Veneter-Veneter...alles das selbe?

[Hast Du eigentlich inzwischen Näheres zu Vent im Ötztal herausfinden können?]

Vent gehörte historisch zum Vintschgau (Schnalsertal: 1342 "Vend vallis Snals"), nicht zum Ötztal.
Die Gegend (über 1900 m hoch) wurde erst ab dem 13. Jahrhundert dauerhaft besiedelt, aber schon vorher - angeblich schon in vorrömischer Zeit von den Venosten - als Weide genutzt.
Der Name gilt allgemein (Finsterwalder 1955, Ölberg 1962, Anreiter 1997) als vorrömisch. Von welcher indogermanischen Vorform er abzuleiten ist, sind sich die Gelehrten allerdings nicht einig.
 
Zum "Kuitos" habe ich noch einen: Der lateinische Quintus könnte selbst eine Entlehnung sein - aus dem Etruskischen...

Briona's Quintus legatus/Kuitos lekatos also shows the adoption of Latin names. Did Kuitos intend to display his 'Romanitas' by choosing an Italic name? The adoption of Italo-Roman names in Northwest Italy probably took place long before we can recognise it epigraphically. But we should not overemphasise its significance. This enrichment of the onomastic repertoire need not be an indicator of cultural choice, ethnicity or self-identity (cf. Adams 2003; Haeussler 2008a). Quintus itself might have been adopted from the Etruscan praenomen Cuinte. Knowledge of Latin, Oscan, Etruscan and Celtic names was bound to spread throughout Italy in all directions, and not unilaterally from Rome by various means, such as the army, migration and colonisation.

Ralph Haeussler
 
@Sepiola: Ich werde Deine Fragen/ Kommentare Stück für Stück abarbeiten, dass kann aber etwas dauern - bitte hab entsprechend Geduld.
Grundsätzlich ist es schwer, bei nur etwa 50 epigraphisch belegten venetischen Wörtern (plus dem, was uns Eigennamen vielleicht verraten) venetische Entlehnung direkt zu beweisen. Hier müssen Plausibilitätsüberlegungen mit heran gezogen werden. So aus dem Bauch heraus, aber sicherlich ergänzbar, fallen mir dazu folgende Kriterien ein:

  1. Beschränkung des heutigen Wortgebrauchs auf den ehemals venetischen Sprachraum bzw. dessen Einflusszone;
  2. Indoeuropäische Wurzel (Es wird wohl auch etruskische bzw. vor-indoeuropäischen Wurzeln geben, die durch Veneter entlehnt und dann weiter verbreitet wurden, aber diese Fälle sind nur in Einzelfällen plausibel zu machen);
  3. Wort-/ Bedeutungsdubletten ab dem klassischen Latein, jedoch kein lateinischer Beleg vor Vergil/ Titus Livius, als Indiz (nicht Beweis) möglicher lateinischer Entlehnung während der Adstrat-Phase. Hier sind mtlesende Altphilologen (zu denen ich mich nicht zähle) für Gegennachweise gefragt und willkommen. Dass vorklassische lateinische Texte nicht gerade häufig sind, und somit ein Gegennachweis nicht immer möglich ist, ist mir bewusst.
  4. (Spezialfall zu 3): Rückführbarkeit solcher lateinischen Dubletten auf gleiche IE-Wurzel mit unterschiedlicher Lautentwicklung -ein klarer Entlehnungsbeweis. Hier muss dann zusätzlich der "venetische Charakter" der abweichenden Lautentwicklung belegt werden.
  5. Entlehnung aus einer anderen in Frage kommenden Sprache, insbesondere aus dem Keltischen, unwahrscheinlich.
Gehen wir mal die in Frage stehenden Wörter durch:

Cargo: Für lat. carrus wird allgemein keltische Entlehnung angenommen, dies gilt dann implizit auch für die Ableitung carricare (auf einen Wagen laden). carrus - Wiktionary
Die venezianische Variante cargo bezeichnet ursprünglich und bis heute ein Frachtschiff, der Bedeutungswandel auf die Fracht selbst erfolgte erst im NW-europäischen Entlehnungsprozess. Begriffsübertragung vom Transportmittel an Land auf ein Seefahrzeug erfolgte sicherlich an der Küste, also eher bei Venetern als bei den Kelten (wobei hier grundsätzlich aber auch Ligurien in Frage kommt). Wie weit die Veneter vor dem Kontakt mit Kelten schon ein Wort karros o.ä. kannten und nutzten, wissen wir nicht. Ihr antiker Ruhm als Pferdezüchter und Wagenlenker (vgl. die diversen venetischen Ehrinschriften für ekvopetarius) macht dies nicht unplausibel. Letztendlich ist jedoch nur keltische Entlehnung belegbar, alles weitere bleibt spekulativ.

Litus (Lido): Scheinbar keine vorklassische Nennung, Gehäuft bei Vergil, dort auch mit der breitesten Bedeutung (einschl. Küstenland, sowie Flussufer, sonst lat. ripa, welches Horaz auch für das Meerufer verwendet). Breite Verwendung auch bei Catull (*Verona), sowie bei Cicero (wer war früher?). Ciceros "litus atque aer" ist ein Zitat (von wem?). Die Tatsache, dass Cicero an anderer Stelle "litus" definiert bzw. zu diesem Begriff Rücksprache gehalten werden musste (Dig. 50, 16, 96: “solebat Aquilius quaerentibus, quid esset litus, ita definire: qua fluctus eluderet”) spricht gegen traditionellen lateinischen Gebrauch. https://books.google.de/books?id=IY...Q#v=onepage&q=In Litus arenas fundere&f=false
Pokorni führt den Begriff auf IE *lei "giessen, fliessen, tröpfeln" zurück, mit Parallelen v.a. im Keltischen (cymr. li, corn. lyf "Flut, Meer, Überschwemmung", bret. linva "überschwemmen"), "vielleicht hierher lit. Lietuvà ("Küstenland')" Ich würde spekulativ auch noch Lydien (kleinasiatische Küste) anschließen.
Pokorny's dictionary : Query result
An der italienischen Westküste sind keine (vor-neuzeitlichen) Lidos zu finden, dort dominiert "Marina". Der Name "Ligurien", sowie Loano bei Savona (vorröm. Besiedlung) könnten ebenfalls auf IE *lei rückführbar sein; in diesem Fall aber mit abweichender Lautentwicklung. Bei Latte (westl. Vorort von Ventimiglia, bis 12. Jh. noch San Bartolomeo) würde ich auf frühe venez. Entlehnung tippen.
Loano - Wikipedia
http://it.wikipedia.org/wiki/Latte_(Ventimiglia)
Alle vorgenannten Kriterien zeigen auf ein vom Latein entlehntes venetisches Wort. Kontinentalkeltisch kommt geographisch bzw. lautlich (Ligurien) kaum in Frage. Da stellt sich dann die Frage, wieso dieses venetische Wort die engsten Parallelen im Walisischen, Bretonischen und im Ethnonym "Litauer" hat. Und Lydien ist zwar nicht Paphlagonien, jedoch auch nicht allzuweit davon entfernt.

Versorium ist vielleicht müssig zu diskutieren, weil die Erfindung in eine Zeit fiel, in der Venetisch als eigenständige Sprache schon verging.
Pflug ? Wikipedia
In den 70er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. beschreibt Plinius der Ältere in seiner Naturgeschichte 18,172 den Räderpflug mit breiter Schar zum Wenden der Scholle als neue Erfindung der rätischen Gallier
Rätische Gallier? Plinius hätte da schon etwas präziser sein können, aber allzuweit entfernt vom Veneto kann die Erfindung nicht erfolgt sein. Im Ursprungsgebiet erhielt sie einen spezifischen Namen, den das übrige italien nicht übernahm.
Hier ist die lateinische Dublette vertere - versare auffällig. Gleiche indoeuropäische Wurzel *uer-t-, aber zwei unterschiedliche Lautentwicklungen. Eine der beiden Dubletten wurde offensichtlich entlehnt, und der Blick auf Versorium zeigt, welche dies war. Dummerweise ist die Quelle der Entlehnung unklar. Venetisch mit seinem "th" statt "t" liegt nahe, ist jedoch nicht der einzige Kandidat:
Pokorny's dictionary : Query result
osk. umbr. vorsus ein Ackermaß ist ein Terminus der röm. Siedler in Campanien (M. Leumann) (..)
cymr. gwerthyd `Spindel', acorn. gurhthit gl. `fusus', abret. Pl. guirtitou gl. `fusis', mbret. guersit ds.; (..) mcymr. gwrth, ncymr. wrth, corn.orth, bret. ouz `gegen' (zur Grundform s. Thurneysen Grammar S. 515, Jackson Language and History S. 337); cymr. gwerthu `verkaufen', corn. gwerthe, bret. gwerza ds. (aber cymr. gwerth `Preis' kann ags. Lw. sein);
Jemand hat da schon ein bisschen tiefer gebuddelt, auf die Schnelle konnte ich jedoch nichts entdecken, was uns hier weiterhilft. Vielleicht hat jemand anders da mehr Glück..
https://books.google.de/books?id=HO...6AEwAA#v=onepage&q=etymologie vertere&f=false

"Gondola" wird aus dem Griechischen hergeleitet.
Dann schau mal hier -die griechische (byzantinische) Wurzel wird aus dem Italienischen hergeleitet. Da beisst sich die Katze buchstäblich in den (kurzen) Schwanz..
???????? - Wiktionary
Gehen wir die Ableitungskette weiter zurück, erhalten wir Folgendes:
Kontur ? Wiktionary
aus gleichbedeutend italienisch: contorno; zu dem mittellateinischen Verb contornare = einfassen gebildet; aus dem Präfix con- = mit, zusammen und dem Verb tornare = drechseln, runden; von griechisch: τορνεύειν (torneúein) = drechseln, drehen
Mich persönlich überzeugt die Ableitung "Gondel" aus "gedrechselter Einfassung" bzw. "contorno" (Essensbeilage) nicht wirklich. Auch der lautliche Weg von "tornare" zu "-dola" ist durchaus erklärungsbedürftig. Die von Gerhard Koebler vorgeschlagene Ableitung von IE *kent ("stechen", besser "staken") passt da schon eher.
gondola, gondula, gundula, gundola | wikiling
Lat. contus (Schifferstange) gilt als entlehnt von gr. κοντός, und taucht zuerst bei Vergil und Titus Livio auf - der Weg von Griechenland nach Rom führte also offenbar über Veneter.
contus - Zeno.org
Benötigten die Veneter bei der Schiffahrt wirklich Nachhilfe aus Griechenland? Die Technik des Stakens ist ja nicht unbedingt revolutionär. Seichte Gewässer gibt es jedefalls rund um die Po-Mündung deutlich mehr als in der Ägäis..
Dazu hätte ich gerne etwas mehr Hintergrund. Was ich mir so zusammengefummelt habe, scheint die Ableitung auf dem vulgärlat. iactare zu basieren, das den Reichenauer Glossen entstammt:
Glosas de Reichenau - Wikipedia, la enciclopedia libre
Sowohl iactare als auch das klassische iacere haben ihre eigenen Nachfolger in den romanischen Sprachen, z.B. von Lat. iacere Frz. gésir (liegen, begraben sein), Ital. giacere (legen), Span. yacer (daliegen); von iactare Frz. jeter (werfen), Ital. gettare (werfen, legen, säen, Metall gießen), Span. echar (werfen, eingießen).
Vulgar Latin vocabulary - Wikipedia, the free encyclopedia
Über diese unterschiedlichen Ableitungen hat sich sicher jemand Gedanken gemacht, aber die eine oder andere lautliche Entwicklung ist mir nicht ganz klar: Wo kommt das zusätzliche "t" im vulgärlat. iactare her, und wieso fällt es in Spanisch echar wieder aus?
[Span. jitar ist nur um Huelva verbreitet, und kommt "nebenan" im Baskischen als jito (Abtrieb, Drift) und jeito (Netz zur Sardinenfischerei) vor. Für letzteres wird gallische bzw. asturische Herkunft angenommen (S 894). http://www.google.de/url?sa=t&rct=j...fT5GD8duome_Y6Vx82287tQ&bvm=bv.81828268,d.d2s
"Portugiesisch" geitar scheint lediglich mittelalterlich belegt, u.a. aus den nordspanischen Glosas Silenses und Glosas Emilianas (11. Jhd). Aufgrund einiger dort enthaltener Germanismen darf man durchaus auch über suebische:winke: bzw. westgotische Entlehnung (got. giutan -"giessen") spekulieren.
Castellano ]
Dann das initiale "G" in giacere und gettare. Für Standard-italienisch, wo es wie "dj" ausgesprochen wird, verstehe ich die Entwicklung aus lat. "Ia" ja noch. Aber wie wird lat."Ia" zu hartem venezischen "gh"? Mich würde dann auch interessieren, ob sich Etymologen im Zusammenhang mit frz. jeter schon mal Folgendes angesehen haben:Foclóir Gaeilge?Béarla (Ó Dónaill): sceith

