ich hab jetzt nur mal überflogen und mir ist dabei die Behauptung ins Auge gesprungen, in den Knochengruben seien Maultierschädel gefunden worden. Das ist mir neu, mir ist nur von vereinzelten Maultierknochen etwas bekannt. Wo kann man das mit den Schädeln nachlesen?

Ich habe diese Frage als Anlass genommen mir noch einmal das Buch „Kalkriese 3- Interdisziplinäre Untersuchungen auf dem Oberesch in Kalkriese“ zur Hand zu nehmen. Denn hier habe ich meine Informationen über die Maultierschädel in den Knochengruben her. Um die Antwort der Frage vorwegzunehmen; Ja es gibt auch Maultierschädel in den Knochengruben.

Im Einzelnen sieht die Verteilung dieser Schädel und Knochen in geraffter Form folgendermaßen aus:
Grube 1 / Schnitt 24 / auch Große Knochengrube genannt.
Die Grube selbst hatte eine Größe von etwa 2x2m bei einer Tiefe von 1m. Sie wurde in einem vorgeschichtlichen Graben für diese Deponierung angelegt. Hier wurden mindestens fünf Maultiere anhand ihrer Zähne lokalisiert. Von zwei Maultieren lagen die Zähne verstreut in der Grube zwischen anderen Knochen. Von den drei anderen Maultieren konnten Unter-bzw. Oberkieferteile bestimmt werden, wobei das Knochenmaterial zum großen Teil schon während der Deponierung im Untergrund vergangen war. Gesichtsknochenfragmente, Wirbel und Beckenknochen von Equiden waren genauso vorhanden wie alle weiteren Knochengruppen von Maultieren. Soweit ich das beurteilen kann ist das Verhältnis von Menschenknochen zu Equidenknochen in etwa 60 zu 40. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass gleichzeitig mit dem Knocheneintrag auch Kalksteinbrocken lose verteilt in der Grube lagen.

Grube 2 / Schnitt 25
Ovale Grube 1x1.5m Durchmesser Tiefe 0,7m. Auch diese Grube wurde in dem vorgeschichtlichen Graben angelegt. Nur wenige Röhrenknochen und Fragment eines menschlichen Schädels.

Grube 3 / Schnitt 25
Rund Grube im Durchmesser von etwa 2m. Tiefe ähnlich der Grube 2. Diese Grube wurde auch in dem vorgeschichtlichen Graben angelegt. Auch hier nur vereinzelte Knochen.

Grube 4 / Schnitt 22D
Grube von einem Ausmaß von 0.4x0.6m. Ehemals feuchte Mulde. Die Dicke der Knochendeponierung relativ gering. Ein menschlicher Schädel, sonst nur Equidenknochen.

Grube 5 / Schnitt 22P
Größe der Grube 1x0,6m. Ehemals natürliche kleine Mulde. Knochen und viele Kalksteine vermischt. Ein menschlicher Schädel sonst andere Knochen.

Grube 6 / Schnitt 22C
Grube ähnlich wie Grube 4. Teilweise erhaltener Maultierschädel. Weitere nicht zum Schädel gehörende Knochen. Menschlicher Unterkiefer.

Grube 7 und 8/ Schnitt 37
Die größten der Knochengruben. Grube 7 Durchmesser 4x4m, Grube (8 noch nicht vollständig erfasst. Tiefe etwa 1m. Im Vergleich zu den anderen Knochengruben erheblich weniger Knochen und Tierzähne. Knochendeponierungen nur am Rand und an der Sohle der Gruben. Als Besonderheit ist für diesen Befund zu vermerken, dass diese Knochengruben über eine vorherige Grube angelegt war, in der sich römische Münzen befanden. Diese vorherigen Grubendeponierungen, die etwa einen halben Meter tiefer reichten waren vermutlich schon kurz nach der Schlacht angelegt worden und waren vollständig verfüllt (womit kann ich nicht erkennen). Allerdings wurden hier ein Denar und zwei Aurei aufgefunden.

Ich muss mich gegenüber einer vorherigen Aussage korrigieren. Es wurden wohl mehr als nur zwei menschliche Schädelkalotten gefunden. Eine genaue Anzahl wird in dem Buch leider nicht genannt. Drei dieser Schädel lassen Hiebspuren erkennen.

