Österreich-Ungarn war immer bemüht aus dem defensiven Zweibund ein Offensivbündnis zu machen und hatte 1908 im Zuge der schweren Krisen von 1908, den Bau der Sandschakbahn und der anschließenden Annektionskrise um Bosnien und der Herzegowina, letztendlich damit auch Erfolg. Damit war die Bildung von zwei Blöcken in Europa abgeschlossen.
Hier möchte ich noch ein paar Nachträge machen. Ein Schlüsselereignis zur Blockbildung und zur Frontstellung Österreich-Ungarns vs. Russlands war die Krise um den beabsichtigen Bau der Sandschakbahn durch den Sandschak Novi Pazar. Das betreffende gebiet lag zwischen Serbien und Montenegro. Rechtsgrundlage für das österreichische Vorhaben war der Artikel 25 des Berliner Kongresses von 1878. Ob daraus der Bau der Eisenbahnlinie abgeleitet werden kann, möchte ich nicht zu beurteilen. Der Außenminister der Monarchie suchte bei den Deutschen um Unterstützung nach. Die sagten zu, aber mit der Einschränckung, nur dann Hilfestellung zu gewähren, wenn der osmanische Sultan Abdul Hamid das Vorhaben unterstützen würde. Es gelang auch dessen Unterstützung nach Vorlagen der Vorstudien zu erhalten.
Am 27.01.1908 hob Aehrenthal vor der ungarische Delegation die wirtschaftliche Bedeutung der Bahnlinie hervor. Das war auch das erste Mal, das dieser Plan öffentlich vorgestellt wurde. Nach aehrenthals eigenen Worten wäre auf diese Weise eine direkte Verbindung Wien-Budapest-Sarajewo-Athen-piräus gegeben. Das wäre im übrigen auf dem Festland auch die kürzeste Route nach Ägypten und Indien.
Die internationale Aufnahme war ungünstig. Der französische Außenminister Pichon hatte zunächst keine Probleme, wurde aber von Iswolsky eines besseren belehrt. Aber es kriselte ein wenig zwischen den Partnern. In Petersburg sah man die angeblich zu nachsichtige Haltung Frankreichs gegenüber russischen Flüchtlingen nicht gern. Und Iswolsky
hat sich auch aktiv um die Abberufung des französischen Botschafters Bompard, am Ende erfolgreich, bemüht. Aus Sicht Iswolsky sah Bompard die russische Innenpolitik zu kritisch, die er auch offen formulierte.
Jedenfalls waren die Russen schlicht wütend und empört. Iswolsky traute den Österreichern nicht, das die Bahn rein wirtschaftlichen Interessen dienen sollte. Die Briten waren hocherfreut über die Verärgerung der Russen; so sahen sie entspannt dem Ende des Mürzsteger Abkommen bzw. der österreichisch-ungarischen russischen Entente auf dem Balkan entgegen. Der britische Botschafter Nicolson konstatierte, "wenn auf dem Balkan ein Kampf zwischen Österreich und Russland beginnt, wird uns Russland nachweislich in Asien keine Schwierigkeiten machen. (1)
Am 03.02.1908 wurde die russische Außenpolitik auf der Kabinettssitzung heftig kritisiert, insbesondere die gemäßigte Politik Lamsdorfs; des Vorgängers von Iswolsky. Iswolsky nutzte diese Lage und warb für sein außenpolitisches Grundsatzprogramm: Weg von Wien, hin zu London und Paris.
Am 4.Februar wurde das Irade veröffentlich, welches die Billigung des Baus der Sandschakbahn zum Gegenstand hatte. Die Botschafterkonferenz in Konstantinopel lehnte es unter Einfluss des deutschen Botschafters Marschalls ab, den Sultan ein Reformplan für eine Justizreform in Mazedonien zu übergeben. Dazu muss gesagt werden, das Briten und Russen viel daran lag und das ursprünglich Österreich-Ungarn in vorderster Frontdafür gekämpft hat. Die Sandschakbahn war aber wichtiger für Wien. Dem Ballhausplatz wurde, und das entspricht nicht der Wahrheit, von Petersburg und London unterstellt im Interesse der Eisenbahnprojekts die Justizreform zu sabotieren. London sah den wahren "Schuldigen", wieder einmal, in Berlin, da Wien nur als Satellit Deutschlands galt. Petersburg sah ebenfalls Berlin im Hintergrund entscheidenen Einfluss ausüben. In Russland wurde regelrecht eine Pressefehde gegen das Deutsch Reich geführt. Ähnlich in Frankreich und Großbritannien. In Italien begegnete man den österreichischen Aspirationen verständnisvoll; Aehrenthal hatte im Vorfeld die Italiener auch konsultiert gehabt.
Der russische Zar Nikolaus führte am 27.Februar 1908 gegenüber dem Botschafter der Monarchie Berchtold aus, das er Österreich-Ungarn nicht das Recht zum Bau der Eisenbahnlinie bestreite, baer von einer Fortsetzung der Kooperation auf dem Balkan war keine Rede mehr. Das Mürzsteger Abkommen war tot; ganz wie Iswolsky es sich vorgestellt hatte, denn dieser hatte am 22.02.bereits die Kündigung empfohlen.
(1) Public Record Office, Foreign Office, Nicolson an Grey vom 04.02.1908
Unter anderem und wesentlich Skrivan, Schwierige Partner