In jedem Fall lebt das lateinische fundere (Erz giessen) in ital. fonderia, frz. fonderie, auch engl. foundry fort. Was veranlasste also die Venezianer,es durch Ghetto bzw. gettare zu ersetzen? Technologische Überlegenheit der Goten dürfte es kaum gewesen sein, dies widerspräche allen archäologischen Befunden zur Reichweite der Exporte venetischer Metallwaren. Bleibt eigentlich nur, dass die Veneter immer schon ein Wort benutzten, dass das Initial "gh" des indoeuropäischen *gheu (giessen) treuer bewahrte als Latein. Solche längere Bewahrung des "gh" ist ja auch eine der Grundannahmen für das Ostalpenindogermanische.
Indo-European etymology : List with all references
[Mehrere venetische Graburnen, z.B, Es 84, 111, 112, enthalten "(e)getorei". Dies wird traditionell zwar als Patronym begriffen, aber die Parallele zu frz. "ci-git" ("Hier ruht, liegt begraben"), von gésir, drängt sich auf.]

Schließlich zu Bronze: Ausführliche Diskussion:
http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/bspf_0249-7638_1922_num_19_2_11974
Die dort erwähnte mögliche byzantinische Wurzel (aus einem in Venedig gefundenen Manuskript des 11. Jhd.) wird hier als Entlehnung eingestuft;
https://books.google.de/books?id=tz...0CCQQ6AEwAA#v=onepage&q=bronze birinj&f=false
Gute Zusammenfassung (mit weiteren Links) hier. Ob die Ableitung "fnhd. brunz 'Urin; *flüssiges Metall' > it. bronzo" wirklich ernst gemeint ist, ist mir allerdings nicht ganz klar.
Diskussion: Bronze
 
Vent gehörte historisch zum Vintschgau (Schnalsertal: 1342 "Vend vallis Snals"), nicht zum Ötztal.
Die Gegend (über 1900 m hoch) wurde erst ab dem 13. Jahrhundert dauerhaft besiedelt, aber schon vorher - angeblich schon in vorrömischer Zeit von den Venosten - als Weide genutzt.
Der Name gilt allgemein (Finsterwalder 1955, Ölberg 1962, Anreiter 1997) als vorrömisch. Von welcher indogermanischen Vorform er abzuleiten ist, sind sich die Gelehrten allerdings nicht einig.
Danke für die Info! Welche Vorformen stehen denn zur Diskussion? Ist da irgendwas dabei, was auf Veneter deutet, oder die Vorsilbe "Ven-" der "Venosten" erklären könnte?

Ansonsten ein Nachtrag zu meinem vorangegangen Beitrag - Lido/ litus: Strand heisst auf gaelisch Cladach, auf litauisch paplūdimys, auf Lettisch pludmale.
 
Danke für die Info! Welche Vorformen stehen denn zur Diskussion? Ist da irgendwas dabei, was auf Veneter deutet, oder die Vorsilbe "Ven-" der "Venosten" erklären könnte?

Nach Anreiter 1997, 116:

In seinem Aufsatz Die Namen Venetberg, Venediger, Vent, Wenns. Vorrömische und deutsche Wortbildung in "Veneternamen", in : Donum natalicium C. Jax, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Band 3, Innsbruck 1955, 228, versucht K. Finsterwalder, den Namen Vent aus idg. *bʰendʰ- "binden, flechten" (vgl. gallo-roman. benna Wagenkorb") zu erklären. Da also anlautendes V- = [f-] als Reflex von *bh- betrachtet wird, muß man dann zwangsläufig das Toponym als zur sogenannten "f-Schicht" gehörig betrachten
...
Andererseits verglich H. M. Ölberg (VON 17) Vent mit alban. vend "Ort, Platz, Land" (< *u̯endʰ) und nahm so den Namen bewußt aus der "f-Schicht" heraus.
...
Wie die Vorform von Vent nun tatsächlich anzusetzen ist, *bʰendʰ- oder *u̯endʰ, bleibt unklar.
 
@Sepiola: Ich werde Deine Fragen/ Kommentare Stück für Stück abarbeiten, dass kann aber etwas dauern - bitte hab entsprechend Geduld.
Kein Problem, aber der Dein Beitrag #365 lässt mich befürchten, dass die Diskussion nun endgültig zerfasert.
Sicher lässt sich mit entsprechendem Aufwand zu jedem beliebigen Wort der lateinischen, italienischen oder auch sonst jeder beliebigen Sprache irgend ein Bezug zu den Venetern herbeizwingen.
Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, das alles zu überprüfen und alle Spekulationen, Zirkelschlüsse, (sinnentstellende) Umdeutungen von Quellentexten und Falschinformationen zu kommentieren.

Nochmal zur Erinnerung, wonach ich gefragt habe:

Ob die venetische Sprache (neben der gallischen und rätischen) noch nachweisbare Spuren im regionalen Vulgärlatein hinterlassen hat, würde mich interessieren.
Mich interessieren aber nur nachweisbare Spuren und nicht neue windige Spekulationen und absurde Hypothesen.

Und konkret:

Ist "versorium" nicht eindeutig vom klassischen Latein herzuleiten (verso, versor, versoria)?
Desgleichen "lido" von "litus" (Meeresufer, Strand)?

Meine Frage ist also beantwortet, "versorium" kommt aus dem klassischen Latein und "lido" vom klassisch lateinischen "litus".

Damit könnte man es bewenden lassen.

Leider versuchst Du dann doch noch, auf Teufel komm raus, irgendwas zu konstruieren. Wozu der Aufwand? Wen interessiert das? Wenn wenigstens stimmen würde, "was Du Dir so zusammenfummelst"...


Litus (Lido): Scheinbar keine vorklassische Nennung
Oh je.
Plautus.
Vorklassik.
"Litus" auf Schritt und Tritt:
Plautus, Rudens 1-891 (lateinisch, deutsch)


Hier ist die lateinische Dublette vertere - versare auffällig. Gleiche indoeuropäische Wurzel *uer-t-, aber zwei unterschiedliche Lautentwicklungen. Eine der beiden Dubletten wurde offensichtlich entlehnt
Wer sagt denn das?
t > s findest Du regelmäßig in der lateinischen Grammatik
mittere - missus, patior - passus, uti - usus, vertere - versus...

Dann schau mal hier -die griechische (byzantinische) Wurzel wird aus dem Italienischen hergeleitet.
Was erzählst Du denn da?
Alt- und Neugriechisch "kontoúra" sind zwei verschiedene Wörter mit zwei verschiedenen Bedeutungen und zwei verschiedenen Wurzeln, die nur zufällig gleich lauten.

Mich persönlich überzeugt die Ableitung "Gondel" aus "gedrechselter Einfassung" bzw. "contorno" (Essensbeilage) nicht wirklich.
Warum schlägst Du sie dann vor? Außer Dir konstruiert doch niemand so eine Ableitung...

Die von Gerhard Koebler vorgeschlagene Ableitung von IE *kent ("stechen", besser "staken") passt da schon eher.
gondola, gondula, gundula, gundola | wikiling

Und die führt eben über das Griechische, wie bereits besprochen:
s. mgr. κόντουρος (kónturos), Adj., stummelschwänzig, Kluge s. u. Gondel; s. gr. κοντός (kontós), M., Stange, Ruderstange, Speerschaft; vgl. idg. *k̑ent-, V., stechen, Pokorny 567; gr. οὐρά (urá), F., Schwanz, Schweif; idg. *ers-, Sb., Hinterer, Schwanz, Pokorny 340

Cargo: Für lat. carrus wird allgemein keltische Entlehnung angenommen, dies gilt dann implizit auch für die Ableitung carricare (auf einen Wagen laden).
Also haben wir lateinisch "carricare".
Davon kommt spanisch "cargar" (beladen).
Und davon leitet sich spanisch "cargo" (Last) ab.
Das wird schließlich in den 1650ern ins Englische mit der Bedeutung "Fracht" entlehnt.
Online Etymology Dictionary
Alles ohne Umweg über die Veneter...
 
Also haben wir lateinisch "carricare".
Davon kommt spanisch "cargar" (beladen).
Und davon leitet sich spanisch "cargo" (Last) ab.
Das wird schließlich in den 1650ern ins Englische mit der Bedeutung "Fracht" entlehnt.
Online Etymology Dictionary
Alles ohne Umweg über die Veneter...
Da verwechselst Du etwas. Fürs Deutsche ist die Entlehnung aus Venedig klar belegt, z.B.:
https://books.google.de/books?id=Ld...v=onepage&q=Schirmer cargo Wörterbuch&f=false
1559 Meder 1b: Man soll fleyssig Frag haben/ was in Venedig für Schiff kommen oder hinweck faren/ vnnd nach dem Cargo
Der erste deutsche Entlehnungsbeleg datiert aus 1391/1399.
Kargo (Deutsches Rechtswrterbuch - DRW)
In England tauchte der Begriff wohl erst im 17. Jhd. auf, und zwar in der Verbindung "supercargo" (Frachtmeister), die spanisch entlehnt ist (vgl. dazu u.a. Grimms Wörterbuch).
Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, das alles zu überprüfen und alle Spekulationen, Zirkelschlüsse, (sinnentstellende) Umdeutungen von Quellentexten und Falschinformationen zu kommentieren.
Dann verstehe ich nicht, warum Du überhaupt nachgefragt hast. Wenn Du Dein Erkenntnisinteresse klar herausstellen würdest, könnte das uns beiden weiterhelfen. Ich gewinne aber leider immer wieder das Gefühl, dass es Dir hier nicht um Erkenntnis, sondern um "Rechthaben" bzw. "Reinwürgen" geht. In diesem Zusammenhang bitte ich Dich, bei Bezug auf meine Posts das Wort "sinnentstellend" entweder zu unterlassen, oder zu belegen, so wie ich es in Deinem Fall bisher mehrmals getan habe.