Es wurden nicht nur drei im Verband befindliche Hände mit Unterarmknochen gefunden sondern noch weitere Skelettverbände. Eine Schädeldeponierung in der großen Knochengrube ist im Verbund mit dem Unterkiefer in Seitenlage aufgefunden worden. Die Position der Knochen verdeutlicht, dass diese Knochen gemeinsam in originaler Lage in die Grube gelangt sein müssen. Eine nachträgliche anatomisch korrekte Einpassung des Unterkiefers in Seitenlage ist fast unmöglich. Weiterhin wurde der Schädel mit zwei im Verband liegenden Wirbeln in die Grube verbracht. Zudem wurde ein rechtes und linkes Schulterblatt mit zugehörigen Brustwirbeln zum Teil im anatomischen Verband aufgefunden. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass diese im anatomischen Verband liegenden Skelettteile in einer Blockbergung der großen Knochengrube geborgen wurden.
 
Es sieht so aus, dass nur im östlichen sowie im westlichen Bereich des Ausgrabungsgebietes Knochendeponierungen in Gruben aufgefunden wurden. Der mittlere Bereich des Oberesches ist in dieser Hinsicht fundleer. Hans Peter Uerpmann vermutet noch weitere Knochengruben die bei weiteren Ausgrabungen entdeckt werden könnten. Ich glaube hingegen, dass in dieser Hinsicht nicht mehr allzu viel zu erwarten ist, denn der Umstand, dass die Knochengruben2, 3, 7, und 8 kaum mit Skelettteilen verfüllt waren, obwohl die Gruben noch sehr viel Platz für eine derartige Deponierung hatten zeigt, dass es nicht mehr viele Knochen vor dem Wall gegeben hat die entsorgt werden mussten. Aber gerade in diesem Bereich hätten den Kampfspuren zufolge die meisten Gefallenen Legionäre liegen müssen.

Weiterhin zeugt die Zusammensetzung der Knochengruben durch menschliche Skelettteile, Knochen von Equiden inklusiv deren Schädeln und gleichzeitiger Deponierung von Kalksteinbrocken keinesfalls auf eine Bestattung hin, die den Zweck haben soll gefallenen Kameraden die letzte Ehre zu gewähren. Hier kann durchaus nur von einer Entsorgung störender Gegenstände gesprochen werden.

Gleichfalls ist durch die Tatsache, dass einige Skelettverbände im anatomischen Zusammenhang gelegen haben eine Bestattung erst sechs Jahre nach dem Kampfgeschehen äußerst fraglich, denn nach einer so langen Zeit müssen alle Weichteile die ein Skelett zusammenhalten schon lange vergangen sein.

Auch unter diesen Gesichtspunkten ist eine Verbindung der Knochengruben mit der Bestattungsaktion des Germanicus weitgehend ausgeschlossen.
 
Auch unter diesen Gesichtspunkten ist eine Verbindung der Knochengruben mit der Bestattungsaktion des Germanicus weitgehend ausgeschlossen.

Dem stimme ich zu. Wenn er nämlich wirklich statt einem oberirdischem Grabhügel, in dem viele Menschen würdevoll bestattet wurden, mehrere unterirdische Knochengruben gemeint hätte, in die Gebeine von wenigen Menschen und klar als solche erkennbare Maultierknochen pietätlos zusammen abgelegt wurden, wäre Tacitus auch in einem so hohem Maße interpretierbar, dass er meines Erachtens als ernstzunehmende Quelle angezweifelt werden müsste. Dieser Eindruck bestätigt sich anhand der übrigen Beschreibungen von Tacitus freilich nicht.
 
Tacitus schreibt gar nichts davon, dass alle in der Varusschlacht gefallenen in einem Tumulus bestattet wurden, sondern, dass sie bestattet wurden und ein Grabhügel im Zuge dieser Aktion errichtet wurde. Das kann man nun unterschiedlich interpretieren.
Man muss dabei aber auch folgendes bedenken: Die Menge von knapp 15.000 Gefallenen, die vermutlich über eine Wegstrecke von vier Tagesmärschen (also in der Spitze bis zu 120 km) verteilt (zumindest, wenn man Cassius Dio glaubt) im Gebüsch gelegen haben, alle an einem zentralen Ort zu bestatten, wäre eine logistische Meisterleistung gewesen.
 
