freierbuerger
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Das ist einerseits ein konsequentes Plädoyer für die Kernidee des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das vor allem der US-amerikanische Präsident Wilson am Ende des WW I formuliert hatte.
Richtig. Leider konnte sich Wison mit seinen Prinzipien 1919 gegen die Chauvinisten und Revanchisten unter den Siegermächten nicht durchsetzen. Die deutsche Seite vertraute darauf und wurde enttäuscht. Es gab ein paar Ausnahmen. So wurde z.B. die deutsch-dänische Grenze in einer fairen Abstimmung festgelegt, die etwa gleich große Minderheiten auf beiden Seiten zur Folge hatte. Diese Grenze wurde selbst von Hitler akzeptiert und gilt bis heute, mit Minderheitenrechten auf beiden Seiten. So hätte man viele Grenzkonflikte nach dem WK I lösen können.
Wobei der Verweis von "Freierbürger" auf das Jahr 1648 und der Nichtbefragung der Bürger aus einer Reihe von Gründen wohl eher ein historischer Scherz sein soll.
Stimmt. 1648 wäre so etwas undenkbar gewesen. Es ging mir nur um die Vollständigkeit meiner Aufzählung.
Und es ist natürlich auch eine deutliche unkritische Sicht vorhanden in Bezug auf das Konzept des "Nationalstaates". Es hat auch 1871 niemand die Bayern gefragt, ob sie "heim ins Reich" wollen.
Das Konzept des ethnischen Nationalstaates ist immer noch eines, das zu den stabilsten Staaten geführt hat. Vielvölkerstaaten haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Es gibt nur zwei Ausnahmen, wo dies ohne Unterdrückung einigermaßen funktioniert: die Schweiz und die klassischen Einwanderungsländer (USA, Kanada, Australien, Neuseeland). Die Bayern wurden nicht gefragt, aber das war nicht nötig, die große Mehrheit fühlt sich auch als Deutsche. Interessanterweise gab es in Bayern, trotz seiner starken Eigenständigkeit nie einen ernsthaften Separatismus.
Und es lassen sich natürlich mehr als genug weitere Beispiele finden, die das gesamte Konstrukt des Nationalismus in einem negativen Licht im zwanzigsten Jahrhundert erscheinen lassen. Nicht zuletzt, da in seinem Namen die verheerendsten Kriege und die grausamsten ethnischen "Säuberungen" begangen worden sind.
Dieses ist auch zu betrachten, bevor man anfängt etwas zu glorifizieren, was den Glorienschein nicht verdient. Auch wenn es unter dem Gesichtspunkt der Modernisierung vermutlich keine historische Alternative gab, leider.
Der Nationalismus hat im 20. Jahrhundert in der Tat viele Kriege und viele Verbrechen gegen die Menschheit zur Folge gehabt. Das spricht aber nicht gegen das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker und gegen die Vorteile von Grenzziehungen, die den Willen der Betroffenen berücksichtigen. Bei allen negativen Beispielen im 20. Jahrhundert wurden diese Prinzipien eben missachtet.