Was bedeutet "saltus"?

Ich würde nicht widersprechen, wenn jemand in Frage stellt, ob mit dem saltus, den Caecina als Vorhut durchsuchen und sichern soll, der selbe saltus Teutoburgiensis gemeint sein muß.
Es ist die Rede von mehreren saltus. (Saltuum ist eindeutig Plural.)
Caecina durchforscht diese saltus, um den einen saltus zu finden.
 
Sorry, mein Fehler :rotwerd:

Aber wie kommst Du darauf, Caecinas Auftrag "ut ... scrutaretur" habe das Lokalisieren des saltus Teutoburgiensis zum Ziel?

Germanicus wollte in den saltus Teutoburgiensis und hat Caecina vorausgeschickt.
Wird im zitierten Text irgendein anderes Ziel genannt oder auch nur angedeutet, dem die Forschungen gelten könnten?
 
Germanicus wollte in den saltus Teutoburgiensis und hat Caecina vorausgeschickt.
Wird im zitierten Text irgendein anderes Ziel genannt...
Nein, das Ziel ist klar.
...oder auch nur angedeutet, dem die Forschungen gelten könnten?
Mal sehen - ich trau' meinem angestaubten Latein besser nicht mehr allzu sehr, wenn ich schon einen Plural überlese :cool:. Also, der gute Gottwein zum Beispiel übersetzt:
Caecina wurde vorausgeschickt, um die Verstecke der Wälder zu durchspähen und Brücken und Dämme über sumpfige Strecken und trügerische Moorgründe zu bauen.
Oder als Übersetzung ins Englische nach der Loeb Classical Library in der Online-Fassung von LacusCurtius:
Sending Caecina forward to explore the secret forest passes and to throw bridges and causeways over the flooded marshes and treacherous levels
 
Nein, das Ziel ist klar.

Gut.

In der Diskussion wurde ja schon einige Male drauf hingewiesen, dass ein saltus im Sinne von "Domäne" an die Infrastruktur angeschlossen gewesen sein muss.
Von einer Domäne kann hier aber nicht die Rede sein. Sonst hätte Caecina sich auf die Suche nach Resten der alten Infrastruktur (Wegenetz) gemacht, anstatt die "Verstecke der Wälder zu durchspähen".

Fellmeth, U.: "Eine wohlhabende Stadt sei nahe..." Die Standortfaktoren in der römischen Agrarökonomie im Zusammenhang mit den Verkehrs- und Raumordnungsstrukturen im römischen Italien. St. Katharinen 2002.
Es ist eigentlich undenkbar, dass ein Latifundium sich außerhalb der Infrastruktur befand und damit außer Reichweite eines Absatzmarktes.
und hier sei noch mal auf das Argument der Wirtschaftlichkeit eingegangen und auf die römischen Agrarschriftsteller – wie der von dir zitierte Varro – die ganz deutlich machen, dass ein Landgut in der Nähe eines Absatzmarktes sein muss. Sie sprechen von 20 Meilen, der archäologische Befund gibt ihnen Recht: Die meisten Landgüter befinden sich in Radien solcher Größe von den Städten entfernt. Saltuum occulta passen da nicht.

Ein weiteres Argument, das die Deutung des Orts der Varusschlacht als Landgut ausschließt, hat ebenfalls El Quijote schon vor langer Zeit gebracht:
Desweiteren ist Tacitus nicht unser Kronzeuge für die Varusschlacht. Dies ist Velleius und der als einziger Zeitzeuge schreibt: "inclusus silvis, paludibus - eingeschlossen in Wälder und Sümpfe"
 
