Wann ging die griechische Religion unter?

Der Allthing hat das Christentum mit Mehrheitsbeschluss zur Religion Islands gemacht. Inwiefern das in eine Nötigung der Minderheit kulminierte ann man sicher fragen
Wieso willst du das fragen? @Herr Fuchs?
Es war Nötigung durch Olav Tryggvason.

weil Olav sich trotz seines teilweise an Grausamkeit grenzenden christlichen Eifers
In der Folge christianisierte er gemäß der Orkneyinga saga die Orkneys, indem er Jarl Sigurd von Orkney vor die Alternative stellte: Taufe oder Kopf ab. Sigurds Sohn nahm er vorsorglich als Geisel mit nach Norwegen.
Hier soll Olav jeweils auf einer Thingversammlung das Christentum durchgesetzt haben. Es wurden auch Kirchenbauten an diesen drei Orten begonnen. In Nidaros erhob sich Widerstand gegen die Christianisierung, den er militärisch brach. Der Führer des Widerstands, Skjegge Asbjørnson, genannt „Jernskjegge“ fiel. Zur Besiegelung des daraufhin geschlossenen Friedens soll Olav dessen Tochter Gudrun Jernskjeggsdottir geheiratet haben. Diese soll versucht haben, ihn in der Hochzeitsnacht zu erstechen.
Sorry, diese falsche pro christliche Propaganda hat nix mit sachlicher Geschichtsaufarbeitung zu tun.
 
Steht im Wikipedia-Artikel zu Olav Tryggvason das, was du zitierst:
In der Folge christianisierte er gemäß der Orkneyinga saga die Orkneys, indem er Jarl Sigurd von Orkney vor die Alternative stellte: Taufe oder Kopf ab. Sigurds Sohn nahm er vorsorglich als Geisel mit nach Norwegen.
steht im Wikipedia-Artikel zur als Quelle genannten Orkneyinga Saga folgendes:
Die Angaben der Saga sind nicht immer zuverlässig. So wird eine Christianisierung der Orkneys Olav Tryggvason († 1000) zugeschrieben. Ausgrabungen zeigten, dass es zu seiner Zeit dort bereits Kirchen gab (Lit.: Barrett (2000) und Morris/Emery (2003)).[4] Auch die in der Saga genannten Ortsnamen (z.B. Papey) belegen ältere christliche Tradition.[5]
Ich lasse das mal so dahingestellt.
 
Erstens: Warum nicht? Der Aufenthalt in Walhall ist zeitlich begrenzt. In der "Götterdämmerung" werden die dort versammelten Krieger endgültig vernichtet werden. Außerdem, wer Pech hatte, starb statt auf dem Schlachtfeld an einer Krankheit oder bei einem Schiffbruch oder bei ... oder er wurde von den Walküren nicht für tapfer/würdig genug befunden ... und fand sich in Hel wieder. Das Christentum hingegen verhieß ein Weiterleben nach dem Tod auf ewig in einem Himmel, der jedem offensteht, unabhängig von der Todesart (abgesehen von Selbstmord).
Zweitens: Was wir über Walhall zu wissen vermeinen, stammt großteils aus literarischen Texten, die erst nach der Christianisierung verfasst oder zumindest schriftlich fixiert wurden. Wie der Volksglaube tatsächlich aussah, ist eine andere Frage. Jedenfalls scheint der Glaube an Walhall erst relativ spät und nur in Skandinavien aufgekommen zu sein. So viel zu Jahrhunderte oder Jahrtausende alt und nicht leicht umstimmen.
Langer Rede, kurzer Siinn, die Geschichte hat eben gezeigt, daß das Christentum nicht großflächig angenommen wurde, außer von Einzelnen Anführern aus politischen Gründen.
 
@Quijote
Zu einer vorherigen Frage von dir. Du weißt genau was ich meine. Das Christentum predigt Frieden, war aber gewalttätig.
Dein letzter Kommentar. Ich kann dazu nichts weiter sagen. Das einige das Christentum freiwillig annahmen, bestreite ich nicht. Zumindest für Norwegen und Island ist Zwang belegt, genau wie für das Römische Reich.
In wie fern eine christliche Kirche, etwas über die Christianisierung der Gesamtbevölkerung aussagen kann, ist fraglich. Bei Religionsfreiheit konnte faktisch in jedem Ort eine Kirche gestanden haben, ohne das die Masse der Bevölkerung Christen waren. In Island sollen ja -unbelegt- auch vor der Besiedlung schon Mönche gelebt haben.
Es gibt ja auch viele Moscheen in Deutschland, was nicht heißt, das große Teile Deutschlands muslimisch wären.
 
