Veneter-Veneter...alles das selbe?

Man braucht dazu nicht unbedingt Knochen (wenn man sie hätte, wäre es natürlich besser).

Es würden schon genetische Proben von Menschen genügen, die heute in den betroffenen Gegenden leben (im Veneto, in der Gegend von Vennes in der Bretagne und an der Weichsel). Würden diese Proben mehr genetische Gemeinsamkeiten aufweisen als das durchschnittlich zu erwarten ist, wäre der Beweis erbracht, dass sie anfangs in einem Stammesverband zusammenlebten, der sich später – aus welchen Gründen auch immer – in 2 oder 3 Gruppen aufsplittete, die ab einem bestimmten Zeitpunkt getrennte Wege gingen.

Ein solches Szenario ist doch denkbar, oder?


Selbst wenn sich diese Gemeinsamkeiten fänden wäre die Aussagekraft fragwürdig. Nur als Beispiel: Etliche polnische Adlige, aber auch solche in Westfrankreich führten ihre Abstammung auf Sarmaten/Alanen zurück.
Was hätte man also bewiesen?
 
wenn man aber gesicherte venetische Gräber hätte, könnte man sich die ganze Kaffesatzleserei ja schenken
ja klar, und wenn man, wie in einer satirischen Erzählung von Arno Schmidt, den Tacitus oder der Caesar für ein paar Tage reanimieren könnten (in der Erzählung widerfährt das Goethe), dann könnte man sich angeregt mit diesen über allerlei (Weichselveneter, Varusschlachtfeld etc.) unterhalten :D

ist ein lesenswerter Roman!
 
ja klar, und wenn man, wie in einer satirischen Erzählung von Arno Schmidt, den Tacitus oder der Caesar für ein paar Tage reanimieren könnten (in der Erzählung widerfährt das Goethe), dann könnte man sich angeregt mit diesen über allerlei (Weichselveneter, Varusschlachtfeld etc.) unterhalten :D


Fragt sich, was Tacitus oder Caesar tatsächlich über Weichselventer wussten. :devil:
 
Selbst wenn sich diese Gemeinsamkeiten fänden wäre die Aussagekraft fragwürdig. Nur als Beispiel: Etliche polnische Adlige, aber auch solche in Westfrankreich führten ihre Abstammung auf Sarmaten/Alanen zurück.
Was hätte man also bewiesen?
Ganz einfach: Durch die genetische Untersuchung der beiden Gruppen der Adligen könnte man deren Aussagen entweder bestätigen oder eben nicht bestätigen.

Auch hier geht es darum, eine Annahme zu überprüfen: Ob es genetische Gemeinsamkeiten zwischen den heutigen Populationen in den vermuteten 3 „Veneter“-Regionen gibt, die über die erwarteten bzw. normalen Gemeinsamkeiten hinausgehen.
 
Ganz einfach: Durch die genetische Untersuchung der beiden Gruppen der Adligen könnte man deren Aussagen entweder bestätigen oder eben nicht bestätigen.
könnte man das tatsächlich?
gibt es innerhalb indoeuropäischer Bevölkerungen so große genetische Unterschiede, dass man anhand von Knochenfunden eindeutig sagen könnte "das hier sind französische Knochen, diese hier sind schwedisch, jene dort sind polnisch und die da drüben sind portugiesisch"?
 
könnte man das tatsächlich?
gibt es innerhalb indoeuropäischer Bevölkerungen so große genetische Unterschiede, dass man anhand von Knochenfunden eindeutig sagen könnte "das hier sind französische Knochen, diese hier sind schwedisch, jene dort sind polnisch und die da drüben sind portugiesisch"?


Und selbst wenn man das könnte - was zu bezweifeln ist - könnte man dann die Gemeinsamkeiten als "venetisch" oder als "sarmatisch" qualifizieren?
Sicher nicht...
 
könnte man das tatsächlich?
gibt es innerhalb indoeuropäischer Bevölkerungen so große genetische Unterschiede, dass man anhand von Knochenfunden eindeutig sagen könnte "das hier sind französische Knochen, diese hier sind schwedisch, jene dort sind polnisch und die da drüben sind portugiesisch"?
Bei meinem Vorschlag geht es nicht um alte Knochen, sondern um Genproben heute lebender Menschen.

