Wie "Deutsch" sind die Niederländer?

Kurzum: Niederländer und Deutsche verbinden ähnliche Sprachen und die räumliche Nähe. Da sich in den kleineren Niederlanden jedoch eine eigene Kultur und nationale Identität (Wenn auch vom deutschen Nachbarn beeinflusst) herauskristallisiert hat, erscheint mir eine Gleichstellung von Niederländern und Deutschen unangebracht. Ferner haben die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges erheblich dazu beigetragen, das Ansehen alles Deutschen samt Sprache und Kultur in den Niederlanden herabzusetzen, was die Trennlinie zwischen beiden Nationen noch verbreitert hat.

Ein vernünftiges Resümee, dem man sich anschließen kann.

Mit den Niederländern ist im Verlauf einiger Jahrhunderte ein neues Volk entstanden, ohne dass man nun einen genauen Zeitpunkt bestimmen könnte, wann dieser Prozess begonnen hat oder vollzogen war. Dass deutsche Kultur die Niederländer nachhaltig beeinflusst hat, ist sicher richtig. Allerdings haben die Niederländer z.B. in der Architektur, Malerei, Musik und Literatur (Goldenes Zeitalter) ganz eigenständige Formen entwickelt, die auf Deutschland ausgestrahlt haben.
 
Die Niederländer sind die Nachfahren einer Bevölkerung, die sich vor 400-500 Jahren mal als Deutsche gesehen haben dürften. Nur sind Deutsche damals wesentlich heterogener als heute gewesen, d.h. die Beziehung als Bayern, Kölsche usw. war wesentlich wichtiger.
Und, mindestens genauso wichtig, die Bezeichnung deutsch wurde ganz anders verwendet als heute, d.h. nach der Bildung von Nationalstaaten im 19. Jahrhundert und den damit verbundenen politischen Entwicklungen.

Eine Forderung nach irgendetwas kann nicht darauf aufbauen, außer sie käme von den betroffenen selbst.
 
Die Niederländer sind die Nachfahren einer Bevölkerung, die sich vor 400-500 Jahren mal als Deutsche gesehen haben dürften.

Zu dem Zeitpunkt gab es keine kollektive Identität, die als "Deutsch", im heutigen Sinne, zu bezeichnen gewesen wäre. Und die Selbstbezeichnung "teutsch", auf die gerne verwiesen wird, ist kein Hinweis auf eine kollektive Identität.

Das haben wir im Forum sicherlich 3 Mal, auch anhand der entsprechenden Literatur zur Ausbildung der Nationalstaaten, diskutiert.

Relativ ausführlich am Beispiel der Schweiz.
 
@Thanepower
Gibt es einen Link zur Begriffsdefinition von "teutsch" in diesem Forum?

Mein Handy kann leider weder Sternchen verteilen, noch PN's schreiben oder aber Threads per Suchfunktion ausfindig machen.
 
Die Niederländer sind die Nachfahren einer Bevölkerung, die sich vor 400-500 Jahren mal als Deutsche gesehen haben dürften.

Da bin ich mir nicht so sicher, wobei es grundsätzlich nicht ganz geklärt ist, ab wann sich die breite Bevölkerung "deutsch" gefühlt hat. Die Nationalstaatsidee kam erst ab dem 18. Jh. auf, was daran lag, dass Deutschland in unzählige souveräne und halbsouveräne Kleinstaaten zersplittert war. Auch die Niederländer werden sich vermutlich zunächst als Seeländer, Holländer oder Brabanter gesehen haben, dann als Niederländer und vielleicht (!) in manchen Kreisen als "Deutsche".

Die Abspaltung der Niederlande vom Reich 1648 zeigt deutlich, dass sich eine eigene Identität entwickelt hatte, die mit dem Reich und Deutschland nicht mehr kompatibel war. Man kann allerdings davon ausgehen, dass dieser Prozess nicht erst 1648 begonnen hatte, sondern seine Wurzeln erheblich weiter zurückreichen.
 