Das Christentum predigt Frieden, war aber gewalttätig.

Nein, nicht "das Christentum", sondern der Politiker und Pirat Olaf Trygvasson. Entgegen allem, was das Christentum lehrt. Er ist kein Einzelfall. Aber bei all diesen Leuten gilt, dass man sie man ihren Taten und nicht an ihren Worten messen muss. Individuelles Versagen kann man nicht der Religion an sich anlasten.
Grundregel der Missionsreligionen (Christentum, Islam) ist, dass man Glauben nicht erzwingen darf. Wo immer das von Missionaren nicht beachtet wurde, handelt es sich um eine Missachtung der Religion, die sie zu vertreten behaupteten.

genau wie für das Römische Reich.
Das ist zunächst mal vier Jahrhunderte Christenverfolgung, mal mehr mal weniger intensiv vollzogen.
 
Es wird schwierig sein, dazu eine biblische Stelle zu finden, weil zum Zeitpunkt der Vertextung der biblischen Texte die Möglichkeit einer Zwangskonversion von Andersgläubigen durch Christen zu Christen noch gar nicht gegeben war. In den biblischen Texten wird der Christ eher dazu aufgefordert, seinen Feinden und Verfolgern zu verzeihen und für deren Seelenheil zu beten.

Mir ist grad nur ein Fall aus Rom aus dem 16. Jhdt. präsent, wo ein süditalienischer Bischof die Kinder einer jüdischen Familie aus Trastevere entführte und diese taufte. Da musste die Inquisition einschreiten unter deren Schutz die Juden ja standen. (Die römische Inquisition ist eben nicht die spanische Inquisition!) Nun hatte die Inquisition aber ein Problem: Sie stand vor dem Dilemma, dass einerseits die Zwangstaufe verboten war und die Juden zudem seit Augustinus als (unfreiwillige) Zeugen der Wahrheit der christlichen Lehre galten und somit unter ihrem Schutz standen, zum anderen aber ein einmal getaufter Mensch nicht mehr ins Renegatentum fallen dürfe. Die römische Inquisition entschied sich für einen faulen Kompromiss, konnte aber wohl in ihrer Situation nicht anders: die männlichen Kinder blieben in der Obhut der Kirche und wurden christlich erzogen, die weiblichen Kinder wurden ihrer Herkunftsfamilie zurückgegeben und konnten so weiterhin im jüdischen Glauben erzogen werden. Und das war doch bereits den Kirchenvätern klar (und ist es auch den Muslimen): Glauben(!!!) ist nicht zu erzwingen.
 
Die Christenverfolgung bestreitet niemand, aber Ender des 4 Jh. wurde der Glaube eben Zwang.
Das Glauben auch im Islam nicht erzwungen werden darf, das hätte man mal Mohamed sagen sollen. Dann wäre das Arabische Kalifat nie entstanden.
 
Zum Thema Religionszwang: Wie sah dieser eigentlich zuvor aus? Gab es da nicht auch eine gesellschaftliche Nötigung den Göttern zu huldigen? Welche Maßnahmen wurden im antiken Griechenland getroffen um die Religiosität der Leute zu forcieren?

Staatlich gelenkte Religionsausübung ist ja keine Erfindung des 4. Jahrhunderts.
 
Gab es da nicht auch eine gesellschaftliche Nötigung den Göttern zu huldigen? Welche Maßnahmen wurden im antiken Griechenland getroffen um die Religiosität der Leute zu forcieren?

Über Griechenland werden sich schwerlich pauschale Aussagen machen lassen. Wie das politische System werden sich auch die religiösen Kulte bzw deren Umsetzung von polis zu polis unterschieden haben.

Für das klassische Athen ist hierfür vermutlich der Prozess gegen Sokrates interessant, der ua wegen Missachtung der Götter angeklagt, verurteilt und hingerrichtet wurde, wie Platon und Xenophon berichten. Dies scheint aber mE eine große Ausnahme gewesen zu sein, die (wie so oft) hauptsächlich politische Ursachen hatte; sonst hätten Leute wie Aristophanes kein hohes Alter erreicht...

Natürlich gab es einen von der polis Athen betriebenen Götterkult (bspw um die Stadtgöttin Athene), und sicher auch einen sozialen Druck, an diesem teilzunehmen. Zwang kann ich (außer im Falle Sokrates) in den mir bekannten Quellen aber nicht erkennen.
 