Ich habe es doch deutlich geschrieben - Zitat:

"Auch hier geht es darum, eine Annahme zu überprüfen: Ob es genetische Gemeinsamkeiten zwischen den heutigen Populationen in den vermuteten 3 „Veneter“-Regionen gibt, die über die erwarteten bzw. normalen Gemeinsamkeiten hinausgehen."
 
könnte man das tatsächlich?
gibt es innerhalb indoeuropäischer Bevölkerungen so große genetische Unterschiede, dass man anhand von Knochenfunden eindeutig sagen könnte "das hier sind französische Knochen, diese hier sind schwedisch, jene dort sind polnisch und die da drüben sind portugiesisch"?

Jein.

Man kann von einem Knochen sehr wohl sagen: Der ist nahe dran am Durchschnitt der französischen Bevölkerung, aber weiter weg vom Durchschnitt der polnischen Bevölkerung.
(Wobei die wenigsten Franzosen genau beim Durchschnitt der französischen Bevölkerung liegen.)

Man kann aber nicht sagen: Das ist ein indoeuropäischer Knochen (z. B. Franzose) oder ein nicht-indoeuropäischer Knochen (z. B. Baske).

Anhand von Knochenfunden kann man Verwandtschaftsverhältnisse zu heutigen Bevölkerungen herstellen, hier als Beispiel die Linienbandkeramiker (A generell, B Derenburg):
http://www.plosbiology.org/article/...ournal.pbio.1000536.g003&representation=PNG_M
 
Zuletzt bearbeitet:
jetzt verstehe ich etwas nicht: wenn dein Vorschlag ohne alte Knochen gemeint ist, wie soll er dann was über die Leute vor 2000-3000 Jahren aussagen?
Darum geht es doch gar nicht – siehe den Eröffnungsposting des Threads, ich zitiere: „Gibt es zwischen solchen Stämmen einen Zusammenhang?“

Über den Sinn einer solchen Untersuchung (ohne alte Knochen) habe ich bereits geschrieben:
[FONT=&quot]
Es würden schon genetische Proben von Menschen genügen, die heute in den betroffenen Gegenden leben (im Veneto, in der Gegend von Vennes in der Bretagne und an der Weichsel). Würden diese Proben mehr genetische Gemeinsamkeiten aufweisen als das durchschnittlich zu erwarten ist, wäre der Beweis erbracht, dass sie anfangs in einem Stammesverband zusammenlebten, der sich später – aus welchen Gründen auch immer – in 2 oder 3 Gruppen aufsplittete, die ab einem bestimmten Zeitpunkt getrennte Wege gingen.

Ein solches Szenario ist doch denkbar, oder?
[/FONT]
 
Über den Sinn einer solchen Untersuchung (ohne alte Knochen) habe ich bereits geschrieben:
aber auch obwohl du bereits geschrieben hast, verbleiben bei mir massive Zweifel: aus welchem Grund sollen mehr als genug Leute jahrtausendelang nicht nur an der Weichsel verblieben sein, sondern obendrein sich so sehr von der großen Zuwanderung (slaw. Landnahme) abgegrenzt haben, dass man sie nicht mit Abodriten & Co. "genetisch" verwechseln kann?
mich überzeugt ein genetischer Versuch, der insgesamt komplett unbekannten Weichselveneter habhaft werden zu wollen, nicht.
 