Meine Frage ist also beantwortet, "versorium" kommt aus dem klassischen Latein und "lido" vom klassisch lateinischen "litus".
Und gleich die nächste Sinnentstellung Deinerseits!
Damit könnte man es bewenden lassen.
Was ich in Zukunft tun werde, wenn Du Dein Kommunikationsverhalten nicht änderst.
Oh je.
Plautus.
Vorklassik.
"Litus" auf Schritt und Tritt:
Plautus, Rudens 1-891 (lateinisch, deutsch)
Guter Hinweis. Ob das jedoch schon aus Ausschlussargument taugt, wage ich zu bezweifeln. Plautus wurde deutlich näher an Padua als an Rom geboren, mag also durchaus diverse venetische Lehnwörter aufgeschnappt haben (er fuhr ja wohl auch eine Zeit lang zur See). Der von Zeitgenossen Plautus gegenüber gemachte Vorwurf der sprachlichen "Kontamination" dürfte bkannt sein. Der spätrömische Grammatiker Aelius Donatus arbeitete die vielfachen Parallelen im "unüblichen" Latein von Plautus und Vergil heraus, um auf dieser Basis beide letztlich doch zu "Klassikern" erklären zu können.
https://books.google.de/books?id=tf...CDgQ6AEwAg#v=onepage&q=Plautus Vergil&f=false
Hättest Du hier noch einen weiteren Vorklassiker im Angebot, möglichst südlich des Appenins geboren, liesse ich mich überzeugen. So bleibt bestehen, dass Plautus ein, sagen wir mal, sehr untypischer Repräsentant des vorklassischen Lateins ist, und noch Cicero das Wort "litus" für erklärungsbedürftig hielt.
t > s findest Du regelmäßig in der lateinischen Grammatik
mittere - missus, patior - passus, uti - usus, vertere - versus...
Warum verlinke ich eigentlich eine ausführliche Studie zur Dublette vertere-versare, wenn Du sie nicht liest, und stattdessen mit hier irrelevanten Argumenten kommst. versus ist nicht versatus.
Was erzählst Du denn da?
Alt- und Neugriechisch "kontoúra" sind zwei verschiedene Wörter mit zwei verschiedenen Bedeutungen und zwei verschiedenen Wurzeln, die nur zufällig gleich lauten.
Wo ist altgriechisch "kontoura" denn belegt? Ich konnte nur einen einzigen Beleg finden, in "De Administrando Imperia" (952), wo es als Variante zu "Kondoúra" auftaucht. Wie es dort übersetzt wurde, erschliesst sich mir nicht, aber ein "kurzer Schwanz" ist an den fraglichen Stellen (u.a. Kap. 9, Beschreibung der Warägerroute dneprabwärts von Kiew) nirgendwo zu finden.
Porphyrogenitus C. - De Administrando Imperia - TurkicWorld
Fassen wir also zusammen: Du redest über ein hypothetisches, nirgendwo belegtes altgriechisches Wort, postulierst zufällige Lautgleichheit mit einem belegten neugriechischen Wort, jedoch verschiedene Wurzeln für beide. Auf welcher Basis? Wie geprüft, wie belegt? Avanti dilletanti!

Fasse ich mal zusammen:

  • Zu Cargo übersiehst Du die alte, gut belegte deutsche Entlehnung aus dem Venezischen;
  • Zu Litus bringst Du ein berechtigtes Gegenargument, die Auseinandersetzung mit meinen anderen Argumenten steht noch aus;
  • Bei versorium argumentierst Du am Thema vorbei, und fasst mich ansonsten sinnentstellend zusammen;
  • Bei Gondola ergehst Du Dich in unbelegten Spekulationen, setzt Dich mit meinen Kernargumenten (contus="Schifferstab") jedoch nicht auseinander;
  • Bei Ghetto hältst Du den von mir angeführten epigraphischen Beleg "(e)getorei", auch die lautlichen Argumente, nicht für diskussionsürdig. Stimmst Du mir hier zu, oder kommt dazu noch von Dir noch was?
Sepiola: Das klingt in der Tat interessant.
Die entscheidende Frage ist, ob es die Form "fazesto" überhaupt gibt. Beim Googeln finde ich nur diesen einen Wiki-Text und seine Kopien, aber keinen einzigen venezischen Text, in dem die Form vorkommt.
Bei Hull (S. 560ff, zweite .pdf seiner Arbeit) findet sich eine Vielzahl von Beispielen unregelmäßiger Partizipbildung auf "st"

e.g. Ven. volesto 'voluto' , tasesto 'taciuto', vendesto 'venduto', respondesto (for responduo) 'risposto', vivesto (for vivlio) 'vissuto'; Trent. vendest, podest 'potuto', kredest 'creduto', pretendest 'preteso'; Play. vedest 'veduto' , perdest 'perduto', olest 'voluto' , saest 'saputo' (..). Distinctive fourth conjugation past participles in -ist (cf. vist <.*VISITU) are less common, occurring mainly in northern Venetia and south-western Istria, cf.
Play. dormist 'dormito', sentist 'sentito', finist 'finito', partist 'partito'; lstr. uldisto 'udito', durmisto, muristo 'morto' (lve, 170), ~ SVen. dormesto, sentesto etc. Certain Alpine dialects of eastern Lombardy and the Veneto display weak past participles of the second-third conjugation in -ost (cf. post <POSlTU), e.g. Posch. plost 'piovuto', most 'mosso'; Bresc. volost 'voluto', podost 'potuto', piOVDst 'piovuto'; Comel. kurostu 'corso', kujosto 'cotto', punosto 'deposta', piu6stu 'piovuto', muvostu 'masso', t(1)6stu 'tolto, presot (Rohlfs, 624). The colonial Venetian dialect of Zara (Dalmatia) has (or had) parallel forms in -usto, influenced by the regular ending -udo, cf. kredusto 'creduto', tasusto 'taciuto'.
"fazesto" ist nicht unter den aufgezählten Formen, dort gibt er "Ven.Istr. -fa-to-" (S. 555). Hull erklärt das Phänomen als analogische Bildung "on the model of chest < QUAESITU". Dies will ich nicht ausschliessen, aber eigentlich ist es zu weit, und auch über andere Konjugationsstämme sowie mit Endung "-ost" verbreitet, um über diese eine Analogie erklärbar zu sein.

 
  • Fasse ich mal zusammen:
    Zu Cargo übersiehst Du die alte, gut belegte deutsche Entlehnung aus dem Venezischen;Zu Litus bringst Du ein berechtigtes Gegenargument, die Auseinandersetzung mit meinen anderen Argumenten steht noch aus;Bei versorium argumentierst Du am Thema vorbei, und fasst mich ansonsten sinnentstellend zusammen;Bei Gondola ergehst Du Dich in unbelegten Spekulationen, setzt Dich mit meinen Kernargumenten (contus="Schifferstab") jedoch nicht auseinander;

@Augusto:
mal angenommen, die zitierte Litanei wäre richtig (woran ich Zweifel hege) - was besagt das über die von dir angenommene sprachliche Omnipotenz des venetischen? ist jetzt plötzlich irgendwas in diesem Kontext bewiesen?
Bis jetzt (und der Faden ist schon sehr umfangreich...) kann ich nirgendwo zwingende Argumente dafür finden, dass
a) alle Venedi, Veneti etc. dieselbe Sprache gesprochen hätten oder gar eine einzige Ethnie gewesen seien,
b) dass das adria-alpen-venetische die Mutter des gesprochenen Latein (Vulgärlatein) gewesen sei.
 
Plautus wurde deutlich näher an Padua als an Rom geboren, mag also durchaus diverse venetische Lehnwörter aufgeschnappt haben (er fuhr ja wohl auch eine Zeit lang zur See). Der von Zeitgenossen Plautus gegenüber gemachte Vorwurf der sprachlichen "Kontamination" dürfte bkannt sein. Der spätrömische Grammatiker Aelius Donatus arbeitete die vielfachen Parallelen im "unüblichen" Latein von Plautus und Vergil heraus, um auf dieser Basis beide letztlich doch zu "Klassikern" erklären zu können.
zählt Plautus seit neuestem zu den großen Literaten der venetischen Literatur? ;) ...oder ist der gute alte Plautus nicht doch nach wie vor einer der lateinischen Literaten?
 
Dann verstehe ich nicht, warum Du überhaupt nachgefragt hast. Wenn Du Dein Erkenntnisinteresse klar herausstellen würdest, könnte das uns beiden weiterhelfen.

War das nicht klar genug?

Sepiola schrieb:
Ob die venetische Sprache (neben der gallischen und rätischen) noch nachweisbare Spuren im regionalen Vulgärlatein hinterlassen hat, würde mich interessieren.
Mich interessieren aber nur nachweisbare Spuren und nicht neue windige Spekulationen und absurde Hypothesen.



Zu Cargo übersiehst Du die alte, gut belegte deutsche Entlehnung aus dem Venezischen;
Von der hattest Du gar nichts geschrieben - oder habe ich da wirklich etwas übersehen?
Du schriebst vom "NW-europäischen Entlehnungsprozess":
Die venezianische Variante cargo bezeichnet ursprünglich und bis heute ein Frachtschiff, der Bedeutungswandel auf die Fracht selbst erfolgte erst im NW-europäischen Entlehnungsprozess.
Dass diese Behauptung nicht richtig ist, habe ich belegt.

Wobei ich mich frage, wozu wir das überhaupt diskutieren sollen.
Für einen venetischen Ursprung des Worts sind die späteren Entlehnungsprozesse - ob ins Deutsche oder Englische - unerheblich.

Für diesen venetischen Ursprung des "cargo" liegt immer noch keine Spur eines Nachweises vor.


Bei versorium argumentierst Du am Thema vorbei
Hast Du denn schon Argumente zum Thema gebracht?

Warum verlinke ich eigentlich eine ausführliche Studie zur Dublette vertere-versare
Wozu Du die Studie verlinkt hast, habe ich auch nicht begriffen.
Du hast ja selbst geschrieben:
auf die Schnelle konnte ich jedoch nichts entdecken, was uns hier weiterhilft
Ich habe auch nichts entdecken können, was uns auf die Spur einer Entlehnung führen könnte.

Meine Frage war:
Wer sagt, dass eine der Dubletten entlehnt wurde?
Von Dir kam keine Antwort.
Ist das nun eine aus der Luft gegriffene Behauptung oder hast Du einen Beleg?

und fasst mich ansonsten sinnentstellend zusammen
Sorry wegen der Sinnentstellung. Da habe ich tatsächlich nicht sauber formuliert. Neuer Versuch:

"Versorium" ist natürlich nicht im klassischen Latein belegt, allerdings aus dem klassischen Latein zwanglos abzuleiten. Für eine Entlehnung sehe ich bislang keinen Anhaltspunkt, und schon gar nicht für eine venetische Entlehnung.

"Litus" ist klassisches (und bereits vorklassisches) Latein.


Zu Litus bringst Du ein berechtigtes Gegenargument, die Auseinandersetzung mit meinen anderen Argumenten steht noch aus;
Zu Litus habe ich belegt, dass das Scheinargument "scheinbar keine vorklassische Nennung" eine aus der Luft gegriffene Behauptung war.

Danke.
Noch ein Hinweis:
[FONT=arial, helvetica, sans-serif]ca. 250 - 184; stammt aus der Kleinstadt Sarsina in Umbrien, kommt jung nach Rom und versucht, sich am Theater und als Kaufmann durchs Leben zu schlagen. Nachdem er alles eingebüßt hatte, arbeitete er als Müllerknecht. Nebenbei schrieb er seine Komödien, die ihm auch finanziellen Erfolg einbrachten und seit 204 ein Leben als Dichter ermöglichten. 21 seiner urwüchsigen Komödien sind überliefert (130 zugerechnet). Freie Umsetzung der griechischen "fabula palliata" (der Neuen Komödie). Eigenleistung: Derber Witz, Situationkomik, Cantica. Zur Biographie vgl. Gell.3,3. [/FONT]
Lateinisches Link-Lexikon Plautus

Plautus schrieb seine Komödien für ein lateinischsprachiges Publikum, sie wurden von lateinisch sprechenden Schauspielern aufgeführt, und sie kamen beim lateingewohnten Publikum sehr gut an.