Wie das politische System werden sich auch die religiösen Kulte bzw deren Umsetzung von polis zu polis unterschieden haben.

Für das klassische Athen ist hierfür vermutlich der Prozess gegen Sokrates interessant,

Zwang kann ich (außer im Falle Sokrates) in den mir bekannten Quellen aber nicht erkennen.
Das wurde sicherlich überall unterschiedlich gehandhabt.
Mir ist auch sofort das Beispiel Sokrates eingefallen.

Im RR waren fremde Kulte erlaubt. Ob in früheren Zeiten zumindest ein Gruppenzwang herrschte, weiß ich nicht, aber würde ich vermuten. Aber der spätere Kaiserkult war dann auf jeden Fall Zwang. Man konnte nebenbei dann aber anderen Göttern huldigen.

Trotzdem der Versuch einer pauschalen Aussage. Religion war ja Mittel zur Machtausübung der herrschenden Klasse und somit glaube ich kaum, das sich dem jemand entziehen konnte. So war es dann ja auch mit dem Christentum und im Islam stand/steht auf Apostasie der Tod.
 
Hi Dieter.

Das sind kommunistische Thesen in Reinkultur. Abgesehen davon kann man das natürlich nicht so pauschal sagen.

(Da dieses Thema in diesem Thread marginal ist, will ich dazu nur einige Andeutungen machen und äußere mich dann, aus vorgenanntem Grund, an dieser Stelle nicht mehr dazu.)

Ich kann Erik Erikson unter der Bedingung, dass es um Theismus innerhalb stark hierarchisch organisierter Staaten geht, nur zustimmen. Diese Art des Theismus (die auch im folgenden gemeint ist) entwickelte sich historisch als eine Denkweise der patriarchalischen Herrscherelite (Könige und Priester) und hatte vor allem die Funktion, die Herrschaft dieser Elite zu legitimieren (sog. "sakrales Königtum"). Dass dies immer in bewusster Reflexion auf diese Funktion geschah, will ich damit nicht sagen, tendenziell vollzog sich das unbewusst, aber es gibt Anzeichen dafür, dass Könige auch bewusst das Charisma von Göttergestalten nutzten oder mit Hilfe von Hohepriestern neue theologische Konzepte einführten, um ihre königliche Macht zu konsolidieren oder zu erweitern.

Ein Spezialfall der religiösen Legitimation war die Rechtfertigung von Eroberungsfeldzügen als durch einen Gott beauftragt (Beispiel Geierstele von Eannatum, König von Lagasch um 2500 BCE). Natürlich spielten im theistischen Denken auch andere Aspekte eine Rolle, z.B. Fruchtbarkeit und Welterklärung, doch auch diese waren in das religiös verklärte System der Königsherrschaft integriert.

Die Etablierung theistischer Systeme geschah immer im Zuge der Machtaneignung einer Minderheit über das Volk. Vormals freie Bauern wurden zu Arbeitskräften degradiert, die einen Großteil ihres Ertrags an König und Priester abführen mussten. Soziale Organisation konvergierte auf die Spitze der sozialen Pyramide, den obersten Stadt- oder Staatsgott, den der König irdisch repräsentierte.

Die theologische Grundstruktur der genannten Art des Theismus ist also ein Spiegelbild autoritärer Staatsstrukturen, deren Beginn in die Zeit des entstehenden Königtums, d.h. in das 4. Jahrtausend BCE fällt (in Ägypten der Pharao, in Sumer der "lu.gal", der Fürst einer Stadt/eines Stadtstaats, zuerst Uruk).
 
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Was ich nun überhaupt nicht verstehe: wieso gilt das erst für den Theismus der patriarchalischen Gesellschaftsform (deine Auffassung eines vorneolithischen matriarchalen Paradieses vorausgesetzt) nicht aber bereits für den Theismus der matriarchalischen Gesellschaftsform? Ist die Magna Mater etwa keine Theá, das man hier nicht von "Theismus" sprechen könnte?
Letztlich ist dieser Beitrag doch nur eine Variante deines ewigen Themas (Vor dem Patriarchat gab es ein Matriarchat, das Matriarchat war gut, mit dem Patriarchat kam das Böse in die Welt*), ohne tatsächlichen Bezug zum eigentlichen Threadthema.