Zu dem Zeitpunkt gab es keine kollektive Identität, die als "Deutsch", im heutigen Sinne, zu bezeichnen gewesen wäre. Und die Selbstbezeichnung "teutsch", auf die gerne verwiesen wird, ist kein Hinweis auf eine kollektive Identität.
Mit Deiner Einschränkung (von mir markiert) gehe ich konform. Ich halte aber das Aufkommen des Begriffes "Deutscher Nation" im 16. Jahrhundert nicht für zufällig. Vor allem da das Bewusstsein wesentlich schwächer als schon 200 Jahre später ausgeprägt war. Dazu kommt noch, dass Nation 1550 etwas ganz anderes als z.B. heute meinte.

Bei der Schweiz liegen die Vorgänge noch einmal 250 Jahre weiter zurück.

Da bin ich mir nicht so sicher, wobei es grundsätzlich nicht ganz geklärt ist, ab wann sich die breite Bevölkerung "deutsch" gefühlt hat. Die Nationalstaatsidee kam erst ab dem 18. Jh. auf, was daran lag, dass Deutschland in unzählige souveräne und halbsouveräne Kleinstaaten zersplittert war. Auch die Niederländer werden sich vermutlich zunächst als Seeländer, Holländer oder Brabanter gesehen haben, dann als Niederländer und vielleicht (!) in manchen Kreisen als "Deutsche".

Die Abspaltung der Niederlande vom Reich 1648 zeigt deutlich, dass sich eine eigene Identität entwickelt hatte, die mit dem Reich und Deutschland nicht mehr kompatibel war. Man kann allerdings davon ausgehen, dass dieser Prozess nicht erst 1648 begonnen hatte, sondern seine Wurzeln erheblich weiter zurückreichen.
Dein Hinweis auf 1648 ist richtig, ich beziehe mich aber auf die Situation rund 100 Jahre vorher. Die Streitereien mit Spanien und die Reformation dürften große Katalysatoren für die Entstehung der eigenen, niederländischen Identität gewesen sein.
 
Dein Hinweis auf 1648 ist richtig, ich beziehe mich aber auf die Situation rund 100 Jahre vorher. Die Streitereien mit Spanien und die Reformation dürften große Katalysatoren für die Entstehung der eigenen, niederländischen Identität gewesen sein.

Ja, da sehe ich ebenfalls den entscheidenden Gründungsmythos, der dann zum Abfall der Niederlande führte.
 
Warum wird Pimpelhuber dauernd etwas mit Hitler vorgeworfen? Wo erwähnt er ihn denn?

Es ist manchmal die Summe der Beiträge eines Mitglieds, die sein Bild ausmacht. Manchmal ist das im Nachhinein nicht mehr ganz nachvollziehbar, weil die Moderation, um das Geschichtsforum nicht zur Plattform für Propaganda werden zu lassen, Flurschäden bereinigt. Da wundert man sich manchmal dass Mitglied X gesperrt ist oder Kritik abbekommt, aber letztlich liegt das dann daran, dass man nur einen Teil der Beiträge überhaupt noch sehen kann.
 
Bitte? Wie liest man denn sowas da raus? Lieber Decurion, ich glaube du reagierst zu übereilt, wenn es um deine Demokratie geht. Die nimmt dir keiner.

Es geht auch nicht um "meine" Demokratie.

Ich bin zwar Demokrat, aber politische Bekenntnisse haben auf dieser Plattform nichts zu suchen.

Mir ist es auch vollkommen gleichgültig, ob du deutschnational, nationalsozialistisch, demokratisch oder sonstwas bist.

