Veneter-Veneter...alles das selbe?

@EQ: Ich möchte mich hier nicht lange mit dem iberischen "turg" aufhalten, wir brauchen dazu wirklich einen eigenen Thread. Nur soviel: Du hast schön den Anfang von Villars Prüfprozess ab etwa 2000 herausgearbeitet (er entwickelt übrigens insgesamt 4 Hypothesen, von denen jedoch die dritte gar nicht und die vierte nur mit ihrem Anfang in der Leseprobe enthalten ist). Er hat sich aber nicht darauf beschränkt, offene Fragen als solche stehen zu lassen, sondern daran weiter gearbeitet. Per Internet sind leider nicht alle Etappen dieser Prüfung nachvollziehbar, aber im Ergebnis (letzte Publikation, 2012) stuft Vilar "turgi" als eigene Wurzel indoeuropäischen Ursprungs ein. Das, was ich von Vilar finden konnte und gelesen habe, macht den Eindruck sorgfältiger und fundierter Prüfung unter Abwägung aller Möglichkeiten, einschließlich der eines eingeschobenen Fugenlauts (vgl. seine Diskussion zu Ilurci vs. Iliturgi). Hier traue ich dann dem Urteil eines Experten, der mehr als zehn Jahre am Thema gearbeitet hat, und in Fachkreisen offenbar als Autorität gilt.

...wenn u.a. im RGA die Veneter der Bretagne als keltischer Stamm bezeichnet werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie altkirchenslawisch anstelle von keltisch/gallisch gesprochen haben wie groß?
Wie kommst Du denn auf altkirchenslawisch? Zu Caesars Zeiten, vor Chriisti Geburt? Diese Hypothese must Du uns allen mal genauer erklären!

Nirgendwo in Literatur zu Kelten werden die von Caesar besiegten Veneter nicht zu den Kelten/Galliern gezählt.
Falsch - siehe Gvozdanovic.
Hier hätte ich gerne Belege von Dir, auf welcher Basis welche Fachliteratur den Nachweis führt, die Veneter seien Kelten. Von Caesar kann er nicht stammen, dieser trennt nämlich sauber zwischen Venetern und Galliern:
Caesar - De bello Gallico 3,1-3,29: Caesars drittes Kriegsjahr in Gallien
(3,8,1) Huius est civitatis longe amplissima auctoritas omnis orae maritimae regionum earum, quod et naves habent Veneti plurimas (..) (2) ab his fit initium retinendi Sillii atque Velanii et si quos intercipere potuerunt, quod per eos suos se obsides, quos Crasso dedissent, recuperaturos existimabant. (3) horum auctoritate finitimi adducti, ut sunt Gallorum subita et repentina consilia, eadem de causa Trebium Terrasidiumque retinent.

8. An der ganzen dortigen Seeküste genießen die Veneter bei weitem das größte Ansehen, da sie die stärkste Flotte haben(..) (2) Diese [Veneter] also fingen damit an, den Silius und Velanius festzunehmen, in der Erwartung, sie würden so durch diese die dem Crassus übergebenen Geiseln zurückerhalten. (3) Durch ihr Beispiel verleitet, wie denn die Gallier in ihren Entschlüssen schnell und unbesonnen sind, nahmen auch diese in derselben Absicht den Trebius und Terrasidius in Haft.
Dass Tacitus in Gallien geboren oder gar gallischer Herkunft sei, ist keinesfalls gesichert. Eine Hypothese, kein Faktum.
Dass Tacitus Frau Gallierin (Narbonensis, gallische Herkunft großväterlicherseits), und sein (gallischstämmiger) Schwiegervater Gnaeus Julius Agricula römischer Feldherr und langjähriger Statthalter in Britannien war, steht jedoch fest. Aus der Tatsache, dass Tacitus eine Biographiie seines Schwiegervaters verfasst hat, schliesse ich, dass die beiden öfter miteinander geredet haben. In der Agricola-Biographie selbst liefert Tacitus eine britische Ethnographie und zeichnet diverse britischer Ortsnamen auf. Wenn er also von "lingua Britannica" (interessant übrigens, dass er diese nicht unter Keltisch subsumiert) schreibt, weiss er, was darunter zu verstehen ist, und benutzt den Begriff sicher nicht unreflektiert. So weit zur Quellenkritik.
Gnaeus Iulius Agricola ? Wikipedia
Latein-Imperium.de - Tacitus - Agricola - Kapitel X-XVII: Ethno- und Geographie Britanniens; Prozess der Eroberung

Davon abgesehen, macht Tacitus gar keine Aussage zur Sprache der Veneter, auch keine generelle Aussage "zu den Sprachen östlich der Weichselmündung". Die zitierte Aussage macht Tacitus zu genau einer Sprache, nämlich der der Aesten:
[Ich wusste, ich kann mich auf Dich verlassen, und muss die Belege nicht selbst raussuchen! Nimms mir nicht übel...:winke:]
Tacitus notiert zwei "Fremdkörper" östlich der Weichselmündung: Die Aesten, die lingusitisch nicht ins Bild passen, und die Veneter, die sich durch feste Wohnsitze von den Sarmaten unterscheiden. Aus der Ähnlichkeit der aestonischen zur britischen Sprache können wir auf weiträumige Wanderungsbewegungen quer durch Europa schließen (wer da von wo nach wo wanderte, ist eine andere Frage, dazu sagt Tacitus nichts). Dies legt den Verdacht nahe, dass auch der zweite "Fremdkörper", die Veneter, durch Wanderung an die Weichselmündung gelangt sind, wo sie dann "von ihren Sitten [der Sarmater] viel angenommen haben".
Dazu passend der Verweis im RGA auf die Zaruhincy-Kultur, als wahrscheinliches kulturelles Äquivalent der taciteischen Veneter. Diese, lt. RGA "repräsentiert ein ähnliches Kulturmodell wie es in den frühkaiserzeitlichen arch. Kulturen Mitteleuropas zum Ausdruck kommt (z.B. in der Przeworsk-Kultur)." Letztere, in ihrer Spätphase auch (unscharf) als wandalische Kultur bezeichnet, zeigt in ihrer Frühphase starke LaTene-Einflüsse. Kontakt zum vindelekischen Manching ist belegt. Ptolemäus nennt in der Region die (nicht eindeutig lokalisierten) Ortsnamen Budorgis, Budorgium und Coridorgis, deren Anklang zwar spanische Onomastiker inspiriert, aber sicherlich rein zufällig lautliche Parallelen (einschließlich der Vorsilbe) zu Opitergum aufweist.
Przeworsk-Kultur ? Wikipedia

Es handelt sich lediglich um die indogermanische Sprachwurzel *wenos, was in etwa "die Beliebten" heißt.
Das Argument hatten wir doch schon durch. Die Wurzel ist im balto-slawischen nicht zu finden, wie kam sie also dann an die Weichsel? Haben die Germanen Veneter erst als Wonne gesehen, später, nach Einfügung eines Fugenlauts, ihre Ansicht gewendet?
http://www.geschichtsforum.de/729590-post102.html

Kurz gesagt: Ich sehe einige Indizien dafür, dass die diversen Veneter zusammenhängen könnten. In die Gegenrichtung ist bislang nichts Stichhaltiges gekommen. ("Kein Beweis" ist kein Gegenbeweis). Sofern dtes so bleibt, ist die Hypothese, die Veneter hingen nicht zusammen, statistisch auf hohem Signifikanzniveau (99,9%) zurückzuweisen. Alles andere ist unwissenschaftlich.
 