Zuletzt bearbeitet:
In der Diskussion wurde ja schon einige Male drauf hingewiesen, dass ein saltus im Sinne von "Domäne" an die Infrastruktur angeschlossen gewesen sein muss.
Es gibt eine Menge gute Gründe, den "saltus Teutoburgiensis" nicht als "Teutoburger Landgut" zu übersetzen - Plausibilität einer solchen Domäne weit ab vom Schuß, Sinnhaftigkeit als nachvollziehbare Ortsangabe für die Leserschaft, Vergleich mit Schlachtfeldbeschreibungen in anderen Quellen usw. Es gibt aber meines Erachtens keinen Grund, diese Übersetzung rein aus dem unmittelbaren Tacitus-Kontext zu verwerfen - nur darauf will ich hinaus.
Denn darum drehte sich die Diskussion hier im Thread zuletzt, inwieweit im unmittelbaren Kontext exemplarisch genannter Textstellen eine Übersetzung von "saltus" als "Landgut" überhaupt Sinn macht. Mir ist schon klar, daß diese Textstellen gezielt gewählt wurden, um zu widerlegen, "saltus" könne und dürfe einzig und ausschließlich als "Landgut" übersetzt werden. Damit allein ist umgekehrt aber keineswegs belegbar, das "saltus Teutoburgiensis" bei Tacitus könne auf keinen Fall als "Landgut" übersetzt werden.
Von einer Domäne kann hier aber nicht die Rede sein. Sonst hätte Caecina sich auf die Suche nach Resten der alten Infrastruktur (Wegenetz) gemacht, anstatt die "Verstecke der Wälder zu durchspähen".
Du beharrst immer noch darauf, Caecina hätte nach dem saltus Teutoburgiensis suchen sollen, als er von Germanicus vorausgeschickt wurde - oder nach Anzeichen, die auf den nahen saltus Teutoburgiensis hindeuten. Lehnst Du eine Interpretation dahingehend kategorisch ab, Caecina sei nur vorausgeschickt worden, um den Weg durch die zwischen Ausgangsort und Ziel liegenden Wälder und Schluchten zu erkunden, verborgene Gefahren zu entdecken und zu beseitigen?
 
Hallo zusammen,

Tacitus hat in seinen (verloren gegangenen) Quellen zur Beschreibung der Varusschlacht mit Sicherheit die Beschreibung Saltus und andere Fakten dazu zur Verfügung gehabt. In seiner Schilderung der Germanicuszüge setzt er dieses Wissen beim Leser seiner Zeit voraus. (Edit: Musste ich korrigieren, war falsch geschrieben)

Zu den Saltus-Beispielen, die oben angeführt wurden (Danke dafür und für die Mühe!) will ich mich jetzt nicht weiter auslassen, komme aber später drauf zurück. Vorerst nur folgender Gedanke: Es fallen mir mehrere Möglichkeiten ein, wie sich statt "Silva" der "Saltus" in den Text geschlichen haben könnte.
Bei den Kunstprodukten der Übersetzer, wie: Waldschlucht, Waldtal, Waldgebirge, Waldpass stelle ich nur eine Frage: Wie oft hast Du, liebe Leserin/lieber Leser, diese konkreten Wörter in Deinem eigenen Sprachgebrauch (außerhalb dieses Forums natürlich) jemals verwendet? Wie oft hast Du diese Wörter (außerhalb dieses Forums natürlich) in einem beliebigen Roman, einer Erzählung gelesen?
Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit anzusetzen, dass ebenso gebildete Römer dieses machen sollten? Ich sehe daher auch für mich keinen Grund, mich weiter mit diesen Formen zu beschäftigen!
Bleiben Pass und Wald. Für beides gibt es jeweils ein eigenständiges Wort im Lateinischen, einmal claustrum (mit weiteren anderen Bedeutungen) und silva. Warum sollten diese für die Dinge, die sie bezeichnen, nicht verwendet werden? Jetzt kann eingewendet werden, im Deutschen gibt es auch andere Bezeichnungen für Wald. Jedoch sind diese (Forst, Tann, Holz, Gehölz) oft nur noch Bestandteile von Eigennamen, im allgemeinen Gebrauch sind sie ansonsten selten, oder?
Für Pass habe ich im Deutschen im Moment kein ordentliches Synonym parat, Gebirgsübergang, Gebirgsweg?
Es kann demzufolge nicht verwerflich sein anzunehmen, dass ein Verfasser (Tacitus, Livius - besonders Letzterer nicht im Verdacht stehend, besonders quellengenau zu sein), aber auch ein Kopist, einerseits wegen der visuellen Ähnlichkeit der Wörter silva und saltus, andererseits wegen ihrer Verwandschaft als Bezeichnung von "Örtlichkeiten"/bestimmten Gebieten) in der Landschaftsbeschreibung, statt silva dann saltus (und umgekehrt natürlich) verwendet hatte.
Aber genug davon.