Damit erledigen sich eigentlich alle Spekulationen, dass das Wort zur Zeit Ciceros noch unbekannt gewesen sein könnte.

Weitere Beispiele zu suchen erübrigt sich. Obwohl, eins hab ich noch herumliegen:
Quintus Ennius, "Tonsillas apiunt configunt litus, aducas."

und noch Cicero das Wort "litus" für erklärungsbedürftig hielt.
Eigentlich erübrigt es sich auch, darauf noch einzugehen. Für erklärungsbedürftig kann Cicero das Wort als solches nicht gehalten haben. Allenfalls - in einem juristischen Zusammenhang - für definitionsbedürftig ("definieren" möglicherweise ganz wörtlich im Sinne von "abgrenzen").


Bei Gondola ergehst Du Dich in unbelegten Spekulationen, setzt Dich mit meinen Kernargumenten (contus="Schifferstab") jedoch nicht auseinander;
Erst mal zu meiner unbelegten Spekulation:
Du redest über ein hypothetisches, nirgendwo belegtes altgriechisches Wort
Das "altgriechisch" hatte ich aus Deinem Link übernommen:

Aber Dein Einwand ist akzeptiert, ich korrigiere mich:

Mittel- und Neugriechisch "kontoúra" sind zwei verschiedene Wörter mit zwei verschiedenen Bedeutungen und zwei verschiedenen Wurzeln, die nur zufällig gleich lauten. (Oder: ähnlich lauten - falls "kondoúra" die korrekte mittelgriechische Form wäre.)

Welche unbelegten Spekulationen (Du sprichst im Plural) kreidest Du mir sonst noch an?


Wenn es nicht um die Gondola, sondern um den contus geht (der war bisher nicht auf der Liste), dann lauten die Fakten bei Deinem Kernargument:

Zu griechisch κοντός haben wir die Bedeutungen "Stange, Ruderstange, Speerschaft".

In dieser Bedeutung (nicht nur "Schifferstange") ist das Wort auch im Lateinischen nachweisbar.

Bei lautlich völlig regelmäßiger Entsprechung.

Magna Graecia reichte bis Neapel, die Griechen waren die direkten Nachbarn der Latiner.

Da sehe ich nicht den geringsten Anlass, eine ganz normale griechisch-lateinische Entlehnung anzuzweifeln.

Und nun zu Deiner unbelegten Spekulation:

Lat. contus (Schifferstange) gilt als entlehnt von gr. κοντός, und taucht zuerst bei Vergil und Titus Livio auf - der Weg von Griechenland nach Rom führte also offenbar über Veneter.
Warum muss ein Umweg über die Veneter herbeigezwungen werden?

Vergil und Titus Livius schrieben klassisches Latein.
Dass sie von der venetischen Sprache beeinflusst waren, ist eine Behauptung ohne Beleg.
Kann man eine aus der Luft gegriffene Behauptung als "Beweis" für eine andere aus der Luft gegriffene Behauptung heranziehen?

Nebenbei: Warum schreibst Du eigentlich immer "Titus Livio"?


Bei Ghetto hältst Du den von mir angeführten epigraphischen Beleg "(e)getorei", auch die lautlichen Argumente, nicht für diskussionsürdig.
Richtig.
Ich sehe keinen Anlass, die "traditionelle" (= wissenschaftliche) Deutung wegzudiskutieren.


Zu fazesto:
"fazesto" ist nicht unter den aufgezählten Formen
Also kein Beleg.
 
Zuletzt bearbeitet:
zählt Plautus seit neuestem zu den großen Literaten der venetischen Literatur? ;) ...oder ist der gute alte Plautus nicht doch nach wie vor einer der lateinischen Literaten?
Nein. Plautus war genausowenig Veneter wie Lateiner. Sein Geburtsort Sarsina lag im umbrisch-gallischen Grenzbereich. Es geriet 266 v.Chr., zehn Jahre vor Plautus Geburt, als civitas foederata unter römischen Einfluss, und war auch im Gallischen Krieg 225 noch römischer Bündnispartner, nicht Teil des Reichs. Der Name Plautus wird als umbrisch gedeutet.
Sarsina liegt auf der Strasse Rom-Ravenna (Via Cassia bzw. Via Amerina bis Arezzo, dann heutige SS71 über den Appenin), einer schon in der Antike wichtigen Verkehrsachse und Hauptverbindung zwischen Rom und den Venetern. Es ist knapp 300 km von Rom, und 150 km von der venetischen Hafenstadt Adria entfernt. Die südlichsten venetischen Inschriften wurden bislang im antiken Spina, einer etruskisch-griechischen Stadt nahe dem heutigen Cornachio, aufgefunden. Von dort sind es knapp 100 km nach Sarsina.
Vor diesem Hintergrund halte ich es für durchaus denkbar, dass venetischer Wortschatz entlang der alten Verbindung zwischen Rom und den venetisch-etruskisch-griechischen Häfen rund um die Po-Mündung nach Sarsina bzw. zu Plautus gelangt ist.
Den Umbrier Plautus zum Kronzeugen des vorklassischen Lateins zu machen, ist in jedem Fall gewagt. Gleiches gilt übrigens für den Karthager Terenz, der nach dem 3. Punischen Krieg als Sklave nach Rom gelangte.

Was die Wenden angeht: Wirf mal einen Blick auf meine Wohnortangabe hier im Forum. Mit Wendennamen habe ich mich schon aus heimatkundlichen Interesse etwas intensiver beschäftigt, und kann Dir vermutlich mehr darüber erzählen als Du mir. Da brauche ich keine (sicherlich gut gemeinte) Nachhilfe. Ich bin durchaus in der Lage, entsprechende Ortsnamen, sei es am Limes Saxoniae, der Ilmenau, der Saale, oder in der Fränkischen Schweiz, zu lesen und siedlungsgeographisch zu interpretieren. Die dortigen Muster sind überall die gleichen, passen aber nicht zu den südwestdeutschen Wenden-Namen.
Das ist nicht nur mir, sondern auch österreichischen Namenskundlern aufgefallen - Finsterwalder hat sich nicht grundlos mit "Venedigernamen" beschäftigt (danke für die Info zu Vent, Sepiola!); auch der kryptische Verweis im Ortsnamenskript der Uni Wien ist dort kaum versehentlich reingerutscht. Bevor Du oder andere hier pauschal von Unsinn sprechen, sollte erst mal zur Kenntnis genommen werden, dass es eine Anzahl südwestdeutscher / Tiroler/ Schweizer "Wenden"-Namen gibt, die weder aus slawischer Siedlung noch, Udolph zufolge, aus andernorts gängigen germanischen Wurzeln (*vinne="Weide") erklärbar sind. Als Beispiele hatte ich hier vor einiger Zeit Windach bei Landsberg/Lech, Windenberg/ Allgäu, und Werdenberg SG (im MA Wendenberg) genannt. Wineden (OT von Markt Rettenbach) kann hier angeschlossen werden.
Ob ich bzw. die Uni Wien im Einzelfall und auch grundsätzlich richtig liegen mit der Annahme, germanische Siedler hätten ein separates "Wenden/ Winden"-Ethnonym auf Veneter bzw. Veneto-Romanen (Aquiliea) verwandt, ist eine andere Frage. Hier bin ich für konstruktive Kritik offen. Aber die These ist sicher nicht "unsinniger" als der konkurrierende Erkliärungsansatz, die Bayern hätten im 6./7. Jahrhundert slawische "Wenden" aus der Operpfalz bzw. Kärntner "Winden" systematisch in den Voralpenraum zwangsumgesiedelt.
 
Bevor Du oder andere hier pauschal von Unsinn sprechen, sollte erst mal zur Kenntnis genommen werden, dass es eine Anzahl südwestdeutscher / Tiroler/ Schweizer "Wenden"-Namen gibt, die weder aus slawischer Siedlung noch, Udolph zufolge, aus andernorts gängigen germanischen Wurzeln (*vinne="Weide") erklärbar sind.

Außer *vinne="Weide" kommen in Frage:
- Ahd./mhd. wint "Wind, Sturm"
- Ahd. winta, mhd winde"Winde"
- Mhd. widem"Wittum"
- Ahd. swendi, mhd. swende"Vernichtung"
- Personennamen wie Windo...

Wo sieht Udolph Deiner Meinung nach einen unerklärlichen Rest?

Apropos "zur Kenntnis genommen":

Hast Du die Literatur zur Kenntnis genommen, auf die sich Udolph bezieht?
Speziell:
Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein
Ortsnamen mit Windisch/Winden in Bayern
In: Blätter für oberdeutsche Namenforschung 1991/1992

Aber die These ist sicher nicht "unsinniger" als der konkurrierende Erkliärungsansatz, die Bayern hätten im 6./7. Jahrhundert slawische "Wenden" aus der Operpfalz bzw. Kärntner "Winden" systematisch in den Voralpenraum zwangsumgesiedelt.
Von "systematisch" und "zwangsumgesiedelt" spricht hier keiner, oder habe ich etwas überlesen?

Was ist an der Feststellung "unsinnig" oder auch nur zweifelhaft, "daß im gesamten Gebiet des heutigen Bayern Slawensiedlungen mit Namen Windisch/Winden angelegt worden sind"?
 
Ob ich bzw. die Uni Wien im Einzelfall und auch grundsätzlich richtig liegen mit der Annahme, germanische Siedler hätten ein separates "Wenden/ Winden"-Ethnonym auf Veneter bzw. Veneto-Romanen (Aquiliea) verwandt, ist eine andere Frage.

Egal, wie der "kryptische Hinweis" reingerutscht ist* - von "Veneto-Romanen" schreibt "die Uni Wien" jedenfalls nichts.
Da wird der Wenden-Name eindeutig auf die Slawen bezogen:
Dann Veneter[FONT=Wingdings,Wingdings][FONT=Wingdings,Wingdings] [/FONT][/FONT]haben den Namen Wenden hinterlassen, der heute für Slawen verwendet wird
Die süddeutschen "Veneto-Romanen" musst Du schon auf Deine eigene Kappe nehmen.



Augusto schrieb:
Finsterwalder hat sich nicht grundlos mit "Venedigernamen" beschäftigt (danke für die Info zu Vent, Sepiola!).
Natürlich nicht.

Der Grund ist:

Als die Ortsnamenforschung noch in den Kinderschuhen steckte, hat man tatsächlich versucht, die genannten Namen auf den Veneternamen zurückzuführen (z. B. Friedrich Stolz, Über die Urbevölkerung Tirols, Innsbruck 1886).

Diese (Fehl)-Zuschreibungen waren noch Mitte des 20. Jahrhunderts in (damals) neueren Nachschlagewerken zu lesen.

Und genau deswegen hat Finsterwalder sich 1955 hier um eine Klarstellung bemüht. Um das mal zusammenzufassen:

- Der Venetberg ist klar deutsch zu etymologisieren
- Bei Wenns "kann man kaum auf einen Ursprung aus romanisch "Venedi, Vened-os" zurückschließen".
- Vent
"liegt 1930 Meter hoch, vor Anlage der deutschen Schwaighöfe im 13. Jahrhundert hatte es keine Dauersiedlung, damit erledigt sich wohl die Anknüpfung dieser zum Gebiet der Venosten gehörigen Hochalpe an den Volksnamen der Veneter."
- Und der erst 1797 erstmals genannte Venediger kommt "als Zeugnis für die prähistorischen Veneter in Tirol ... jedenfalls schon wegen seiner sprachlichen Gestalt nicht in Frage."