Dass Tacitus in Gallien geboren oder gar gallischer Herkunft sei, ist keinesfalls gesichert. Eine Hypothese, kein Faktum.

Davon abgesehen, wäre auch ein gallischer Geburtsort kein Grund zur Annahme, dass Tacitus persönlich Sprachstudien bei den Stämmen östlich der Weichsel betrieben hat.

Auf was für Informationen hier Tacitus zurückgegriffen hat, wird sich kaum rekonstruieren lassen.
 
Tacitus notiert zwei "Fremdkörper" östlich der Weichselmündung: Die Aesten, die lingusitisch nicht ins Bild passen, und die Veneter, die sich durch feste Wohnsitze von den Sarmaten unterscheiden.

Falsch.

Aus Tacitus geht nicht hervor, dass er die Veneter als "Fremdkörper" ansieht. Sie gehören zu einer Gruppe von Stämmen, die teils germanische, teils sarmatische Züge haben. Dabei rechnet Tacitus die Veneter trotz sarmatischer Einflüsse eher zu den Germanen.


Die Wurzel ist im balto-slawischen nicht zu finden, wie kam sie also dann an die Weichsel?
Im Germanischen ist sie zu finden.
Wenn nun Tacitus recht hat und die Weichsel-Veneter doch Germanen waren?
 
...wenn u.a. im RGA die Veneter der Bretagne als keltischer Stamm bezeichnet werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie altkirchenslawisch anstelle von keltisch/gallisch gesprochen haben wie groß? Richtig: null.
Wie kommst Du denn auf altkirchenslawisch? Zu Caesars Zeiten, vor Chriisti Geburt? Diese Hypothese must Du uns allen mal genauer erklären!
das erkläre ich dir gerne: ich hätte auch jede andere nichtkeltische Sprache einsetzen können - die Antwort "null" wäre in jedem dieser Fälle richtig. Und die Frage nach Hypothesen erübrigt sich übrigens... ;)

nebenbei: eine einzige Ausnahme, welche die Veneter der Bretagne als etwas anders denn als gallisch/keltisch betrachtet, überzeugt mich nicht. Und ich sehe deswegen auch keinen notwendigen Grund, jetzt eine umfangreiche Literaturliste zu den keltischen Stämmen vorzulegen.
 
nebenbei: eine einzige Ausnahme, welche die Veneter der Bretagne als etwas anders denn als gallisch/keltisch betrachtet, überzeugt mich nicht. Und ich sehe deswegen auch keinen notwendigen Grund, jetzt eine umfangreiche Literaturliste zu den keltischen Stämmen vorzulegen.
Caesar überzeugt Dich nicht? Auf welcher Basis näherst Du Dich denn der Geschichte?

P.S: Die Troglodyten sind übrigens nicht schlecht. Keine Höhlenbewohner, sondern antike Seefahrer aus der Gegend um den Hafen Berenike, die u.a. mit dem Edelstein Topaz handelten (genauso hast Du den Hinweis sicherlich auch gemeint).
 
Zuletzt bearbeitet:
P.S: Die Troglodyten sind übrigens nicht schlecht. Keine Höhlenbewohner, sondern antike Seefahrer aus der Gegend um den Hafen Berenike, die u.a. mit dem Edelstein Topaz handelten (genauso hast Du den Hinweis sicherlich auch gemeint).
Du und Tante Wiki, ihr seid euch oftmals unseins...
Plinius der Ältere erwähnt eine Insel im Roten Meer mit dem Namen Topazos. Das Wort topazin sei troglodytisch und bedeute „suchen“, da die Insel oft im Nebel verborgen liege. Das Wort sei im Lateinischen zu der Bezeichnung des entsprechenden Halbedelsteins, des modernen Edel-Olivins, geworden. Schäfer[8] leitet dieses Wort von nubisch tube (suchen) bzw. tubesun, „du suchtest“ ab, Murray von tabesin, „ich/wir suchten“.[9] Die Troglodyten hätten demnach eine nubische Sprache gesprochen.
Troglodyten ? Wikipedia

...aber wenn deine Thesen sich durchsetzen, dann wird man natürlich auch am Roten Meer Veneter finden :)
 
Hier traue ich dann dem Urteil eines Experten, der mehr als zehn Jahre am Thema gearbeitet hat, und in Fachkreisen offenbar als Autorität gilt.

Es zählen Argumente, nicht Autoritäten. Sonst wird nämlich aus Wissenschaft Religion.
(Interessant ist nebenbei, dass du Villar glaubst, Untermann dagegen, der eine ebensolche Autorität in der Indogermanistik ist, wie Villar, und als Herausgeber des maßgeblichen Corpus iberischer Inschriften das Material liefert, mit dem auch Villar arbeitet, diese Autorität absprichst.)

Ich will dir noch mal das Problem erklären: Das Iberische ist eine Trümmersprache. Sie ist isoliert. Damit ist die Ausgangsbasis für die Erforschung des Iberischen eine völlig andere, als für das Indoeuropäische. Während wir für das Iberische fast nur Münzlegenden und nur sehr, sehr wenige längere Inschriften und ein paar punisch, griechisch und/oder römisch überformte Ortsnamen vorliegen haben, haben wir für das Indoeuropäische eine Vielzahl zum Teil noch lebender, zum Teil toter aber breit überlieferter Sprachen vorliegen. Die indoeuropäischen Sprachen lassen sich daher sowohl syn- als auch diachron untersuchen.
Das können wir alles beim Iberischen nicht. Wir haben nur die paar Trümmer, die aus einem Corpus von nur wenigen Worten bestehen. Da kann ein Untermann oder ein Villar ein noch so versierter und noch so renommierter Historiolinguist sein, er kann mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden nicht dahinter dringen. Dass ein iberisches -turg- ein indoeuropäisches Lehnwort ist, ist möglich aber dummerweise unmöglich zu beweisen. Seine Bedeutung kennen wir nicht, nur eine hypothetische Bedeutung unter der Voraussetzung, dass es ein indoeuropäisches Lehnwort ist - was wir ja nicht beweisen können. Deshalb können alle Deutungen dieses Wortes als indoeuropäisch nur spekulativer Natur sein, Renommee des spekulierenden Wissenschaftlers hin oder her.