So wie ich die Quellen interpretiere haben die Germanen zumindest am 1. und am 4. Tag der Schlacht massiv angegriffen (der Hinterhalt am Beginn der Schlacht und das Einschließen der Reste der Legionen am Ende der Schlacht). Beide Angriffe erfolgten sicherlich eher eher am Morgen als am Abend.
Am 2. und 3. Tag mussten die Römer durch unwegsames Gelände (ich glaube Cassius Dio) und wurden auf dem Marsch von den Germanen angegriffen. Wenn man dies alles berücksichtigt, kommen da meines Erachtens nicht wesentlich mehr als 10 km pro Tag an durchschnittlicher Marschdistanz zusammen, das abzusuchende Gebiet wäre also nicht mehr als 40 bis 50 km lang gewesen. Da sich die Römer in einer Kolonne bewegten, wäre das abzusuchende Gebiet auch nicht besonders breit gewesen.

Germanicus war meines Wissens im Jahr 15 mit 8 Legionen vor Ort, mehrere 10 000 Legionäre haben also für die Suchaktion bereitgestanden, wobei sich die Legionäre wahrscheinlich auch nur auf die größeren und nach 6 Jahren noch relativ gut auffindbaren Knochen beschränkt haben werden, und jedes Gebüsch werden sie auch nicht durchsucht haben.

Alles in allem denke ich, dass die Bergung eines zumindest repräsentativen Anteils der Gebeine unter den oben genannten Bedingungen in ca. 2 Wochen durchführbar gewesen wäre.
 
... kommen da meines Erachtens nicht wesentlich mehr als 10 km pro Tag an durchschnittlicher Marschdistanz zusammen, das abzusuchende Gebiet wäre also nicht mehr als 40 bis 50 km lang gewesen. Da sich die Römer in einer Kolonne bewegten, wäre das abzusuchende Gebiet auch nicht besonders breit gewesen. ...

... Alles in allem denke ich, dass die Bergung eines zumindest repräsentativen Anteils der Gebeine unter den oben genannten Bedingungen in ca. 2 Wochen durchführbar gewesen wäre.

Moin

Das klingt ja alles ganz nett, doch die ca. 50 km (ob realistisch oder nicht) entspricht der Strecke Aachen - Köln. Lauf mal die Strecke ab und stell dir dabei vor, es ginge nicht über Straßen sondern "über Stock und Stein". Zudem wird der Marschweg der Varuslegionen nicht ausgeschildert gewesen sein, so dass man nicht mal eben eine Strecke ablaufen und Knochen sammeln konnte!

Das Germanicus einen repräsentativen Tumulus errichtet hat, bezweifele ich ja nicht, doch halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass zahlreiche Gebeine am Ort des Auffindens bestattet wurden. Dies schon aus logistischen Gründen!

Gruß
Andreas
 
Hallo Andreas,

sagen wir die Schlacht fand auf einer Strecke von 60 km statt, und Germanicus hat 20 000 Legionäre zum Suchen abgestellt (bei einem 8 Legionen Heer von also ca. 40 000 Soldaten oder mehr sicherlich realistisch), hätte jeder Legionär durchschnittlich 3 m Wegstrecke absuchen müssen, was die Schwierigkeit der Aufgabe meines Erachtens relativiert.

In der Kalkrieser Gegend wäre das Auffinden der Weges von Varus evt. schwierig gewesen, in einer sehr viel hügeligeren Gegend wären die Freiheitsgrade für die Wahl des Weges weniger hoch gewesen (mein Tipp: Südtheorie, das nördliche Sauerland).

Des Weiteren findet man auf einer durchschnittlichen Suchstrecke von 3 m auch nicht allzu viele Knochen, die Zahl der zu transportierenden Gebeine pro Legionär wäre also auch überschaubar gewesen, aus logistischen Gründen hätten dezentrale Bestattungen also nicht durchgeführt werden müssen. Zumal es ja Germanicus' Plan war, eine zentrale Bestattung durchzuführen.