Festzustellen bleibt, wenn ich die zitierten Quellen in den letzten 20 Seiten für Saltus als Flächeneinheit/Landgut/Ländereien mit denen, die sich nur mit Wald (und den Zusammensetzungen damit)übersetzen lassen, von der reinen Zahl her vergleiche, obsiegt gefühlt die erstere Variante (ich zähle das aber nochmal aus). Zugleich gibt es etliche Stellen, wo der Textzusammenhang beide Möglichkeiten zulässt.
Zumindest die gängigen Wörterbücher favorisieren Wald und dergleichen und sind daher definitiv unvollständig, bzw. fehlerhaft. Aber das nur nebenbei.

Kommen wir zum teuto burgiensi saltu (so zumindest im Exemplar der Annalen in Florenz so zu sehen):
Welche vorliegenden Nachrichten lassen ein Landgut in Germanien möglich erscheinen?

1. Florus berichtet (Fettgedrucktes und Jahreszahlen von mir):
Epitome
22. Doch da er(Augustus) wusste, dass sein Vater Gaius Iulius Caesar zweimal mit einer Brücke den Rhein überschritten und den Krieg gesucht hatte, begehrte er heftig, es jenem zur Ehre zur Provinz zu machen,…“
„26. Außerdem verteilte er (Drusus) zur Sicherung der Provinz Besatzungen und Wachmannschaften überall entlang der Maas, der Elbe und der Weser. Am Rheinufer ließ er mehr als 50 Kastelle errichten.“ (12 bis 9 vor Chr.)

Paterculus meldet:
Historia Romana, Buch 2, 97
(4) Die Last dieses Krieges wurde daraufhin Tiberius Nero übertragen, und er meisterte seine Aufgabe mit dem ihn eigenen Glück des Tüchtigen. Siegreich durchzog er alle Gebiete Germaniens, und zwar ohne jeglichen Verlust für die ihm anvertrauten Truppen; darauf war er bei seiner Heeresführung besonders bedacht. Er unterwarf Germanien so vollständig, dass er es fast zu einer steuerpflichtigen Provinz machte.“ (7 vor Chr.)

Cassius Dio ergänzt:
Romanica Historia
„55,9-10,2-3 …Domitius Ahenobarbus hatte früher, als er noch die Gebiete an der Donau verwaltete, die Hermunduren, die ihre Heimat aus mir unbekannten Grund verlassen hatten, und auf der Suche nach neuem Land umherirrten, unter seinen Schutz genommen und in einem Teil des Markomannengebiets angesiedelt. Und er hatte die Elbe, ohne dass ihm jemand entgegentrat, überschritten. Freundschaftsverträge mit den dortigen Barbaren geschlossen und an dem Strom einen Altar für Augustus errichtet.“ (Im Jahre 3 v.Chr.)

Wieder Paterculus:
106
„…bis zum Fluss Elbe geführt, der durch das Gebiet der Semnonen und Hermunduren fließt. (3) Und dem bewundernswerten Glück wie der Vorsorge des Feldherrn sowie seiner genauen Beobachtung der Jahreszeiten war es zu danken, dass sich ebendort die Flotte wieder mit Tiberius Caesar und seinem Heer vereinigte. Sie war die Meeresbuchten entlang gesegelt, war aus diesem zuvor völlig unbekannten Meer in den Elbefluss hinein und stromaufwärts gefahren und brachte außer Siegen über zahlreiche Volksstämme auch eine reiche Fülle von Lebensmitteln aller Art mit sich.“ (5 nach Chr.)
108
(1) Es blieb in Germanien nichts mehr zu erobern übrig, außer dem Volksstamm der Markomannen. (5 nach Chr.)

Schließlich beschreibt Cassius Dio:
56,18,1-5-19,1 …Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten, deshalb berichtet auch die geschichtliche Überlieferung darüber nichts. Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet, und die Barbaren passten sich ihrer Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedlich Zusammenkünfte ab."

Das wurde alles schon besprochen. Seit dem Feststellen steinernder Gebäude in Waldgirmes ist auch der jahrhundertealte Widerstand der etablierten Wissenschaftlergemeinde, grade gegen die Glaubwürdigkeit von C.Dio bezüglich von Städten in der Magna Germania, zerstoben.
Stellen wir also fest, seit Tiberius hielten sich großere Truppenverbände sowohl im Sommer, als auch im Winter dauerhaft im Inneren Germaniens auf. Was liegt näher, als bei diesen Truppenlagen und auch den entstehenden zivilen Siedlungen/Städten nun auch mit der Einrichtung von land- und viehwirtschaftlichen Einrichtungen, sogar mit Bergbau zu beginnen, die, natürlich, in kostengünstiger Nähe zu den Absatzmärkten lagen (wie von El Quijote als Bedingung gefordert). Wie wir wissen, waren dies in den Provinzen zuerst kaiserliche Domänen. Warum, liebe Freunde, soll denn solch ein Saltus nicht beispielsweise die Bezeichnung einer naheliegenden römischen Befestigung erhalten haben? Sowas ist doch nicht außergewöhnlich!