Um es dir auf andere Weise zu veranschaulichen: Unser Universum ist riesengroß. Es ist möglich, dass es andere Sonnensysteme gibt, in denen Leben möglich ist bzw. sogar existiert. Unseriös wäre es, wenn jetzt die HU Berlin einen Fachbereich Astrozoologie einrichten würde und irgendwelche Professoren wissenschaftlich ernstgemeinte Fachbücher über die Tierwelt des nämlichen Planeten schriebe, denn es gäbe keine Möglichkeit das zu überprüfen. Rumspinnen darf man natürlich.

So in etwa stellt sich die Situation angeblich indoeruopäischer Silben im Iberischen dar.


Von Caesar kann er nicht stammen, dieser trennt nämlich sauber zwischen Venetern und Galliern:
Caesar - De bello Gallico 3,1-3,29: Caesars drittes Kriegsjahr in Gallien
Setzen wir mal in den Text Sioux und Lakota ein:
An der ganzen dortigen Seeküste genießen die *Lakota bei weitem das größte Ansehen, da sie die stärkste Flotte haben, mit der sie regelmäßig nach Britannien fahren, so, wie sie denn an Kenntnis und Übung im Seewesen alle anderen übertreffen. [...] (2) Diese *Lakota also fingen damit an, den Silius und Velanius festzunehmen, in der Erwartung, sie würden so durch diese die dem Crassus übergebenen Geiseln zurückerhalten. (3) Durch ihr Beispiel verleitet (wie denn die *Sioux in ihren Entschlüssen schnell und unbesonnen sind) nahmen auch ihre Nachbarn in derselben Absicht den Trebius und Terrasidius in Haft.
Noch mal die Frage: Unterscheidet Caesar die Veneter wirklich von den Galliern?

In der Agricola-Biographie selbst liefert Tacitus eine britische Ethnographie und zeichnet diverse britischer Ortsnamen auf. Wenn er also von "lingua Britannica" (interessant übrigens, dass er diese nicht unter Keltisch subsumiert) schreibt, weiss er, was darunter zu verstehen ist, und benutzt den Begriff sicher nicht unreflektiert. So weit zur Quellenkritik.
Hier widersprichst du dir doch bzgl. Tacitus' Sprachkompetenz selbst! Wir wissen, dass die Briten Keltisch sprachen. Und Tacitus soll zwar einerseits Keltisch gekonnt haben und die linguistische Kompetenz zu beurteilen, dass Aestisch und Britisch verwandt gewesen seien, aber andererseits nicht erkannt haben, dass die Briten Keltisch sprachen?

Was die Fakten angeht, irrst du im Übrigen. Tacitus schreibt über die Briten und Gallier: sermo haud multum diversus - ihre Rede unterscheidet sich nicht sehr (voneinander). Weiter schreibt er, dass die Briten noch erhalten hätten, was früher alle Gallier auszeichnete: Quod Britannorum olim victis evenit: ceteri manent quales Galli fuerunt.

Nirgendwo in Literatur zu Kelten werden die von Caesar besiegten Veneter nicht zu den Kelten/Galliern gezählt
Falsch - siehe Gvozdanovic.
Auf Basis von was?!

Aus der Ähnlichkeit der aestonischen zur britischen Sprache können wir auf weiträumige Wanderungsbewegungen quer durch Europa schließen
Wie oft soll man dich eigentlich noch darauf hinweisen, dass es in der Antike keine Linguistik gab und selbst Personen, die linguistisch bewandert sind, manchmal keine Chance haben, Sprachen nach Gehör richtzig zuzuordnen?!

Kontakt zum vindelekischen Manching ist belegt.
Nur dass du dass niemand außer die die Vindeliker für eine Variante der Veneter hält...

Ptolemäus nennt in der Region die (nicht eindeutig lokalisierten) Ortsnamen Budorgis, Budorgium und Coridorgis, deren Anklang zwar spanische Onomastiker inspiriert, aber sicherlich rein zufällig lautliche Parallelen (einschließlich der Vorsilbe) zu Opitergum aufweist.
Ich erinnere daran, dass Sepiola schon die eindeutig lokalisierten Orte Offenbach, Aschaffenburg und Wolfenbüttel genannt hatte. Leider ziehst du daraus keine Schlüsse.

Wenn du dir die Karte dort mal anschaust, wirst du sehen, dass die Przework-Kultur nichts mit den Adria-Venetern und nichts mit den Weichselvenetern zu tun hat. Die Weichselveneter würden wohl archäologisch am ehesten mit der in der Karte als westbaltischen Hügelgräberkultur übereinstimmen, die Aesti mit der Estländischen Gruppe.
Was also soll der Link also genau beweisen?

Das Argument hatten wir doch schon durch. Die Wurzel ist im balto-slawischen nicht zu finden, wie kam sie also dann an die Weichsel?
Es sterben ganze Sprachen aus und es sterben auch Worte in Sprachen aus. Die Nichtexistenz eines Lexems L(s) in der modernen Sprache S(m) bedeutet nicht, dass das Lexem L(s) auch in den älteren Sprachstufen der betrachteten Sprache S(vm), S(a) nie existiert habe. Umgekehrt kannst du nicht erwarten, dass wenn die ältere Sprachstufe einer Sprache - S(a) - an einem Ort O gesprochen wurde, die gegenwärtig an Ort O gesprochene Sprache S(m) ist. Oder dass S(m) dort gesprochen wird, wo ihr Vorläufer S(a) gesprochen wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es zählen Argumente, nicht Autoritäten. Sonst wird nämlich aus Wissenschaft Religion.
(Interessant ist nebenbei, dass du Villar glaubst, Untermann dagegen, der eine ebensolche Autorität in der Indogermanistik ist, wie Villar, und als Herausgeber des maßgeblichen Corpus iberischer Inschriften das Material liefert, mit dem auch Villar arbeitet, diese Autorität absprichst.)
Mich überzeugt der Teil der Argumentation Villars, den ich über das Internet erschließen kann. Untermanns frühe These, "turgi" sei lediglich eine Abwandlung der Wurzel "-urgi", halte ich durch Villar für widerlegt. Untermann hat sich sicherlich ebenfalls in den letzten 20 Jahren weiter entwickelt, nur kann ich seine aktuelle Position im Internet nicht finden. Bring mir seine Gegenargumente zu Villar, so vorhanden, zur Kenntnis, und ich setze mich damit auseinander. Oder kritisier Villars Argumentation bezüglch Ilurgi vs. Iliturgi im Detail, nicht mit dem hier nicht zutreffenden, pauschalen "Trümmersprache"-Argument. Gerade an solchen Punkten zeigt sich doch, dass Illyrisch nicht isoliert ist, sonder über linguistische Vernindungen zu Baskisch und Keltisch verfügt, und die Analyse dieser Verbindungen ist Teil des wesentlichen Erkenntnisfortschritts der letzten Jahre.
Aber noch mal: Ich finde, diese Diskussion gehört in einen eigenen Thread und sollte nicht hier fortgesetzt werden.

