Zur Lage von Gesonia bei Florus

Ogrim

Aktives Mitglied
Liebes Forum,

ich hätte da gerne mal ein kleines Problem:

Beim Studium alter Texte bin ich auf einen Artikel von 1843 aus den Bonner Jahrbüchern (Bd. III) gestoßen, ein Sendschreiben an Herrn Dr. Lersch in Bonn, das sich der Frage der Lokalisierung von "Gesonia" bei Florus widmet.
Den ganzen Text findet ihr auch online unter
googlebooks

Die Stelle bei Florus, die mich interessiert, lautet demnach im Wortlaut:
"Praeterea in tutelam provinciarum praesidia atque custodias ubique disposit, per Mosam flumen, per Albim, per Visurgim. Nam per Rheni quidem ripam quinquaginta amplius castella direxit. Bonnam et Gesoniam cum pontibus iunxit classibusque firmavit"
Florus IV, 12 , 26

Hier wäre mir als nicht voll versiertem an-Lateinisiertem schon mit einer kurzen, möglichst kommentierten Übersetzung gedient, die besser als meine wäre. Sein müßte.
:friends:

Weiterhin finde ich zur Lage des erwähnten "Gesoniam" nur einige Anhaltspunkte. Im Text spricht Herr Osann davon, dass Florus hier nur Orte in Deutschland erwähnt, die erwähnte Stadt einen Hafen gehabt und im Lauf der Drusus-Feldzüge eine Rolle gespielt haben muss.
Wenn der Schriftsteller hier "eine Runde durch ganz Deutschland" macht, wie der Autor am a. O. annimmt, dann wäre eine Reihenfolge "50 Festungen am Rhein - Bonnam - "Gesonia" - Hercynischer Wald" ablesbar.
Weiter forderte Osann bereits damals Funde von römischen Inschriften oder Münzen.
Die Bedeutung der Siedlung "Gesoniam" kann nicht zu gering gewesen sein, da Florus hier die Verhältnisse unter Augustus mit späteren vergleicht und dazu nicht auf allzu abgelegene "Käffer" Wert gelegt haben wird.

Eine Lage am Rhein scheint nach meinen - zugegeben derzeit spärlichen - Texten nicht zwingend zu sein, da der Autor hier zum Ergebnis kommt (Zitat)
"Also sind wir wie es scheint und ich hoffe nicht ohne ihre Beistimmung keineswegs gezwungen Bonna und Gesonia durchaus an den Ufern de Rheins zu suchen und dürfen getrost in das vom Rhein westlich liegende Gallien greifen wenn sich nur immer hier ein fester Anhaltspunkt zeigen sollte (...)"

Die oft vermutete Gleichstellung von Gesoniam mit einem angenommenen Ort "Geusen" bei Bonn scheint demnach falsch, wie auch dem oben verlinkten Text bereits entnommen werden konnte.
Welche Orte in Deutschland, die den oben angeführten Kriterien entsprechen, könnten noch mit dem antiken "Gesonia" gemeint sein?

Ich würde Euch bitten, mir bei der gerade angestoßenen Recherche ein wenig unter die Arme zu greifen. Sollte ich die hier gewonnenen Erkenntnisse irgendwo publizieren, würde ich selbstredend mit Euch Kontakt aufnehmen, um Euch ehrend dort zu nennen ;)

:fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebes Forum,

ich hätte da gerne mal ein kleines Problem:


Die Stelle bei Florus, die mich interessiert, lautet demnach im Wortlaut:
"Praeterea in tutelam provinciarum praesidia atque custodias ubique disposit, per Mosam flumen, per Albim, per Visurgim. Nam per Rheni quidem ripam quinquaginta amplius castella direxit. Bonnam et Gesoniam cum pontibus iunxit classibusque firmavit"
Florus IV, 12 , 26

Hier wäre mir als nicht voll versiertem an-Lateinisiertem schon mit einer kurzen, möglichst kommentierten Übersetzung gedient, die besser als meine wäre. Sein müßte.
:friends:

Versuchen wir's mal: Außerdem richtete er zur Sicherung der Provinz Garnisonen und Wachen überall ein, entlang der Maas, der Elbe und Weser. Nämlich am Ufer des Rheins legte er eben weitere 50 Kastelle an. Bonna und Gesonia verband er mit Brücken und sicherte sie mit Flotten.

(Kritik an der ÜS ist erwünscht und willkommen).