* Durch Spekulieren werden wir das hier nicht klären können. Klar ist nur: Es handelt sich um eine studentische Mitschrift ohne wissenschaftlichen Apparat...
 
Hatte ich schon erwähnt, dass unser erster venetischer Kvito im 6. oder frühen 5. Jhd v. Chr. zu Grabe getragen wurde?
Beleg?
Auf den zweiten Blick nicht so gut, wie er zunächst zu sein schien: Der Inschrift fehlt die Silbeninterpunktion, was nur sehr frühe Inschriften betrifft. Allerdings besteht die Inschrift lediglich aus dem Namen, also fünf Buchstaben, und solch kurze Zeichenfolgen wurden auch später nicht immer interpunktiert. Der zweite Beleg (Es 5) stammt aus dem frühen 3. Jahrhundert v. Chr.:
L'alfabeto atestino. Determinazione cronologica delle iscrizioni dopo analisi con strumenti informatici (The Bonn Archaeological Software Package) | Simona Marchesini - Academia.edu_

Zur venetischen Schrift findest Du schon so einiges in der vorstehenden Publikation. Beachte das Vorkommen des angeblich in Este ungebräuchlichen "Thetas" in drei dortigen Inschriften - die Einzelbelege hatte ich in einem Vorbeitrag schon genannt.
Eine schöne Darstellung findet sich im nachstehenden Aufsatz des "Papstes" der Venetologie, M. Lejeune. Neben der generell interessanten Beschreibung venetischer Inschriftfunde in Pannonien (nahe Pecs in Südungarn) erfolgt zum Ende hin eine Diskussion der Dentale, eingeleitet mit den Worten "De facon mal expliquée.." ("In kaum erklärter/ verstandener Weise.."). Die frühere Äußerung, es gäbe sechs verschiedenen als "D" gedeuteten Zeichen, muss ich revidieren - einschließlich der pannonischen Funde sind es nun acht, plus vier verschiedene "T"(Abbildung bei Lejeune).
Persée#
Allein für die pannonischen Inschriften notiert Lejeune zudem

  • Vier verschiedene "F" (drei Digraphen "vh" bzw "hv", plus ein separates Zeichen);
  • Fünf verschiedene "H" (eines davon identisch mit dem separaten "F");
  • Fünf verschiedene "Gamma" (von Lejeune tentativ gedeutet als verschiedene Stufen der Palatisierung "g">"ij">"j")
  • Drei verschiedene Ś (entspricht dem heutigen rätoromanischen stimmhaften "z" wie in deutsch Rose);
  • Zwei verschiedene "B", beide "theta"-ähnlich, das erste für mich identisch mit Lejeunes zweiten "T".
Diese Phänomene diskutiert Lejeune nur ansatzweise. Für mich ist die plausibelste Erklärung immer noch die von Kollmann bzw. den Proponenten der "F-Schicht" (Ölberg etc.) gelieferte:
Herkunft Tiroler Ortsnamen ? Wikipedia
Vertretung der idg. Mediae aspiratae (bh, dh, ģh/gh): Im Oaidg.A werden diese zu stimmlosen Reibelauten (f, θ, χ),
wobei o.g. Schriftphänomene andeuten, dass Venetisch die Mediae aspiratae lange bewahrte und diese erst spät, vielleicht auch regional unterschiedlich, in Reibelaute umformte.
Lautwechsel [Wipptal] von V zu B? Nicht eher umgekehrt?
Eben nicht (siehe die verlinkten Quellen in meinem ursprünglichen Beitrag)! Genau dieses Paradoxon hat Kollmann u.a. auf die "ostalpenindogermanische" bzw. venetische Spur gebracht. Die Frage ist also - wie wird lateinisch "V" zu mittelalterlich "B"? Gut, das können die Goten gewesen sein (Ravenna->Rabenschlacht). Aber wie wird dann aus einem "gotischen" "B" innerhalb eines Jahrhunderts ein bairisches "W"? Da wäre doch eher weitere Verhärtung zu "P" (vgl. Innspruke) zu erwarten. Hier kommt jetzt die "ostalpenindogermanische" Erklärung ins Spiel: Das römische "V" war für die Ortsansässigen lautlich noch ein "Bh", vielleicht auch ein "Bv", in jedem Falle von Scriptoren als "B" (miss-)verstehbar, bis es dann Baiern zu "W" (häufig, jedoch nicht beim Wipptal, auch zu "F") auflösten.

Welche Laute die Veneter genau nutzten, werden wir wohl nie erfahren, aber das oben geschilderte "Durcheinander" wo ein und dasselbe Zeichen mal als "H", mal als "F" auftaucht, spricht für ein in lateinischen Buchstaben schlecht fassbares lautliches Kontinuum. In dieses Zusammenhang ist u.a. auch benerkenswert, dass das als "B" gelesene Zeichen ein griechisches "Phi" ist, und im (nicht venetischen) "west-rätischen" Alphabet auch lautlich so interpretiert wird. Anders als Latein nutzte Venetisch separate Buchstaben für "U" und "V", letzterer ist ein spiegelverkehrtes lateinisches "F".
Das venetische "K", schön zu erkennen in "ekupetaris ego" ("Ich, Wagenführer") im angehängten Bild (linker Kreis ab "9 Uhr"), wird in lateinischen Inschriften mal zu EQUPETARS (Pa 6), mal zu ECVPETARIS (Bl 1). Auch schön ist "Trumusicate(i)", offenbar eine regionale Gottheit, der in Cadore geopfert wurde (zweite Anlage, Ca 19, "o.p.po.s. aplisiko.s. doto dono.m. / trumusicatei I \\ II", im Urzeigersinn zu lesen, "trumusicatei" erscheint also oben von links nach rechts). Das etruskische und lateinische "C" ist dort ebenfalls gut zu erkennen. Lateinisch beschriftete Opfergaben gehen jedoch an TRUMUSIATE (Ca 62, 73), zeigen also frühen intervokalischen Ausfall. Welche Lautqualität hatte nun das venetische "C"? "Ij", "ch","h" - niemand weiss es.
Auch der oben wiedergegebene Ansatz der "ostalpenindogermanischen" Namensableitung ist daher letztlich nicht mehr als eine Arbeitshypothese, die sich bislang jedoch zu bewähren scheint.
Caesars "De bello Gallico" - wäre das eventuell auch ein Werk in venetischer Sprache?
Du meinst -ico wie hier - gelistet unter "Latin non-Lemma forms"?
-icos - Wiktionary
Du könntest da auf einer interessanten Spur sein. Wann begannen die Römer denn, Abstammung nicht mehr durch "-ius", sondern venetisch mit "-ico"/"-icus" zu kennzeichnen? Da die Veneter näher als die Römer an den Galliern siedelten, und mit ihnen vermutlich schon vor deren transalpiner Invasion in Kontakt standen, dürfte das Wort "Gallicus" in der Tat venetischen Ursprungs sein. "Punicus" - den zweiten punischen Krieg führten Römer und Veneter gemeinsam. "Umbricus" erscheint erstmals bei Titus Livius (ich lese in letzter Zeit zu viele italienische Webseiten).
Definition of Umbricus (adjective, LNS, Umbricus) - Numen - The Latin Lexicon - An Online Latin Dictionary
Andererseits ist analoge Bildung zu "Atticus" natürlich auch denkbar.
Vergil und Titus Livius schrieben klassisches Latein.
Dass sie von der venetischen Sprache beeinflusst waren, ist eine Behauptung ohne Beleg.
Den Beleg zu Vergil hatte ich doch im vorletzten Beitrag gebracht - Aelius musste erhebliche Mühe auf entsprechenden Nachweis verwenden, was ihm nur unter Heranziehung des Karthagers Terenz und des Umbriers Plautus gelang. Zu Titus Livius auf die Schnelle
Titus Livius ? Wikipedia
Geboren wurde er im Jahr 59 v. Chr. – vielleicht auch schon 64 v. Chr. – in Patavium, dem heutigen Padua, das erst 49 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhielt. Dieser Stadt blieb er bis zu seinem Tod sehr verbunden, was sich sogar auf seinen Stil und seine Aussprache ausgewirkt haben soll.
Weiteres findest Du problemlos selbst (Tipp - google nach Livio:pfeif:).
Für diesen venetischen Ursprung des "cargo" liegt immer noch keine Spur eines Nachweises vor.
Mich würde prinzipiell interessieren, ob die Spanier das Wort schon gebrauchten, bevor die Herren Columbus und Vespucci in ihre Dienste traten. Der früheste spanische Beleg, den ich finden konnte, ist von Bartolomé de Las Casas. Die deutschen Entlehnungen, die klar aus Venedig stammen, datieren früher. In der Sache ändert das nichts. Ich hatte ja schon zu Beginn geschrieben, dass die Wurzel gallisch ist, und "karros" o.ä. venetisch nicht belegt ist.
Meine Frage war:
Wer sagt, dass eine der Dubletten entlehnt wurde?
Von Dir kam keine Antwort.
Zu Dubletten als grundsätzlichem Indikator einer Entlehnung findest Du etwas hier (der erste Link ist schon älter, bitte den ersten Satz ignorieren!):
Mauthner - Ethnologie: Lehnwörter
https://books.google.de/books?id=R-...AEwCDgK#v=onepage&q=Lehnwort Dublette&f=false
Die aktuelle Forschung ist da etwas differenzierter, und unterscheidet als Ursache der Dublettenbildung (S.XX):

  1. Sprachexterne Wortspaltung (mehrfache Entlehnung aus unterschiedlichen Quellen), z.B. Meister, Magister, Maitre (de plaisir)
  2. Genetisch bedingte Wortspaltung: Urwort, plus Entlehnung eines Kognaten aus einem Subsystem (Dialekt) oder einer verwandten Sprache. Deutsche Beispiele für ersteres sind sanft-sacht, für zweites faul - Foul (beim Fussball)
  3. Sprachinterne Aufspaltung durch mehrfache Aufnahme des gleichen Fremdworts (dichten - diktieren) oder morphosemantische Aufspaltung eines Urworts (der Schild - das Schild).
https://books.google.de/books?id=X_...AEwADgK#v=onepage&q=Lehnwort Dublette&f=false
Bei vertere-versare handelt es sich offenbar um den zweiten Fall, wobei hier, wie schon gesagt, neben Venetisch auch Umbrisch als Quelle in Frage kommt.

