Was lernen wir aus Geschichte?

Natürlich kann man daraus lernen.

Das stimmt. Was man aber nicht kann, sind Gesetzmäßigkeiten abzulesen. Viele versuchen das ja, aber man muss erkennen, dass Geschichte immer wieder die erstraunlichsten Wendungen genommen hat, dass Ereignisse eintraten, mit denen keiner jemals rechnete und man hinterher sagte: "Das hätten wir nicht gedacht."

Hegel sagt, aus der Geschichte kann man lernen, dass Staaten und Völker nichts lernen. Und auch ich persönlich glaube, dass wir nur sehr eingeschränkt aus ihr lernen. Die letzten Jahrhunderte - oder auch nur die letzten 100 Jahre - zeigen, dass Politiker, Herrscher oder Staatslenker nichts aus der Fülle von Kriegen, Eroberungen, Niederlagen, Massakern oder der brutalen Unterdrückung von Menschen lernten.

Es ist also kaum anzunehmen, dass sich das künftig wie durch Zauberhand ändert.
 
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Hegel sagt, aus der Geschichte kann man lernen, dass Staaten und Völker nichts lernen. Und auch ich persönlich glaube, dass wir nur sehr eingeschränkt aus ihr lernen. Die letzten Jahrhunderte - oder auch nur die letzten 100 Jahre - zeigen, dass Politiker, Herrscher oder Staatslenker nichts aus der Fülle von Kriegen, Eroberungen, Niederlagen, Massakern oder der brutalen Unterdrückung von Menschen lernten.
Es ist also kaum anzunehmen, dass sich das künftig wie durch Zauberhand ändert.

Das stimmt so nicht ganz. Die (überaus plausible) meist aus der Geschichte gezogene Lehre ist die, daß all diese Gemeinheiten quasi in der Natur des Menschen liegen, sich zumindest aber immer wieder ergeben. Und dass man selber besser zu den Mächtigen als zu den Unterdrückten gehört. Die Idee dass die Welt ein friedlicher schöner Ort sein könnte und sollte ist auch meist den Schwächeren vorbehalten. Damit will ich keinesfalls irgendetwas gutheißen, ich bin nur grad etwas zynisch,.
 
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Die (überaus plausible) meist aus der Geschichte gezogene Lehre ist die, daß all diese Gemeinheiten quasi in der Natur des Menschen liegen, sich zumindest aber immer wieder ergeben.
überaus plausibel - ja
gezogene Lehre - nein

Ich denke, dass wir glauben wollen, dass die Welt und die Menschen in ihrer positiven Entwicklung unerbittlich fortschreiten und dass so-was/was-auch immer nie wieder passieren kann, weil wir ja alle so fortgeschritten sind.
 
der olle Grieche Platon würde dich fragen, was zwei stramme Starke machen, wenn sie von zwanzig Schwachen in die Mangel genommen werden... :winke::grübel:
(vgl. Naturrecht im Gorgiasdialog)

Das ist unlogisch. Denn wenn die zwanzig Schwachen sich einig sind, sind sie die Starken. Auch das kann man aus der Geschichte lernen :)
 
... die letzten 100 Jahre - zeigen, dass Politiker, Herrscher oder Staatslenker nichts aus der Fülle von Kriegen, Eroberungen, Niederlagen, Massakern oder der brutalen Unterdrückung von Menschen lernten.
Würde ich so nicht (ganz) sehen wollen. Sicherlich traten/treten viele (kommende) Politiker - auch historisch gebildet - an, etwas zu ändern, nur können sie es? Politiker müssen sich auch vielen Interessenkonflikten stellen. Zunächst müssen sie aufgestellt werden, um vom Volk gewählt werden zu können. Wenn dann gewählt, warten eher Kompromisse als wirkliche Lösungen, Allianzen, die ganz andere Interessen vertreten ... und dann darf nicht vergessen werden: Macht ist geil und sie korrumpiert.
Nicht umsonst formulierte Fürst Talleyrand, dass der schwerste Abschied der Abschied von der Macht sei. Er gibt zudem das Beispiel: er trat erst im Alter von 80 Jahren ab.
Es ist also kaum anzunehmen, dass sich das künftig wie durch Zauberhand ändert.
Definitiv nicht. Wie heißt es so schön in der Bibel: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr" ...

Grüße
excideuil
 
es gab und gibt historische Fakten.
zumindest diese als geschehen zu akzeptieren, ist sinnvoll (Vergangenheit kann man nicht ändern)

und damit wird klar: der Holocaustleugner "lernt" nicht aus der Geschichte, er will sie für sein krudes Weltbild zurechtlügen.