Man könnte den Text so verstehen, dass Bonna und Gesonia miteinander durch Brücken verbunden waren, so dass Gesonia auf der anderen Flußseite ggü. Bonna zu vermuten wäre. Allerdings steht im Lateinischen Plural, so dass ich vermute, dass es verschiedene Orte sind. Warum sollte man an einem Ort mehrere Brücken bauen? M. E. sind das verschiedene Orte, die als Teil eines Brückenkopfes dienen. Der Text beschreibt zunächst die Sicherung des Gebietes entlang der Flüsse Maas, Elbe und Weser. Ein wenig irritierend ist die Reihenfolge, denn ich würde das in der Abfolge der Flüsse erwarten, also Maas, Weser und Elbe. Danach erfolgt die Sicherung der Rheinschiene und dann werden die Orte mit Brücken und Flotten genannt. Gesonia dürfte also auch am Rhein gelegen sein und mit Brücke und Flottenbasis ausgestattet. Da Drusus im Norden (siehe Karte: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cc/Druso_in_Germania_per_Wikipedia.JPG operiert hat, dürfte Gesonia irgendwo zwischen Mainmündung/Mainz und Nordseeküste gelegen haben.

Oder kann man den Text so lesen, dass Florus nach der Erwähnung der Rheinkastelle die Einrichtung von Flottenbasen beschreibt, die nicht unbedingt am Rhein gelegen haben müssen?

Laut Wiki scheint auch die Lesung von Bonna im Florus-Text zweifelhaft zu sein:

Darin erwähnt der Autor einen Ortsnamen, der in den zugrundeliegenden Handschriften allerdings unterschiedlich gelesen wird. Eine Lesart lautet „Bonna“
Geschichte der Stadt Bonn ? Wikipedia

Man müßte sich auch überlegen, ob das erwähnte Bonna auch das heutige Bonn ist oder ein Ort gleichen Namens an einer anderen Stelle:

Laut frz. Wikipedia:
Boulogne sera d'abord nommée en latin Gesoriacum sous Claude, puis Bononia ou Bolonia vers le iiie siècle ; l'étymologie de ce nom fait l'objet d'une hypothèse55. Boulogne devint ensuite sous l'Empire romain le port d'attache de la Classis Britannica.
Boulogne-sur-Mer ? Wikipédia

Also zunächst hieß Boulogne-sur-Mer Gesioracum, dann Bononia oder Bolonia bis dann der heutige Name sich durchsetzte. Andererseits würde bei einem Seehafen die Brücke weder im Plural noch im Singular wenig Sinn ergeben.
 
Wenn bei einem Seehafen ein Fluss ins Meer mündet, kann das durchaus Sinn ergeben.
Der Fluss (oder besser das Flüsschen?) Liane mündet bei Boulogne-sur-Mer in den Ärmelkanal.
"Enfin, elle se jette dans la Manche à Boulogne-sur-Mer."
Liane (fleuve) ? Wikipédia



ich halte die Identität von Bonna/Gesonia mit Boulogne für eher unwahrscheinlch. Im Inhaltsverzeichnis des Werkes von Florus (LacusCurtius ? Florus ? Epitome)
sieht man, dass sein Geschichtswerk thematisch nach einzelnen Kriegsgebieten gegliedert ist. Boulogne-sur-Mer dürfte wohl nicht für die Germanien-Feldzüge eine Rolle gespielt haben. Interessant wäre, ob es auch in den überlieferten Handschriften alternative Schreibweisen für Bonna bzw. Gesonia gibt.
 
Die Lesart "Gesoniam" ist ja, wie schon im Link von Ogrim erwähnt, auch umstritten und wird häufig in "Gesoriacum" oder gar "Moguntiacum" "verbessert". Wie unsicher "Gesoniam" wirklich ist, kann ich nicht beurteilen, aber zumindest finde ich es ungewöhnlich, dass es "Bonnam et Gesoniam cum pontibus iunxit" heißt: Hier würde grammatikalisch eigentlich kein "cum" gehören, was tatsächlich dafür sprechen könnte, dass das "cum" eigentlich noch zum Ort gehört.

Generell scheint die ganze Stelle recht verdorben oder strittig zu sein. In anderen Ausgaben lese ich: "Praeterea in tutelam provinciae praesidia atque custodias obique disposuit per Mosam flumen, per Albin, per Visurgim. In Rheni quidem ripa quinquaginta amplius castella dixerit. ..."