Aus meiner Sicht hat sich in der jüngeren Geschichte die gemeinsame Sprache als Grundelement der Nationalstaatsidee herauskristallisiert. Eine gemeinsame Sprache ist meiner Meinung nach das festeste Bindeglied einer Gemeinschaft. Sie ermöglicht intensiven Austausch von Literatur, vereinfacht Handel und Gewerbe und lässt Diskussionen und Meinungsaustäusche zu. Daher bestehen zwischen Gemeinschaften, die die gleiche oder eine sehr ähnliche Sprache miteinander teilen, ganz besondere Beziehungen. Liegen die Gemeinschaften, beispielsweise in Form von Staaten, noch dazu dicht beieinander, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich neben der gemeinsamen Sprache auch ein gemeinsames Werteverständnis etabliert. Daraus wiederum resultiert eine Abgrenzung zum Fremden, außerhalb der gemeinsamen Sprachgrenze, und in den meisten Fällen die Bildung einer Kulturgemeinschaft und wahrscheinlich sogar eines Nationalstaates.

Diese Überlegungen wurden ja auch schon in vorherigen Beiträgen in Erwägung gezogen. Kann ich auch vollkommen zustimmen!

erscheint mir eine Gleichstellung von Niederländern und Deutschen unangebracht.

Sehr gut.

Hierbei würde mir noch einfallen: Wir könnten ja diskutieren, wie niederländisch eigentlich die Deutschen sind?

Mit Deiner Einschränkung (von mir markiert) gehe ich konform. Ich halte aber das Aufkommen des Begriffes "Deutscher Nation" im 16. Jahrhundert nicht für zufällig. Vor allem da das Bewusstsein wesentlich schwächer als schon 200 Jahre später ausgeprägt war. Dazu kommt noch, dass Nation 1550 etwas ganz anderes als z.B. heute meinte.

Mit dem Zusatz "Nationis Germaniae" (dt. Deutscher Nation) des Reichsnamens wollte man nicht eine Nationalität ausdrücken, sondern vor allem, dass zum Beispiel Gebiete wie Reichsitalien schon längst nicht mehr zum Reich gehörten und das Reich sich nur noch auf deutsche Gebiete begrenzte.

Das Volk, wie schon unzählige Male gesagt, sah sich nicht als deutsch an, sondern als kurrheinisch, preußisch, kurbrandenburgisch, kurkölnisch, bergisch etc. an.
 
Es geht auch nicht um "meine" Demokratie.

Ich bin zwar Demokrat, aber politische Bekenntnisse haben auf dieser Plattform nichts zu suchen.

Mir ist es auch vollkommen gleichgültig, ob du deutschnational, nationalsozialistisch, demokratisch oder sonstwas bist.



Diese Überlegungen wurden ja auch schon in vorherigen Beiträgen in Erwägung gezogen. Kann ich auch vollkommen zustimmen!



Sehr gut.

Hierbei würde mir noch einfallen: Wir könnten ja diskutieren, wie niederländisch eigentlich die Deutschen sind?



Mit dem Zusatz "Nationis Germaniae" (dt. Deutscher Nation) des Reichsnamens wollte man nicht eine Nationalität ausdrücken, sondern vor allem, dass zum Beispiel Gebiete wie Reichsitalien schon längst nicht mehr zum Reich gehörten und das Reich sich nur noch auf deutsche Gebiete begrenzte.

Zum Reichsterritorrium zählte aber noch das Königreich Böhmen, das Herzogtum Krain, Welschtirol, das Herzogtum Brabant und die Grafschaft Flandern. Gebiete, in denen Tschechisch, Slowenisch, Italienisch und Niederländisch von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen wurde.
 
Zum Reichsterritorrium zählte aber noch das Königreich Böhmen, das Herzogtum Krain, Welschtirol, das Herzogtum Brabant und die Grafschaft Flandern. Gebiete, in denen Tschechisch, Slowenisch, Italienisch und Niederländisch von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen wurde.

Da hast du Recht. Allerdings sonderten sich Reichsitalien und Burgund immer mehr vom Reich ab. Ebenso wurde die Politik im Reich vor allem von den "deutschen" Reichsständen gemacht. Lediglich der gekrönte Kurfürst von Böhmen hatte seine Stimme bei der Königswahl.