wenigstens entlang der gesicherten Fakten kann man sehr wohl unterscheiden, ob jemand diese korrekt verarbeitet oder sich irgendwas zurechtklitter
Allerdings bezieht sich der Versuch, aus der Geschichte zu lernen, weniger auf Fakten (denn was will man aus dem Faktum, dass dieses und jenes stattgefunden hat, für sich allein lernen?), sondern eher auf Ursachen und Hintergründe. Beispiel: Nicht aus dem Umstand, dass eine Regierung gestürzt wurde, für sich kann man versuchen, Schlüsse zu ziehen, sondern indem man die Ursachen des Sturzes zu ergründen versucht, um (als Regierung) ähnliche Fehler zu vermeiden oder um (als Opposition) eine ähnliche Entwicklung zu fördern. Und hier wird es schwammig und vage: Das Faktum an sich wird (bei entsprechend gesicherter Quellenlage) feststehen, nicht aber, wie es dazu kam. Bei Letzterem kann und wird man unterschiedliche Ansichten finden. [Um zum Beispiel Regierungssturz zurückzukehren: Hier wird diskutiert, ob ein Diktator, der an der Macht bleiben will, möglichst repressiv (damit sich erst gar keine Opposition formieren kann) oder eher liberal (um den Unmut der Bürger zu beschwichtigen, aber mit der Folge, dass diese ihren trotzdem verbleibenden Unmut eher artikulieren und eher aufbegehren können) regieren sollte. Für beide Sichtweisen lassen sich in der Geschichte Beispiele als "Bestätigungen" finden.] Es wird aber nie hundertprozentige Klarheit geben, wie und warum es in der Geschichte zu etwas kam bzw. wie die Kausalitäten aussahen. [Gerade die Kausalitäten sind ein schwieriger Punkt: Hier wird z. B. gerne und mit sehr verschiedenartigen "Ergebnissen" diskutiert, inwieweit Menschen (also vor allem Herrscher) durch ihre Entscheidungen Geschichte machen oder ob die (angeblich) Mächtigen in Wahrheit nur Getriebene und Vollzieher wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen sind. Solange aber keine Kausalitäten feststehen, kann man auch keine brauchbaren Schlüsse ziehen.] Somit ist es leicht möglich, sich seine eigene Wunscherklärung zu basteln (solange sie nicht total abwegig ist) und aus ihr dann die gewünschten Lehren zu ziehen. Damit aber kann dann jeder aus der Geschichte lernen, was er will - und nicht, was sie (angeblich) lehrt.
 
Ich möchte die in meinem vorigen Beitrag hingeworfene Skizze mit theoretischen Überlegungen über das Motiv ergänzen, welches das von mir ad hoc so genannte "humanistisch-demokratische Wir" dazu antreibt, aus der Geschichte zu lernen. Es kann sicher nicht schaden, sich dem Thema mit einer ausformulierten Theorie zu nähern, da ein nicht-theoretischer Zugang immer Fragen über nichtgenannte Prämissen u.ä. aufwirft.

Meiner ´Theorie´ lege ich die Theorie der Erkenntnisinteressen zugrunde, die Jürgen Habermas 1968 in seinem Werk "Erkenntnis und Interesse" präsentiert hat. Der `Erkenntnistrieb´ des Menschen, so Habermas, ist Ausdruck der in seinem Geist angelegten Vernunft (Rationalität). Er schreibt in EuI (S. 242):

Interessen nenne ich die Grundorientierungen, die an bestimmten fundamentalen Bedingungen der möglichen Reproduktion und Selbstkonstitution der Menschengattung () haften. Jene Grundorientierungen zielen deshalb nicht auf die Befriedigung unmittelbarer empirischer Bedürfnisse, sondern auf die Lösung von Systemproblemen überhaupt.

Im einzelnen bestehen diese Grundorientierungen für Habermas in den Interesse-Ebenen des Technischen, des Hermeneutischen und des Emanzipatorischen. Die dritte, die emanzipatorische Ebene, die Habermas auch kritisch-reflexiv nennt, hat als Erkenntnisziel die Unterdrückungs- und Gewaltzusammenhänge in der menschlichen Geschichte nach den Kriterien der aufgeklärten Vernunft. Der Freiheitsanspruch des Subjekts, wie ihn die Aufklärung artikuliert hat (Ausgang aus der Unmündigkeit usw.), gilt universell. Habermas´ Konzeption entspricht damit den Idealen des von mir im vorigen Beitrag so genannten "humanistisch-demokratischen Wir".

Das empirisch-analytische (technische) Erkennen befasst sich mit der technischen Instrumentalisierung der nicht-menschlichen Natur durch die menschliche Gesellschaft. Hermeneutisches Erkennen geht auf das Erfassen von politischen und kulturellen Kontexten. Die kritische Reflexion richtet sich auf die Analyse von Pathologien im Gewebe der intersubjektiven Beziehungen - sie diagnostiziert und "bewertet" jene Zusammenhänge, die vom hermeneutischen Erkennen wert-neutral analysiert werden. Diese drei Ebenen machen den Rationalitätsbegriff in "Erkenntnis und Interesse" aus.

Das hermeneutische Erkennen richtet sich bei unserem Thema auf geschichtliche Phänomene. Was ist passiert, welche Beteiligten gab es, was waren die Motive ihres Handelns? Das sind die wesentlichen Fragestellungen des theoretischen Geschichtsstudiums. Je größter der Gesamtkontext ist, in dem sich das Verstehen bewegt, desto tiefer geht dieses Verstehen, ohne aber ein "Lernen aus der Geschichte" zu bedeuten, welches einen wie auch immer gearteten Nutzen für das gegenwärtige soziale Leben impliziert. Dieser Nutzen ist erst möglich, wenn (bezogen auf das humanistische Wir) das emanzipatorische Interesse hinzutritt. Der in einer westlichen Gesellschaft verfassungsrechtlich verankerte, in Gesetzen und sozialen Praktiken verkörperte und als universell gedachte Anspruch des Individuums auf Freiheit seiner Person ist der Leitfaden dieses Interesses.