Lies doch einfach mal z. B. den Kollmann-Aufsatz, auf den Du Dich gerade berufst. Da steht z. B.:
Kollmann
Konkret in diesem Fall dürfte der genaue Ausgang -nā gelautet haben. Dabei handelt es sich entweder um die Endung des Nominativs Singular eines Femininums oder des Nominativs/Akkusativs Plural eines Neutrums.
Zunächst wäre das in diesem Falle unschädlich, da der venetische Nom. Sing. Fem. auf -a endet. Vor allem aber bietet Kollmann ja zu der von Dir zitierten Ableitung eine rein venetische Alternative, die ich ja schon im "Germanische Landnahme"-Thread zitiet hatte, und die Du wohl übesehen hast:
Darüber hinaus ist in einer venetischen Inschrift in Este (Provinz Padua) der Vorname kvito belegt. Als kuitos begegnet der Name auch auf der gallischen Inschrift von Briona (Provinz Novara). (..) Ein entsprechender, mit unserem Wort ‘weiß’ urverwandter Personenname *Kwito < *Kwiton könnte also durchaus im Venetischen existiert haben und ins Gallische entlehnt worden sein. (..) Aus ostalpenidg. *Kwéidona, *Kwídona wurde im lateinischen Mund *Kwedona, *Kwidóna und durch vulgärlateinische Kürzung der Langvokale *Kwedó-na, *Kwidóna. Durch den westromanischen Ausfall von d in intervokalischer Stellung entstand *Kweó-na, *Kwióna und durch die alpenromanische Vereinfachung von Kw - zu K- schließlich alpenrom., altlad. *Keóna, *Kióna.
[Dass *kwidona= "die Weisse" auch als venetische Bezeichnung eines Wasserlaufs in Frage kommt, sei hier nur am Rande angemerkt.]
Nur macht Kollmann halt nicht, was er Deiner Meinung nach ohne Problem hätte tun können: Er leitet Kiens aus dem Ostalpenindogermanischen ab - nicht dem Venetischen (das er mit dem Ostalpenindogermanischen für verwandt, aber nicht für identisch erklärt).
Du scheinst das obige Kollmann-Zitat im "Germanische Landnahme"-Thread wirklich überlesen zu haben. Er führt dort Ostalpenindogermanisch explizit auf Venetisch (potentiell mit gallischer Vermittliung) zurück.
Und auch aus dem Ostalpenindogermanischen natürlich nicht "direkt", sondern über Latein - Vulgärlatein - Alpenromanisch/Altladinisch.
Latein/ Vulgärlatein braucht er lediglich für die Akzentverschiebung auf die zweite Silbe, die für die Ableitung jedoch nicht erforderlich ist. Der "westromanische Ausfall von d in intervokalischer Stellung" kommt für die Ostalpen etwas unmotiviert. Intervokalischer Konsonentenausfall ist jedoch auch für Venetisch belegt - zwar nicht bei "d", aber bei "k" und "g". Auch Alpenromanisch ist verzichtbar - die diesem zugeschriebene Vereinfachung von Kw- zu K- ist aus dem Venetischen bestens bekannt, vgl. kwe>ke ("und", lat. que), oder e.kvopetari.s>e.kupetari.s ("Pferdewagenführer").
[Umgekehrt gefragt: Wo stammt diese "alpenromanische" Kw>K Vereinfachung her? Sie ist weder kontinental- bzw. P-keltisch (weil dort "Kw" zu "p" wurde), noch goidelisch (Q-Keltisch, weil es "Kw" bewahrte), noch (west-)romanisch (dort wurde kw vor hellem Vokal zu "c", ital. cinque, frz. cinc, span. cinco), noch Germanisch. Das klassische etruskische Alphabet (ab 600 v. Chr.) besass kein "k" mehr. Was bleibt?]

Breonen, Genaunen und Fokunaten sind Namen von Einzelstämmen. Die werden werden von Anreiter und anderen zusammengefasst als "Ostalpenindogermanen" (oder auch mal als "Ostalpenblock") bezeichnet.
Dann ist die Theorie von "Breonisch" als Einzelsprache also wohl inzwischen vom Tisch. Gut so, denn "Breonen" als Name der Innromanen ist ja noch bis ins 9. Jhd. belegt, da hätte weitere Verwirrung gelauert.
Jetzt musst Du noch sagen, wer "und andere" sind, damit wir jeweils wissen, über welchen der (sich ja offenbar doch unterscheidenden Ansätze) wir sprechen.
Wenn Du Schürr und sonst niemand meinst, dann schreib doch bitte gleich "Schürr" - und nicht "die Tiroler Ortsnamenforschung" (deren Vertreter Finsterwalder, Anreiter und Kollmann Schürr heftig kritisiert!) oder "die Ortsnamenforschung".
Werde ich in Zukunft tun - die Tatsache, dass sich da Ansätze durchaus unterscheiden, war mir zu Beginn nicht so klar. Wobei Kollmann ja auch direkt nach venetischen Wurzeln sucht bzw. Oaidg A als "mit Affinität zum Venetischen" (Link 1, S. 130), fallweise sogar als Sprache der "Veneter alpinen Typus, eventuell ab der Bronzezeit" (Link 2, S. 43 i.V.m. FN 37) versteht. [Google mal nach seinem "Club" in Verbindung mit "Veneto" : Vielleicht wird er bei Oaidg A in Zukunft sogar noch expliziter - hoffentlich dann weiterhin fachlich gut begründet].
2011 Flurnamenbuch - Wurzeln der Heimat - Schützenkompanie Ehrenburg
Zur Besiedlungsgeschichte von Ulten | Günther Kaufmann - Academia.edu

Ob man Finsterwalder hier überhaupt einreihen sollte, weiss ich nicht - er hat den Begriff "Ostalpenindogermanisch" zwar wohl erschaffen, aber die Ausfüllung doch weitgehend seinen Schülern überlassen. Sonst können wir auch gleich noch Krahes "veneto-illyrisch" dazu nehmen..
Der Keltologe Stefan Zimmer gibt folgende Einschätzung zum Ostalpenindogermanischen ab:
Na, Zimmers Einschätzung geht ja eindeutig gegen Anreiters "Ostalpenblock", was Du dann bitte auch in Zukunft gleich dazu schreiben könntest. Interessant hier Zimmers Bemerkung direkt vor Deinem Zitat: "Könnte das "typisch alpine Oxylexem" *Palua 'Felsvorsprung, Felsstufe' mit ostpreuß. Palwe 'spärlich bewachsene Heide hinter den Vordünen' verwandt sein?"