Dass nun Varus, besonders nach dem Verbrennen eines Großteils seines Trosses, umgeben von feindlichen Truppen und mit wenig Versorgungsgütern (die Germanen griffen ja nahezu immer bevorzugt den Tross an) mit aller Macht auf kürzestem Weg versucht ein solches Landgut zu erreichen und dabei nun keinen befestigten Weg nehmen kann, sondern durch "Dick und Dünn" mit seinen Leuten ziehen muss (ihr wißt, was ich meine), ist doch auch unschwer vorstellbar, nicht?

Ebenso wird unser Germanicus sechs Jahre später, als er in der Nähe des Varusfelds war, sicher auch keinen direkten, brauchbaren Weg zur Verfügung gehabt haben, warum sonst sollte er den Caecina vorschicken einen Weg zu bahnen und die möglichen Verstecke (im Sinn von Hinterhalte?) des Saltus zu durchsuchen?

Was, bitte schön, ist an diesem Szenario denn so unmöglich?

Beste Grüße
Ostfale
 
Zuletzt bearbeitet:
Vorerst nur folgender Gedanke: Es fallen mir mehrere Möglichkeiten ein, wie sich statt "Silva" der "Saltus" in den Text geschlichen haben könnte.
Bei den Kunstprodukten der Übersetzer, wie: Waldschlucht, Waldtal, Waldgebirge, Waldpass stelle ich nur eine Frage: Wie oft hast Du, liebe Leserin/lieber Leser, diese konkreten Wörter in Deinem eigenen Sprachgebrauch (außerhalb dieses Forums natürlich) jemals verwendet? Wie oft hast Du diese Wörter (außerhalb dieses Forums natürlich) in einem beliebigen Roman, einer Erzählung gelesen?
Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit anzusetzen, dass ebenso gebildete Römer dieses machen sollten?
von den heutigen deutschen Sprachgepflogenheiten und bzgl. einzelner Worte Sprachmoden auf das Latein des Tacitus und seiner Leser zu schließen, ist indiskutabel. (abgesehen davon, Wortkombinationen wie Waldschlucht etc. z.B. bei Karl May, Stifter, Eichendorff durchaus vorkommen und verstanden werden)
 
(1) Es blieb in Germanien nichts mehr zu erobern übrig, außer dem Volksstamm der Markomannen. (5 nach Chr.)
(...)
Was, bitte schön, ist an diesem Szenario denn so unmöglich?
man fragt dann zweierlei:
1. wieso nannte man die angeblich so vollständig eroberte beinahe-Provinz Germania libera?
2. warum die auffällige Armut an Funden? (alle anderen Provinzen glänzen mit römischen Hinterlassenschaften)
 
Germania libera wurde das Gebiet erst viel später beim Hype um den " deutschen Freiheitskämpfer Herrmann" im 19.Jh genannt. Warum genau weiß ich auch nicht.
 
Tacitus hat in seinen (verloren gegangenen) Quellen zur Beschreibung der Varusschlacht mit Sicherheit die Beschreibung Saltus und andere Fakten dazu zur Verfügung gehabt. In seiner Schilderung der Germanicuszüge setzt er dieses Wissen beim Leser seiner Zeit voraus.
Wie kommst Du auf diese Behauptung?

Bei den Kunstprodukten der Übersetzer, wie: Waldschlucht, Waldtal, Waldgebirge, Waldpass stelle ich nur eine Frage: Wie oft hast Du, liebe Leserin/lieber Leser, diese konkreten Wörter in Deinem eigenen Sprachgebrauch (außerhalb dieses Forums natürlich) jemals verwendet?
Wozu das jetzt diskutiert werden soll, ist nicht nur Dekumatland unerfindlich.
Die einzige relevante Frage ist doch, wie ein lateinkundiger Leser das Wort "saltus" verstand.
Dass es im Deutschen kein Wort gibt, das 1:1 dem "saltus" entspricht, und wie ein deutscher Übersetzer mit dieser Gegebenheit umgehen soll, hat keinen Römer gejuckt.