Oder kann man den Text so lesen, dass Florus nach der Erwähnung der Rheinkastelle die Einrichtung von Flottenbasen beschreibt, die nicht unbedingt am Rhein gelegen haben müssen?
Würde ich sagen, ja. Florus springt ja auch sonst geographisch ziemlich hin und her: zuerst Maas, dann Elbe, dann Weser, dann Rhein.
 
in dem karolingischen Text steht nach diesem Autor wohl eindeutig "Borma" und nicht "Bonnam".
Demnach wäre eine mögliche Identifizierung wohl tatsächlich eher Borbetomagus/Worms.
Ein römische Brücke dort finde ich durchaus plausibel.

Gruss
jchatt
 
Aber irgendwie ist doch aus Borbetomagus oder Borbitomago(It.Ant) Worms entstanden.
Da ist doch Borma zu Worms ein logisch erscheinender, vielleicht auch etymologischer(?), Zwischenschritt, oder ?

In diesem Beitrag wird allerdings anders hergeleitet.
Borbitomagus-->Borgetomagus-->Gorruetia-->Wormiza/ Wormozo/Wormez -->Worms
Da leuchtet mir der Schritt über Gorruetia überhaupt nicht ein.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass BorMa eine in Inschriften gebräuchliche abgekürzte Form von Borbetomagus gewesen sein könnte.
Zu den anderen drei gallischen Orten, die Dikigoros anführt, finde ich nur Bormes-les-Mimosas. Ersterwähnung als "Borma", aber keine Spur einer älteren Bezeichnung als "Borbetomagus".

Gruss
jchatt
 
Genaugenommen: "Bormam".

Das Dumme an der These des Herrn "Dikigoros" ist, dass Worms nie "Borma" geheißen hat.

Zum Mindesten später - d.h. im Mittelalter - muss es eine Wortverbindung gegeben haben. Die italienische Ortschaft Bormio und die dazugehörige Region (im Veltlin) wurde im Deutschen als "Worms" bezeichnet. Die spätmittelalterliche eidgenössische resp. bündnerische Vogtei über das obere Veltlin mit dem Hauptort Bormio hiess ebenfalls Worms.
 
Aber irgendwie ist doch aus Borbetomagus oder Borbitomago(It.Ant) Worms entstanden.

Selbstverständlich, und zwar über die Kurzform *Bormetia, die in spätantiker Zeit von den ortsansässigen Romanen *Vormétsja gesprochen wurde, und ins mittelalterliche Deutsche als Wormeze übernommen wurde, woraus spätere Formen wie Wormße und Worms abzuleiten sind.
Das heutige s geht also auf das spätlateinische ts zurück, dieses auf das ursprüngliche t.

Ausführlich bei:
Kurt Elsenbast und Albrecht Greule, Rheinhessische Ortsnamen, in: Beiträge zur mittelrheinischen Landesgeschichte Wiesbaden 1980

Da ist doch Borma zu Worms ein logisch erscheinender, vielleicht auch etymologischer(?), Zwischenschritt, oder ?
Das wäre kein logischer Zwischenschritt, sondern ein unlogischer Umweg. Da müsste das lateinische t(s) erst einmal spurlos verschwinden und sich dann aus unerfindlichen Gründen im Mittelalter wieder als deutsches s/z erneut materialisieren.
Einen unlogischen Zwischenschritt mit einer nicht belegbaren Namenform begründen zu wollen, würde die Unlogik auf die Spitze treiben.

Da leuchtet mir der Schritt über Gorruetia überhaupt nicht ein.
Das hat El Quijote schon etliche Male erklärt, ich ziehe mal ein paar Zitate heraus:
W- wird in Kontakt mit der Romania zu Gue/a-
germ. wardjan - engl. warden, frz. guardian (im Eglischen dann als warden und guardian nebeneinander), dt. Wart
wardrobe/guardarobe
Wirren - guerra
Windows - Güindows
Wadi - Guada-
Woran man sieht, dass die Begriffe Garderobe und Garantie Lehnwörter aus dem Frz. sind.
Die /w/ werden in den romanischen Sprachen - wenn entlehnt - regelmäßig umgelautet. So wird das germanische Wort wardjan, welches im Deutschen noch als 'Wart' oder 'Wärter' erhalten ist, in den romanischen Sprachen zum guarda etc. Mit dem Normanischen kommt es ins Englische, wo die etymologische Form und die romanisch überlieferte Form nebeneinander stehen: warden und guardian. Das Beispiel Gardarobe/wardrobe gehört hier mit hinein. Die Gardarobe ist das, wo man das Beutegut verstaut, also der 'Beute-' oder 'Kleiderwächter'.

