Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?
Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.
Briso hat oben ja schon eine Reihe kluger Gedanken zu diesem Thema geäußert, denen ich voll und ganz zustimmen kann. Ergänzend möchte ich hinzufügen.
Das 18. Jahrhundert ist das Zeitalter des Absolutismus, aber auch das der beginnenden Aufklärung. Demzufolge gab es zwei sehr verschiedene Strömungen, von denen die eine, nämlich der Absolutismus, in sein glanzvolles Endstadium eintrat; die andere Strömung, nämlich die Aufklärung, war geistig der Zukunft zugewandt und brachte ein Jahrhundert später die bürgerliche Gesellschaft hervor, wie wir sie kennen. Diese bürgerliche Gesellschaft trug schließlich den Sieg über die adlige Gesellschaftsform davon.
Wer im 18. Jahrhundert Untertan eines absolutistischen Königs, Herzogs oder Fürstbischofs war, hatte untertänige Verhaltensweisen zu beachten, bearbeitete als höriger Bauer das Land eines Grundherrn oder lebte als leibeigener Landarbeiter unter größter Abhängigkeit auf einem Rittergut. Lediglich die Bürger der Reichsstädte waren dem absolutistischen Zugriff der Herrscher nicht so stark ausgesetzt wie die restliche Bevölkerung.
Das Sachsen des 18. Jhs. gibt hier ein gutes Beispiel ab. Es gab kurfürstliche Hofbedienstete, Leibeigene auf Gütern, hörige Bauern, daneben Arbeiter, die in den zahlreichen Manufakturen arbeiteten, an denen sich Bürgerliche, der Adel und der Staat beteiligt hatten. Sie stellten Gewehre, Tuche, Messing, Glas, Spiegel, Porzellan, Tapeten und Seidenwaren her. Damit befriedigten sie die Bedürfnisse des Staates und des Hofes, aber auch in steigendem Maße den "Massenkonsum". Andere arbeiteten in den so genannten "Bergfabriken", welche die Produkte des Bergbaus verabeiteten.
Es konnte allerdings auch sein, dass ein Mensch des 18. Jh. einen völlig anderen Lebenslauf hatte. Obwohl Sachsen zu den wohlhabenderen Ländern zählte, lebten viele in bitterer Armut. Kriege, Seuchen und Hungersnöte sorgten für Verelendung und Entwurzelung, sodss große Menschenmassen umherzogen, die sich durch Bettelei und Diebereien am Leben hielten. Viele davon waren obdachlos und hausten in Wäldern oder Erdgruben. Solche Zustände gelten für alle Länder des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und wer diesem Schicksal ausgesetzt war, dem drohte ein frühes Ende in bitterstem Elend.
Eine andere Seite dieses Jahrhunderts ist die Aufklärung. Philosophen wie Immanuel Kant ermutigten die Menschen zu einer eigenständigen Denkweise, Jean-Jacques Rousseau vertrat die Meinung, dass der Staat ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen sei, wobei Regierende und Regierte durch einen symbolischen Vertrag miteinander verbunden seien. Ein Herrscher, der seine Pflichten verletzt, würde den Vertrag brechen, sodass ihm die Untertanen weder Treue noch Gehorsam schuldeten. Letztlich konnte es nicht aubleiben, dass die Aufklärer den herrschenden Absolutismus verurteilten und fragten, ob die Fürsten alle Gewalt im Staat zu Recht besäßen. Vor allem aber bezweifelten aufgeklärte Menschen die Behauptung der Monarchen, sie seien von Gott eingesetzt und würden daher über den Gesetzen stehen.
Infrage gestellt wurden chließlich auch die Glaubenslehren der Kirche und einige bezweifelten, dass es einen Gott gebe, weil dessen Existenz geglaubt, nicht aber bewiesen werden könne. Für solche Gedanken wäre man früher als Ketzer verbrannt oder gehenkt worden.
Das 18. Jahrhundert ist daher auch die Epoche, in der sich das gesellschaftliche Leben allmählich wandelte, denn neben der höfischen Kultur des Adels trat nun die bürgerliche Kultur immer stärker hervor. Ein neues Selbstbewusstsein erfasste alle Schichten des Bürgertums, das sich in einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber der "Obrigkeit" äußerte. In Lesegesellschaften, Akademien und Salons diskutierten gebildete Menschen die neuen Ideen vom Staat, der Gesellschaft und der Religion, unterhielten sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und erörterten ihre Auswirkungen.
Die Menschen des 18. Jahrhunderts hatten ernste Lebenssituationen zu bewältigen, von denen wir uns heute kaum eine Vorstellung machen. Es fehlten sämtliche sozialen staatlichen Schutzschirme und ein Leben in Abhängigkeit und Armut war vielen vorgezeichnet. Allerdings gab es auch erste Ansätze einer bürgerlichen Gesellschaft, die sowohl humanere als auch rationalere und aufgeklärtere Züge trug.