Bleiben Pass und Wald. Für beides gibt es jeweils ein eigenständiges Wort im Lateinischen, einmal claustrum (mit weiteren anderen Bedeutungen) und silva.
Es gibt noch eine ganze Menge weiterer Wörter, die sich im Lateinischen mit "saltus" überschneiden, z. B. "nemus" (Wald, Gehölz), "iugum" (Joch, Gebirgszug, Bergrücken), "dorsum" (Bergrücken, Kamm), "montes" (Berge). Wie austauschbar diese Wörter sein können, sieht man z. B. an den Bezeichnungen:
- "Hercynia silva"
- "Hercynii montes"
- "Hercynii saltus"
- "Hercynium iugum"
- "Hercynium nemus"

Welche vorliegenden Nachrichten lassen ein Landgut in Germanien möglich erscheinen?
Wozu das ganze?
Die Möglichkeit, dass es ein Landgut in Germanien gegeben haben könnte, hat bisher niemand bestritten.
Nur die Möglichkeit, dass die Varusschlacht auf einem römischen Landgut stattgefunden hat, die wird von den vorhandenen Quellen ausgeschlossen.

Die Zitate, die Du bringst, machen die Existenz von römischen Landgütern zwischen Rhein und Elbe allerdings auch nicht wahrscheinlich. Im Gegenteil.
Fast alle Zitate beziehen sich auf rein militärische Unternehmungen.
Wenn so etwas wie eine Zivilbevölkerung erwähnt wird, sind es unterworfene oder befreundete Barbaren.

Auch die einzige Erwähnung von Lebensmitteln steht in Zusammenhang mit einer militärischen Expedition. Wer unbedingt glauben möchte, dass diese Lebensmittel aus römischen Gutshöfen stammen, darf das gerne tun. Der darf auch gern in Kauf nehmen, dass die Kundschaft der Gutshöfe sich durch unbekannte Meere und feindliche Völkerschaften durchkämpfen muss, um an deren Produkte zu kommen.

Dass sich Germanen und Römer auf Märkten trafen, glaube ich sofort. Nur glaube ich nicht, dass die Germanen dort erschienen, um Lebensmittel aus römischen Gutsbetrieben zu kaufen. Viel eher werden sie dort Lebensmittel aus eigener Produktion verkauft haben. Wer allerdings lieber glaubt, dass die Germanen Waffen, Luxusgüter und Sesterzen auf die römischen Märkte getragen haben, um sie dort gegen römische Grundnahrungsmittel einzutauschen, soll meinetwegen auch das glauben.

Die Siedlung Waldgirmes befand sich gerade in der Gründungsphase. Sogar wenn sie fertig geworden worden wäre, hätte man von den Dimensionen her noch nicht einmal von einer Kleinstadt sprechen können.

Warum, liebe Freunde, soll denn solch ein Saltus nicht beispielsweise die Bezeichnung einer naheliegenden römischen Befestigung erhalten haben?
Wie kommst Du auf darauf, dass "Teutoburgus" ein römischer Name gewesen sein soll?
Das war alles schon vor über einem Jahr mal dran:
Letztendlich ist dein Zweifel an der germanischen Etymologie von burgus also nicht sprachistorisch begründet, sondern ein Werkzeug, um anhand dessen entweder für oder gegen eine Lokalisierungshypothese der Varusschlacht zu sprechen. Nur so viel kann ich dir verraten: Dein Versuch geht gegen die Auskunft der Quellen, die sich alle darin einig sind, dass die Varusschlacht in Wäldern und Sümpfen (bei Cassius Dio noch in einer gebirgigen Region stattfanden – was ja auch saltus bei Tacitusbedeutet) und bei Cassius Dio – das ist die Quelle, auf die du dich implizit berufst („Hinweisen einiger Überlieferungen [...], dass im Gebiet der Magna Germania vor der Varusschlacht bereits Kastelle/Wehranlagen, sogar schon siedlungsähnliche Anwesen errichtet wurden“) - steht explizit, dass Varus in weit entfernte Gegenden geführt wurde. Die These steht oder fällt aber nicht erst damit, wenn man beweisen würde, dass burg kein germanisch-stämmiges Wort damit, sondern schon damit, dass nur sehr vage berichtende Quellen völlig überstrapaziert werden. Was immer bei der berühmten póleis-Stelle bei Cassius Dio unterschlagen wird, ist, dass dort steht, dass man gerade mit der Anlage von Städten begann (συνῳκίζοντο < Imperpekt Indikativ = nicht abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit) und dass die besiedelten Gebiete unzusammenhängend (οὐκ ἀθρόα) waren. Das können auch gerade mal zwei oder drei gewesen sein. Etwa Waldgirmes, Mattiacum und Brilon. Nur mal als Beispiele.