Des weiteren ignoriert die Darstellung, was ich immer wieder kritisiere, dass sie die "herrschende Klasse" als außerhalb des Systems darstellt. Richtig ist: Religion ist immer zum Machterhalt missbraucht worden. Besonders deutlich wird das etwa im Christentum zwischen dem 8. und 20. Jhdt. oder auch im Hinduismus. Allerdings standen die religiösen Führer nie außerhalb des Systems, welches sie zum Machterhalt missbrauchten.



*Wenn ich das falsch wiedergegeben haben sollte, korrigiere mich.
 
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Richtig ist: Religion ist immer zum Machterhalt missbraucht worden. Besonders deutlich wird das etwa im Christentum zwischen dem 8. und 20. Jhdt. oder auch im Hinduismus. Allerdings standen die religiösen Führer nie außerhalb des Systems, welches sie zum Machterhalt missbrauchten.

1. Ist im Prinzip sicherlich richtig, dennoch - auch - eher eine Ergänzung als ein Widerspruch.

2. Religion ist nicht "mißbraucht" worden, sondern ist ein elementarer Bestandteil des sinnhaften Verstehens, auch der "übernatürlichen" Phänomene.

Das heißt natürlich nicht, dass Religion nicht als Legitimation von Herrschaftsstrukturen als Machtinstrument herangezogen worden ist. Die Frage des Mißbrauchs ergibt sich dann wohl immanent aus dem Vergleich der damals geltenden Normen und den tatsächlichen Handlungen.

3. In diesem Kontext enthält sie als sinnstiftendes Element - vor allem - auch das Potential einer "Ideologie", die die "Vergemeinschaftung" bzw. die "Vergesellschaftung" ermöglicht.

Also die Durchsetzung von Normen ohne eine dauerhafte Notwendigkeit, ihre Anwendung und Befolgung permanent durch physischen Druck bzw. Strafe durchzusetzen, was als ein explizit repressives politisches Herrschaftssystem wahrgenommen werden würde.

4. Somit sind diese Ideologien notwendig, um das Zusammenleben zu organisieren.

5. Und gerade dem Christentums, und Du hast ja darauf hingewiesen, fiel die historische Aufgabe zu, nach dem Verfall des römischen Reichs diese Integration vorzunehmen.

Diese Sicht kann man beispielsweise in den Arbeiten von Durkheim (Die elementaren Formen des religiösen Lebens), von Luhmann (Funktion der Religion) oder auch bei Mann (Geschichte der Macht. und der dazugehörigen Theorie der "Kapitalsorten") in unterschiedlichen Facetten erkennen.
 
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Sorry für die Verzögerung.

Was ich nun überhaupt nicht verstehe: wieso gilt das erst für den Theismus der patriarchalischen Gesellschaftsform (deine Auffassung eines vorneolithischen matriarchalen Paradieses vorausgesetzt) nicht aber bereits für den Theismus der matriarchalischen Gesellschaftsform? Ist die Magna Mater etwa keine Theá, das man hier nicht von "Theismus" sprechen könnte?

1) Ich wiederhole nun zum x-ten Male, dass meine Auffassung von paläolithischer und frühneolithischer Sozialstruktur mit einem "Matriarchat" nichts zu tun hat, sondern - wegen der Nichtevidenz hierarchischer Strukturen in diesen Zeiten, egal ob allgemein oder genderbezogen - von einer "Egalität" ausgeht, wobei die Observanz religiöser, darunter auch schamanistischer Rituale (siehe Studie von Dean R. Snow von 2013) wahrscheinlich vorwiegend in weiblicher Hand lag.

(Großfettdruck zwecks hoffentlich besserer Memorierung)

2) Geht es in diesem Thread-Teil nicht um die Frage, ob und inwieweit Religion der Herrschaftserhaltung dient (anknüpfend an Erik Eriksons Statement und Dieters Antwort darauf)? Soweit prä-patriarchalische Sozialsysteme bekannt sind, fehlt jedes Anzeichen für eine starke Hierarchie (die ich als Merkmal für Herrschafts-Systeme nannte, über die es hier geht). In frühneolithischen und paläolithischen Zeiten gab es möglicherweise "flache Hierarchien", die aber nichts mit Herrschaft zu tun haben in dem Sinne, um den es hier geht.

