Das Gallische Entsatzheer bestand hingegen - wie immer man auch rechnet - zum Großteil aus Landwirten. Da das Heer nur ein paar Tage vor Ort blieb, sind Versorgungsschwierigkeiten nicht wirklich ein Problem.
Allerdings brauchten sie Proviant nicht nur vor Ort, sondern auch auf dem Anmarsch. Die Gallier werden keine so ausgefeilte Logistik gehabt haben, dass sie große durchziehende Heerscharen versorgen konnten, also werden diese den Proviant zum Teil vermutlich von zuhause mitbringen müssen haben.
Als Vercingetorix es endlich schaffte, einen allgemeinen Aufstand zu organisieren, war es zu spät. Cäsar hatte seine Logistik ausgebaut und konnte sich in Gallien frei bewegen.
Bewegen konnte er sich zwar, aber lange Zeit kaum etwas erreichen.
Die Entscheidung bei Alesia brauchte er als begnadeter Taktiker sowieso nicht zu scheuen.
Seine taktischen Fähigkeiten konnte er bei einer Belagerungsschlacht aber nicht wirklich ausspielen.
Feldherrenglück fände ich irgendwie eine ziemlich verharmlosende Erklärung; ich würde eher der These eines "unermüdlichen" Expansionsdrangs Roms und einer strategischen Militarisierung zuneigen. (was ich damit inhaltlich auch immer meine - so als Nichtspezialist, wenn nicht gar Dilettant in Militärgeschichte).
"Expansionsdrang" halte ich vom Ergebnis her zwar für richtig, aber nicht im Sinne einer strategischen Konzeption. Letztere war in erster Linie auf die Sicherung des Erreichten und die Wahrung des Einflusses außerhalb des eigentlichen Reichsgebietes ausgerichtet. Die Expansion ergab sich meist eher indirekt durch das Beseitigen von echten oder vermeintlichen Bedrohungen für das Erreichte oder zur Durchsetzung römischer Interessen. Dazu kamen dann zwar auch noch Feldherren wie Caesar, die des persönlichen Ruhmes oder der persönlichen Bereicherung wegen Kriege anzettelten, allerdings handelten sie meist ohne oder sogar gegen den Willen des Senats, waren also nicht Teil eines strategischen Konzepts.
Sicherlich wichtig für die Einschätzung der Größe des Aufstandes ist das Entsatzheer vor Alesia. Ungefähr 258,000 Mann sollen es gewesen sein. Delbrück ging von um die 50,000 Mann aus. Und interessanter Weise, setzten die Gallier auch selbst nur 60,000 von diesen 258.000 ein.
Das heißt also, anstatt 340,000 Mann u.U. waren lediglich 70,000 anwesend. Einen Großteil werden Arverner und Häduer gestellt haben. Für andere Kontingente bleibt dann nicht mehr fiel. Es bleibt noch Commius mit seinen Atrebaten und ein paar anderen Belgen, Lucterius mit seinen Cadurcern, vielleicht Teutomatus mit seinen Nitiobrogern.
Da scheint es doch eher, daß ebend nicht ganz Gallien aufstand, sondern lediglich Carnuten und Senonen zum einen und Arverner und Häduer zum anderen, plus ein paar andere civitates. Der Rest wartete ab, wie es ausgeht.
Dass Caesars Angaben zum Entsatzheer zu hoch angesetzt sind, stimme ich zu. Allerdings sehe ich keinen Grund, wieso man seine Angaben dahingehend "korrigieren" sollte, dass man die meisten Kontingente ganz streicht und fast nur die Haeduer und Arverner übrig lässt. Laut Caesar sollen die Haeduer und Arverner (jeweils einschließlich ihrer Klienten) jeweils 35.000 Mann gestellt haben. Das ist zwar viel, aber relativ zu ca. 250.000 Mann gesehen doch nur ein kleiner Teil. Wenn man nun also Caesars ca. 250.000 Mann für zu hoch hält und reduziert (wobei ich vermute, dass Delbrück, wie so oft, auch hier etwas übers Ziel hinausgeschossen ist) sollte man wohl auch davon ausgehen, dass die jeweils 35.000 Mann deutlich zu hoch angesetzt sind. Dann bleibt noch genug für die anderen - auch entsprechend kleineren - Kontingente. Es reicht ja, wenn sie in Wahrheit nur ein paar hundert Mann umfasst haben.