Im Übrigen ist das "Ostalpenblock"-Konstrukt schon ziemlich wild - zwischendurch hat Anreiter ja auch noch Pannonisch "angeschlossen", zur offensichtlichen Freude der so Beglückten ("similarly nebolous [as Illyrian]").
Bryn Mawr Classical Review 2008.11.31
Versteh mich nicht falsch - Anreiter ist Keltologe, und als solcher offenbar durchaus anerkannt. Seine Feststellung, dass in Tirol nur wenig keltische Namen zu finden sind, ist zweifellos verdienstvoll. Aber er scheint sich mit Venetisch nie näher beschäftigt zu haben (zumindest hat er nie darüber publiziert), und sieht vielleicht dort, wo andere Experten Venetisch finden, eher mal Keltisch oder "Gemeinindoeuropäisches".

Fortsetzung zu "Paläovenetern" folgt separat.
 
Zuletzt bearbeitet:
aus welchem Grund sollen mehr als genug Leute jahrtausendelang nicht nur an der Weichsel verblieben sein, sondern obendrein sich so sehr von der großen Zuwanderung (slaw. Landnahme) abgegrenzt haben, dass man sie nicht mit Abodriten & Co. "genetisch" verwechseln kann?
Nun, ich habe bereits von den 2 Männern geschrieben, die in einem Dorf unweit von der Lichtensteinhöhle wohnen, und die direkten Nachfahren eines Mannes sind, der vor 3000 Jahren in dieser Höhle bestattet worden ist.

Das ist, erstens, ein Beweis, was aufgrund der genetischen Informationen festgestellt werden kann, und zweitens ein Beweis dafür, dass Menschen über tausende von Jahren, d.h. über hundert Generationen hinweg, am gleichen Ort leben.


mich überzeugt ein genetischer Versuch, der insgesamt komplett unbekannten Weichselveneter habhaft werden zu wollen, nicht.
[FONT=&quot]Das habe ich zur Kenntnis zu nehmen, denn ändern kann ich daran wohl nichts[/FONT]
 
Wie wäre es, wenn man die DNA der heutigen Bewohner dieser Landstriche untersuchte? Es ist bekannt, dass sich vor allem Bauern, einmal angesiedelt, kaum von ihrer Scholle wegbewegen, d.h. auch über tausende von Jahren bleiben sie mehr oder weniger am gleichen Ort – Beispiel: Verwandt mit einem Höhlenmenschen

Wenn nach 3000 Jahren von 270 Personen nur 2 Männer eine äußerst seltene Erblinie aufweisen, die mit der eines Mannes aus der Höhle identisch sein soll, dann kann man nicht von sehr großer Streuung sprechen.

Fällt dir der Widerspruch auf? Wenn nur 2 der untersuchten 270 Personen im Umkreis der Höhle die selbe seltene Y-Haplogruppe haben, wie sie bei einigen der Skelette aus der Höhle festgestellt wurde, dann ist das ein äußerst geringer Anteil bei den heutigen Anwohnern. Das spricht also nicht für jahrtausendelange Verbundenheit mit der Scholle zumindest bei den übrigen 268 Untersuchten. Zu berücksichtigen ist auch, dass diese seltene Haplogruppe auch anderswo in Europa vorkommt.
 
Fällt dir der Widerspruch auf? Wenn nur 2 der untersuchten 270 Personen im Umkreis der Höhle die selbe seltene Y-Haplogruppe haben, wie sie bei einigen der Skelette aus der Höhle festgestellt wurde, dann ist das ein äußerst geringer Anteil bei den heutigen Anwohnern. Das spricht also nicht für jahrtausendelange Verbundenheit mit der Scholle zumindest bei den übrigen 268 Untersuchten. Zu berücksichtigen ist auch, dass diese seltene Haplogruppe auch anderswo in Europa vorkommt.