Setzen wir mal in den Text [Caesars] Sioux und Lakota ein:
Oder setzen wird dort "Marsmenschen" und "Erdlinge" ein. Was zeigt das? Aus Caesar last sich kein Rückschluss ableiten, dass die bretonischen Veneter mit den Nachbarvölkern in Abstammung und Sprache identisch waren.
Die Numismatik hilft dort leider ebenfalls (noch) nicht weiter. Sie zeigt, dass bretonische Veneter zur sogennanten "keltischen Münzzone" gehörten; diese umfasst jedoch auch adriatische Veneter, Daker, Keltiberer etc. Von anderen keltischen Münzen unterscheiden sich bretonisch-venetische erheblich, u.a. durch ihre Schriftlosigkeit, spezielle Motive (Pferde mit Menschenkopf), hohen Silbergehalt der Legierungen, und hochwertigen Guss der Rohlinge.
Münzwesen, keltisches. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 20, 2002, pp. 365-372 | Peter Kos - Academia.edu
https://hal.archives-ouvertes.fr/file/index/docid/245898/filename/ajp-rphysap_1988_23_5_955_0.pdf
Venetische Münzen wurden kaum in der Gallia Narbonensis, dagegen wohl in Britannien gefunden. Caesar beschreibt intensive Verflechtung mit Britannien (u.a. Mobilisierung britannischer Unterstützung durch die Veneter), Zudem finden wir "Veneter" auch in Wales (Gwynedd), und die Namenparallele zwischen Cornuaille (Region um Kap Finistere) und Cornwall ist sicherlich nicht zufällig. Die Annahme, die bretonischen Veneter sprachen Bryhonisch (und waren deshalb auch bevorzugtes Remigragtionsziel im 5./6. Jahrhundert) ist mindestens so plausibel wie die, dass sie Festlandkeltisch sprachen. Beweisbar ist beides nicht.
Coins and Power in Late Iron Age Britain - John Creighton - Google Books
A guide to Iron Age coins

Hier widersprichst du dir doch bzgl. Tacitus' Sprachkompetenz selbst! Wir wissen, dass die Briten Keltisch sprachen. Und Tacitus soll zwar einerseits Keltisch gekonnt haben und die linguistische Kompetenz zu beurteilen, dass Aestisch und Britisch verwandt gewesen seien, aber andererseits nicht erkannt haben, dass die Briten Keltisch sprachen? (..) Tacitus schreibt über die Briten und Gallier: sermo haud multum diversus - ihre Rede unterscheidet sich nicht sehr (voneinander).
Lies doch Deine Argumentation mal von unten nach oben:

  1. Tacitus stellt gewisse, kleinere Unterschiede zwischen Kontinentalkeltisch und Britannisch (Brythonisch?) fest. Hier kann offenbleiben, ob er Schwiegerpapa mal in Britannien besucht hat und dabei selbst Britisch gehört hat, ihm Briten in Rom untergekommen sind, oder er seine Information vom Schwiegerpapa hat, der als gebürtiger Gallier (Narbonensis) sieben Jahre in Britannien gelebt hat.
  2. Tacitus stuft Britannisch als dem Gallischen eng verwandte, aber eigenständige Sprache (innerhalb der keltischen Sprachfamilie) ein, eine Erkenntnis, die inzwischen unter Keltologen als gesichert gilt, vgl. http://www.wales.ac.uk/Resources/Documents/Research/CelticLanguages/GibsonWodtko.pdf
    [Soweit zum Thema linguistische Kompetenz, bevor sich Geographie, Historik, Ethnologie und Linguistik zu akademischen Fächern entwickelten - mit dem Argument kannst Du ebenso Ptolemäus und Strabo zu irrelevanten Quellen erklären. Sprachschulen waren zu Tacitus Zeiten staatlich finanziert, und die Etymologie und Entwicklungsgeschichte des Worts "Grammatik" ist Dir vermutlich bekannt.]
  3. Tacitus macht ohne Not eine Bemerkung zur Sprache der Aestionien. Er kann auf eine solche Aussage problemlos verzichten, wie er es bei Finnen und Sarmatern tut. Sie trägt auch nichts zur "story" der germanischen "edlen Wilden" bei. Der einzige plausible Grund für seine Aussage ist, dass er sie für eine neue und bemerkenswerte Erkenntnis hielt. In dem Fall wird er seine Quellen sauber geprüft haben, Auch dass er Ähnlichkeit zur "Sprache der Britannier", nicht etwa, sehr viel unverfänglicher, zur "Sprache mancher Völker am Atlantik" feststellt, zeigt mir, daß er seiner Einordnung ziemlich sicher war.
Fortsetzung folgt
 
Gerade an solchen Punkten zeigt sich doch, dass Illyrisch nicht isoliert ist, sonder über linguistische Vernindungen zu Baskisch und Keltisch verfügt

Anscheinend ist Dir nicht klar, was man unter einer isolierten Sprache versteht.
Schau doch hier mal nach: Isolierte Sprachen ? Wikipedia

Tacitus macht ohne Not eine Bemerkung zur Sprache der Aestionien.
Tacitus macht eine Menge Bemerkungen "ohne Not". Das ganze Büchlein hat er eigentlich "ohne Not" geschrieben. Er hätte es auch bleibenlassen können.

Er hat halt nur diejenigen Informationen verwerten können, die ihm vorlagen.

Über Informationen zu spekulieren, von denen niemand weiß, ob sie ihm vorlagen oder nicht, ist Unfug.
 
Mich überzeugt der Teil der Argumentation Villars, den ich über das Internet erschließen kann. Untermanns frühe These, "turgi" sei lediglich eine Abwandlung der Wurzel "-urgi", halte ich durch Villar für widerlegt.
Villar spekuliert (notwendigerweise! :rechts: aufgrund des nun schon mehrfach angesprochenen Problems, dass die Methoden der Historiolinguistik aufgrund des Trümmersprachencharakters des Iberischen an ihre Grenzen stoßen). Mit Spekulationen lässt sich nichts widerlegen. Allenfalls kann man zwei verschiedene Möglichkeiten nebeneinander stellen. Wir haben hier nichts weiter als ein Gedankenexperiment, welches sich nicht verifizieren bzw. falsifizieren lässt. Warum ist das so schwer zu begreifen?

Uwe Hinrichs skizziert im Handbuch der Eurolinguistik, S. 312, die Problematik schön deutlich:
"Die Wortbedeutungen sind naturgemäß in Trümmersprachen die am meisten spekulative und daher verwundbare Seite der Textinterpretation."
Untermann hat sich sicherlich ebenfalls in den letzten 20 Jahren weiter entwickelt, nur kann ich seine aktuelle Position im Internet nicht finden.
Untermann ist vergangenes Jahr verstorben.

Bring mir seine Gegenargumente zu Villar, so vorhanden, zur Kenntnis, und ich setze mich damit auseinander.
Habe ich doch:
- ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass Iberisch eine Trümmersprache ist
- ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass Villar - Renommee hin oder her - mangels Methode lediglich eine Hypothese (ein Gedankenexperiment) formulieren kann. Eine Hypothese ist kein Beweis sondern muss bewiesen werden.
Wenn du das nicht zur Kenntnis zu nehmen bereit bist, ist das nicht mein Problem.

