Hallo zusammen,
Tacitus hat in seinen (verloren gegangenen) Quellen zur Beschreibung der Varusschlacht mit Sicherheit die Beschreibung Saltus und andere Fakten dazu zur Verfügung gehabt. In seiner Schilderung der Germanicuszüge setzt er dieses Wissen beim Leser seiner Zeit voraus. (Edit: Musste ich korrigieren, war falsch geschrieben)
Zu den Saltus-Beispielen, die oben angeführt wurden (Danke dafür und für die Mühe!) will ich mich jetzt nicht weiter auslassen, komme aber später drauf zurück. Vorerst nur folgender Gedanke: Es fallen mir mehrere Möglichkeiten ein, wie sich statt "Silva" der "Saltus" in den Text geschlichen haben könnte.
Bei den Kunstprodukten der Übersetzer, wie: Waldschlucht, Waldtal, Waldgebirge, Waldpass stelle ich nur eine Frage: Wie oft hast Du, liebe Leserin/lieber Leser, diese konkreten Wörter in Deinem eigenen Sprachgebrauch (außerhalb dieses Forums natürlich) jemals verwendet? Wie oft hast Du diese Wörter (außerhalb dieses Forums natürlich) in einem beliebigen Roman, einer Erzählung gelesen?
Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit anzusetzen, dass ebenso gebildete Römer dieses machen sollten? Ich sehe daher auch für mich keinen Grund, mich weiter mit diesen Formen zu beschäftigen!
Bleiben Pass und Wald. Für beides gibt es jeweils ein eigenständiges Wort im Lateinischen, einmal claustrum (mit weiteren anderen Bedeutungen) und silva. Warum sollten diese für die Dinge, die sie bezeichnen, nicht verwendet werden? Jetzt kann eingewendet werden, im Deutschen gibt es auch andere Bezeichnungen für Wald. Jedoch sind diese (Forst, Tann, Holz, Gehölz) oft nur noch Bestandteile von Eigennamen, im allgemeinen Gebrauch sind sie ansonsten selten, oder?
Für Pass habe ich im Deutschen im Moment kein ordentliches Synonym parat, Gebirgsübergang, Gebirgsweg?
Es kann demzufolge nicht verwerflich sein anzunehmen, dass ein Verfasser (Tacitus, Livius - besonders Letzterer nicht im Verdacht stehend, besonders quellengenau zu sein), aber auch ein Kopist, einerseits wegen der visuellen Ähnlichkeit der Wörter silva und saltus, andererseits wegen ihrer Verwandschaft als Bezeichnung von "Örtlichkeiten"/bestimmten Gebieten) in der Landschaftsbeschreibung, statt silva dann saltus (und umgekehrt natürlich) verwendet hatte.
Aber genug davon.
Festzustellen bleibt, wenn ich die zitierten Quellen in den letzten 20 Seiten für Saltus als Flächeneinheit/Landgut/Ländereien mit denen, die sich nur mit Wald (und den Zusammensetzungen damit)übersetzen lassen, von der reinen Zahl her vergleiche, obsiegt gefühlt die erstere Variante (ich zähle das aber nochmal aus). Zugleich gibt es etliche Stellen, wo der Textzusammenhang beide Möglichkeiten zulässt.
Zumindest die gängigen Wörterbücher favorisieren Wald und dergleichen und sind daher definitiv unvollständig, bzw. fehlerhaft. Aber das nur nebenbei.
Kommen wir zum teuto burgiensi saltu (so zumindest im Exemplar der Annalen in Florenz so zu sehen):
Welche vorliegenden Nachrichten lassen ein Landgut in Germanien möglich erscheinen?
1. Florus berichtet (Fettgedrucktes und Jahreszahlen von mir):
Epitome
22. Doch da er(Augustus) wusste, dass sein Vater Gaius Iulius Caesar zweimal mit einer Brücke den Rhein überschritten und den Krieg gesucht hatte, begehrte er heftig, es jenem zur Ehre zur Provinz zu machen,…“
„26. Außerdem verteilte er (Drusus) zur Sicherung der Provinz Besatzungen und Wachmannschaften überall entlang der Maas, der Elbe und der Weser. Am Rheinufer ließ er mehr als 50 Kastelle errichten.“ (12 bis 9 vor Chr.)