Ebenso wird unser Germanicus sechs Jahre später, als er in der Nähe des Varusfelds war, sicher auch keinen direkten, brauchbaren Weg zur Verfügung gehabt haben
Wenn da eine Domäne war, muss es begeh- und befahrbare Wege gegeben haben.
Wenn es solche Wege gibt, benutzt man sie auch.
Sogar wenn der Weg nicht ganz direkt über die Luftlinie zum Ziel führt, ist es immer noch sinnvoller, einen vorhandenen Weg zu benutzen als eine völlig neue Trasse durch Sümpfe und Wälder anzulegen.
 
Was, bitte schön, ist an diesem Szenario denn so unmöglich?
Unmöglich würde ich es nicht nennen. Allerdings nennst Du bisher bestenfalls schwache Indizien. Vorschlag: Wenn Du davon überzeugt bist, Dein Szenario entspräche der typischen römischen Vorgehensweise bei der Eingliederung eines halbwegs befriedeten Territoriums in das Imperium, warum suchst Du dann nicht nach sauber belegbaren Präzedenzfällen in anderen angehenden Provinzen? Wenn wir zum Beispiel den einen oder anderen saltus genannt bekämen, der unmittelbar im Gefolge der römischen Invasionstruppen in Britannien eingerichtet wurde, würde das Deine Position deutlich stärken.
 
deine zweite Frage, lieber dekumatland, ist weitaus schwerer zu beantworten.
In den meisten anderen Provinzen, selbst in Britannien, war die römische Besatzungszeit nahezu ununterbrochen bekannt. Macht man dort römische Funde, wurden diese natürlich zeitlich richtig zugeordnet.
Die Zeit der römischen Einflussnahme auf die Magna Germania wurde erst mit dem Auffinden der Schriften zu Beginn des 16.Jh für die Wissenschaft deutlich. Aus diesem Grund sind von vorher lebenden Zeitgenossen mögliche römische Hinterlassenschaften überhaupt nicht als solche in Betracht gezogen worden, maximal als Handels- oder Beutegut angesprochen worden. Wie geschrieben, selbst steinerne Bauten wurden bis Waldgirmes vehement abgestritten und in die zeit KdG und der Ottonen eingeordnet. Hinzu kommt, dass es natürlich wegen der kurzen Besatzungszeit (maximal 20 Jahre) nun auch nicht allzuviel gebaut wurde, hauptsächlich denke ich da an die Standlager an der Lippe und Hedemünden. Da diese Lager natürlich immer dort angelegt wurden, wo auch der Zugang zum Wasser gegeben war, ist anzunehmen, dass diese mehr oder weniger häufig nachgenutzt wurden. Spätestens mit der Eroberung des nordeutschen Raums der Sachsen durch Karl dem Großen wurden ja zwecks Christianisierung etliche Klöster gegründet. Was lag näher, als diese an den "wohngünstigen" Orten ehemaliger römischer Ansiedlungen/Lager zu gründen, zumal häufig noch Relikte der Vorzeit vorhanden waren. Ich kann das jetzt nicht belegen, meine aber, mich an Nachrichten über Klöster zu erinnern, die als Besonderheit eine Fußbodenheizung aufwiesen. da die alten Mönche ja nun nicht nur pausenlos betend durch ihr Kloster gezogen sind, sondern auch tüchtige Landwirte, Handwerker (und oft auch Krieger) waren, sollte es ihnen durchaus gelungen sein, solche römischen Anlagen weiterzunutzen, bzw. zu reparieren. Dass dann, bei Jahrhunderte andauernder Bewohnung dieser ehemals römischen Plätze (Lager, Siedlungen, Domänen) nicht mehr viel Römisches zu finden sein kann, sollte doch einleuchten. Sehr gut ist das in Corvey zu sehen. Da steht das baulich nicht recht passende Westwerk, welches sogar unchristliche Wandmalereien aufweist, nun ohne jeglichen weiteren römischen Fund da, wen wunderts?
In Magdeburg beispielsweise wurden während der Grabungen auf dem Domplatz mehrere (drei) Spitzgäben angeschnitten. Ein Ausgräber schrieb in den 60ern von einem "Gewirr von Spitzgräben römischer Art". In den letzten jahren hat Grabungsleiter Kuhn einige Holzreste, deren unterster sich etwa 70cm oberhalb der Grabensohle im Füllmaterial befand, dendrochronologisch untersuchen lassen und kam auf Werte, beginnend im frühen 5.Jh. Er veröffentlichte diese Untersuchung mit dem Titel: "Frühvölkerwanderungszeitliche Befestigungsgräben auf dem Magdeburger Domplatz", welch geniale Formulierung! Beim Bau eines Bankgebäudes am selbigen Platz wurde eine Kapelle mit drei Conchen ergraben, deren Eingang offensichtlich an der Ostseite lag, für ein christliches Gebäude doch sehr ungewöhnlich, nicht wahr.
Ich fasse kurz zusammen:
1. War die römische Einflussnahme sehr kurz, also naturgemäß auch sehr wenig Hinterlassenschaften (im Vergleich zu anderen Provinzen);
2. Durch fehlende Info über diese Zeit wurden frühe Funde oft nicht als römisch angesprochen.
3. Selbst heute, wo man doch mehr über diese Zeit weiß, tut man sich mit römischer Zuordnung von Funden schwer, weil auch den Quellen gegenüber viel Skepsis entgegengebracht wird.