In der Mehrheit der Reichsterritorien wurde Deutsch gesprochen.

Auf was genau sich der Zusatz bezieht (sei es die Sprache, der territoriale Schwerpunkt oder politischer Einfluss), kann man heute nicht mehr mit absoluter Genauigkeit rekonstruieren.

Was mir aber wichtig war, war zu zeigen, dass das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" nicht als Nationalstaat zu sehen ist, weil es den Zusatz gibt, sondern dass dieser Zusatz in einem differenten Zusammenhang steht.
 
Da hast du Recht. Allerdings sonderten sich Reichsitalien und Burgund immer mehr vom Reich ab. Ebenso wurde die Politik im Reich vor allem von den "deutschen" Reichsständen gemacht. Lediglich der gekrönte Kurfürst von Böhmen hatte seine Stimme bei der Königswahl.

In der Mehrheit der Reichsterritorien wurde Deutsch gesprochen.

Auf was genau sich der Zusatz bezieht (sei es die Sprache, der territoriale Schwerpunkt oder politischer Einfluss), kann man heute nicht mehr mit absoluter Genauigkeit rekonstruieren.

Was mir aber wichtig war, war zu zeigen, dass das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" nicht als Nationalstaat zu sehen ist, weil es den Zusatz gibt, sondern dass dieser Zusatz in einem differenten Zusammenhang steht.

Ja, das habe ich schon verstanden, und ich wollte es noch einmal unterstreichen, dass das Heilige Römische Reich eben kein Nationalstaat war und daher die Frage wie deutsch die Niederlande waren, historisch in die Irre führen muss. Deutschland, das war ja bis Ende des 18. Jahrhunderts eher eine Vorstellung von Intellektuellen, als ein homogenes politisches Gebilde, und die Vorstellung eines Nationalstaats ist ein historisch eher junges Phänomen.

Was hatte Pimplhuber geschrieben, Napoleon und Bernd Hölzenbein....:rofl:
 
Dann hatte ich dich falsch verstanden, aber kein Problem :)

Die Niederlande waren ja auch nicht immer nur im HRR und dann nicht mehr, es gab ja zum Beispiel auch die spanischen Niederlande...
 
Zum Reichsterritorrium zählte aber noch das Königreich Böhmen, das Herzogtum Krain, Welschtirol, das Herzogtum Brabant und die Grafschaft Flandern. Gebiete, in denen Tschechisch, Slowenisch, Italienisch und Niederländisch von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen wurde.

Die drei großen Reichsteile des Sacrum Romanum Imperium waren Burgund, Italien und Deutschland. Im späten Mittelalter war von Reichsitalien faktisch nichts mehr geblieben, auch wenn das Reich noch eine schattenhafte Oberlehnsherrschaft ausübte. Burgund war nahezu komplett im Verlauf mehrer Jahrhunderte von Frankreich usurpiert worden, sodass nach dem Westfälischen Frieden und nach Abspaltung der Schweiz und der Niederlande nur noch ein engeres Reichsgebiet bestand.

Wie du schon völlig korrekt angemerkt hast, war auch dieses Gebilde noch multinational, denn es umfasste nach dem 30jährigen Krieg Tschechen, Slowaken und Slowenen, ferner französischsprachige Gruppen in der Franche Comté sowie Franzosen und Flamen in den südlichen bzw. spanischen Niederlanden. Italiener kamen kaum noch vor, abgesehen von Bevölkerungsteilen in Südtirol und im Herzogtum Savoyen, das trotz seiner inzwischen isolierten Lage nach wie vor zum HRR und zu den Reichsständen des Reichstags zählte.
 