Litus ist mit Deinem Ennius-Zitat abgehakt. "contus" wird bei Homer klar im Sinne von Schifferstab (fürs Staken) gebraucht, wie ihn auch der Gondoliere nutzt. Der norditalienisch-griechische Kulturkontakt ist älter als die Entstehung der Magna Graecia (siehe etruskisch-venetisches Alphabet), und gilt als aus Italien initiiert. Dies dürfte dann auch für den Transfer von Seefahrtsvokabular gelten. Jedoch - "contus" ist bei Homer belegt, aus einer Zeit, für die es noch keine venetischen Schriftzeugnisse gibt.
Ich sehe keinen Anlass, die "traditionelle" (= wissenschaftliche) Deutung [von /e)getorei] wegzudiskutieren.
Könnte Inschrift CA XIV "MEMMIVS EGETIAE FECIT" auf einem Grab-Askos solchen Anlass liefern? EGETIAE ist eindeutig Dativ, und weder lateinisches noch venetisches (-ico, -aiio) Patronym. Die Analogie zu frz. gésir "(in Frieden) ruhen" drängt sich schon auf.
Wenn wir bei "egetore" als Name bleiben - das Substantivierungssuffix "-tor", analog Latein, ist mehrfach belegt. "Domator" wird bspw. als "Zähmer" gedeutet. Nehmen wir die nächstliegende indogermanische Wurzel, *gheu (giessen), erhalten wir also egetore = "(Aus-)Giesser". Ein schönes, nicht-lateinisches, indoeuropäisches Wort, dessen Ableitungen heute noch im Veneto gebräuchlich sind.
Dann wäre da noch Inschrift Es 73 auf einem Denkmalssockel im Tempel der Raetia "mego v/a.n.t.s e.g/e.s.t.s do/na.s.to / re.i.itia.i.". Als Patronym zu Vants taugt "egests" nicht (kein Genitiv, keine patronymische Endung). Als Aorist bzw. Partizip "das Gegossene (Standbild)" macht es jedoch Sinn.
Zu fazesto: Also kein Beleg.
Nein, lediglich die knapp vierzig "st"-Bildungen von anderen Partizipien, die Hull aufzählt. Plus dieses:
http://www.orbilat.com/Languages/Venetan/mgx_veneto.pdf
Comunque el vèneto el ga na [FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic]dexinenzsa rego
[FONT=Arial,Italic][FONT=Arial,Italic][FONT=Arial,Italic]£[/FONT][/FONT][/FONT][FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic]arixante [/FONT][/FONT][/FONT][FONT=Verdana,BoldItalic][FONT=Verdana,BoldItalic][FONT=Verdana,BoldItalic]-esto [/FONT][/FONT][/FONT]doparà par rèndar regolari anca i partisipi iregolari: [FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic]visto -> vedesto , méso -> metesto , stréto -> strenzxesto... [/FONT][/FONT][/FONT]derivài da [FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic][FONT=Verdana,Italic]védar/métar/strénzxar [/FONT][/FONT][/FONT]e vanti cusì.
Ich hatte ja gehofft, die Memoiren der nachfolgenden Herren könnten weiterhelfen, aber leider sind sie auf Französisch verfasst. Immerhin ein weiterer Puzzlestein zur Erklärung der verblüffenden lautlichen Ähnlichkeit zwischen Venezisch/ Ladinisch und Französisch..
[/FONT]
[/FONT]
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Nein. Plautus war genausowenig Veneter wie Lateiner.
:grübel: ...Plautus kein Lateiner... ja wieso zählt man den zur lateinischen Literatur? ...:weinen:und ich musste als Pennäler den miles gloriusus lesen, im Fach Latein, wo uns Pennälern der Plautus als großer römischer Komödiendichter vorgestellt wurde - und nun kommst du und schmetterst mein liebgewonnenes Schulwissen zu Boden:
Den Umbrier Plautus zum Kronzeugen des vorklassischen Lateins zu machen, ist in jedem Fall gewagt.
:rofl:
 
Zur venetischen Schrift findest Du schon so einiges in der vorstehenden Publikation.

Ich hatte nach dem venetischen Lautsystem gefragt:

Sepiola schrieb:
Wenn Du anhand dieser Zitate mal darlegen könntest, wie Du Dir das Lautsystem des Venetischen vorstellst, könnte ich Deinen Anläufen möglicherweise ein Stück weit folgen.

Deinem Beitrag kann ich nicht entnehmen, wie Du Dir das Lautsystem des Venetischen vorstellst. Bzw. nur, dass Du darüber völlig unklare Vorstellungen hast.

Augusto schrieb:
Welche Laute die Veneter genau nutzten, werden wir wohl nie erfahren

Andere können ziemlich präzise benennen,
- was sicher ist
- was nicht sicher ist
- was sich zwischen PIE und Venetisch geändert hat
- was sich innerhalb der Jahrhunderte geändert hat, in der Venetisch durch Inschriften belegt ist.
Introduction to Venetic (Leiden Summer School in IE Linguistics 2013) | Michael Weiss - Academia.edu


Eben nicht (siehe die verlinkten Quellen in meinem ursprünglichen Beitrag)! Genau dieses Paradoxon hat Kollmann u.a. auf die "ostalpenindogermanische" bzw. venetische Spur gebracht.
Ich weiß immer noch nicht, was genau Du meinst. Welcher Beitrag ist Dein "ursprünglicher Beitrag"?

Und bitte: Zitiere doch die aussagekräftigen Stellen, die Du bei Kollmann (oder bei anderen) gefunden hast, damit ich Dir ansatzweise folgen kann.


Das venetische "K", schön zu erkennen in "ekupetaris ego" ("Ich, Wagenführer") im angehängten Bild (linker Kreis ab "9 Uhr"), wird in lateinischen Inschriften mal zu EQUPETARS (Pa 6), mal zu ECVPETARIS (Bl 1).
Hier lassen die lateinischen Inschriften eigentlich keinen Interpretationsspielraum:
Das c wurde bis ca. 400 n. Chr. stets wie k ausgesprochen
... Der mit qu bezeichnete Labiovelar wurde als kw (mit bilabialem w) gesprochen.
http://www.klassalt.uni-kiel.de/de/...abriss-der-lateinischen-phonetik-und-prosodie

Dass das k/c/q in allen drei Schreibweisen von u/v gefolgt wird, ist ein Beleg, dass es sich um das labiovelare kw handelt. Dazu passt die Assimilation, die wir in der Schreibung "eppetaris" sehen.

Auch schön ist "Trumusicate(i)", offenbar eine regionale Gottheit, der in Cadore geopfert wurde (zweite Anlage, Ca 19, "o.p.po.s. aplisiko.s. doto dono.m. / trumusicatei I \\ II", im Urzeigersinn zu lesen, "trumusicatei" erscheint also oben von links nach rechts). Das etruskische und lateinische "C" ist dort ebenfalls gut zu erkennen. Lateinisch beschriftete Opfergaben gehen jedoch an TRUMUSIATE (Ca 62, 73), zeigen also frühen intervokalischen Ausfall. Welche Lautqualität hatte nun das venetische "C"? "Ij", "ch","h" - niemand weiss es.
Den Lautwert "j" anzusetzen, wird wohl nicht ganz daneben sein.
Zu lesen wäre also "Trumusijate".
Das Lateinische hatte keinen eigenen Buchstaben für "j" bzw. schrieb das zwischen "i" und "a" gesprochene "j" nicht.
Das i wurde zwischen zwei Vokalen wie dt. –ij gesprochen, also maior wie maijor.
Also ist auch die lateinische Wiedergabe genauso zu lesen: "Trumusijate".
(Wenn es eine lateinische Inschrift "Trumusicate" gäbe oder eine venetische Inschrift, die eindeutig einen Konsonanten belegt, dann hätten wir es tatsächlich mit einem Konsonantenausfall zu tun.)



Augusto schrieb:
Du könntest da auf einer interessanten Spur sein. Wann begannen die Römer denn, Abstammung nicht mehr durch "-ius", sondern venetisch mit "-ico"/"-icus" zu kennzeichnen?

Das hast Du schon einmal gefragt.
Darauf habe ich schon einmal geantwortet.

Die interessante Frage hier ist: Wann "erfanden" bzw. übernahmen die Römer die Namensbildung auf "-icus"/ "-icum"?
Schau doch einfach mal hier nach:
-icus - Wiktionary

Die Römer haben das "icus" nicht erfunden und nicht erworben.
Sie haben es von ihren proto-indeuropäischen "Vorfahren" geerbt.

From Proto-Indo-European *-ikos, *-iḱos, formed with the i-stem suffix *-i- and the adjectival suffix *-ko-. Cognates include Ancient Greek -ικός (-ikós), Sanskrit (-śas), (-kas) and Old Church Slavonic -ъкъ (-ŭkŭ). PIE *-ko- on noun stems carried the meaning 'characteristic of, like, typical, pertaining to', and on adjectival stems it acted emphatically.
Den Beleg zu Vergil hatte ich doch im vorletzten Beitrag gebracht
Da ist von Venetisch nicht die Rede.
Also kein Beleg.


Zu Dubletten als grundsätzlichem Indikator einer Entlehnung findest Du etwas hier
Danke, darüber bin ich bereits ganz gut informiert.

Bei vertere-versare handelt es sich offenbar
... nicht um eine (entlehnungsbedingte) "Dublette", sondern um eine bei lateinischen Verben öfter zu beobachtende Erscheinung: Durch d/s bzw t/s werden Wortpaare gebildet, wobei die Verben mit "s" eine ähnliche - in der Regel intensivere Bedeutung erhalten:

defendere "abwehren, zurückweisen" - defensare "eifrig verteidigen, schützen"
pultare "klopfen an, schlagen an, stoßen an" - pulsare "(heftig) klopfen, schlagen, stoßen"
vertere "(um)wenden, (um)drehen" - versare "oft drehen, hin und her drehen, wälzen"
videre "sehen" - visere "(genau) ansehen, besichtigen"

Wenn Du irgendwo eine wissenschaftliche Arbeit auftreibst, in der "vertere" und "versare" als entlehnungsbedingte Dubletten bezeichnet werden, lasse ich mich überzeugen.

"contus" wird bei Homer klar im Sinne von Schifferstab (fürs Staken) gebraucht, wie ihn auch der Gondoliere nutzt.
Natürlich kann "contus" so genutzt werden. Aber nicht jeder "contus" ist zwingend ein Schifferstab. (Die Gondoliere, die ich bisher gesehen haben, bewegten ihre Gondeln übrigens nie durch eine Stocherstange fort, sondern immer durch ein Ruder - "remo".)

Bei Vergil haben wir z. B. (Aeneis 505ff):
accelerant acta pariter testudine Volsci
et fossas implere parant ac vellere vallum;
quaerunt pars aditum et scalis ascendere muros,
qua rara est acies interlucetque corona
non tam spissa viris. telorum effundere contra
omne genus Teucri ac duris detrudere contis,
adsueti longo muros defendere bello.
=
Rasch nun ziehen die Volsker herbei mit erhobenem Schilddach,
Schicken die Gräben zu füllen sich an und den Wall zu zerstören.
Andre versuchen, im Sturm mit Leitern die Mauern zu nehmen,
Da wo dünner die Reihn, wo, von Lücken durchschimmert, der Männer
Kreis so dicht nicht steht. Doch die Teukrier schleudern mit Waffen
Jeglicher Art und stoßen den Feind herunter mit harten
Stangen - geübt im Verteidigungskrieg durch lange Erfahrung,

http://www.gottwein.de/Lat/verg/aen09.php


Leider sind wir jetzt völlig weg von dem, was mich eigentlich interessiert, nämlich:
Ob die venetische Sprache (neben der gallischen und rätischen) noch nachweisbare Spuren im regionalen Vulgärlatein hinterlassen hat.

"contus" ist klassisches Latein.
"litus" ist klassisches Latein.
"carrus" ist klassisches Latein.
"versare" ist klassisches Latein.

Bleibt noch die Gondel, die ist weder klassisch noch gemeinromanisch. Hier kann man diskutieren, ob die Form "gondola" auf regionalem Vulgärlatein basiert oder nicht. Auf dem Tisch liegt bislang:

1. ein byzantinisch-griechischer Beleg aus dem 10. Jh. (und damit die Möglichkeit einer Ableitung aus dem Griechischen, so steht es auch in verschiedenen etymologischen Wörterbüchern)

2. kein Beleg für eine vulgärlateinische/regionalsprachliche Form vor dem 10. Jh.