Oder kritisier Villars Argumentation bezüglch Ilurgi vs. Iliturgi im Detail, nicht mit dem hier nicht zutreffenden, pauschalen "Trümmersprache"-Argument.
Was daran ist "pauschal"? Wenn es Neuigkeiten zum Iberischen gibt, die seinen Trümmersprachencharakter aufheben, dann teile mir das bitte mit. Ansonsten nimm einfach den Hinweis auf das Faktum, dass es sich um eine Trümmersprache handelt mit den nämlichen Konsquenzen für die Altsprachenforschung, an.

(Im Übrigen, ein kleiner Zufallsfund, Untermann bezeichnet das Iberische sogar als totale Trümmersprache:
"Die Sprachvergleichung bringt aber auch eine neue Schwierigkeit in die Definition von Trümmersprachen hinein: Sie zwingt uns zu unterscheiden zwischen
1. 'totalen Trümmersprachen', die wir nur durch die gegebenen Sprachtrümmer kennen und nicht in genetische Zusammenhänge einordnen können, wie das Etruskische und das Iberische.
2. Trümmersprachen, die sich mit anderen Sprachen in einer (Genetisch definierten= Sprachfamilien vergleichen lassen und ort für einen Teil ihrer Elemente eine grammatische 'Erklärung' finden, z.B. die venetischen oder die lybischen Inschriften;
3. [...]
4. [...]"
Zu den Begriffen 'Restsprache' und 'Trümmersprache', in Beck, Heinrich: Germanische Rest- und Trümmmersprachen, Berlin 1989, S. 15 - 20, hier: S. 17)

Gerade an solchen Punkten zeigt sich doch, dass Illyrisch nicht isoliert ist, sonder über linguistische Vernindungen zu Baskisch und Keltisch verfügt, und die Analyse dieser Verbindungen ist Teil des wesentlichen Erkenntnisfortschritts der letzten Jahre.
Wer hat behauptet, dass Illyrisch isoliert sei? Illyrisch ist (wie auch Keltisch) eine indoeuropäische Sprache. Baskisch dagegen hat damit nichts zu tun.


Aus Caesar last sich kein Rückschluss ableiten, dass die bretonischen Veneter mit den Nachbarvölkern in Abstammung und Sprache identisch waren.
Richtig, das Gegenteil aber eben auch nicht. Genau das hast du aber insinuiert.

Lies doch Deine Argumentation mal von unten nach oben:


Tacitus stuft Britannisch als dem Gallischen eng verwandte, aber eigenständige Sprache (innerhalb der keltischen Sprachfamilie) ein,

Tut er das? Er schreibt, dass die beiden Sprachen sich wenig unterschieden.

Dazu muss man nicht einmal Keltisch können. Man beobachtet einfach, wie sich ein Gallier mit einem Briten unterhält und zieht daraus - vielleicht falsche, vielleicht richtige - Schlussfolgerungen.

Der einzige plausible Grund für seine Aussage ist, dass er sie für eine neue und bemerkenswerte Erkenntnis hielt.

Oder weil er es einfach geglaubt hat... So wie ich jedes Mal wenn ich Portugiesisch höre, obwohl ich in Spanisch studiert habe, meine, eine Slawische sprache zu hören.

In dem Fall wird er seine Quellen sauber geprüft haben...
Ich muss dein Vertrauen in Tacitus leider enttäuschen. Hin und wieder macht er Aussagen und an anderer Stelle behauptet er das glatte Gegenteil. Ich kenne jedenfalls keinen Sprachwissenschaftler, der eine keltische Ortsnamenschicht im Baltikum identifiziert hätte. Und die Germania ist ja ein bekannter Text, hätte also schon mal jemand drauf kommen können, danach zu suchen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Als hätte er diese Diskussion vorausgesehen, kritisiert Wojciech Sowa den leichtfertigen Umgang mit Trümmersprachen:
"Verschiedene und sehr oft völlig gegenseitige Meinungen sind vor allem das Ergebnis der Benutzung der 'etymologischen' Interpretation sehr spärlich belegten Materials, d.h. man versucht vor allem die Formen zu etymologisieren, indem man sie mit anderen Formen aus besser belegten Sprachen vergleicht. Aber die Rückschlüsse bleiben immer problematisch, da die Mehrheit des Materials im onymischen Bereich bleibt, dem keine richtige 'Bedeutung' zugeschrieben werden kann."
 
Anscheinend ist Dir nicht klar, was man unter einer isolierten Sprache versteht.
Schau doch hier mal nach: Isolierte Sprachen ? Wikipedia
Wenn Du den Link schon postest, hättest Du ihn auch gleich lesen können. Dann wäre Dir aufgefallen, dass Iberisch dort nicht unter den isolierten, sondern unter den unklassifizierten Sprachen geführt wird. Rate mal, warum? Vielleicht, weil da in den letzten Jahren viel geforscht wurde, und die alte These der Isolierung langsam bröckelt?

OT, aber wo ich gerade dabei bin: Saarbrucken wurde lange Zeit als "Brücke an der Saar" gedeutet, bis irgendwem auffiel, dass die erste belegte Brücke etwa 500 Jahre nach der ersten Nennung des Ortsnamens errichtet wurde. In Innsbruck haben wir nur gut 70 Jahre Differenz (erste urkundliche Nennung 1167, erster Beleg der Brücke 1239), aber immerhin. Die alte Römerbrücke lag wohl innaufwärts bei Zirl, das Stift Wilten besaß im 12. Jahrhundert das Fährrecht über den Inn.
Innsbruck
Dann schau doch mal auf diesen Ort in Tirol:
https://www.google.de/maps/@47.0304095,10.61389,15z/data=!5m1!1e4
Auch schön (Blick auf die Karte lohnt sich - ja wo ist sie denn, die Brücke?)
Bruck am Ziller ? Wikipedia
Ich denke, bei der Innsbrucker Etymologie sollten wir beide ganz, ganz vorsichtig sein und abwarten, bis ein Tiroler Ortsnamensforscher (oder der Innsbrucker Stadtarchäologe) ein paar "Selbstverständlichkeiten" kritisch überprüft hat...
 
Wenn Du den Link schon postest, hättest Du ihn auch gleich lesen können. Dann wäre Dir aufgefallen, dass Iberisch dort nicht unter den isolierten, sondern unter den unklassifizierten Sprachen geführt wird. Rate mal, warum? Vielleicht, weil da in den letzten Jahren viel geforscht wurde, und die alte These der Isolierung langsam bröckelt?

Eigentlich ist es umgekehrt. Man hat in der Vergangenheit das Iberische a) in Verwandtschaft zum Baskischen gesehen (vgl. ib. Iliberri und bask. Iriberri) und b) eine Verwandtschaft zum Berberischen angenommen. Beides hat man ad acta gelegt.
 