Aus meiner Sicht hat sich in der jüngeren Geschichte die gemeinsame Sprache als Grundelement der Nationalstaatsidee herauskristallisiert. Eine gemeinsame Sprache ist meiner Meinung nach das festeste Bindeglied einer Gemeinschaft. Sie ermöglicht intensiven Austausch von Literatur, vereinfacht Handel und Gewerbe und lässt Diskussionen und Meinungsaustäusche zu.(...)Daraus wiederum resultiert eine Abgrenzung zum Fremden, außerhalb der gemeinsamen Sprachgrenze, und in den meisten Fällen die Bildung einer Kulturgemeinschaft und wahrscheinlich sogar eines Nationalstaates.
(...)
Immer wieder zeigt sich, dass Staaten zwar kleine anderssprachige Minderheiten "verkraften", aber an zu großen sprachlichen Differenzen zerbrechen können. Bestes Beispiel hierfür dürfte Belgien sein(...)
Ja, in Belgien, gibt es Konflikte zwischen Flamen und Wallonen, diese sind jedoch nicht mit einem Bürgerkrieg (wie z.B. in Ex-Jugoslawien in den 90er) vergleichbar. Der belgische Staat mit beiden Ethnien und ihren Konflikten besteht seit 1830.
Ein weiteres Gegenbeispiel für gemeinsame Sprache als grundlegenes Element eines Nationalstaates ist die Schweiz: Deutsch, Italienisch, Französisch oder Rätoromaisch kann ein Schweizer als Muttersprache haben. Kanada ist zweisprachig (mit den Sprachen der Ureinwohner sogar sehr viel mehr) und ohne (größere) Konflikte zwischen den Sprachgruppen. Die Unterschied zwischen Kantonesisch und Mandarin innerhalb der VR China dürfte mindestens so groß sein wie zwischen Deutsch und Niederländisch. Am 18. September 2014 findet in Schottland übrigens ein Referendum über die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich statt und das, obwohl Scotts als Dialekt der englische Sprache gilt und schottisches Gälisch nur von einer verschwindend kleinen Minderheit gesprochen wird. ups, tagesaktuelles Beispiel, sorry....
Kurzum: Niederländer und Deutsche verbinden ähnliche Sprachen und die räumliche Nähe. Da sich in den kleineren Niederlanden jedoch eine eigene Kultur und nationale Identität (Wenn auch vom deutschen Nachbarn beeinflusst) herauskristallisiert hat, erscheint mir eine Gleichstellung von Niederländern und Deutschen unangebracht. Ferner haben die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges erheblich dazu beigetragen, das Ansehen alles Deutschen samt Sprache und Kultur in den Niederlanden herabzusetzen, was die Trennlinie zwischen beiden Nationen noch verbreitert hat. (...)
Das sehe ich im Großen und Ganzen genauso. Allerdings denke ich, dass nicht nur die Niederlande vom deutschen Nachbarn beeinflußt wurden, sondern auch umgekehrt (z.B. bei Handel, Gewerbe, Landgewinnung/Trockenlegung/Wasserbau, Schiffsbau, Windmühlen - die Geschichte des Ortes Friedrichstadt in Schleswig-Holstein, ist ein schönes Beispiel
Friedrichstadt ? Wikipedia).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ugh Valencia schrieb:
Ja, in Belgien, gibt es Konflikte zwischen Flamen und Wallonen, diese sind jedoch nicht mit einem Bürgerkrieg (wie z.B. in Ex-Jugoslawien in den 90er) vergleichbar. Der belgische Staat mit beiden Ethnien und ihren Konflikten besteht seit 1830.
Ein weiteres Gegenbeispiel für gemeinsame Sprache als grundlegenes Element eines Nationalstaates ist die Schweiz: Deutsch, Italienisch, Französisch oder Rätoromaisch kann ein Schweizer als Muttersprache haben. Kanada ist zweisprachig (mit den Sprachen der Ureinwohner sogar sehr viel mehr) und ohne (größere) Konflikte zwischen den Sprachgruppen.
Dem kann ich nicht vollständig beipflichten. Belgien besteht zwar schon seit bald 200 Jahren in seiner heutigen Form, hat aber mit bedeutenden innenpolitischen Spannungen und Zwistigkeiten zu kämpfen. Dass Belgien noch existiert, ist wohl nur damit zu erklären, dass sich das Land nicht so einfach in einen flamischen und einen wallonischen Teil aufteilen ließe. Der Schmelztiegel Brüssel beispielsweise stellt ein solches Problem dar.
Und auch in Kanada gab und gibt es starke Bestrebungen für ein unabhängiges Quebec. Das letzte Referendum in dieser Frage scheiterte nur an einer hauchdünnen Mehrheit der Unionisten.