Eine Schreibweise von *Wormetia als "G(u)ormetia" wäre also im germanisch/romanischen Sprachkontakt geradezu zu erwarten.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass BorMa eine in Inschriften gebräuchliche abgekürzte Form von Borbetomagus gewesen sein könnte.
Vorstellen kann man sich viel, die fehlende Seriosität des Autors zeigt sich aber daran, dass er die (für Worms nirgends belegte) Namenform nicht als Vermutung äußert, sondern dem Leser als Tatsachenbehauptung unterjubelt.
Dabei ist das nicht der einzige Klopper, da hängt noch ein "ganzer Rattenschwanz" dran. Zum Beispiel:
Dikigoros schrieb:
Aber in dieser Annahme steckt ein ganzer Rattenschwanz von Fehlern: 1. hieß das Römerlager zu Florus' Zeiten nicht "Bonna", sondern "Castra Bonnensis".
Hier soll dem Leser offensichtlich weisgemacht werden, zu Florus' Zeiten hätte es die Namenform "Bonna" nicht gegeben. Dabei erwähnt Tacitus oft genug den Namen "Bonna" ohne den Zusatz "castra":
[19] ... qui Bonnam obtinebat ...
[25] Sic mitigatis animis Bonnam ... motusque Bonna exercitus in coloniam Agrippinensem
[70] legiones a Novaesio Bonnaque in Treviros ...
[77] ... apud Novaesium Bonnamque ...
Tacitus: Histories IV

Ein dicker Hund ist auch das hier:
Dikigoros schrieb:
J. Pohl hat bereits in den 1880er Jahren dargelegt, daß das heutige Mainz nicht immer "Mogontiacum" hieß, sondern auch "Caesoriacum" - aber davon wollten die Mainstream-Historiker ebenso wenig wissen wie davon, daß Bonn auch mal "Verona" hieß, weil es ihnen halt nicht in den Kram paßte; deshalb geriet Pohls Aufsatz - "Verona und Caesoriacum, die ältesten Namen für Bonn und Mainz. Ein Beitrag zur Kritik und Erklärung des Florus" - weitgehend in Vergessenheit.

Was die These, Mainz habe mal "Caesoriacum" gehießen, betrifft, so hat es Pohl leider versäumt, plausible Argumente dafür zu liefern. Sein einziger Anhaltspunkt ist der Name "Kästrich" für einen Mainzer Stadtteil. Da ein Ortsname "Caesoriacum" von der spätantiken Bevölkerung als *Tsesariaco gesprochen worden wäre, führt von dort jedoch kein Weg zu einem deutschen "Kästrich". Die These kann also getrost abgehakt werden, ob sie einem in den Kram passt oder nicht.

Andererseits unterschlägt "Dikigoros" - offensichtlich, weil es ihm hier nicht "in den Kram passt" - die Tatsache, dass der von ihm hier als Kronzeuge herangezogene Josef Pohl dafür plädiert, das von Florus erwähnte "Borma"/"Bonna" mit dem heutigen Bonn zu identifizieren.

Ich erspare mir weitere Details, sondern fasse zusammen: Solche Beiträge kann man in der Pfeife rauchen.
 
Hier noch ein Link zum Pohl-Aufsatz, falls es jemand selber nachlesen möchte:
1 - 1 - 1 - Seite - Schulprogramme - Digitale Sammlungen

Man müßte sich auch überlegen, ob das erwähnte Bonna auch das heutige Bonn ist oder ein Ort gleichen Namens an einer anderen Stelle:

Laut frz. Wikipedia:
Boulogne-sur-Mer ? Wikipédia

Also zunächst hieß Boulogne-sur-Mer Gesioracum, dann Bononia oder Bolonia bis dann der heutige Name sich durchsetzte.

Eher Gesoriacum als Gesioracum, aber das zeigt wieder mal schön, wie gerne die Buchstaben und Silben bei merkwürdigen Namen hin- und herhoppeln.
Die Lokalisierung ergibt sich aus Plinius, Buch IV, wo er schreibt, Britannien sei von Gesoriacum an der Küste des Volksstamms der Moriner an der Stelle der kürzesten Überfahrt 50 Meilen entfernt: haec abest a Gesoriaco Morinorum gentis litore proximo traiectu L. circuitu patere.