Der Begriff Emanzipation geht zurück auf einen Ausdruck des römischen Privatrechts, die emancipatio, welche den Vorgang der Entlassung eines Mitglieds einer römischen Familie aus der Gewalt (patria potestas) des Familienoberhaupts (pater familias) bezeichnet. Das kann im Freilassungsfall einen Sklaven, im Scheidungsfall die Ehefrau und bei Volljährigkeit einen erwachsenen Sohn betreffen. Diese der patria potestas Unterworfenen sind alieni iuris, Fremdberechtigte, verfügen also nicht bzw. nicht in vollem Umfang über die eigene Person. Dagegen ist der Status der nicht in der Gewalt des pater familias Stehenden sui iuris, sie sind Eigenberechtigte. Der Gewaltbegriff muss hier physisch verstanden werden: Nicht nur Sklaven, auch Ehefrauen und Kinder dürfen z.T. sehr harten körperlichen Bestrafungen unterzogen werden, wenn das Familienoberhaupt durch ihr Verhalten die Ordnung seines Hauses beeinträchtigt sieht.

‘Emanzipation’ besagt seit dem 18. Jahrhundert die Befreiung des Subjekts aus zwanghaften gesellschaftlichen Verhältnissen und Bedingungen. Zwanghaft und willkürlich, also nicht notwendig, sind gesellschaftliche Konstellationen, die auf einer durch den Gebrauch subtiler oder auch weniger subtiler Gewaltmittel errungenen Machtposition eines Teils der gesellschaftlichen Totalität gründen, welcher den anderen Teil in einer Weise beherrscht und kontrolliert, die mit dem Prinzip der Würde des Menschen, und damit auch der Würde jener beherrschten und kontrollierten Menschen, nicht vereinbar ist. Dabei kann die Kontrolle und die Subtilität der Mittel soweit reichen, dass viele der Beherrschten nicht einmal ein klares Bewusstsein ihrer Unterworfenheit haben. Erst ein kritischer, die Zusammenhänge überschauender und durchschauender Blick vermag die pathologisierenden Effekte besagter Zwangsverhältnisse als solche abzuheben von dem Hintergrund der kulturellen Einschränkungen, die vernünftigerweise nicht in Frage gestellt zu werden brauchen.

Was hat das alles mit dem Lernen aus Geschichte zu tun?

Sehr viel, wenn die Aussage des Entwicklungspsychologen Jean Piaget zugrunde gelegt wird, dass man, will man eine Sache verstehen, sich anschauen sollte, wie sie entstanden ist. Ein vom emanzipatorischen Interesse geleitetes Erkennen wird, wenn es nach Ursachen für soziale Repressionsverhältnisse sucht, in der Geschichte immer fündig werden, und dabei feststellen, dass jene Ursachen durch die Jahrhunderte und ggf. Jahrtausende hindurch in der Gegenwart fortwirken. Zur Veranschaulichung eine biologische Analogie: Der lustvolle Geschwindigkeitsrausch, der den Menschen während des Fahrens eines Sportwagens erfasst, geht auf die Erregung des Reptiliengehirns (= Hirnstamm) zurück, das den ältesten Teil des menschlichen Gehirns bildet. Beim Rasen erwacht das Reptil in uns. Wer sich dessen bewusst ist, wer dies also "gelernt" hat, hat bessere Chancen, sich von der Raser-Sucht zu befreien (zu "emanzipieren"), als jemand, der nicht um diesen Zusammenhang weiß.

Habermas nennt als Analogie zum auf die Makrogeschichte bezogenen emanzipatorischen Erkennen die auf die Mikrogeschichte des Subjekts bezogene Freudsche Psychoanalyse. Der Patient wird sich seiner Traumata bewusst und kann sich so von den inneren Zwangsverhältnissen befreien - das ist zumindest der Anspruch der Psychoanalyse. Auch beim geschichtlichen Erkennen kann die Analyse der Kausalitäten zur Auflösung von Strukturverzerrungen führen, wenn das "Gelernte" via politische Praxis konkretisiert wird. Doch um das Konkretisieren des Gelernten geht es in unserer Fragestellung gar nicht - es geht nur um die Möglichkeit des Lernens selbst, d.h. des Erkennens von sozialpathologischen Zusammenhängen und ihrer Ursachen.

Ich belasse es hier bei diesen allgemein gehaltenen Ausführungen, da die Anwendung auf konkrete Beispiele einen einzelnen Artikel über Gebühr strecken würde. Sinnvolle Anwendungsbereiche sind z.B. die Themen "Patriarchat und die Unterdrückung der Frau" und "Theistische Religionen und ihre ideologische Funktion als Stütze von Herrschaft". Für beide (eng zusammenhängenden) Themen gilt, dass die Anfänge weit zurückreichen, dass deren Auswirkungen aber heute noch ganz erheblich sind. Ein Erkennen der Entstehungsbedingungen vermag - gemäß der Theorie der Erkenntnisinteressen - zur Eliminierung der Strukturverzerrungen beizutragen, und zwar, weil diese Entstehungsbedingungen in der Gegenwart unbewusst fortwirken, so wie in einem Symptom ein Trauma fortwirkt, das sich in der Vergangenheit ereignet hat.
 