Ugh Valencia schrieb:
Am 18. September 2014 findet in Schottland übrigens ein Referendum über die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich statt und das, obwohl Scotts als Dialekt der englische Sprache gilt und schottisches Gälisch nur von einer verschwindend kleinen Minderheit gesprochen wird.
Das ist richtig, auch wenn das Referendum aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer großen Mehrheit abgelehnt wird. Allerdings war es nicht mein Ziel, die gemeinsame Sprache zum alleinigen Bindeglied einer Nation zu erklären. Ich wollte darstellen, dass sich in der Historie immer wieder die Sprache als wichtigstes und naheliegendstes identitätsstiftendes Element hervorgetan hat. Es dreht sich natürlich nicht alles immer nur um die Sprache, wie ich mit meinen Beispielen Indien/Pakistan und Irland/Vereinigtes Königreich auch erläutern wollte. Zu beachten sind auch die Religion, die historischen Vorgeschichten, die ökonomischen Verhältnisse etc.

Die Schweiz dürfte tatsächlich einen Sonderfall darstellen. Nicht nur die Sprachen sind grundverschieden, auch was die Religionszugehörigkeit angeht ist das Land ein Flickenteppich.
 
Allerdings war es nicht mein Ziel, die gemeinsame Sprache zum alleinigen Bindeglied einer Nation zu erklären. Ich wollte darstellen, dass sich in der Historie immer wieder die Sprache als wichtigstes und naheliegendstes identitätsstiftendes Element hervorgetan hat. Es dreht sich natürlich nicht alles immer nur um die Sprache, wie ich mit meinen Beispielen Indien/Pakistan und Irland/Vereinigtes Königreich auch erläutern wollte. Zu beachten sind auch die Religion, die historischen Vorgeschichten, die ökonomischen Verhältnisse etc.

Die Schweiz dürfte tatsächlich einen Sonderfall darstellen. Nicht nur die Sprachen sind grundverschieden, auch was die Religionszugehörigkeit angeht ist das Land ein Flickenteppich.

Ich gebe dir recht, Sprache ist nicht der einzige und unabdingbare Faktor, der eine große Menschenmenge auf Dauer ein Gemeinsamkeitsgefühl als Nation/Volk/Stamm/Ethnie - was auch immer - entwickeln lässt. Religion, Kultur und gemeinsame Geschichte können gewiss auch eine Rolle spielen.

Neben der Schweiz gibt es jedoch noch mindestens einen weiteren prominenten "Sonderfall". Die USA. Wer einen US-amerikanischen Pass hat fühlt sich meist als US-Amerikaner, egal welcher Religion, Hautfarbe, Herkunft oder Muttersprache. Es war - und ist - für viele erstrebenswert, seine alte Heimat hinter sich zu lassen und sich in den USA eine neue Heimat zu schaffen.

Meine These ist: Homogenität ist zur Entstehung und zum Fortbestehen einer staatlichen Struktur oder für eine historische Ethnogenese alles andere als eine conditio sine qua non.
 