Eben. Und ohne die DNA des Höhlenmenschen können wir gar nichts aussagen. Es reicht eben nicht, nur heutige Bewohner zu vergleichen.
 
Weil hier alle so eifrig über Genetik diskutieren: Wir haben tatsächlich das Problem, dass der bzw. die Wohnsitze der baltischen Veneter nicht klar bekannt sind. Da kommen u.a. Nordostpolen, das westliche Weissrussland, Ostpreußen, Litauen, und der Westen Lettlands in Frage. Die Forschung macht da ab und zu mal regionale Studien (siehe meinen Link zur polnischen Studie), aber üblicherweise wird da national "gemittelwertet". Und für venetische Spuren in Ostpreussen sind wir dann wahrscheinlich mit DNA aus Hamburg und Holstein inzwischen besser aufgehoben als mit solcher aus der Region. Da wird genetische Spurensuche alles andere als einfach.
Die Bretagne wurde meines Wissens bislang erst einmal wissenschaftlich genetisch analysisert, da kamen die Probanden alle aus der Gegend von Rennes. Will sagen - wir kennen bislang das DNA-Profil des Vannetois noch nicht. Dies mag man, je nach Einstellung zu flächendeckenden Gentests, beklagen oder auch nicht, aber es ist der gegenwärtige Forschungsstand.
Das Veneto ist genetisch relativ gut erforscht, mit erheblichen regionalen Unterschieden, und die Isolate (Zimbern, Ladiner im Trentino etc.) haben dann noch mal ihr spezielles DNA-Profil. Das sind dann die Hochgebirge, wo jedes Tal für sich ganz eigen ist. Machts jedoch für die Frage hier auch nicht leichter..
Eine Studie meinte, möglicherweise genetische Verwandschaft der (Paläo)-Veneter zu den Paphlagoniern ableiten zu können. Mich hat dies nicht überzeugt - die vorhandene genetische Verbindung kann genausogut auf die neolithische Migration aus Anatolien im 7. Jtsd. v. Chr. zurückgehen. Trotzdem hier der Link, für alle Interessierten:
Mitochondrial DNA sequence diversity in two groups of Italian Veneto speakers from Veneto - MOGENTALE-PROFIZI - 2003 - Annals of Human Genetics - Wiley Online Library

Ich will -OT- noch mal auf die Lichteinsteinhöhle am Harz eingehen - weil es Dion und möglicherweise ein paar andere interessiert, und weil das Beispiel auch recht gut die heutigen Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt:
Die in der Lichtensteinhähle vorwiegend gefundene, und dann auch bei einigen Anwohnern festgestellte yDNA (männliche) Haplogruppe war I2a2 (vormals I2b). Haplogruppe I ist die einzige quasi rein-europäische Haplogruppe (homöopathisch auch in Kleinasien), und gilt daher als Haplogruppe der europäischen "Ureinwohner" (Cro Magnon). Fast alle bisher bekannte mesolithische DNA stammt von der "Brudergruppe" I2a1, während I2a2 bislang unter neolithischer DNA nicht auftauchte. Echte, überlebende Jäger und Sammler also (wobei die Jungs und Mädels in der Lichtensteinhöhle mit halben gegrillten Zuchtrindern zu Grabe getragen wurden, also vor 3000 Jahren längst keine Jäger und Sammler mehr waren).
yDNA I2a2 ist relativ selten, und kommt gehäuft (d.h. mit Anteilen um und bei 10%) eigentlich nur an zwei Orten vor (siehe angehängte Karte) - in Nordschweden, und im süd-östichen Niedersachsen. Die Karte ist hier mal wieder etwas verzerrt, der Westharz hat nur 4% Häufigkeit (11 von 270 Probanden). So um Gifthorn herum soll die Häufigkeit jedoch über 10% betragen, habe ich mal gelesen (finde die Quelle nicht mehr, aber wurden dort nicht mal über 1000 Leute DNA-analysiert, um einen alten Mord aufzuklären?).
Was zeigt uns die Verteilung:

  1. Wir lernen ein bisschen was über die mesolithische Rekolonisierung Europas nach der letzten Eiszeit - in diesm Fall, dass die Cro Magnon-Menschen wohl nicht nur in Kantabrien, sondern auch auf/ nahe der Krim überwinterten (und dass Harzer und Tschuwaschen mehr miteinander teilen, als beide vielleicht meinen).
  2. Völkerwanderung hin und her - die Niedersachsen sind wirklich ganz schön sturmfest und erdverwachsen (von wegen: "Jäger und Sammler sind nicht sesshaft").
  3. Wir haben einen klasse Marker für die Wanderungen der Sachsen bzw. der Elbgermanen. England sowieso (auch nordirische Protestanten), aber beachtet auch die langobardischen Spuren in der Südslowakei/ Nordungarn, der Lombardei und um Benevent Mit den Kelten sind vorher schon einige mitgezogen (Irland, Bretagne, Cornwall, Toulouse, vielleicht auch Nordgriechenland und Keltiberer in Portugal) - vieles spricht sowieso dafür, dass unsere Harzer ursprünglich vom Oberrhein kamen, und eigentlich Proto-Kelten und nicht Proto-Germanen waren. Ein paar Nordmänner sind auf Island und in Westsizilien auch zu erkennen.
Einen Marker dieser Güte bräuchten wir auch für die Veneter. Vielleicht gibt es den soger - ich gucke da noch ein bisschen rum, aber wer mag, kann sich ja schon mal Folgendes ansehen:
Haplogroup T-M184 - Wikipedia, the free encyclopedia
Haplogroup L-M20 - Wikipedia, the free encyclopedia
 

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Die in der Lichtensteinhähle vorwiegend gefundene, und dann auch bei einigen Anwohnern festgestellte yDNA (männliche) Haplogruppe war I2a2 (vormals I2b).

Nein. Es handelt sich um I2a2b (I-L38), vormals I2b2: Lichtenstein Cave - Wikipedia, the free encyclopedia. Deine weiteren Ausführungen erübrigen sich.

Zur DNA und weiteren Umständen der in der Lichtensteinhöhle gefundenen Skelette: https://sites.google.com/site/haplogroupil38/on-the-lichtenstein-cave

Eine lesenswerte Veröffentlichung zum Stand und zur Zukunft der Forschung an ancient DNA, was sie kann und was nicht: Pickrell/Reich, Towards a new history and geography of human genes informed by ancient DNA.
http://biorxiv.org/content/biorxiv/early/2014/03/21/003517.full.pdf

Zur Diskussion passt ganz gut folgende Überschrift daraus:
The current inhabitants of a Region are often poor representatives of the historical populations who lived in the same Locations
Die jetzigen Einwohner einer Region sind oft schlechte Repräsentanten der historischen Bevölkerungen, die an den selben Orten gelebt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du scheinst das obige Kollmann-Zitat im "Germanische Landnahme"-Thread wirklich überlesen zu haben. Er führt dort Ostalpenindogermanisch explizit auf Venetisch (potentiell mit gallischer Vermittliung) zurück.
Ich habe es nicht überlesen.
Ich habe es sogar richtig gelesen und auch verstanden.

Was schreibt Kollmann explizit?

Er schreibt von einem Namen, der im Venetischen existiert haben könnte und ins Gallische entlehnt sein könnte.
Dieser Name ist ähnlich (aber nicht identisch, schau nochmal genau nach) mit einem Namen, den er für das Ostalpenindogermanische rekonstruiert.

Kollmann führt weder den ostalpenindogermanischen Namen auf den venetischen Namen zurück noch führt er gar die komplette ostalpenindogermanische Sprache auf die venetische Sprache zurück.

So weit klar?


Der "westromanische Ausfall von d in intervokalischer Stellung" kommt für die Ostalpen etwas unmotiviert.
Datei:Romance-lg-classification-en.png ? Wikipedia


Latein/ Vulgärlatein braucht er lediglich für die Akzentverschiebung auf die zweite Silbe, die für die Ableitung jedoch nicht erforderlich ist. Der "westromanische Ausfall von d in intervokalischer Stellung" kommt für die Ostalpen etwas unmotiviert. Intervokalischer Konsonentenausfall ist jedoch auch für Venetisch belegt - zwar nicht bei "d", aber bei "k" und "g". Auch Alpenromanisch ist verzichtbar - die diesem zugeschriebene Vereinfachung von Kw- zu K- ist aus dem Venetischen bestens bekannt, vgl. kwe>ke ("und", lat. que), oder e.kvopetari.s>e.kupetari.s ("Pferdewagenführer").
:nono:
Willst Du jetzt im Ernst die Sprachgeschichte aus den Angeln heben und eine Hypothese aufstellen, bei der auf das Alpenromanische verzichtet wird und die Deutschen die Ortsnamen direkt von den venetischsprachigen Einwohnern übernommen haben?

Andernfalls sind mir Deine Ausführungen nicht verständlich.

Jetzt musst Du noch sagen, wer "und andere" sind
Erst mal Christian Chapman und Gerhard Rampl - aber eigentlich gehen ja alle, die die Bezeichnung "Ostalpenindogermanisch" benutzen, von derselben Definition aus (Kollmann, Haslinger).