Sicherlich war es für Cäsar eine gefährliche Zeit, wie schon Gergovia zeigt, aber auch nicht so dramatisch, wie Cäsar es selbst darstellt.
Das sehe ich auch anders. Eigentlich lief es für Caesar doch immer schlechter. Er konnte keinen durchschlagenden Erfolg erzielen, hingegen musste er ein paar Schlappen einstecken, und, was mindestens ebenso schlimm war, der Aufstand weitete sich immer weiter aus. Vor allem der Abfall der Haeduer, die für Caesar im bisherigen Krieg als Hilfstruppen und Versorgungslieferanten wichtig gewesen waren, war ein schwerer Schlag. Vercingetorix hatte bereits begonnen, den Krieg in die Provinz zu tragen, und es kam dort auch schon zu ersten Kampfhandlungen. Caesar stufte die Lage in der Provinz offenkundig als sehr bedrohlich ein und befand sich faktisch auf dem Rückzug. Sein Glück war, dass die Gallier ihre Taktik änderten, sich in einer Reiterschlacht versuchten, dabei eine Schlappe erlitten und Vercingetorix sich nach Alesia zurückzog. Dadurch konnte Caesar die Initiative wieder an sich reißen. Dass er den Feind so an einem Ort zu fassen bekam und schlagen konnte, war sein großes Glück, denn davor war es ihm nicht gelungen, die Lage in Gallien wieder in den Griff zu bekommen, sondern er konnte immer nur einzelne Brandherde bekämpfen und dem Gegner einzelne, nicht entscheidende, Schlappen zufügen. Aber auch bei Alesia war sein Sieg alles andere als ausgemacht. Hätte er verloren oder hätten sich ihm die Gallier gar nicht an einem Punkt gestellt, wäre die Wiedereroberung Galliens ein langer mühsamer Prozess gewesen, für den Caesar aber wegen der sich zuspitzenden innenpolitischen Situation in Rom keine Zeit mehr gehabt hätte. Er persönlich stand knapp davor, alles zu verlieren, was er seit seiner Wahl zum Konsul erreicht hatte.
Bei Vercingetorix Aufstand müssen wir aber sehen, daß er aus Gergovia von seinen eigenen Leuten vertrieben wurde und erst wieder mit Gewalt dort die Herrschaft erlangen konnte.
Das war allerdings noch ganz zu Beginn des Aufstandes, als Vercingetorix die Arverner zum Aufstand anstacheln wollte, aber von der Stammesobrigkeit verjagt wurde, weil er und seine Pläne ihnen anscheinend suspekt und wenig vielversprechend erschienen. Damals war noch nicht absehbar, dass er es tatsächlich zum Führer einer großen Erhebung bringen würde.
die Häduer an einem Sieg Vercingetorix' auch nicht mit letzter Kraft interessiert waren, vielleicht nicht mal alle Arverner
Er lag nicht unbedingt im Interesse der Haeduer, aber hatten sie eine Alternative? Auf Caesars Gnade konnten sie sich nach ihrem Abfall kaum verlassen. Letztlich mussten sie siegen oder sich auf ihren Untergang gefasst machen.
Die Arverner wiederum hatten zwar ein ambivalentes Verhältnis zu Vercingetorix wegen seines Vaters, und sein hartes Vorgehen gegen seine eigenen Verbündeten wird ihre Befürchtungen bestätigt haben. Aber auch sie hatten als einer der führenden Stämme des Aufstands kaum eine andere Wahl als zu siegen.
Ich vertrete die Auffassung, daß es einen größeren Aufstand gab, daß aber aktiv weitaus weniger beteiligt waren
Umso schlimmer: Wenn der Aufstand in Wahrheit viel kleiner war und Caesar mit ihm trotzdem nicht fertig wurde, was musste er dann erst befürchten für den Fall, dass er sich tatsächlich auf ganz Gallien und auch die Provinz ausweiten würde?
Aber mit welchen Truppenmassen sich Caesar bei Alesia positionierte und welchen Aufwand er mit der Circumvallation betrieb, zeigt wohl hinreichend, als wie gefährlich und schwierig er die Lage einschätzte und für wie stark er seinen Gegner hielt.