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Der lustvolle Geschwindigkeitsrausch, der den Menschen während des Fahrens eines Sportwagens erfasst, geht auf die Erregung des Reptiliengehirns (= Hirnstamm) zurück, das den ältesten Teil des menschlichen Gehirns bildet.
Ist dafür nicht eher das limbische System zuständig?
 
Nein, es ist das für das Angriffsverhalten zuständige Stammhirn. Sinn des Lustgefühls ist die Motivierung des jagenden Reptils zu maximaler Geschwindigkeit, um die Erfolgschance zu optimieren.
Ah, danke, ich dachte immer, Lustgefühle hätten mit dem limbischen System zu tun. Wo finde ich darüber solide Informationen?
 
Abstrakt gesehen kann die Geschichte etwas über das Phänomen Zeit lehren und damit über Prozesse und Entwicklung.

Sie kann - wie schon im Habermas-Beitrag angesprochen - kollektive Verhaltensmuster aufdecken helfen, die veränderbar sind.

Und für den Einzelnen hat Goethe gut gesagt, das das beste an der Geschichte, der aus ihr entspringende Enthusiasmus wäre, der zu gleichen Taten anrege.

U.v.m.
 
Und für den Einzelnen hat Goethe gut gesagt, das das beste an der Geschichte, der aus ihr entspringende Enthusiasmus wäre, der zu gleichen Taten anrege.
Ist er das? Wenn ich daran denke, wie immer wieder Menschen im Gedenken an die ruhmreichen Kriegstaten ihrer Ahnen mit Enthusiasmus in den Krieg gezogen sind ...

Der aus der Geschichte entspringende Enthusiasmus ist es doch eher, der eine nüchterne Betrachtung der Geschichte und somit ein Lernen aus ihr verhindert.
 
Koma - keine Lust!

Nein, es ist das für das Angriffsverhalten zuständige Stammhirn. Sinn des Lustgefühls ist die Motivierung des jagenden Reptils zu maximaler Geschwindigkeit, um die Erfolgschance zu optimieren.

Mit deiner Verneinung von Sepiolas Einwand, bringst du dich in ziemliche Schwierigkeiten. Auch wenn ein gewisser Eggetsberger in seinem Blog solchen Unsinn verbreiten mag, daß ein Mensch im Koma überleben kann, wäre noch zu belegen:* es soll ein lebensbedrohlicher Zustand sein. Gemäß einer Gradeinteilung (bei Wikipedia gelesen), existieren basale Reflexe beim Koma ersten Grade durchaus noch, u. a. auch Schmerzreflexe; Schmerz wird durchaus von einer Mittelhirstruktur (PAG) neuronal vermittelt, wie ebenfalls wohl auch Unlust. Ich müßte näher recherchieren, ob bei diesen "Gefühlen" nicht doch auch höhere Regionen miteinbezogen werden müßten, ich hier nach einem kurzen Blick in Solms & Turnbull (2004) etwa an thalamische Kerne (im Zwischenhirn);** aber nach der führenden Auffassung, ist bei der Lust die Septalregion miteinbezogen, und die gehört meines Wissens nicht mehr zum Gehirnstamm.**
Der Begriff des Reptiliengehirns ist eigentlich obsolet. MacLean, der diesen Begriff einführte, um sie mit der Freudschen Instanz des Es korrelierte, entspricht nicht den neueren Erkenntnissen. Sogar das Reptiliengehirn haben im übrigen mehr als ein Stammhirn: vgl. ggf. http://www.geschichtsforum.de/412461-post41.html;http://www.geschichtsforum.de/412848-post50.html)

* Den Blog verlinke ich nicht, er spricht von einem Reptilienhin-Typ - was metaphorisch interessant klingen mag, aber seine Informationen halte ich für irreführend (s. laufenden Text).
** Mark Solms & Oliver Turnbill, Das Gehirn und die innere Welt. Neurowissenschaft & Psychoanalyse. Düsseldorf: Pathmos, 2004

Da dieser thematisch Nebenstrang ziemlich off topic wäre, will ich schnell noch hinzufügen:
@ Ravenik:
Du hast tatsächlich recht. Das wirft freilich für mich ein schwieriges Problem auf: Und zwar gefällt mir die gegenwärtig neurowissenschaftliche Begründung des Lernens durch Freude; um aber beispielsweise aus der deutschen Geschichte des 20. Jhs. zu lernen anzuregen, müßte das etwas modifiziert werden. Ich muß darüber nachdenken.
 
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Nachdem ich vorgestern im halbwegs "kurzen" vorbeischauen ein mehr oder weniger aus dem Kontext gerissenen Beitrag kommentierte, las ich nun einmal Deinen höchst vorzüglichen Beiträge nach.