Interessant und zumindest überprüfenswert sind außerdem
die knapp vierzig "st"-Bildungen von anderen Partizipien, die Hull aufzählt.
... auch wenn ausgerechnet "fazesto" nicht zu belegen ist.
Wenn man aber zu den anderen Verbformen die entsprechenden regional-vulgärlateinischen Vorgänger belegen könnte, wäre ich schwer beeindruckt.
 
Exkurs: Schrift und Laut

Ein paar Gedanken zu Schrift und Laut zwischendurch, weil ich den Eindruck habe, dass das immer wieder verwechselt wird...

Vermutlich gibt es keine Schriftsprache, in der das Prinzip 1 Buchstabe = 1 Laut konsequent durchgehalten wird.

Im Deutschen kann z. B. der Laut "f" auf verschiedene Weise geschrieben werden:
Mit v wie in "Vogel"
Mit ph wie in "Phosphor"
mit f wie in "Folie"
Für manche Wörter gibt es auch mehrere Schreibweisen, z. B. "Photo" oder "Foto". Es macht keinen Ausspracheunterschied, ob man "Photo" oder "Foto" schreibt.

Von manchen Buchstaben gibt es mehrere Schreibweisen - für uns sind diese Schreibweisen manchmal so selbstverständlich, dass die Unterschiede beim Lesen kaum auffallen.

Manchmal verwendet man für einen Laut mehrere Buchstaben (z. B. "ph", "sch"), manchmal hat man einen Buchstaben für mehrere Laute (z. B. "x", gesprochen "ks").

Im Deutschen macht es keinen Unterschied, ob der Laut "t" mit einfachem "t" oder mit "th" geschrieben wird. 1895 schrieb man noch "Thaler", "Thür" und "theuer", 1901 dann "Taler", "Tür" und "teuer". An der Aussprache hat sich zwischen 1895 und 1901 nichts geändert.
Bei Orts- und Personennamen war die Schreibweise schon seit jeher recht individuell: http://www.geschichtsforum.de/732322-post279.html

Im Englischen macht es hingegen einen Unterschied, ob "tin" oder "thin" geschrieben wird.

Fast alle Schriftsprachen haben ihren Zeichensatz aus andern Schriftsprachen entlehnt (unsere Schrift stammt aus dem Lateinischen), ihn dann aber auf ihr Lautsystem angepasst. Aus diesem Grund (und weil sich Sprachen ändern und Rechtschreibregeln angepasst werden oder auch nicht) gibt es oft "überflüssige" Buchstaben.
Im Deutschen wäre z. B. das "v" verzichtbar, da es keinen eigenen Lautwert hat. Man könnte ja genausogut "Fogel" oder "Wase" schreiben.

Um bei einer ausgestorbenen (Buchstaben)-Schriftsprache das Verhältnis zwischen Schrift und Laut zu bestimmen, gibt es einige Methoden, die wir oben schon angesprochen hatten:
Man kann untersuchen,
- wie die Buchstaben in dem Schriftsystem verwendet wurden, aus dem sie entlehnt wurden.
- welche Buchstaben austauschbar verwendet werden.
- in welchen Zusammenhängen die Buchstaben austauschbar sind.
- welche Buchstaben welchen Buchstaben in einem anderen Schriftsystem entsprechen.
- und noch einige andere Dinge mehr...
 
Hast Du die Literatur zur Kenntnis genommen, auf die sich Udolph bezieht?
Speziell:
Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein
Ortsnamen mit Windisch/Winden in Bayern
In: Blätter für oberdeutsche Namenforschung 1991/1992
Ja, habe ich, genauso wie sein "Lexikon Bayrischer Ortsnamen". Leider ist davon, mit Ausnahme des Bands zu Oberbayern, nichts im Internet zu finden. Falls Dir der Gute zufällig in einer Bibliothek über den Weg läuft, wäre ich für entsprechende Auszüge (auch sinngemäß) dankbar.
Von "systematisch" und "zwangsumgesiedelt" spricht hier keiner, oder habe ich etwas überlesen?
Hast Du - das verdient aber Glückwünsche, keine Vorwürfe. Hier ein Ergebnis meiner Spurensuche in Windenberg und Wineden/ Allgäu, verfasst von einem örtlichen Geschichtslehrer (.doc, öffnet auch ohne Passwort, S. 67):
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=11&cad=rja&uact=8&ved=0CCAQFjAAOAo&url=http%3A%2F%2Fwww.ottobeuren-macht-geschichte.de%2Farchive%2Ffiles%2Fc4b4f5dca2d6c20cf8fadea5bf1f1031.doc&ei=GmWTVNOQCM3fPYyTgdgF&usg=AFQjCNFqYXh-X_gSUqRP5I0wVrpbrlvwCw&bvm=bv.82001339,d.ZWU
"König Karl zog selbst in das Land zu den Wilden Wenden, Er nachte 2 Brücken Über die Elbe und zog ins Wendenland* Der Wendenfürst ergab sich und empfing sein Land als ein Leheni - Der König zog dann weiter nach Polen bis an die Weichsel und machte sich alle Wendenlande gehorsam " (Joh.Aventinus), Das war im Jahre 789* Es entstand die "Wendische Mark".
Durch Verschleppung und Umsiedlung nahmen die Franken den angrenzenden, ungehorsamen Volksstämmen die Kraft des Widerstandes* Nach damaligen Kriegsrecht galt jeder Gefangene als ein anrechtloser Sklave* Menschen wurden als Beute von den Siegern mitgenommen, verhandelt, verkauft oder als völlig unfreie Knechte auf germanische Hofe verteilt. Zivilisten aber wurden aus ihrer Heimat verschleppt und den Heerführern (Grafen, Meiern) zugeteilt. Da nun im fränkischen Heeresverband auch Schwaben, Bayern, Thüringer* Sachsen mitzukämpfen hatten, finden wir die Zwangssiedlungen der Wenden auch in unserem Raum. Ob die Männer, Frauen und Kinder von unserem Wineden und Windenberg von den Ottobeurer Grafen (?6*t Silach) oder einem anderen nach Schwaben gebracht wurden, läßt sich nicht nachweisen.
Merkwürdig aber ist, daß alle Verschlepptensiedlungen zwischen größeren Marken in unfruchtbarem Gebiet, in ehemaligem Urwald liegen. Demnach wurden seinerzeit die Verschleppten in die Urwälder getrieben und ihrem Schicksal überlassen. Kriegsgefangene dagegen dienten als Knechte auf den Höfen. Freigelassene Knechte durften sich ebenfalls an den Handgebieten flurmark ansiedeln.
Ähnliche, nicht ganz so krasse Beispiele habe ich für andere "Wenden"-Orte gesehen, finde aber leider die Links nicht wieder.
Was ist an der Feststellung "unsinnig" oder auch nur zweifelhaft, "daß im gesamten Gebiet des heutigen Bayern Slawensiedlungen mit Namen Windisch/Winden angelegt worden sind"?
So ziemlich alles, angefangen beim unklaren Begriff "anglegt" (durch wen? Slawen selbst, oder andere?). Wir haben zweifellos die Bavaria Slavica östlich Fulda/ Würzburg/ Altmühl, gekennzeichnet durch Ortsnamen (nicht nur "Winden/Wenden", sondern v.a. slawische Endungen wie "-itz" und "-in"), auch archäologisch und durch mittelalterliche Dokumente gut belegt. Im Osten ein relativ geschlossener völkerwanderungszeitlicher Einwanderungsraum, nach Südwesten hin stärker aufgelockert, aber dennoch klar erkennbar (siehe angehängte Karte, Quelle 2. Link).
http://de.wikipedia.org/wiki/Bavaria_Slavica
http://www.schuetzen-schwarzach.de/Gemeinde Schwarzach/Slawische Siedlung/Schwandorf 09-2007.pdf
Im slawischen Kernsiedelraum halte ich die Bezeichnung "angelegt worden" für unzutreffend, hier dürften eher schon bestehende Siedlungen während der Germanisierung bzw. im hochmittelalterlichen Landesausbau mit dem Zusatz "Wendisch"/ "Windisch" versehen worden sein.
Für die Kontaktzone kommt durchaus gesteuerte slawische Ansiedlung während der karolingischen Landnahme in Frage, wie es auch für Oberösterreich diskutiert wird (S. 250f).
http://www.kulturlandschaft.org/publikationen/siedlungsforschung/sf17-1999.pdf
Damit ergibt sich eine ausgesprochene Affinität der Parameter »Zeitraum« (ausgehendes 8. und 9. Jahrhundert), »ethnischherrschaftlich-politische Konfiguration« (deutsch-slawische Kontaktzone) sowie »Siedlungsform« (Rundweiler) im Elbe-Saale-Gebiet wie auch im oberösterreichischen Raum (..) Somit stellt sich die Frage, ob für den frühmittelalterlichen Traungau zumindest teilweise gleiche oder ähnliche »Mechanismen« der Siedlungsgenese zu postulieren sind, wie man sie beinahe zeitgleich unter sehr ähnlichen Rahmenbedingungen im elbisch-saalischen Grenzsaum beobachten kann. (..) Demnach handelt es sich bei der oben für den oberösterreichischen Traungau beschriebenen Situation (..) um ein »verhältnismäßig breites Gebiet, in dem gehäuft Fundstücke slawischer Herkunft auftreten, Siedlungen slawischer Herkunft nachweisbar sind, jedoch slawische Ortsnamen nicht bzw. höchst selten oder in hybrider Form vorkommen. Es handelt sich hier offenbar um Ansiedlungen slawischer Bauern innerhalb der sich herausbildenden feudalen Grundherrschaften des Adels und der Kirche im Merowinger-oder Karolingerreich« (ebenda). Der Schluß liegt nahe, daß im Traungau das slawische Ethnikum – ähnlich wie das Sage (1986) für Oberfranken vermutet – im 8./9. Jahrhundert stärker am frühen Landesausbau und an der Ausbildung seiner räumlichen Konturen beteiligt gewesen sein könnte, als bislang vermutet worden ist (siehe auch Herrmann 1989).
Dieser Prozess mag fallweise auch Einzelsiedlungen weiter westlich (aber dann in 30-60 km Entfernung zur Kontaktzone, nicht bis ins Allgäu) hervorgebracht haben, etwa Windischenbach bei Heilbronn (das Gebiet um Tauber und Jagst gehörte noch zur Kontaktzone, vgl. nachstehende Publikation, insbes. die Karte auf S.319):​
Südlich der Donau tritt dann wohl noch die Hallertau hinzu, wobei hier auch Indizien für erhebliche keltoromanische Restbevölkerung vorliegen (S. 10ff.)​
.​
Aber "das gesamte Gebiet des heutigen Bayern" ist das keinesfalls. Ich kenne keine archäologischen Belege für slawische Präsenz im Allgäu, nicht einmal im übrigen Bayrisch-Schwaben. Rundlingsanlage von "Wenden"-orten wie etwa Wineden (Markt Rettenberg) - Fehlanzeige. Sonstige slawische Ortsnamen im Voralpenraum? Für Bad Tölz wird Ableitung von slaw. dol (Tal) erwogen, jedoch auch von lat. tollere (erheben) [Was sagt hier v. Reitzenstein?], das scheint es aber auch zu sein. Außer ein paar Amteurhistorikern (vgl. folgenden Link) und jetzt Dir sieht da eigentlich niemand eine Verbindung - oder habe ich was übersehen?​
Im Gegenteil - es herrscht Einigkeit darüber, dass im Voralpenraum kelto-romanische Elemente noch lange präsent waren - sei es an der unteren Salzach und im Berchtesgadener Land (Ausläufer der Salzburger Romania), der oberen Isar (Partenkirchen, Wallgau, Walchensee etc.), in weiten Teilen des Allgäu (Cambodunum>Kempten, Pforzen, Pfronten, Füssen), ja selbst an der oberen Donau (Abudiakon>Epfach). Anlass, slawische Namensschichten außerhalb der Bavaria Slavica zu studieren, wird zumindest an der Uni Regensburg nicht gesehen. Und wenn die Bayern Schwierigkeiten hatten, die eingesessenen Romanen zu verdrängen, warum soll dies den Slawen gelungen sein? Oder haben die Walchen "Slawensiedlungen angelegt"?​
Egal, wie der "kryptische Hinweis" reingerutscht ist* Es handelt sich um eine studentische Mitschrift ohne wissenschaftlichen Apparat...
Die ohne Qualitätskontrolle und Autorisierung auf dem Publikationsserver des Fachbereichs Germanistik der Uni Wien landet? Ich bitte Dich! Der Dateiname lautet "Scheuringer.pdf"​
Da wird der Wenden-Name eindeutig auf die Slawen bezogen:
Dort steht​
Dann Veneter[FONT=Wingdings,Wingdings][FONT=Wingdings,Wingdings] [/FONT][/FONT]haben den Namen Wenden hinterlassen, der heute für Slawen verwendet wird
Ab 5. Jahrhundert keltische Siedelung
Der Bezug geht zunächst mal auf die Veneter, und ist durch einen Pfeil gekennzeichnet. Die Trennung "dann - heute" ist eindeutig. Die Veneter werden zeitlich vor den Kelten aufgeführt, und Prof. Scheuringer wollte wohl durch den Nachsatz "heute für Slawen verwendet" deutlich machen, dass er diese nicht als direkte Nachfolger der adriatischen Veneter betrachtet. Oder hältst Du die "dann-heute" Trennung für vernachlässigbar? Dann wäre die Nennung hallstattzeitlicher Veneter in einem Atemzug mit Slawen erst recht bemerkenswert:pfeif:.
- von "Veneto-Romanen" schreibt "die Uni Wien" jedenfalls nichts. Die süddeutschen "Veneto-Romanen" musst Du schon auf Deine eigene Kappe nehmen.
Kein Problem - immer noch plausibler als zwangsumgesiedelte Slawen! Ich hätte zumindest eine historische Quelle im Angebot:​
In einer Tegernseer Handschrift des 12. Jahrhunderts wird von heidnischen Vandalen berichtet, die das Tal der gottesfürchtigen Männer durchzogen. Diese Bösewichte verbrannten den Marinus, den sie beim Gottesdienst in seiner Zelle fanden, nach vielen Martern. Eine Rotter Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts kennt die folgende Variante: Tempore Leoncii imperatoris contigit, quod gens nefandissima UUandalorum de Italia fugientes et nescientes viam, et venerunt per viam per cisalpinos montes, et illum virum sanctum, cum errando per montes ibant, invenerunt, precipientes ei, ut illis dux itineris esset.(..) In der Rotter Papierhandschrift findet sich eine Glosse, die die gens uuandalorum mit uulgariter winden erklärt.
Auf die Geschichte selbst, ein offensichtlich fingierter Gründungsmythos, will ich gar nicht näher eingehen; auch die Wenden=Vandalen Gleichung wurde anderswo schon hinreichend diskutiert. Scheinbar geht es um folgenden, zur Zeit Diokletians lebenden Heiligen Marinus - oder gab es noch einen Namensvetter?​
Dann können mit UUandalorum de Italia, vulgariter winden wohl nur die adriatischen Veneter gemeint sein - in einer Handschrift des 12. oder 15. Jahrhunderts aus dem hier diskutierten Voralpenraum.​
Als die Ortsnamenforschung noch in den Kinderschuhen steckte, hat man tatsächlich versucht, die genannten Namen auf den Veneternamen zurückzuführen (z. B. Friedrich Stolz, Über die Urbevölkerung Tirols, Innsbruck 1886). (..) Und genau deswegen hat Finsterwalder sich 1955 hier um eine Klarstellung bemüht.
Jetzt wäre es natürlich schön gewesen, wenn er sich auch Orten wie Vandans (Vorarlberg), Bendern (Liechtenstein), und v.a., gleich nebenan, Werdenberg (im MA Wendenberg, SG Schweiz) angenommen hätte. Dies lag jedoch offensichtlich außerhalb seines territorialen Mandats. Auch der Prozess, der aus dem römischen Vitudorum das schweizerdeutsche Winterthur machte, verdient Erhellung.​
Denkst Du, da waren Slawen im Spiel? Oder könnten die irischen Mönche nach St.Gallen und anderswo den Begriff der fénnid gebracht haben?​
Interessant im zweiten Link auch die etymologische Ableitung *Ueneda = "Waldleute", und die entsprechende Deutung des nordirischen Flussnamens Finn.
 

