Ich schlage vor, wir lassen mal die Spätantike beseite. Da exixtierten die Worte germ. burg und lat. burgus schon derart lange nebeneinander, dass es durchaus zu "Verschmelzungen" in der Bedeutung gekommen sein kann.
El Quixote, erstmals taucht der Terminus Technikus -burgus- in der Weiheinschrift CIL. XIII 6509 auf, die in den 40er Jahren des 2. Jh n. Chr. am Wachtturm 10/37 des Odenwaldlimes in der Provinz Germania Superior gesetzt worden ist und die Fertigstellung eines -burgus- verkündet.
Die -burgarii- wurden aber schon einige Jahre vorher in Thrakien erwähnt ( CIL. III 13795 von 138 n. Chr.).
Also existierte bereits um diese Zeit ein Derivat von -burgus-. Selbstredend muss -burgus- schon einige Zeit vorher in die lateinische Militärsprache, zeitgleich mit der namensgebenen Sache, übernommen worden sein!
Noch frühere Zeugnisse fehlen möglicherweise deswegen, weil bis kurz vor den obigen Zeiten bei römischen Wachttürmen die Holzbauweise vorherrschend war, da fehlen halt dauerhafte Inschriften.
Semantisch bestehen zwischen griech. -pyrgos- und lat. -burgus- erhebliche Übereinstimmungen. Beispielsweise stand obiger Wachtturm wahrscheinlich allein, ohne zusätzliche Wehrbauten. Er hatte eine Basis-Seitenlänge von grade mal 4,5 Metern. Das ist ziemlich identisch mit der Größe bekannter griechischer -pyrgos-, selbst mit den griech. Belagerungstürmen (die im Übrigen eine eigene Bezeichnung hatten - phoretos pyrgos-). Wesentlich schlechter ist da die semantische Übereinstimmung mit den (vor-?)germanischen befestigten Bergen/Anhöhen, oder gar Wohnstätten!
Unstreitig ist sicher die Tatsache, dass es im Grunde nur einen zählbaren Grund gibt, für vorhandende Bezeichnungen nun noch ein weiteres Wort aus einer anderen Sprache für den selben Gegenstand aufzunehmen - Prestige! Deshalb wimmelt das Latein nur so von griechischen und etruskischen Entlehnungen (Beispiele aus späteren Zeiten mit anderen Sprachen bis zur Gegenwart kennen wir alle).
Wie sieht es zur Zeitenwende mit dem germanischen Prestige aus? Was haben diese Germanen insgesamt Bemerkenswertes vorzuweisen, auch speziell in Militärdingen und der Baukunst - grade für einen Römer? Ich kenne nichts ausser Met!
Dann nehmen wir halt die germanische Burg. Als mittels aufgeschütteten Erd-/Steinwällen geschützte Anhöhe, sicher noch mit Palisaden ausgestattet, soll sie tatsächlich Grund genug sein, für die spezielle Bauart "Wachtturm" - mehr waren -burgi- in der Anfangszeit, als sie Ihre Bezeichnung bekamen, nicht - den Namen herzugeben?
Spätestens seit den Auseinandersetzungen mit den süditalischen Stadtstaaten waren den Römern die griechischen Wachttürme und deren griechischer Name bekannt und verinnerlicht.
Viel später setzte sich Cicero mit an die Spitze einer intelektuellen Bewegung, die sich dem Schutz der lateinischen Sprache vor Entlehnungen speziell aus dem Griechischen verschrieb. Cicero selbst entwickelte etliche Wörter, die die griech. "Eindringlinge" ersetzen sollten. Wo das nicht ging, sollten zumindest die "Fremdwörter" entgegen aller Regeln lautlich so verändert werden, dass sie wie ursprüngliches Latein aussähen. Mag sein, dass in diesem Abwasch auch -pyrgos- verändert wurde, aber dass ist nur eine ganz wilde Vermutung von mir. Im Übrigen hielt das Bemühen dieser "Sprachpuristen" nicht lange an.
El Quixote, so sicher, wie es Regeln gibt, so sicher gibt es immer Ausnahmen von denselben. Tatsächlich blieb bei der Entlehnung aus dem Griechischen ein -p- auch im Latein fast immer ein -p-!
Doch es gibt Ausnahmen:
pyrrhos - burrus (auch bei Cicero)
pyxos - buxus
*paxeia- baxea
und sicher auch:
pyrgos - burgus.
Dass das griech. -y(ü)- durch lat. -u- wiedergegeben wurde, entspricht der Latinisierung von -typhos- durch -tupus- und ist daher auch nicht so sensationell. Das -y(ü)- vor -r- wurde also wohl lang gesprochen.
Mir wiederum erschließt sich nicht, wieso der Genusunterschied vernachlässigbar sein kann, jedoch ein schwer erklärbarer Wandel von -p- zu -b- so bedeutend ist, dass er alle anderen belegten Fakten und Zusammenhänge ad absurdum führt!
Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass es erhebliche Zweifel an der germanischen Herkunft von -burgus- gibt, andererseits die historischen Fakten ziemlich deutlich auf eine griechische Entlehnung aus -pyrgos- hinweisen!
Wie war das mit den zwölf Flaschen Wein, Isleifsson? ;-)
PS: Ich muss noch nachtragen, dass ich obige Fakten teils aus den schon vorher erwähnten Lexika entnommen und speziell hier noch Beiträge von D. Braatz im "Reallexikon der germanistischen Altertumskunde,2.Band, 1981, S. 274f und von E. Gamillscheg aus "Romania Germania, Band1, Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen. Die Franken. Berlin 1970, S 28f herangezogen habe. Übrigens allesamt keine Diskussionsbeiträge zu irgendwelchen Kongressen.