Ich möchte die in meinem vorigen Beitrag hingeworfene Skizze mit theoretischen Überlegungen über das Motiv ergänzen, welches das von mir ad hoc so genannte "humanistisch-demokratische Wir" dazu antreibt, aus der Geschichte zu lernen. Es kann sicher nicht schaden, sich dem Thema mit einer ausformulierten Theorie zu nähern, da ein nicht-theoretischer Zugang immer Fragen über nichtgenannte Prämissen u. ä. aufwirft.
Meiner ´Theorie´ lege ich die Theorie der Erkenntnisinteressen zugrunde, die Jürgen Habermas 1968 in seinem Werk "Erkenntnis und Interesse" präsentiert hat. Der `Erkenntnistrieb´ des Menschen, so Habermas, ist Ausdruck der in seinem Geist angelegten Vernunft (Rationalität).

Ich bin begeistert, weil auf ein wichtiges Buch hingewiesen wird. Du hattest in gewisser Weise in deinem vorhergehenden Beitrag beachtlich dekonstruiert:
Aus all dem folgt, dass die Frage, was "wir (oder "man") aus der Geschichte lernen kann", logisch fragwürdig ist, denn sie impliziert bereits einen großen Teil der Antworten. Ein humanistisch-demokratisches "wir" kann aus der Geschichte ´nur´ lernen, wie das Humane und Demokratische das Inhumane und Nichtdemokratische überwinden kann. Alles andere wird als nutzlos ausgeschieden.
Nun versprichst du, das antreibende Motiv des von dir spontan eingeführten Kollektivs zum Lernen aus (seiner) Geschichte darzulegen, indem du auf eine Theorie zurückgreifen möchtest. Schreibt aber Habermas wirklich - wie auch immer parenthetisch - von einem Erkenntnistrieb, selbst Manifestation eingeborenen Vernunft?

Nun hielt er eingestandermaßen die Erkenntnistheorie seit Kant für nicht begriffen, und reflektiert Hegel, von dem er die Idee der Selbstreflexion übernimmt, über Marx, aus dessen Gesellschaftstheorie er Objektivation eines nicht-menschlichen Naturbegriffs entlehnt - während er ihm aber wohl ein positivistisches Menschenbild vorwirft. Während mir die Kritik an Marx bzw. die einseitige Lesart durch Habermas als ich sein Buch durcharbeitete vielleicht nicht so negativ auffiel, wie es es jetzt nach der Kurzdarstellung von Alessandro Pinzani (2007, S.68 f) feststellen muß, hatte ich ihn anscheinend auch hinsichtlich Hegel weniger idealistisch wahrgenommen - oder ich hielt es persönlich nicht so kritikwürdig in Anbetracht einer betonten Grundlegung einer Selbstreflexionsatzes der Wissenschaften in emanzipativer Absicht; aber spätestens, als es um Pierce ging, konnte ich nur mehr hinnehmen, was er dazu sagte.
Aber es ist schon so: er verfolgte ein transzendentalphilosophisches Projekt, dem ich sicherlich gerne folgen wollte: daß der Mensch an sich vernunftbegabt sei und durchaus in einem universellen Sinne - und das wollte ich gewiß akzeptieren, denn in die "sorgfältig durch Erziehung [...] hergestellte Dummheit" (A. Mitscherlich) hatte ich wohl zu wenig Einsehen und warb für ein Aufklärungsideal.

Er schreibt in EuI (S.242)

Interessen nenne ich die Grundorientierungen, die an bestimmten fundamentalen Bedingungen der möglichen Reproduktion und Selbstkonstitution der Menschengattung (…) haften. Jene Grundorientierungen zielen deshalb nicht auf die Befriedigung unmittelbarer empirischer Bedürfnisse, sondern auf die Lösung von Systemproblemen überhaupt.

Durch deine Zitation ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen und bei Gelegentheit muß ich die Thesen seines Buches, die dir als Quelle dienen, mit denjenigen aus der Frankfurter Antrittsvorlesung auf vormaligen Lehrstuhl Horkheimers für Phil. & Soziologie vom 28. Juni 1965, die im selben Jahr publiziert wurde seine Prolegomenon,* vergleichen, denn mich überrascht einerseits der Systembegriff, der sozusagen seine Auseinandersetzung mit Luhmann vorbereitet; andererseits die Rede von Problemlösung, die quasi auf Popper anzuspielt, dem er früher noch die Dialektik näher hatte bringen wollen und den er noch 1971 über Geltungschwierigkeiten der Aussagenlogik gerne belehrt hätte.
Wie aber auch dem sei, die Diskrimination von Grundorientierung will ich einmal hinnehmen, um nun vorläufig auch deinen Vorschlag weiter zu verfolgen.

Die Grundorientierungen (erkenntnisleitende Interessen) knüpfen zwar an grundlegende Bedingung an - "(nämlich Arbeit & Interaktion)", aber zielen nur mittelbar auf Bedürfnisbefriedigung. Du führst nun drei dieser Interessen auf:

1) die technischen Interessen - es sind diejenigen, die sich im ökonomischen Bereich entwickeln - auf erkenntnistheoretischer Ebene entspricht ihm ein "empirisch-analytisches" oder "technisches" Erkennen, wie du herausarbeitest, das sich mit "der technischen Instrumentalisierung der nicht-menschlichen Natur durch die menschliche Gesellschaft [befaßt]";
2) die hermeneutischen Interessen, die in sozialen Verhältnissen des kommunikativen Verständnisses entstehen. Badura (1970) läßt sich entnehmen, daß sie auch als "praktische" angesprochen werden könnten und sich auf Handlung beziehen.** Auf erkenntnistheoretischer Ebene entspricht ihm nach deiner Angabe das "[h]ermeneutische Erkennen", das "auf das Erfassen von politisch und kulturellen Kontexten [geht]" und deren "Zusammenhänge" werden von dir als "wert-neutral" analysierbar angegeben.
3) diejenien Interessen, die auch du hier als zentral herausstellen wolltest: die empamzipativen, die sich nach deiner Darstellung direkt auf Herrschaftsverhältnisse beziehen. Erkenntnistheoretisch richte sich die "kritische Reflexion [...] auf die Analyse von Pathologien im Gewebe der intersubjektiven Beziehungen", die Diagnosen ermöglichen:

Die dritte, die emanzipatorische Ebene, die Habermas auch kritisch-reflexiv nennt, hat als Erkenntnisziel die Unterdrückungs- und Gewaltzusammenhänge in der menschlichen Geschichte nach den Kriterien der aufgeklärten Vernunft. Der Freiheitsanspruch des Subjekts, wie ihn die Aufklärung artikuliert hat (Ausgang aus der Unmündigkeit usw.), gilt universell. Habermas´ Konzeption entspricht damit den Idealen des von mir im vorigen Beitrag so genannten "humanistisch-demokratischen Wir". [...] Diese drei Ebenen machen den Rationalitätsbegriff in "Erkenntnis und Interesse" aus.

Schön, nun haben wir das Ideal der Aufklärung gerettet, das Horkheimer & Adorno schon für verloren erachteten angesichts der Barabrei der ersten Hälfte des 20. Jhs., das Einsicht gemäß gar Individualität vernichtete: Rettung also der Subjektphilosophie - und glücklich formulierst du es also konequent, wenn auch vielleicht zufällig in deinem Kollektivausdruck.
Ich neige dazu, Habermas' scharfe Trennung von Arbeit und Interaktion - bzw. im Rationalitätsbegriff (analytisch-empirisch, technisch oder instrumentell vs. verstehend oder praktisch), an der Habermas trotz Reflexionstheorie der Wissenschaften festhält zu problematisieren, und ich wäre gewiß nicht originell, wenn ich Habermas einen "positivistisch halbierten Rationalismus" unterstelle; aber so recht gelingt es mir nicht, meinen Vorwurfe an dieser Stelle stichhaltig durchzuführen, es sei denn, man ließe die Arbeit am Kind als Bereich der Reproduktion gelten, in der aber gewiß auch im Kind Interaktionen grundgelegt werden. Nach der präsentierten Logik muß ich diese spezielle Arbeit dem kulturpolitischen Bereich zuschlagen, deren intersubjektives Beziehungsgewebe ich dann unter Umständen als Pathologie analysieren und beurteilen könnte, wenn ich ihren Sinn verstanden habe. Aber lasse ich das dahingestellt, auf die PA wollte ich noch zurückkommen. Nur frage ich mich, ob in den 1960er Jahren nicht absehrbar war, daß sich die "technische Instrumentalisierung" vielleicht doch auf die menschliche Natur anwenden ließe? Habermas selbst deutet das im Grunde auch selbst darauf hin, wenn einen gewissermaßen technischen "Gehalt des Pragmatismus" erwähnt. Aber lasse ich das dahingestellt.

Das hermeneutische Erkennen richtet sich bei unserem Thema auf geschichtliche Phänomene. Was ist passiert, welche Beteiligten gab es, was waren die Motive ihres Handelns? Das sind die wesentlichen Fragestellungen des theoretischen Geschichtsstudiums. Je größter der Gesamtkontext ist, in dem sich das Verstehen bewegt, desto tiefer geht dieses Verstehen, ohne aber ein "Lernen aus der Geschichte" zu bedeuten, welches einen wie auch immer gearteten Nutzen für das gegenwärtige soziale Leben impliziert. Dieser Nutzen ist erst möglich, wenn (bezogen auf das humanistische Wir) das emanzipatorische Interesse hinzutritt. Der in einer westlichen Gesellschaft verfassungsrechtlich verankerte, in Gesetzen und sozialen Praktiken verkörperte und als universell gedachte Anspruch des Individuums auf Freiheit seiner Person ist der Leitfaden dieses Interesses.[...]
‘Emanzipation’ besagt seit dem 18. Jahrhundert die Befreiung des Subjekts aus zwanghaften gesellschaftlichen Verhältnissen und Bedingungen. Zwanghaft und willkürlich, also nicht notwendig, sind gesellschaftliche Konstellationen, die auf einer durch den Gebrauch subtiler oder auch weniger subtiler Gewaltmittel errungenen Machtposition eines Teils der gesellschaftlichen Totalität gründen, welcher den anderen Teil in einer Weise beherrscht und kontrolliert, die mit dem Prinzip der Würde des Menschen, und damit auch der Würde jener beherrschten und kontrollierten Menschen, nicht vereinbar ist. Dabei kann die Kontrolle und die Subtilität der Mittel soweit reichen, dass viele der Beherrschten nicht einmal ein klares Bewusstsein ihrer Unterworfenheit haben. Erst ein kritischer, die Zusammenhänge überschauender und durchschauender Blick vermag die pathologisierenden Effekte besagter Zwangsverhältnisse als solche abzuheben von dem Hintergrund der kulturellen Einschränkungen, die vernünftigerweise nicht in Frage gestellt zu werden brauchen.