Na, Zimmers Einschätzung geht ja eindeutig gegen Anreiters "Ostalpenblock", was Du dann bitte auch in Zukunft gleich dazu schreiben könntest.
Die Einschätzung, die Zimmer gibt, habe ich zitiert.
Woher hätte ich wissen sollen, was Du da nun wieder hineininterpretierst?

Zimmers vorsichtige und vorläufige Einschätzung geht, soweit ich das lese, nicht "gegen Anreiters Ostalpenblock" als solchen, sondern stellt den bisher diskutierten illyrischen bzw. venetischen Verbindungen eine mögliche Verbindung zum Germanischen gegenüber.

Diether Schürr hingegen geht in seinem Aufsatz "Zur Deutung Nordtiroler Ortsnamen" (2008) ganz anders zur Sache. Er bezeichnet Anreiters und Kollmanns Ansätze als "panillyrisch" und erhebt die Forderung, "mit der panillyrischen Tradition der Tiroler Namenforschung endlich zu brechen und von den wirklich belegten vorrömischen Sprachen auszugehen".

Demnach sollten die vorrömischen Ortsnamen verglichen werden
a) mit etruskischen Namen (die Sprache der rätischen Inschriften sei eng verwandt mit dem Etruskischen)
b) mit italischen Namen (Venetisch sei eine italische Sprache)

Im O-Ton:
Was die sprachliche Zuordnung von Tiroler Ortsnamen vorrömischen Ursprungs betrifft, hat der Panillyrismus nicht nur dazu geführt, daß die schon von Ludwig Steub seit 1843 aufgezeigten Übereinstimmungen mit etruskischen Namen ignoriert wurden, die sich durch die enge - aber lange Zeit auch bestrittene - Verwandtschaft des inschriftlich in Tirol belegten Rätischen mit dem nichtindogermanischen Etruskischen erklären. Ebenso wurden auch alle Indizien beiseite geschoben, die auf eine italische Sprache weisen, obwohl die Sprache der venetischen Inschriften, die im Osten auf breiter Front an das rätische Inschriftengebiet grenzen, sicher italisch ist - und nicht «illyrisch» - und sich da die Focunates anschließen lassen.
Interessant hier Zimmers Bemerkung direkt vor Deinem Zitat:
Interessant ist vielleicht auch
*Trogi̯os, etwa 'Fußweg'
Für die Terg-Torg-Trug-Trag-Turg-Trig-Treg-Trog-Sammlung. :pfeif:

Im Übrigen ist das "Ostalpenblock"-Konstrukt schon ziemlich wild -zwischendurch hat Anreiter ja auch noch Pannonisch "angeschlossen", zur offensichtlichen Freude der so Beglückten ("similarly nebolous [as Illyrian]").
Bryn Mawr Classical Review 2008.11.31
Versteh mich nicht falsch
Ich hoffe, Du hast die zitierte Rezension nicht falsch verstanden.
Was moniert Zsolt Simon?
Er stellt fest, dass Illyrisch (als nicht schriftlich überlieferte Sprache) in das Buch aufgenommen wurde, während die geringfügig besser (Sarmatisch Skythisch) oder ähnlich schlecht (Ostalpenindogermanisch) überlieferten Sprachen nicht aufgenommen wurden.
Und er meint, die hätte man dann auch aufnehmen sollen.

Im Übrigen ist das "Ostalpenblock"-Konstrukt schon ziemlich wild
Wild? Im Vergleich zu manchen Deiner Konstrukte (Palatalisierungen, die wie von Zauberhand verschwinden oder Jahrhunderte überspringen) ist das immer noch stocksolide und hochwissenschaftlich abgesichert! :D

Nein, mal im Ernst:
Die beiden einzigen Sprachen im Alpenraum, die umfassend (auch historisch) dokumentiert sind, sind Deutsch mit seinen Dialekten und Latein mit seinen Tochtersprachen.

Die anderen antiken Sprachen sind im Vergleich dazu hundsmiserabel dokumentiert.
Vom Venetischen kennt man glaube ich gerade mal fünfzig Wörter (wie viele Semester "Venetologie" braucht man wohl, um die alle zu lernen?), beim Etruskischen sind es etwas mehr, beim Rätischen fast nichts. Auch beim Festlandskeltischen sieht es ziemlich mager aus.