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Da im Umland von Winterthur Wein angebaut wird, dürfte wohl - ähnlich wie bei Königswinter - der Weingarten, zu Latein vinetum, hier Pate gestanden haben.
 
Mit "hier" meine ich diese Diskussion.

So ziemlich alles, angefangen beim unklaren Begriff "anglegt" (durch wen? Slawen selbst, oder andere?).
Der Begriff "angelegt" ist nicht unklar. Er lässt aber offen, ob das im jeweiligen Einzelfall freiwillig oder zwangsweise war. Sinnvollerweise.

Dass alle Wind/isch/en-Orte zur selben Zeit durch eine systematische Aktion zwangsweise angelegt worden sein sollen, behauptet ja niemand (mehr) und hat hier auch niemand behauptet.

Hier bist Du es, der diese Behauptung heranzieht - als "konkurrierendes" Gegenstück zu Deiner These von den süddeutschen Veneto-Romanen.

Aber die These ist sicher nicht "unsinniger" als der konkurrierende Erkliärungsansatz, die Bayern hätten im 6./7. Jahrhundert slawische "Wenden" aus der Operpfalz bzw. Kärntner "Winden" systematisch in den Voralpenraum zwangsumgesiedelt.
Bestenfalls spielen beide Thesen in derselben Liga.
Also irgendwo zwischen heißer Luft und Nonsens.



(das Gebiet um Tauber und Jagst gehörte noch zur Kontaktzone, vgl. nachstehende Publikation, insbes. die Karte auf S.319):

In dieser Publikation lese ich nichts von "Kontaktzone". Das Gebiet um Tauber und Jagst gehört zum geschlossenen deutschsprachigen Siedlungsgebiet.

In dieser Publikation lese ich weiter:
Die geschilderten archäologischen Fundsituationen, das Vorhandensein slavischen Fundstoffes an ganz verschiedenen Stellen in Süddeutschland bis weit im Westen an Rhein und Neckar, verlangen nun vor dem Hintergrund der eingangs bereits zitierten zeitgenössischen Quellen und weiteren schriftlichen Überlieferungen nähere Erläuterungen.Für Unterregenbach wurde bereits vorgeschlagen, die slavischen Sachzeugnisse aus den Gebieten der 'terra Sclavorum' in Nordostbayern zuzuschreiben, die bei der Gründung des Ortes um 800 freiwillig oder als Zwangsumsiedler im Rahmen grundherrschaftlicher Aktivitäten an die Jagst kamen... Letzteres dürfte für die Masse der unfreien "sclavi" auf Lorscher, fuldischen und anderen Besitzungen ebenfalls zutreffen.
...
Nicht außer Acht lassen darf man weiterhin die Aussagen der fränkischen Fredegar-Chronik, nach dem Samo-Krieg von 631 hätten die siegreichen Alamannen und Langobarden "eine große Zahl von Slaven hinweggeführt"... Slavische Keramik aus frühen, merowingerzeitlichen Kontexten - darunter vielleicht auch jene oben erwähnten aus Weissach-Flacht - könnten so mit Kriegsgefangenen des 7. Jh. in den Westen Süddeutschlands gekommen sein (sicherlich sind auch später bei den vielen Auseinandersetzungen der Karolinger mit ihren östlichen Nachbarn Slaven gewaltsam nach Westen verbracht worden, wenngleich nicht in jenem großen Umfang, den die Forschung eine zeitlang vermutete, als man die Entstehung aller -winden/Windisch-Orte so erklären wollte).
Augusto schrieb:
Sonstige slawische Ortsnamen im Voralpenraum? Für Bad Tölz wird Ableitung von slaw. dol (Tal) erwogen, jedoch auch von lat. tollere (erheben) [Was sagt hier v. Reitzenstein?]
Sein Forschungsgegenstand sind "Ortsnamen mit Windisch/Winden in Bayern". Das sind keine slawischen Ortsnamen, sondern deutsche Ortsnamen (nur in sehr wenigen Fällen enthält der deutsche Ortsname noch einen slawischen Bestandteil, z. B. Windischenlaibach).

Ich begreife ehrlich gesagt nicht, warum Du jetzt überhaupt nach slawischen Ortsnamen fragst. Du hast doch Udolph gelesen?


Im ganzen ist auffällig, daß Wenden/Wendisch-/Windisch-Ortsnamen ihren Schwerpunkt nicht im slavischen Bereich haben: "Die Mehrzahl der Windenorte, eigentlich alle nach unseren Korrekturen, vermeidet geradezu das Gebiet der slaw. ON.
Udolphs Liste der "slawischen" Winden-Namen enthält übrigens auch Orte aus Oberbayern und Bayerisch-Schwaben.

Augusto schrieb:
Wenden, Slawen, Vandalen. Eine frühmittelalterliche pseudologische Gleichsetzung und ihre Nachwirkungen, in: Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters, ed. Walter Pohl (Wien 2004) 329-353. | Roland Steinacher - Acade
Auf die Geschichte selbst, ein offensichtlich fingierter Gründungsmythos, will ich gar nicht näher eingehen; auch die Wenden=Vandalen Gleichung wurde anderswo schon hinreichend diskutiert.
Und nichts anderes als die verbreitete (irreführende) Wenden=Vandalen-Gleichung belegt auch Dein Zitat.
Von "romanischen Wenden" im Voralpenraum keine Spur.

Wenn es einen historischen Kern der Geschichte gibt, ist natürlich von Slawen auszugehen:
Erstens bezeugt der Vandalenname in diesem Text die Verbreitung und geläufige Verwendung des Ethnonyms Vandalen für Slawen im 12. Jahrhundert. Daß das in einem Text der Fall ist, der einen Bezug zur Karolingerzeit hat, ist festzuhalten. In diesem Fall könnte es sich um eine Tradition handeln, die von Auseinandersetzungen mit slawischen Plünderern im bairischen Gebiet berichtete.
Augusto schrieb:
Scheinbar geht es um folgenden, zur Zeit Diokletians lebenden Heiligen Marinus - oder gab es noch einen Namensvetter?

Du hast den Text drumrum wohl überhaupt nicht gelesen:
Die Vita erzählt vom Priester Marinus und dem Diakon Annianus, die zur Zeit Pippins und Karlmanns als Einsiedler in den bairischen Alpen gelebt haben sollen.





* Durch Spekulieren werden wir das hier nicht klären können. Klar ist nur: Es handelt sich um eine studentische Mitschrift ohne wissenschaftlichen Apparat...

Augusto schrieb:
Die ohne Qualitätskontrolle und Autorisierung auf dem Publikationsserver des Fachbereichs Germanistik der Uni Wien landet?
Was soll die Herumspekuliererei?
Für die Inhalte der Mitschriften sind ausnahmslos die Studierenden verantwortlich, welche diese zur Verfügung stellen.
Institutsgruppe Germanistik: Mitschriftenbörse
 
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