Sex im Mittelalter

"Die Gemeinsamkeit darin zwischen Mittelalter und Heute ist, dass sexuelle Gewalt an Kindern oft härter bestraft wurde als an Erwachsenen."

Wüßte jemand, welche Quellen der Behauptung zugrunde liegen?
 
"Die Gemeinsamkeit darin zwischen Mittelalter und Heute ist, dass sexuelle Gewalt an Kindern oft härter bestraft wurde als an Erwachsenen."
Wüßte jemand, welche Quellen der Behauptung zugrunde liegen?

In "Ritter, Tod und Teufel" geht P. Reliquet dem "Wirken" von Gilles de Rais nach.

Seine extremen sexuellen Neigungen waren wohl selbst für die Verhältnisse des Mittelalters und auch gemessen an seiner hervorgehobenen Position für die Kirche nicht akzeptabel.

Er wurde öffentlich angeklagt und es liegen deshalb "belastbare" Quellen zu diesem Verfahren vor. Vielleicht hilfreich als Einstieg.

Ob und inwiefern Deine Vermutung zutrifft oder nicht, kann ich nicht beantworten.
 
[...] Gilles de Rais [...] wurde öffentlich angeklagt und es liegen deshalb "belastbare" Quellen zu diesem Verfahren vor. Vielleicht hilfreich als Einstieg.

Ob und inwiefern Deine Vermutung zutrifft oder nicht, kann ich nicht beantworten.

Ganz herzlichen Dank für deinen Einstiegshinweis. Zunächst vorweg: es ist nicht meine Vermutung, sondern scheint die von Ruth Mazo Karras (Sexualität im Mittelalter. Artemis & Winkler Verlag: Düsseldorf, 2006) zu sein (vgl. Sexualität im Mittelalter | Deutschland im Mittelalter)

Dem erwähnten Fall soll sich sogar Georges Bataille gewidmet haben, wie meine kurze Recherche dazu ergibt.
Es heißt, er sei als bretonischer Baron und Mitstreiter Johanna von Orleans' sowie einer der reichsten Männer Europas gewesen; Philippe Reliquet beschreibt anhand dieser Figur beispielhaft "[d]ie herausragende Stellung hochadeliger Ritter und ihre teilweise exessive Nutzung von Gewalt", worauf du an anderer Stelle hinweist (http://www.geschichtsforum.de/644757-post31.html). Das ist für mich insofern instruktiv, weil Du dort auf den breiteren Kontext von Zivilationsprozessen erweitert um die Perspektive der protestantischen Ethik hinweist, für mich ein unerläßlich theoretischer Hintergrund.

Wie dem auch sei, als junger Mann wurde er unter Karl VII. französischer Maréchal, zog sich aber schon Anfang der 1430er Jahre auf sein Schloß Tiffauges (Vendée) zurück und soll ein verschwenderisch, ausschweifendes Leben geführt haben. Es hatte sich auch mit Alchemie beschäftigt und damit hängt in weiteren Sinne der Anlaß seines Verfahrens zusammen.

Hochinteressant ist der rapide Abstieg, der auf dem Hintergrund der modernen neurowissenschaftl. Theorien eine neurologische Erkrankung nahelegen würde, aber in bezug auf die Betrachtung des damaligen Zeitpunkt wäre das Bemühen um eine neurologische Erklärung für das ihm vorgeworfene Verhalten auch anachronistisch, zudem auch eine Kriegsverletzung spezielle im Kopfbereich wohl nicht überliefert ist.
Anlaß des Verfahrens wurde das Ereignis, daß Gilles de Rais einen gewissen Jean le Ferron hat "prügeln und einsperren lassen" (Das Schwarze Netz - Gilles de Rais). Er schein als Kindermörder wohlbekannt und Vorbild des Blaubarts (http://www.geschichtsforum.de/376286-post19.html; http://www.geschichtsforum.de/213953-post27.html; http://www.geschichtsforum.de/152597-post107.html).

Mit den inhaltlichen Détails, die in den Akten ausgebreitet werden, werde ich mich noch beschäftigen müssen. "[A]us der Anklage wegen der Mißhandlung des Jean le Ferron eine Anklageschrift, welche unter anderem den Mord an mehr als einhundertvierzig Kindern beinhaltete." Neben Häresie und damit zusammenhängenden Angelegenheiten wurde ihm auch Sodomie vorgeworfen (vgl. Pickering).

Im Verhör durch Jean de Malestroit, Birschof von Nantes & Pierre de l’Hôpital vom bretonischen Parlaments soll er gestanden haben:
[Er habe] in den Gemächern und Gewölben seiner Schlösser, so in der Krypta von Tiffauges, etwa einhundertvierzig Kinder abgeschlachtet [...], „um sie dem Satan beziehungsweise einem Dämon zu opfern oder nur um seine sadistische Lust zu befriedigen.” An die Kinder sei man durch Anlockung, Raub oder Kauf gelangt
Das Schwarze Netz - Gilles de Rais

Was den Pakt mit dem Teufel betrifft heißt es auf dieser Webseite,* daß er bereits Chantocé/ Chapotoce wegen jahrelanger Ausschweifungen verkauft hatte, aber die Alchemie ihm den erhofften Reichtum noch nicht erbracht hatte. Unter dem Einfluß eines gewissen Francesco Prelati wandte sich De Rays der Teufelsbeschwörung zu (vgl. Habiger-Tuczay). Zum Zwecke des tödlichen Blutkontraktes erfolgt das erste jugendliche Opfer und der „zerrüttete Verstand" des Barons "hatte an dem Gefallen gefunden, was nur ein Behelf sein sollte” und es kam zu weiteren Opfern "einer nunmehr offensichtlich sexuellen Verirrung” (so Schreiber)

Der Historiker Michelet schätzte nach Angabe bei Zacharias die Zahl der getöteten Kinder auf 140, was der im Gerichtsverfahren angegebenen Anzahl entspricht, während Jules Regnault von Knochenfunden berichte, die auf mindestens zweihundert Kinder schließen lasse; Joris Karl-Huysmans hielt demgegenüber sogar eine Zahl von achthundert Opfern für möglich.
Den Schilderungen der sadistischen Praktiken De Rays' soll sich ferner ein Huysmans gewidmet, die sich gemäß Zacharias aber wohl nicht immer mit den Quellenzeugnisse belegen ließen.

* Die angegebene Literatur gehört eigentlich nicht zu einem Thema, mit dem ich mich beschäftigen wollte: David Pickering, Lexikon der Magie & Hexerei (1999); Hermann Schreiber, Die zehn Gebote (1965); Gerhard Zacharias, Satanskult & Schwarze Messe (1964); Christa Habiger-Tuczay, Magie und Magier im Mittelalter (1992); Hans Biedermann, Lexikon der magischen Künste (1998)
 
Hallo,

ich habe hier nur den letzten Beitrag gelesen. Vielleicht wiederhole ich etwas, das schon weiter oben steht.
Ich habe mich früher ausführlich mit Jeanne d`Arc beschäftigt.
Damals habe ich gelesen, dass der besagte Mitstreiter der "Heiligen Johanna" die Vorlage für die Märchengestalt "Ritter Blaubart" wurde. Das war der Herr, der seine Frauen abgemurkst hat.

Grüße
Arti
 
Es ist ein neues Buch zum Thema erschienen: Katherine Harvey: The Fires of Lust. Sex in The Middle Ages. 2001
 
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