Zur Sprache der bretonischen Veneter:
Richtig, das Gegenteil aber eben auch nicht. Genau das hast du aber insinuiert.
Inhaltlich sind wir uns ja einig. Aber zur Erinnerung: Ich schrieb

Ich bin kein Experte, was Ceasars Texte angeht, aber ich erinnere, dass dort Aussagen zu den Belgae (kelto-germanische Mischung) und zu den Aquitanern (nicht-keltisch) enthalten sind. Schreibt er irgendwas zur Sprache der bretonischen Veneter? Oder tut dies ein anderer antiker Historiker?
Falls nicht, können wir bestenfalls vermuten, dass eine gewisse Sprachkontinuität im Vannetais herrscht - da kommt dann Gvozdanovics Analyse ins Spiel, die Parallelen zwischen Venetisch und dem Vannetais findet. Oder wir nehmen an, dass Bretonisch komplett auf die Re-Keltisierung des Frühmittelalters zurück geht. In dem Fall wissen wir überhaupt nichts über die dortige Sprachlandschaft vor der rümischen Eroberung.
Hier hätte ich gerne Belege von Dir, auf welcher Basis welche Fachliteratur den Nachweis führt, die Veneter seien Kelten. Von Caesar kann er nicht stammen, dieser trennt nämlich sauber zwischen Venetern und Galliern:
Caesar - De bello Gallico 3,1-3,29: Caesars drittes Kriegsjahr in Gallien
Altkirchenslawisch etc. stammte von anderen hier.

Tut er das? Er schreibt, dass die beiden Sprachen sich wenig unterschieden.
Wir wissen, dass die Briten Keltisch sprachen. Und Tacitus soll zwar einerseits Keltisch gekonnt haben und die linguistische Kompetenz zu beurteilen, dass Aestisch und Britisch verwandt gewesen seien, aber andererseits nicht erkannt haben, dass die Briten Keltisch sprachen?
Eben. Er hat es erkannt, und dies auch in seiner Agricola-Biographie kundgetan. Und in seinem nächsten Buch spricht er von der "Sprache der Briten" - weil sie sich ähneln, aber nicht gleichen.

Oder weil [Tacitus] es einfach geglaubt hat [dass die Sprache der Aestionen der der Briten ähnelt]... So wie ich jedes Mal wenn ich Portugiesisch höre, obwohl ich in Spanisch studiert habe, meine, eine Slawische sprache zu hören.
Und diesen Spracheindruck poblizierst Du sicherlich außerhalb dieses Forums:winke:

Ich muss dein Vertrauen in Tacitus leider enttäuschen. Hin und wieder macht er Aussagen und an anderer Stelle behauptet er das glatte Gegenteil.
Das sollten wir gelegentlich im Saltus-Thread vertiefen...

Ich kenne jedenfalls keinen Sprachwissenschaftler, der eine keltische Ortsnamenschicht im Baltikum identifiziert hätte. Und die Germania ist ja ein bekannter Text, hätte also schon mal jemand drauf kommen können, danach zu suchen...
Guter Punkt. Allerdings befürchte ich gerade im Baltikum, dass so ziemlich alles Nicht-Slawische dort schnell zu Gemein-indoeuropäisch erklärt wird (hilfsweise auch mal zum vor-indoeuropäischen Ursubstrat). Und im Zweifelsfall greift man dann lieber zur Trümmersprache Prussisch als zur Trümmersprache Venetisch..

Auch wissen wir, dass die slawische Migration nicht viele vor-slawische Ortsnamen übergelassen hat. Meine beiden potentiell keltischen Kandidaten (Opole und Olmouc) liegen beide westlich der Weichsel, östlich hab ich noch nicht gesucht. Also bleibt die Hoffnung auf tendenziell migrationsresistente Hydronyme, aber solche könnten auch ein paar keltische Jahrhunderte unverändert überdauert haben.

P.S: Dieser Ort (erste Nennung als "Luk") lommt potentiell venetisch daher. Eine Parallele zum adriatisch-venetischen Flußnamen Liquentia (zu lat. liquere gestellt) überzeugt mich zumindest mehr als die Ableitung "Gelbe Seerose".
E?k ? Wikipedia
Der Ortsname Chelm (poln. Hügel, vgl. Lat. culmen, ndt. Holm) wird 981 erstmals erwähnt. Etwas früh für eine lateinische Entlehnung (Polen wurde 966 christianisiert). Dlugosiodlo nordöstl.Warschau wirkt auch nicht sehr slawisch.

Vielleicht sollte wirklich mal jemand anfangen, nach keltischen und venetischen Toponymen östlich der Weichsel zu suchen...

PPS: Das Beste natürlich zum Schluss: Brest(-Litowsk), auch noch mit typisch venetischen -st.
 
Zuletzt bearbeitet:
PPS: Das Beste natürlich zum Schluss: Brest(-Litowsk), auch noch mit typisch venetischen -st.

Was soll ein "typisch venetisches -st" sein?

Bei den einen Venetern geht man davon aus, dass sie eine keltische Sprache / Dialekt sprachen, von den anderen V. kennt man nur einige Relikte (Trümmersprache), von den wieder anderen V. weiß man nicht, was sie gesprochen haben. Wie soll man daraus ein typisches "st" rekonstruieren? Die Lautfolge "st" dürfte sich in mehreren Sprachen finden.

zu Brest:
The city was founded by the Slavs. As a town, Brest – Berestye in Kievan Rus – was first mentioned in the Primary Chronicle in 1019 when the Kievan Rus took the stronghold from the Poles.

en.wikipedia.org/wiki/Brest,_Belarus#History

und zu Litovsk:

and Brest-Litovsk ("Брэст-Лiтоўск" in Belarusian, literally "Lithuanian Brest")
 
Allerdings befürchte ich gerade im Baltikum, dass so ziemlich alles Nicht-Slawische dort schnell zu Gemein-indoeuropäisch erklärt wird (hilfsweise auch mal zum vor-indoeuropäischen Ursubstrat). Und im Zweifelsfall greift man dann lieber zur Trümmersprache Prussisch als zur Trümmersprache Venetisch..

Das grenzt schon an Verschwörungstheorie.