Im anderen Thread habe ich schon geschrieben, in was für einer trüben Brühe hier gefischt wird:

Da versucht man sich an vorrömischen Ortsnamen,
- die aus tausend Jahren jüngeren Formen erschlossen werden müssen
- die schon mehrere Sprachwechsel hinter sich haben
- bei denen unklar ist, auf welche Sprache sie zurückgehen
- und wo die in Frage kommenden Sprachen schriftlich entweder überhaupt nicht oder nur fragmentarisch belegt sind.

Natürlich kann man mit Recht das "ostalpenindogermanische Konstrukt" kritisieren. Aber auch ein Kritiker wie Schürr kocht mit genau demselben Wasser.

Es bleibt bei Vermutungen, nachgewiesen ist nichts.
 
Zur DNA und weiteren Umständen der in der Lichtensteinhöhle gefundenen Skelette: https://sites.google.com/site/haplogroupil38/on-the-lichtenstein-cave
Das Buch „Die Lichtensteinhöhle“ (erschienen im August 2014) ist gekommen und ich habe es auch durchgelesen. Leider enthält es nicht viel Neues zu dem von Dir oben verlinkten Dokument. Ich will es dennoch eine kurze Zusammenfassung geben:

- die Lichtensteinhöhle wurde von ca. 1000 – 800 v. Chr. als Bestattungsort genutzt.

- durch einen Felssturz und den nachrückenden Erdreich blieb sie in der Folge von der Umwelt abgeschnitten

- in der Höhle wurden Menschenknochen von 62 verschiedenen Individuen (im Alter von 5 bis über 60 Jahren) gefunden, die aufgrund der basischen Umgebung und konstanter Temperatur außerordentlich gut erhalten waren

- sie repräsentieren weltweit den größten und besterhaltenen menschlichen DNA-Pool aus der prähistorischen Zeit

- 48 Individuen konnten einem Familienclan zugeordnet werden, der sich aus drei eng verwandten Familienzweigen (Männer M1, M3 und M19) und einem weiteren, nicht genau zuordenbaren Familienzweig (M10) über 5 Generationen hinweg zusammensetzt

- sie alle zeigen keine Spuren einer Mängelernährung, zwar abgenutzte aber gut erhaltene Zähne, kaum Karies

- von 23 Individuen konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Augen- und Haarfarbe bestimmt werden

- von 21 Individuen männlichen Geschlechts konnten sogenannten Haplotypen identifiziert werden – in dieser Arbeit als Y1, Y2, Y3, Y5 und Y6 bezeichnet. (auch Felix Schilz verwendet diese Terminologie in seiner Doktorarbeit von 2006: „Molekulargenetische Verwandtschaftsanalysen am prähistorischen Skelettkollektiv der Lichtensteinhöhle“)

- um herauszufinden, ob sich in der Umgebung der Lichtensteinhöhle Nachfahren der dort bestatteten Menschen finden, gab es einen Aufruf zu einem Gentest, zu dem sich 270 Personen meldeten.

- Zitat: „Bei dem DNA-Test wurden mehr als 50 Personen gefunden, die über die gleichen Erblinien verfügen, wie sie auch in der Lichtensteinhöhle nachgewiesen wurden.“

- Neben der häufiger verbreiteten Erblinien Y3 und Y5, die sich deswegen kaum für den Nachweis lokaler Familien- bzw. Bevölkerungskontinuität eignen, konnten 2 Männer der international nicht mehr in Erscheinung auftretenden Erblinie von Haplotyp Y1 identifiziert werden

- diese 2 Männer, die in Sichtweite des Lichtensteins leben und deren Familien sich einige Jahrhunderte in der Region zurück verfolgen lassen, sind mit einiger Wahrscheinlichkeit direkte Nachfahren der Männer M1 und M2 – dazwischen liegen also 100 bis 120 Generationen.


Eine lesenswerte Veröffentlichung zum Stand und zur Zukunft der Forschung an ancient DNA, was sie kann und was nicht: Pickrell/Reich, Towards a new history and geography of human genes informed by ancient DNA.
http://biorxiv.org/content/biorxiv/early/2014/03/21/003517.full.pdf

Zur Diskussion passt ganz gut folgende Überschrift daraus:
Die jetzigen Einwohner einer Region sind oft schlechte Repräsentanten der historischen Bevölkerungen, die an den selben Orten gelebt haben.
Das von Dir zitierte Dokument kennt ganz offensichtlich nicht die Forschungsergebnisse zur Lichtensteinhöhle. Jedenfalls erwähnt es weder Arbeiten von Stefan Flint, noch die von Susanne Hummel oder von Felix Schilz.
 
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