Ehe das Schlachtfeld am Harzhorn entdeckt wurde, hielt man unisono die Berichte über die Feldzüge zur Zeit des Maximus Thrax für unglaubwürdig, ebenso war das bei Waldgirmes. Die communis opinio weicht halt nur widerstrebend zurück um es mal salopp auszudrücken.
 
Sepiola, nicht missverstehen:
"Auch die einzige Erwähnung von Lebensmitteln steht in Zusammenhang mit einer militärischen Expedition. Wer unbedingt glauben möchte, dass diese Lebensmittel aus römischen Gutshöfen stammen, darf das gerne tun. Der darf auch gern in Kauf nehmen, dass die Kundschaft der Gutshöfe sich durch unbekannte Meere und feindliche Völkerschaften durchkämpfen muss, um an deren Produkte zu kommen."

Mit dem Zitat wollte ich nur andeuten, dass es dort durchaus Möglichkeiten gab, reichlich Lebensmittel zu produzieren, als Voraussetzung für die Anlage eines Landgutes. Mehr nicht.
Ich kann mir ja vorstellen, dass ich durch meine Penetranz nervig daherkomme, kein Grund aber hier übereifrig zu werden...
 
Und wo bleiben die Quellen zu Germania Libera der römischen Zeit? Luther hat doch mit dem Herrmann-Hype angefangen...
 
Gibt und gab es nicht im Handel den Brauch Ware gegen Ware? Die Germanen könnten Bernstein, Felle, Wildbeeren, Honig, etc im Angebot gehabt haben, die Leute des Saltus wiederum Werkzeuge, Schmuck, Möbel, Kleidung und vielerlei andere brauchbare Dinge, Handel halt.
Frage, soll ich auch noch erklären, wie man beim Schuhanziehen eine Schleife bindet?
 
Sepiola, wenn Du schon aus der "burgus-Diskussion" zitierst, wirst ja auch Du mitbekommen haben, dass schon vor Lebzeiten des Tacitus Orte mit "-burgiensis" im Namen vorkamen. Hab ich behauptet, der Name des römischen Saltus oder der Wehranlage in der Nähe sei auch römischer Herkunft?

Schön, dass Du genaueres über den Weg des Caecina zum Schlachtfeld weißt, da bist Du mir voraus. Chapeau!

Letzlich wissen wir nicht, was ein normaler römischer Leser unter Saltus verstand. Am Beispiel des Catull, der sich ja nun wirlich an die breite Masse wandte, hatte ich gezeigt, dass zumindest er davon ausging, die Bedeutung als Landgut sei dem römischen Volk geläufig.
 
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