Ich denke, daß du Habermas' Intention insgesamt ganz gut auf den Punkt bringst und auf die Geschichte anwendest. Aber schwierig bleibt für mich die Frage, wie "klares Bewußtsein" oder der "kritische Blick" herzustellen wäre, das/der bereits die "Zusammenhänge" über "pathologisierende Effekte" von "Zwangsverhältnissen" bereits aufheben sollte: Ist nicht in der Geschichte sogar der Kampf um Befreiung häufig auch niedergeschlagen geworden und erfolglos geblieben? Nun wäre es unfair, solche Einwände gegen einen lobenswerten theoretischen Ansatz vorschnell ins Feld zu führen, der aus der Tradition heraus, gerade für die Veränderbarkeit eintritt, um Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern, die unterdrückt werden - aber dieses Hintergrundproblem sollte nicht ausgeblendet werden und manches in Habermas weiterer Theoriebildung mag sich im übrigen daran entzündet haben.

Ich schließe hier den ersten Teil meiner Lektüre deines Beitrages ab.

* und zwar abgedruckt in Technik & Wissenschaft als 'Ideoogie' als letztes Kapitel
** JSTOR: An Error Occurred Setting Your User Cookie
 
Wenn die Aussage des Entwicklungspsychologen Jean Piaget zugrunde gelegt wird, dass man, will man eine Sache verstehen, sich anschauen sollte, wie sie entstanden ist. Ein vom emanzipatorischen Interesse geleitetes Erkennen wird, wenn es nach Ursachen für soziale Repressionsverhältnisse sucht, in der Geschichte immer fündig werden, und dabei feststellen, dass jene Ursachen durch die Jahrhunderte und ggf. Jahrtausende hindurch in der Gegenwart fortwirken. Zur Veranschaulichung eine biologische Analogie: Der lustvolle Geschwindigkeitsrausch, der den Menschen während des Fahrens eines Sportwagens erfasst, geht auf die Erregung des Reptiliengehirns (= Hirnstamm) zurück, das den ältesten Teil des menschlichen Gehirns bildet. Beim Rasen erwacht das Reptil in uns. Wer sich dessen bewusst ist, wer dies also "gelernt" hat, hat bessere Chancen, sich von der Raser-Sucht zu befreien (zu "emanzipieren"), als jemand, der nicht um diesen Zusammenhang weiß.

Der Hinweis auf Piaget ist zwar interessant: in der Tat war die Frage der Entstehung von möglicher Erkenntnis im (biologischen) Subjekt tatsächlich sein zentraler Motivator und er hat sehr genau untersucht, Methoden und gar eine überaus valide Theorie entwickelt, um Antworten auf sein Erkenntnisinteresse zu bekommen. Aber er tut eigentlich nichts zur Sache im Hinblick auf "Ursachen für soziale Repressionsverhältnisse" - ich finde auch deine Analogie hilft hier nicht weiter, die Sepiola bereits kritisch hinterfragt hat. Aber vielleicht bis du bereit sie zu verteigen.

Habermas nennt als Analogie zum auf die Makrogeschichte bezogenen emanzipatorischen Erkennen die auf die Mikrogeschichte des Subjekts bezogene Freudsche Psychoanalyse. Der Patient wird sich seiner Traumata bewusst und kann sich so von den inneren Zwangsverhältnissen befreien - das ist zumindest der Anspruch der Psychoanalyse. Auch beim geschichtlichen Erkennen kann die Analyse der Kausalitäten zur Auflösung von Strukturverzerrungen führen, wenn das "Gelernte" via politische Praxis konkretisiert wird. Doch um das Konkretisieren des Gelernten geht es in unserer Fragestellung gar nicht - es geht nur um die Möglichkeit des Lernens selbst, d.h. des Erkennens von sozialpathologischen Zusammenhängen und ihrer Ursachen.

Ich muß zugeben, hiermit gelangen wir an einen Punkt, den ich persönlich sehr bedeutsam fand: Habermas bringt die Psychoanalyse als Reflexionswissenschaft in Anschlag, reduziert sie auf einen hermeneutischen Zugang und schlägt vor, daß sich die Validität der Deutung auch in der Bestätigung durch den Analysanden bewährend muß; nun ließe sich darüber diskutieren, ob der Anspruch der Psychoanalyse in der Befreiung von Zwangsverhältnissen liegt, aber über ihren ursprünglich Anspruch, daß unbewußte Motivierungen durch bewußte zu ersetzen wären, daran kann kein Zweifel sein; wenn Habermas den emanzipativen Anspruch der Psychoanalyse normativ zuschreibt, so will ich es als seine sympathische Interpretation akzeptieren. Ich würde auch gerne einfach deinen Gedankengang akzeptieren, der von der Einsicht in die Lebensgeschichte durch Sozialisation bedingte "Strukturverzerrungen" - die optimaler Weise zu ihrer Auflösung führen könnte - zur Frage der "Möglichkeit des Lernens selbst" übergeht; aber es ist dabei zu beachten, daß es sich nur um eine schematische Trennung handelt.