Dieser Ort (erste Nennung als "Luk") lommt potentiell venetisch daher. Eine Parallele zum adriatisch-venetischen Flußnamen Liquentia (zu lat. liquere gestellt) überzeugt mich zumindest mehr als die Ableitung "Gelbe Seerose".
E?k ? Wikipedia

Ich weiß nicht, wie und mit welcher Methode du zu der Einschätzung "potentiell venetisch" kommst.
Ich habe mit der Herleitung des Ortsnamens Luk/Ełk von der Teichrose überhaupt kein Problem, da er nach dem See benannt wurde: Jezioro Ełckie. Orts- und Gewässernamen geben häufig Rückschlüsse auf die (vermeintliche) Qualität: Buenos Aires (Gute Luft), Oakland, Glasgow (Grüner Grund), Chicago (Wilder Knoblauch), Green Bay (so heißen gleich mehrere Städte). So eben auch der Teichrosensee. Und Orte heißen nun mal häufig nach den Gewässern, an denen sie liegen: Moskwa, Lippstadt, Lippspringe, Paderborn, Koblenz (< Confluentia = Zusammenfluss), Innsbruck, Haselünne, so gut wie alle Städte auf -münde(n), -mouth, -muiden oder Inver- (alles drei bezeichnet die Flussmündung), Emden, Emsdetten, Emsbüren, Strausberg, Siegburg, Siegen, Ruhrort, Gurgelnde Gewässer (Dortmund), Moselkern (< Moselkeran = Moselkehre)...


Der Ortsname Chelm (poln. Hügel, vgl. Lat. culmen, ndt. Holm) wird 981 erstmals erwähnt.
Ja?

Etwas früh für eine lateinische Entlehnung (Polen wurde 966 christianisiert). Dlugosiodlo nordöstl.Warschau wirkt auch nicht sehr slawisch.
Du wirst lachen: Długo|siodło lässt sich sogar übersetzen: "Langer Sattel". Ich habe freilich keine Ahnung, ob das wirklich die ursprüngliche Bedeutung des Namens ist, oder nicht pseudoetymologisch überformt, so dass ein dunkler Name einen scheinbaren Sinn erhielt (vgl. hamaca > Hamoc - Hangmat/Hängematte). Aber doch, zumindest in der präsenten Form wirkt er sogar sehr slawisch.
 
Auch wissen wir, dass die slawische Migration nicht viele vor-slawische Ortsnamen übergelassen hat.
Falls wir das sicher wissen*) (ich übernehme es einfach mal so) so stellt sich doch eine weitere und folgenreiche Frage: wann war das? Wann fand die slawische Landnahme statt?
...und daran schließt sich die Frage: wann zofften sich diverse (=unterschiedliche!) Veneter und wurden erwähnt?

...die aremoricanischen Veneter (ein keltischer (!) und ergo keltisch sprechender Stamm in der Bretagne) machte zu Caesars Zeiten Furore - slawische Gentes tauchen im Dunstkreis der röm.-byz. Kultur erst bei Prokop auf -- wie viele Jahrhunderte liegen dazwischen?

Ich hoffe, es ist nicht ganz unbekannt ist, dass Spekulationen, welche "Slawen" schon in der Antike irgendwo verorten/nachweisen wollen, ziemlich ahistorisch sind (d.h. Konstrukte sind, die eine besonders alte Geschichte darstellen wollen) Gesichert als slawisch tauchen slawische Gentes erst in der Spätantike auf, und jede Pseudoverbindung zu füheren Gentes ist nichts anderes als wilde Spekulation (um es noch höflich zu formulieren) Und streng genommen "beweisen" slawische Sprachen absolut nichts in Sachen diese oder jene Veneter.

...ja, ich weiß... dann kommt die Frage: warum aber werden Slawen als Wenden bezeichnet? Die Antwort im Kontext hier ist schlicht: jedenfalls nicht wegen der aremoricanischen oder adriatischen Veneter. Wenden ? Wikipedia also ganz offensichtlich eine frühmittelalterliche Angelegenheit mit ein paar "gelehrsamen lateinischen Reminiszenzen".

_________
*) wie erklärst du sprachlich einen slawischen Namen wie Nowgorod? (und das ist für die Historie der Slawen nicht irgendein Name...)
 
Vielleicht sollte wirklich mal jemand anfangen, nach keltischen und venetischen Toponymen östlich der Weichsel zu suchen...

Man kann nicht etwas suchen, was nicht vorhanden ist. Östlich der Weichsel hat noch kein Sprachwissenschaftler keltische Ortsnamen ausgemacht. Ich wüsste auch nicht, wie die dahingekommen sein sollten.

Nach venetischen Ortsnamen kann man nicht suchen, da die Sprache der Weichsel-Veneter unbekannt ist - es sei denn, es handelt sich um eine frühslawische Sprache. Ob allerdings die ostgermanischen Stämme noch etwa von frühslawischen Ortsnamen übrig ließen, ist zweifelhaft.
 
Ich will noch mal meine, teils von EQ mißverstandene, teils auch meinerseits lückenhafte Argumentation zu den baltischen Venetern klarer herausarbeiten:

  1. Das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA, Bd. 32, S. 134f) identifiziert die taciteischen baltischen Veneter mit der Zaruhincy-Kultur im Prypiat und Mitteldnjepr-Gebiet. Wie weit diese Identifikation zutrifft und überzeugt, habe ich nicht überprüft.
    Reallexikon der germanischen Altertumskunde - Johannes Hoops - Google Books
    Vgl. hier auch die Interpretation späterer Veneter-Nennungen an der Weichselmündung bzw. dem Frischen Haff.
  2. Lt. RGA "repräsentiert [die Zaruhincy-Kultur] ein ähnliches Kulturmodell wie es in den frühkaiserzeitlichen arch. Kulturen Mitteleuropas zum Ausdruck kommt (z.B. in der Przeworsk-Kultur)." (ebd.)
  3. Die Przeworsk-Kultur, in ihrer Spätphase auch (unscharf) als wandalische Kultur bezeichnet, zeigt in ihrer Frühphase starke LaTene-Einflüsse. Diese Einflüsse dürften u.a. mit der Migration der Bojer nach Böhmen in Verbindung stehen. Kontakt der Przeworsk-Kultur zum vindelekischen Manching ist belegt, so dass die LaTene-Einflüsse in die Przeworsk-Kultur auch auf wirtschaftliche Verflechtung deuten.
Zusammengefasst gab es also einen La Tene-zeitlichen kulturellen Diffusionsprozess vom Ostalpenraum bis östlich der Weichsel, der z.T auch mit belegten kelischen Migrationen (Bojer) in Verbindung gebracht werden kann. Interessanterweise nennt, etwa zeitgleich mit Tacitus Beschreibung der Aestioren im süd-westlichen Baltikum, Strabo die Estionen als Teilstamm der Vindeliker (Hauptort Cambodunum / Kempten).
Cambodunum ? Wikipedia