Aber um auf die Ausgangsfrage "Wie deutsch sind die Niederländer?" zurückzukommen,
Niederländer und Deutsche verbinden ähnliche Sprachen und die räumliche Nähe. Da sich in den (...) Niederlanden jedoch eine eigene Kultur und nationale Identität (Wenn auch vom deutschen Nachbarn beeinflusst) herauskristallisiert hat, erscheint mir eine Gleichstellung von Niederländern und Deutschen unangebracht. Ferner haben die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges erheblich dazu beigetragen, das Ansehen alles Deutschen samt Sprache und Kultur in den Niederlanden herabzusetzen, was die Trennlinie zwischen beiden Nationen noch verbreitert hat.
:winke:

:yes:Dem kann ich nur zustimmen (mit Verweis auf historischen niederländischen Einfluss in D und nicht nur deutscher in NL).

Deutscher ist per Definition http://dejure.org/gesetze/GG/116.html , wer die deutsche Staatsbürgerschaft(also deutscher Pass) besitzt (alle weiteren Einschlüsse der Definition "Deutscher" im GG Art.116 sind Resultate des 2.Weltkrieges und spielen nur bei Einbürgerungsverfahren eine Rolle). Demzufolge sind nur Niederländer "etwa zur Hälfte deutsch", wenn sie einen deutsch-niederländischen Doppel-Pass besitzen und das dürften die wenigsten sein. Daher denke ich: Die allermeisten Niederländer sind 0% deutsch.

Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Ausgangsfrage von einem Niederländer unter Umständen als beleidigend und arrogant empfunden werden kann und anti-deutsche Resentiments bestätigt werden könnten.
 
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...aber um mal das formal-juristische bei Seite zu lassen. (oder doch wieder darauf herumzureiten....) Offiziell waren die Niederlande Teil des HRR bis zum westfälischen Frieden 1648. Vorangegangen war ein 80-jähriger Unabhägigkeitskampf gegen die spanischen Habsburger, die Territorialfürsten des Heiligen Römischen Reiches ("deutscher Nation" - der Zusatz ist fragwürdig und hat bestimmt einen eigenen Thread) waren.
Der burgundische "Sonderweg Hollands" wurde schon erwähnt. Religion, spielte später auch eine Rolle, warum "Holland" sich vom "Reich" wegentwickelte. Die Deutschen waren hauptsächlich Katholiken oder Lutheraner, die Niederländer hauptsächlich Calvinisten, es herrschte aber relativ große religiöse Toleranz, weil der Augsburger Religionsfriede (cuius regio, eius religio, der Landesfürst bestimmt die Religon des Landes) von 1555 sich dort nicht richtig durchsetzen konnte und zu eben jenen Konflikten mit dem Landesfürst - das katholische Spanien - führten, die 80 Jahre andauern sollten.
Im Zuge dieses - auch religiös motivierten -"Unabhängigkeitskampfes" griffen die Niederländer u.a. die spanischen Transporte und Kolonien in der "Neuen Welt" an. Sie sicherten sich Stützpunkte und Kolonien in Asien (Ceylon, Indonesien, Taiwan) Süd-(Surinam) und Nordamerika (Nieuw Amsterdam, später New York). Der Handel mit Gewürzen und anderen "Orientwaren" machte das Land enorm reich. Das goldene Zeitalter der Niederlande begann, bevor es - rein staatsrechtlich gesehen - unabhängig war.
In den letzten 30 Jahren bevor die Unabhängigkeit offiziell wurde, herrschte in Deutschland der 30-jährige Krieg, mit unsagbaren Gräueln, Epidemien, Hexenverbrennungen, etc. Die Niederlande waren dagegen eine "Insel des Wohlstandes", auch über viele Jahrzehnte nach dem Westfälischen Frieden.

Im übrigen ist es sehr verständlich, finde ich, wenn jemand vom Niederrhein einen Gelderländer gut versteht. Jemand aus Konstanz wird jemanden aus St.Gallen auch einfacher verstehen als jemand aus Rügen. Jemand aus Trier versteht Letzebürgisch einfacher als ein Nordfriese.
 
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