Paterculus meldet:
Historia Romana, Buch 2, 97
(4) Die Last dieses Krieges wurde daraufhin Tiberius Nero übertragen, und er meisterte seine Aufgabe mit dem ihn eigenen Glück des Tüchtigen. Siegreich durchzog er alle Gebiete Germaniens, und zwar ohne jeglichen Verlust für die ihm anvertrauten Truppen; darauf war er bei seiner Heeresführung besonders bedacht. Er unterwarf Germanien so vollständig, dass er es fast zu einer steuerpflichtigen Provinz machte.“ (7 vor Chr.)
Cassius Dio ergänzt:
Romanica Historia
„55,9-10,2-3 …Domitius Ahenobarbus hatte früher, als er noch die Gebiete an der Donau verwaltete, die Hermunduren, die ihre Heimat aus mir unbekannten Grund verlassen hatten, und auf der Suche nach neuem Land umherirrten, unter seinen Schutz genommen und in einem Teil des Markomannengebiets angesiedelt. Und er hatte die Elbe, ohne dass ihm jemand entgegentrat, überschritten. Freundschaftsverträge mit den dortigen Barbaren geschlossen und an dem Strom einen Altar für Augustus errichtet.“ (Im Jahre 3 v.Chr.)
Wieder Paterculus:
106
„…bis zum Fluss Elbe geführt, der durch das Gebiet der Semnonen und Hermunduren fließt. (3) Und dem bewundernswerten Glück wie der Vorsorge des Feldherrn sowie seiner genauen Beobachtung der Jahreszeiten war es zu danken, dass sich ebendort die Flotte wieder mit Tiberius Caesar und seinem Heer vereinigte. Sie war die Meeresbuchten entlang gesegelt, war aus diesem zuvor völlig unbekannten Meer in den Elbefluss hinein und stromaufwärts gefahren und brachte außer Siegen über zahlreiche Volksstämme auch eine reiche Fülle von Lebensmitteln aller Art mit sich.“ (5 nach Chr.)
108
(1) Es blieb in Germanien nichts mehr zu erobern übrig, außer dem Volksstamm der Markomannen. (5 nach Chr.)
Schließlich beschreibt Cassius Dio:
56,18,1-5-19,1 …Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert hatten, deshalb berichtet auch die geschichtliche Überlieferung darüber nichts. Ihre Soldaten bezogen hier ihre Winterquartiere, Städte wurden gegründet, und die Barbaren passten sich ihrer Lebensweise an, besuchten die Märkte und hielten friedlich Zusammenkünfte ab."
Das wurde alles schon besprochen. Seit dem Feststellen steinernder Gebäude in Waldgirmes ist auch der jahrhundertealte Widerstand der etablierten Wissenschaftlergemeinde, grade gegen die Glaubwürdigkeit von C.Dio bezüglich von Städten in der Magna Germania, zerstoben.
Stellen wir also fest, seit Tiberius hielten sich großere Truppenverbände sowohl im Sommer, als auch im Winter dauerhaft im Inneren Germaniens auf. Was liegt näher, als bei diesen Truppenlagen und auch den entstehenden zivilen Siedlungen/Städten nun auch mit der Einrichtung von land- und viehwirtschaftlichen Einrichtungen, sogar mit Bergbau zu beginnen, die, natürlich, in kostengünstiger Nähe zu den Absatzmärkten lagen (wie von El Quijote als Bedingung gefordert). Wie wir wissen, waren dies in den Provinzen zuerst kaiserliche Domänen. Warum, liebe Freunde, soll denn solch ein Saltus nicht beispielsweise die Bezeichnung einer naheliegenden römischen Befestigung erhalten haben? Sowas ist doch nicht außergewöhnlich!
Dass nun Varus, besonders nach dem Verbrennen eines Großteils seines Trosses, umgeben von feindlichen Truppen und mit wenig Versorgungsgütern (die Germanen griffen ja nahezu immer bevorzugt den Tross an) mit aller Macht auf kürzestem Weg versucht ein solches Landgut zu erreichen und dabei nun keinen befestigten Weg nehmen kann, sondern durch "Dick und Dünn" mit seinen Leuten ziehen muss (ihr wißt, was ich meine), ist doch auch unschwer vorstellbar, nicht?
Ebenso wird unser Germanicus sechs Jahre später, als er in der Nähe des Varusfelds war, sicher auch keinen direkten, brauchbaren Weg zur Verfügung gehabt haben, warum sonst sollte er den Caecina vorschicken einen Weg zu bahnen und die möglichen Verstecke (im Sinn von Hinterhalte?) des Saltus zu durchsuchen?
Was, bitte schön, ist an diesem Szenario denn so unmöglich?
Beste Grüße
Ostfale