Ich bin persönlich schon der Meinung, dass "Mein Kampf" grundlegende Hinweise zu Hitlers "Glauben" liefert. Ich habe mich in meinen Ausführungen zu Hitlers "Glauben" auch nur auf diese eine Quelle gestützt, allerdings vielleicht nicht explizit genug bzw. ohne unterstützend die entsprechenden Zitate mitzuliefern. ...
Das andere Problem ist mindestens ebenso schwerwiegend und wurde von Dir angedeutet: Hitlers religöse Überzeugungen können/ werden sich im Laufe seines Lebens zumindest in Teilen gewandelt haben. Der Hitler, der "Mein Kampf" schrieb muss bezügl. seiner religiösen Überzeugungen nicht derselbe sein, wie der Hitler der 40er Jahre.
Danke für die ergänzenden Erläuterungen. Ich bin sehr am zweifeln, ob der Kontext von Hitlers erstem Buch weitreichende Schlüsse erlaubt.
Wir haben neben den Zeitzeugen, die Äußerungen mehr oder weniger verläßlich überliefert haben, umfangreiche Quellensammlungen insbesondere von Hitlers Reden und Proklamationen 1922/33 und den Domarus 1932/45, weiter Hitlers "Tischgespräche", etc. Ich versuche das mal zusammenzufassen:
Im Ergebnis neige ich sehr der Interpretation von dekumatland zu, die ähnlich auch der von Domarus zusammenfassend zu Hitlers Religiösität zu verstehen ist. Hier fand eine Metamorphose statt, deren Endstadium von dekumatland dargestellt worden ist. Das Schwierige der Thematik liegt in dieser Vermischung von Hitlers Äußerungen zu Konfessionen, christlichem Glauben und einem neuen Konglomerat von einer politischen Vorstellungswelt mit religiöser Durchmischung, die mE nicht nur Werkzeug, sondern Überzeugung war.
Der frühe Hitler stand zum katholischen Glauben, jedenfalls war er von dieser Vorstellungswelt insbesondere durch die Organisation, seiner Interpretation von Macht über die Gläubigen, Dogmatik usw. beeindruckt. Hier deutet wieder etliches auf die Durchmengung mit politischen Anschauungen, wenig auf von Politik isolierte religiöse Überzeugungen hin.
Die Machtübernahme war dann ein gewisser Einschnitt, und danach (auch schon davor?)entwickelt sich die Abgrenzung zum christlichen Glauben immer schärfer, bis zur Loslösung von "üblichen" christlichen Bindungen, in Richtung der Darstellung von dekumatland. Einige Hinweise:
"Ich fühle mich nun frisch wie ein Füllen auf der Weide" (Loslösung vom christlichen Glauben, 1937) Die gleichzeitige, fortgesetzte Verwendung von Gott, Allmächtigem, Vorsehung, etc. ist dann allerdings keine reine Blasphemie, auch nicht nur Mittel zum politischem Zweck, sondern mE Teil des neuen "Konglomerats" inkl. Selbstvergötzung.
"Ich glaube an Gott", und ich bin überzeugt, dass er 67 Millionen Deutsche nicht verlassen wird, die so hart dafür gearbeitet haben, ihre rechtmäßige Stellung in der Welt wiederzufinden" (Vermischung mit völkisch-rassistischem Gedankengut)
"Auch ich bin religiös, und zwar innerlich tief religiös, und ich glaube, dass die Vorsehung die Menschen wägt, und den, der die Prüfung der Vorsehung nicht bestehen kann, und an ihr zerbricht, nicht zu Größerem bestimmt hat."
Der Glaube an diesen "völkisch-rassistischen Gott", religiöser Überbau des Rassewahns, ist aus Hitlers ursprünglichem katholischem Glauben von ihm entwickelt worden, und springt im Verlauf 1922/45 immer schärfer hervor.
Es ist nicht nur Partei-Geplapper: "Im Volke geboren, erstand uns ein Führer, gab Glauben und Hoffnung an Deutschland uns wieder." Sondern Hitler stellt selbst die Grundlage dar: "Ich glaube, dass es auch Gottes Wille war, von hier [Österreich] einen Knaben ins Reich zu schicken, ..." Und: "Wenn ich auf die 5 Jahre zurückblicke, die hinter uns liegen, darf ich auch sagen, das ist nicht nur Menschenwerk gewesen ..." Weiter: "Gott hat dieses Volk gebildet, nach seinem Willen ist es geworden ..."
Auf den Punkt gebracht:
"Wenn Wille und Glaube sich so inbrünstig
vereinen, dann kann auch der Himmel seine Zustimmung nicht versagen ..."
"Deutsches Volk, ich habe dich glauben gelehrt, nun gib Du mir deinen Glauben ..."
Das läßt sich zitatweise weiter massenhaft verdichten. Das von dekumatland beschriebene "Konglomerat" spitzt sich ab 1937 auf die Selbstvergötzung zu, auf Sendungsbewusstsein, die Annahme der absoluten Unfehlbarkeit, zum Gottmensch Hitler auf Erden und Herrn über Leben und Tod
Jede daneben stehende "religiöse Organisation", alles Konfessionelle gerät hierbei in Opposition und Gegnerschaft. Dass der Antisemitismus Hitlers dann auch in dieses "Gotteswerk" (aber nur beiläufig, eher opportunistisch) eingebunden wird, ergibt sich fast zwangsläufig, besagt aber nichts über Hitlers religiöse Anschauungen.
Die christlichen Kirchen haben diesen, dem christlichen Glauben entgegen stehenden Überzeugungskern im NS und bei Hitler wohl aufgenommen und jedenfalls teilweise (es gibt auch Beispiele der Gefolgschaft) als Gefahr erkannt. Von daher wäre interessant, den hier diskutierten Atheismus Hitlers, bzw. das neu entstandene/entstehende religiöse "Konglomerat", unter dem Blickwinkel der Deutung der Kirchen (quasi "in Opposition") zu betrachten, nämlich deren Perzeption, anhand der ihnen damals vorliegenden Reden und Proklamationen Hitlers bzw. Darstellungen des NS.