Nur dass du dass niemand außer die die Vindeliker für eine Variante der Veneter hält...
Na ja, die römische Provinz Raetia Secunda (Hauptstadt Augusta Vindelicorum) umfasste auch große Teile Tirols, ein (alt-)ventischer Siedlungsraum.
Raetia ? Wikipedia
Im selben Gebiet sollen aber auch Kelten wie die Venostes im heutigen Vinschgau oder die (indogermanischen, aber nicht keltischen) Veneter gesiedelt haben. Letztere gaben Venetien (dem Hinterland Venedigs) den Namen, aber auch der Bodensee wurde zuweilen Lacus Venetus genannt.
Zweifellos waren die Vindeliker nördlich der Alpen in der fraglichen Zeit längst keltisiert, diese Keltiieierung setzte ab etwa 500 v. Chr. ein. Manching war sicherlich ein keltisches, kein venetisches Oppidum. Traditionell wird vorher illyrische Besiedelung angenommen, aber mit der Abkehr von "panyllirischen" Hypothesen wird dies zunehmend in Frage gestellt. Der Einfluß des (alt-venetischen) Oaidg auf Toponyme ist belegt, Spätbronzezeitliche Ausbreitung aus dem Inntal nicht nur nach Süden, sondern auch nach Nordwesten macht geographisch Sinn, und ist im übrigen auch für den Oberrhein (als Mischzone) archäologisch nachgewiesen. Die Sprachwissenschaftler der Uni Wien zumindest sehen vorkeltische venetische Besiedlung des Allgäus als gesichert an (nachfolgender Link, S. 39), wobei Begründung und Belege schon etwas ausführlicher hätten ausfallen können.
http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Namensforschung-2009W-Scheuringer.pdf

Ich denke, der zentrale Alpenraum einschließlich seines nördlichen und südlichen Vorlands im 1. Jahrtausend v. Chr. kann als etruskisch-ostindogermanische Mischzone aufgefasst werden, wobei Veneter (plus Illyrer?) für das frühe indoeuropäische Element, "Rätier" für nicht eindeutig zuordbare Mischstufen stehen, und ab 500 v. Chr. keltische Überformung nördlich, aber auch südlich und im Osten der Alpen (Noricum) hinzutrat.
Aus dem südalpinen Raum heraus sind vielfache kulturelle Diffusionsprozesse fassbar. Exemplarisch gennant seien hier zunächst die Situlen, um 600 v. Chr. prägend für die venetische Este-Kultur, ab dem 3. Jh. v.Chr. dann auch (abgewandelt) in der Przeworsk-Kultur bzw. der (elbgermanischen) Großrömstedter Gruppe.
http://de.wikipedia.org/wiki/Situla_(Gefäß)
http://www.belginum.de/fileadmin/Belginum/images/l32_Situlae_Zusammenfassungen.pdf
Ein zweiter wesentlicher Aspekt, der (mindestens) einen eigenen Beitrag erfordert, ist die Verbreitung der Schriftlichkeit. Die Ähnlichkeit des (aus dem etrurischen Alphabet hervorgegangenen) venetischen Alphabets mit den germanischen Runenschriften ist vermutlich bekannt. Ich habe dem Thema bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet, weil es schnell unangenehm "bräunlich" oder esoterisch-mystisch wird. Daher zunächst die Frage: Weiss von Euch jemand mehr über das Manchinger Alphabet, und/ oder die gotische Runenschrift? Zum Einlesen erst mal Folgendes:
Reallexikon der germanischen Altertumskunde - Johannes Hoops - Google Books
http://www.uni-trier.de/fileadmin/forschung/projekte/ZAT/CEL/celtscr.pdf

Zu den Ortsnamen:
Auf Boudorgis, Boudorgium und Coridorgis bin ich durch Villar aufmerksam geworden (der hier übrigens, im Gegensatz zu anderen iberischen Onomastikern, zumindest noch 2002 Bezüge zu "-turgi" für nicht belegbar hielt). Egal ob Boudorgis/-ium als Verballhornung von Opitergum, oder (häufiger und wohl auch wahrscheinlicher) als "Ochsenmarkt" gedeutet wird, die Form ist offensichtlich keltisch, die Wurzel möglicherweise venetisch "terg". Mit "Tergolape" gibt es bereits einen Beleg für die Keltisierung dieser Wurzel, "-dorgis/ium" sind mögliche weitere Belege, die dann nebenbei auch auf Unterschiede zwischen dem Keltisch der Noriker und der Bojer hindeuten würden. Lokalisiert werden die "-dorgis" irgendwo ih Böhmen oder Schlesien, damit ware dann etwa die halbe Distanz zwischen Tergeste und dem Kiewer Rus (altrussisch "trg"=Markt) überbrückt.

Ich habe mit der Herleitung des Ortsnamens Luk/Ełk von der Teichrose überhaupt kein Problem, da er nach dem See benannt wurde: Jezioro Ełckie.
Dann stellt sich natürlich die Frage, ob das in Elckie bzw. Luk offenbar verborgene Hydronym das selbe ist, dass auch in Liquentia und Lika (Lech) steckt. Falls dies bejaht wird, erscheint eine IE-Wurzel, die auch in lateinisch liquere zu finden ist. Bevor da jemand über Veneter redet, kommt das ganze in die gemeinindoeuropäische Sprachschicht, und das Thema ist durch. Keine Verschwörungstheorie, beobachtbare Praxis, siehe hier (S. 37):
http://www.eurasischesmagazin.de/images/magazin/04-10/udolph_nebra.pdf
Im vorgenannten Link ist auch die Diskussion der "-st"-Namen (S. 17f) interessant, wobei die beigefügte Kartierung im Südalpenraum lückenhaft scheint (Samest/Grbd., Val Venusta, Nostertal, etc., sowie viele im Text genannte Beispiele fehlen). Gleiches gilt für das Baltikum. Eine Prüfung, ob Ostrau/ ostrow hier anschließbar ist, hätte ich mir ebenfalls gewünscht.
[Bei allem Respekt vor Hr. Udolph - die Schlußbetrachtung (ab S. 38) zu den Indogermanen halte ich für "ageographischen Blödsinn" (wie gelangen Indoeuropäer von Mitteleuropa über das Baltikum an den Ganges, ohne die Pontische Steppe oder den Balkan zu passieren), Dies soll aber nicht hier vertieft werrden, sondern gehört in einen anderen Thread].
Du wirst lachen: Długo|siodło lässt sich sogar übersetzen: "Langer Sattel".
Ich lache nicht. Da ja nun allgemein bekannt ist, dass Dein Polnisch besser als Dein Portugiesisch ist, hatte ich so einen Kommentar erhofft und bin für die (vorläufige) Klärung dankbar. Dass "Langer Sattel" auf, z.B., Italienisch nicht viel anders klingen würde, ist Dir vermutlich auch aufgefallen. Na ja, gemeinindoeuropäisch eben...
Was Chelm angeht - die Infos entstammen dem deutschen Wikipedia. Bei der Überprüfung dürften polnische Sprachkenntnise (die mir abgehen) nützlich sein...
Che?m ? Wikipedia
Chełm [ˈxɛwm] (ukrainisch und russisch Холм/Cholm) ist eine Stadt in Polen in der Woiwodschaft Lublin östlich von Lublin unweit der Grenze zur Ukraine. Der Name Chełm kommt von altslawischen cholm und bedeutet „Hügel“. (..) Der erste schriftliche Beleg über die Existenz einer Siedlung stammt aus dem Jahr 981, als die Stadt in altrussischen Chroniken als Teil des Fürstentums Halitsch erwähnt wurde.
 
Zurück
Oben