An anderer Stelle erwähnt er einen pagus Gesoriacus, allerdings hat eine Handschrift die Schreibweise Cersiacus. Und tatsächlich ist auch eine Auxiliareinheit Coh. I Morinorum et Cersiacorum inschriftlich belegt...

Denis Saddington, Two Notes on Roman Germany:
TWO NOTES ON ROMAN GERMANY on JSTOR
 
Danke Sepiola!

sehr schön erklärt und für mich nachvollziehbar.
Ich hatte spekuliert, dass das "Gormetia" des Geographen von Ravenna evtl. nicht sicher Worms meinen könnte, aber El Quijotes Beispiele:
wardrobe/guardarobe
Wirren - guerra
Windows - Güindows
Wadi - Guada-
zeigen mir das ja deutlich.

Ein bei Florus abgekürztes BORbetoMAgus sehe ich nun auch eher kritisch, da dies bei den antiken Historikern offensichtlich, auch für andere Ortsnamen, nicht belegt ist. Selbst in römischen Inschriften scheint man eher den kompletten Namen ausgeschrieben zuhaben, oder es wurde anders abgekürzt.

Gruß

jchatt
 
Eher Gesoriacum als Gesioracum, aber das zeigt wieder mal schön, wie gerne die Buchstaben und Silben bei merkwürdigen Namen hin- und herhoppeln.

im frz. Wiki-Artikel steht auch Gesoriacum. Das Gesioracum ist Sondergut Carolus, genauer gesagt, dieser Schussel hat falsch abgeschrieben. tuete.gif
 
... der Name "Kästrich" für einen Mainzer Stadtteil

... ist am wahrscheinlichsten von castrum/castra herzuleiten:

"Nach den historischen Belegen ist der Name zu lat. castrum, castra 'Lager' zu stellen. Entsprechende castra-Namen in Hessen, am Niederrhein sowie in England führen zur Annahme eines frühfränkischen Lehnworts *Kaster (<lat. castrum/castra), Kester (< lat. castris), das neben ahd. Kastel ('Stadt, Ortschaft') in zahlreichen Ortsnamen, im Südalemannischen auch als Appellativ, nachzuweisen ist. Der Mainzer Ortsname Kastél wurde allerdings als nomen proprium (< Castellum Mattiacorum) entlehnt. Was nun den Mainzer Kästrich betrifft, so möchte ich eine Ableitung annehmen, die mit dem Suffix -rich gebildet ist, das in den Rheinlanden okkasionell begegnet und 'Ort, wo sich etwas befindet; Ort, wo sich etwas abspielt oder abgespielt hat' bezeichnet."
Wolfgang Kleiber, Mogontiacum/Mainz: Kontinuität im Bereich einer antiken Stadt
(in: Wolfgang Kleiber und Max Pfister, Aspekte und Probleme der römisch-germanischen Kontinuität, Stuttgart 1992, S. 40)
In Mainz wurde noch mindestens bis ins 7. Jahrhundert romanisch gesprochen. Einige Orts- und Flurnamen sind von der deutschen Lautverschiebung nicht berührt werden. Der Flurname Attach (im Mittelalter als Ageduch bezeugt), geht auf den lateinischen aquaeductus zurück, Finthen auf fontaneta.

Die Frikativierung des -duct- zu -ducht- geht nicht auf die deutsche Lautverschiebung zurück, sondern ist eine romanische Entwicklung, die im Französischen z. B. zu Wortformen wie conduit (aus lat. conductus) oder nuit (aus lat. noctem) geführt hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
im frz. Wiki-Artikel steht auch Gesoriacum. Das Gesioracum ist Sondergut Carolus, genauer gesagt, dieser Schussel hat falsch abgeschrieben.Anhang anzeigen 17576

Eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass das jedem passieren kann. Es gibt keine fehlerfreien alten Manuskripte, die ca. 200 mittelalterlichen Florus-Handschriften enthalten alle haufenweise Abschreibfehler. Das gilt auch für die älteste erhaltene Florus-Handschrift (Bamberger Codex), die oben erwähnt wurde:

Die Neubewertung des Codex B gegenüber seiner Überbewertung durch O. JAHN und dessen Nachfolger (spätestens bis FORSTER [1929]) beruht auf der Erkenntnis der Tatsache, dass der Cod. B noch mehr fehlerhafte Lesarten aufweist als etwa die Hs-Familie C.
...
Aus MALCOVATIS textkritischem Apparat ließen sich – so NEUHAUSEN – allein „mehr als 200 krasse und groteskeste Entstellungen von Namen“ (von Personen, Orten, Völkern, Ländern und Flüssen) auflisten.
https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=8&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwj1oOnu3YveAhUGyqQKHRC2BcwQFjAHegQIAhAC&url=https://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum/reader/download/305/305-29-79319-2-10-20171009.pdf&usg=AOvVaw1eJvs5G2ZW-QTEL7zEQLEY
 
Zu den anderen drei gallischen Orten, die Dikigoros anführt, finde ich nur Bormes-les-Mimosas. Ersterwähnung als "Borma"...
... aus dem 11. Jahrhundert.
Tatsächlich lässt sich nirgends ein antiker Name "Borma" nachweisen, und von den vielen Florus-Handschriften hat nur eine einzige - der Bamberger Codex - diese Schreibweise.

Karl August Neuhausen* schreibt dazu:
"Borma" existierte weder in Germanien oder Gallien noch in einer anderen Gegend der antiken Welt, so daß rund 50 Jahre nach dem Erscheinen der Florusausgabe Jahns der "Thesaurus Linguae Latinae" (II 2133,69) s. v. "Borma" lapidar feststellte, daß es sich bei dieser Lesart des Codex B. um eine verderbte Namensform von singulärem Rang handelt...
Sein Fazit:
Bona/Bonna = Bonn ist die von allen Handschriften (außer dem Codex B. als Sonderfall) überlieferte und daher seit 1967 - wie bereits vor Jahn fast überall - allgemein anerkannte Namensform, während Jahns "Borma" ebenso wie Bononia (statt Bonna) nur eine (freilich wirkungsvolle) Fata Morgana der Wissenschaftsgeschchte war.

Zum Thema:
Neuhausen erhebt mehrere Einwände gegen die Zusammenziehung der Wortfolge "Caesoria cum" zu Caesoriacum und Gleichsetzung mit Gesoriacum = Boulogne-sur-Mer: So sei das "cum" in allen Handschriften deutlich abgesetzt (und könne auch als Konjunktion sinnvoll interpretiert werden); die korrekte Ortsform sei auch nicht als "Gesoriacum", sondern als Gesoriacus belegt.
Die in den verschiedenen Handschriften erscheinenden Namensformen "Caesoria", "Gesonia", "Genosia" seien alle mehr oder weniger verderbt. Neuhausen vermutet, damit könne die bei Plinius erwähnte Nordseeinsel Glaesaria gemeint sein.

Der Sinn der Stelle wäre also: Drusus öffnete den "noch ungesehenen und unwegsamen Hercynischen Wald" dadurch, indem er den südlichsten niederrheinischen Flottenstützpunkt (Bonn) mit einer Flottenstation im höchsten Norden Germaniens (Glaesaria) mit einem Landweg verband. Unter pontes ('Brücken' im Plural) sei natürlich nicht eine einzelne Brücke zu verstehen, sondern eine Verbindungslinie über die zahlreichen Gewässer und Moore dazwischen, mit Dammstraßen, Moorbrücken und Bohlenwegen.



* Bonna, Bononia oder Borma? In: Otto Jahn (1813-1868), Ein Geisteswissenschaftler zwischen Klassizismus und Historismus, Hrsg. William M. Calder III, Stuttgart 1991
 
Während Du schriebst hatte ich den Link korrigiert, es handelt sich um ein PDF-Dokument.
Dennoch ist Sepiolas Idee (s.o.) der Beschreibung einer großen Verbindungslinie im unerschlossenem Germanien bestechend:

Drusus öffnete den "noch ungesehenen und unwegsamen Hercynischen Wald" dadurch, indem er den südlichsten niederrheinischen Flottenstützpunkt (Bonn) mit einer Flottenstation im höchsten Norden Germaniens (Glaesaria) mit einem Landweg verband. Unter pontes ('Brücken' im Plural) sei natürlich nicht eine einzelne Brücke zu verstehen, sondern eine Verbindungslinie über die zahlreichen Gewässer und Moore dazwischen, mit Dammstraßen, Moorbrücken und Bohlenwegen.
 
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