Ich belasse es hier bei diesen allgemein gehaltenen Ausführungen, da die Anwendung auf konkrete Beispiele einen einzelnen Artikel über Gebühr strecken würde. Sinnvolle Anwendungsbereiche sind z.B. die Themen "Patriarchat und die Unterdrückung der Frau" und "Theistische Religionen und ihre ideologische Funktion als Stütze von Herrschaft". Für beide (eng zusammenhängenden) Themen gilt, dass die Anfänge weit zurückreichen, dass deren Auswirkungen aber heute noch ganz erheblich sind. Ein Erkennen der Entstehungsbedingungen vermag - gemäß der Theorie der Erkenntnisinteressen - zur Eliminierung der Strukturverzerrungen beizutragen, und zwar, weil diese Entstehungsbedingungen in der Gegenwart unbewusst fortwirken, so wie in einem Symptom ein Trauma fortwirkt, das sich in der Vergangenheit ereignet hat.

Ich will meinen kritischen Leitfaden nun an einem deiner Beispiele noch einmal präzisieren: Was beispielsweise die Unterdrückung der Frau betrifft, die freilich nahezu ein Paradigma darstellen könnte, ließe sich von einem Bild der Weiblichkeit (z. B. Sonderanthropolie, die sich im Zuge der Aufklärung herausbildete) sprechen, das m. E. gewiß noch Aktualitätät besitzt. Psychoanalytikerinnen, wie Nancy Chodorow und Dorothey Dinnerstein haben in den 1970ern versucht aufzuzeigen, wie sich dieses innerhalb der Geschlechterverhältnisse reproduziert. Obwohl rechtlich gesehen heutzutage eigentlich Gleichstellung besteht, könnte sich ggf. zeigen lassen, daß das historische Bild hier aber gegenwirkt, gerade weil es in der Sozialisation vermittelt wird, das widerum zu einem Widerspruch in der "humanistisch-demokratischen" Praxis führt und hier spezielle Pathologien produziert: historisches Paradigma könnte hier das Hysterieproblem des 19./20. Jhs. liefern. Aus der Geschichte zu lernen, würde bedeuten, sowohl die eigene Lebensgeschichte, als auch die gesellschaftliche Praxis als Fortführung einer sich verleiblichenden Sozialpathologie zu begreifen, und ich kann mir gut vorstellen, daß das zu zahlreichen Kontroversen führt (wie sie sich in der Geschichte der Sozialwissenschaften gewiß auch rekonstruieren lassen), die sich vielleicht als ein "Kampf um Anerkennung" (Honneth) begreifen lassen.

Geschichtlicher Zugang hat auch immer eine subjektive Dimension, die in der normativen Praxis immer gebrochen erscheint. Insofern ist der Hinweis auf Habermas sehr sinnvoll, der darauf hinweist, daß es erkenntnisleitende Interessen gibt, die insofern zu berücksichtigen sind, als erst zu erweisen gilt, worauf sich Erkenntnisaussagen überhaupt beziehen. Inwieweit Habermas das sich daraus ergebende Problem gelöst hat, daß verschiedene Interessen im Widerspruch gelangen und wie sich diese auflösen lassen, vermag ich nicht zu beantworten.
 
Das ist unlogisch. Denn wenn die zwanzig Schwachen sich einig sind, sind sie die Starken. Auch das kann man aus der Geschichte lernen :)
Und da die 20 sich nie einig sein werden, es werden immer ein paar darunter sein, die sich lieber auf die Seite der Starken schlagen um sich Schutz und Vorteile zu erschleichen, werden die beiden Starken weiterhin des Sagen haben.
Sollten die 20 Schwachen sich doch einmal einigen können und die beiden Starken besiegen so wird es nicht lange dauern und aus den 20 werden sich wieder einer oder zwei hervortun und der Rest kuscht vor ihnen.
 
Dass Menschen nicht übermäßig viel aus der Geschichte lernen zeigt unter Anderem auch dieses Forum. Alle, auch ich, posaunen hier , mehr oder weniger ihre Meinung und politischen Ansichten heraus, da ja Meinungsfreiheit garantiert ist. Das setzt aber voraus , dass Alles immer so bleibt wie es ist. Nun zeigt aber genau die Historie, dass nichts so bleibt, sondern sich in der menschlichen Gesellschaft ständig alles ändert, häufig auch zum Negativen. Wer weiß denn heute, wie lange es die Bundesrepublik in dieser Form gibt und ob die Demokratie und mit ihr die freie Meinungsäußerung für immer hier fest verankert bleiben. Wer heute jung ist, weiß noch nicht, ob ihm seine, im Internet offen bekannte Ansichten, die wahrscheinlich für sehr lange Jahre zugänglich bleiben, in irgendeinem Abschnitt seines Lebens in ernste Gefahr bringen können. Für Institutionen wie die Stasi wäre das Internet das Himmelreich gewesen. Die hätten sich ihre teuren I.M.s sparen können wenn ein ganzes Volk so auskunftsfreudig ist.
Als ich noch in der DDR lebte, ging ich auch davon aus, dass ich deren Ende, zu Lebzeiten nicht mehr erlebe, die Geschichte hat das Gegenteil bewiesen. Nichts bleibt so, wie es gegenwärtig ist.
 
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