Und selbst wenn man sich für dezentrale Bestattungen entlang der Wegstrecke entschieden hätte, fände ich es wie gesagt sehr unwahrscheinlich, dass Knochen, die ganz klar von Maultieren stammen (z. B. deren Schädel), mit in die Gräber gelegt worden wären.

Gruß, Martin
 
1. Tag Schlacht, also kaum Marsch, 2./3. Tag Marsch mit Angriffen, also auch nicht besonders viel Marsch, 10 km unter den Bedingungen wäre viel, 4. Tag Entscheidungsschlacht, also auch nur n halber Tag.
Da bleiben 20-30 km abzusuchen
 
Zum Knochensuchen stellt sich natürlich auch die Frage, wie lange Germanicus mitten im Feindesland auf Rachefeldzug gegen Arminius Zeit investieren wollte, um Knochen zu suchen.
 
Zum Knochensuchen stellt sich natürlich auch die Frage, wie lange Germanicus mitten im Feindesland auf Rachefeldzug gegen Arminius Zeit investieren wollte, um Knochen zu suchen.

Richtig.
Wie stark Arminius mit seinen Verbündeten wirklich war, zeigt sich darin, dass er den Römern während der Germanicus Feldzüge gleich mehrmals die Stirn geboten hat. Ich glaube nicht, dass die Römer bzw. der gemeine römische Legionär sich wirklich "wohlgefühlt" hat.

Diese ganze Bestattungsaktion war wahrscheinlich eher ein symbolischer Akt.
 
Man hat diverse Römerlager gefunden. Einige davon wurden als Aliso angesprochen. Das aussichtsreichste ist Haltern, wobei es auch Argumente gegen Haltern gibt.

Welche Argumente meinst Du damit genau?

Es ist fraglich ob Haltern über das Jahr 9 Bestand hatte, also 16 noch belagert werden konnte. Ich bin durchaus der Auffassung, dass dem so war, aber belegen lässt sich das nicht.
 
Es ist fraglich ob Haltern über das Jahr 9 Bestand hatte, also 16 noch belagert werden konnte. Ich bin durchaus der Auffassung, dass dem so war, aber belegen lässt sich das nicht.

Richtig.
Der archäologische Befund, insbesondere der letzten Jahre spricht eher pro Aliso.
Ein wirkliches Argument dagegen ist mir nicht bekannt. Der "Verdacht" hat sich eher erhärtet.
 
Zum Knochensuchen stellt sich natürlich auch die Frage, wie lange Germanicus mitten im Feindesland auf Rachefeldzug gegen Arminius Zeit investieren wollte, um Knochen zu suchen.

Germanicus hat zumindest soviel Zeit zum Anlegen des Grabhügels inkl. dem Sammeln der Knochen investiert, dass daraus eine Aktion entstand, die relevant genug war, um von Augustus kritisiert zu werden.

Meine Vermutung ist es, dass ein Teil der Motivation von Augustus' Kritik die Verschwendung von Vorräten für eine für den Verlauf des Krieges völlig bedeutungslose Aktion war, Augustus es aber aus Rücksicht auf seine Armee öffentlich nicht sagen konnte, dass er das Andenken der Gefallenen für unwichtig hält, weshalb er sich auf die Demoralisierung der Soldaten bezogen hat.
 
Germanicus hat zumindest soviel Zeit zum Anlegen des Grabhügels inkl. dem Sammeln der Knochen investiert, dass daraus eine Aktion entstand, die relevant genug war, um von Augustus kritisiert zu werden.

Meine Vermutung ist es, dass ein Teil der Motivation von Augustus' Kritik die Verschwendung von Vorräten für eine für den Verlauf des Krieges völlig bedeutungslose Aktion war, Augustus es aber aus Rücksicht auf seine Armee öffentlich nicht sagen konnte, dass er das Andenken der Gefallenen für unwichtig hält, weshalb er sich auf die Demoralisierung der Soldaten bezogen hat.

Entschuldigung, die Kritik erfolgte natürlich durch Tiberius. Mea culpa.
 
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