3) Zudem ist Theismus definiert als Glaube an einen "persönlich wirkenden Gott", also einen personalen Gott. Davon kann in prä-patriarchalischen Zeiten noch keine Rede sein, da Gottheiten damals höchstwahrscheinlich noch stark symbolisch konnotiert waren und keine personalen Namen trugen, sondern als universale Naturmacht aufgefasst wurden. Es hat sicher fließende Übergänge gegeben, die uns im Detail aber ganz unbekannt sind. Also ist von Theismus ab etwa 5.000 BCE auszugehen (erster EA-Tempel in Eridu, damals noch Ubaid, später Sumer / EA = Wasser- und Fruchtbarkeitsgott, Vorläufer von Enki). Zu dieser Zeit konnte noch längst nicht von einem Königtum die Rede sein (weil dessen Entstehungsbedingungen, siehe unten, noch nicht gegeben waren), aber von ersten stark hierarchischen Strukturen.

Letztlich ist dieser Beitrag doch nur eine Variante deines ewigen Themas (Vor dem Patriarchat gab es ein Matriarchat, das Matriarchat war gut, mit dem Patriarchat kam das Böse in die Welt*), ohne tatsächlichen Bezug zum eigentlichen Threadthema.

Was soll ich dazu sagen? Dass du in Bezug auf meine früheren Statements zu diesem Thema ein schwaches Gedächtnis hast (siehe oben)? Vielleicht ist es einfach nur der Ausdruck "Egalität", der in die Köpfe mancher User nicht rein will, die in Schwarzweißmanier nur die Alternative Patriarchat-Matriarchat kennen, wobei ersteres für sie ein selbstverständlicher Naturzustand von Beginn der Zeiten zu sein scheint.

Zudem kam mit dem Patriarchat nicht "das Böse" in die Welt (warum kannst du meine Statements nicht einfach mal sachlich wiedergeben, sondern verzerrst sie immer wieder?), sondern das Kriegerische. Mit deiner unwissenschaftlichen Wortwahl verunsachlichst du die Debatte ganz erheblich. Außerdem beeinträchtigt das meine Motivation, auf deine Antworten einzugehen, ebenfalls ganz erheblich. Ich schrieb schon einmal, dass eine Diskussion mit dir für mich eine "Sisyphos"-Arbeit ist, weil immer und immer wieder Sinn-Verzerrungen klarzurücken sind.

Des weiteren ignoriert die Darstellung, was ich immer wieder kritisiere, dass sie die "herrschende Klasse" als außerhalb des Systems darstellt.

Ich sehe nicht, wo ich die Elite "außerhalb des Systems" dargestellt habe. Auch hier wurde ich - zum 587.334 Male - missverstanden.

Ich schrieb:

Ich kann Erik Erikson unter der Bedingung, dass es um Theismus innerhalb stark hierarchisch organisierter Staaten geht, nur zustimmen. Diese Art des Theismus (die auch im folgenden gemeint ist) entwickelte sich historisch als eine Denkweise der patriarchalischen Herrscherelite (Könige und Priester) und hatte vor allem die Funktion, die Herrschaft dieser Elite zu legitimieren (sog. "sakrales Königtum"). Dass dies immer in bewusster Reflexion auf diese Funktion geschah, will ich damit nicht sagen, tendenziell vollzog sich das unbewusst, aber es gibt Anzeichen dafür, dass Könige auch bewusst das Charisma von Göttergestalten nutzten oder mit Hilfe von Hohepriestern neue theologische Konzepte einführten, um ihre königliche Macht zu konsolidieren oder zu erweitern.

Das wichtige "unbewusst" wurde von dir übersehen. Warum habe ich es überhaupt geschrieben, frage ich mich, wenn es doch nicht gelesen wird?

Sofern die Elite also unbewusst ihren religiösen Status ausarbeitete, war sie Teil des Systems. Vielleicht war diese Unbewusstheit auch zu Beginn dieser Entwicklung der Fall, als das Königtum sich mit der Göttlichkeit zu assoziieren begann. Aber selbst wenn die Elite bewusste konzeptuelle Operationen vollzog, gehörte sie zum historisch durch Eliten, also selbstgeschaffenen System, von dem sie, sobald es einmal geschaffen war, immer ein Teil war, wobei es sich die Elite logischerweise auch auch mal herausnimmt, das System bewusst zu modifizieren. Sonst wäre sie ja keine Elite.

Mehr dazu im nachfolgenden Absatz 2).

Richtig ist: Religion ist immer zum Machterhalt missbraucht worden. Besonders deutlich wird das etwa im Christentum zwischen dem 8. und 20. Jhdt. oder auch im Hinduismus. Allerdings standen die religiösen Führer nie außerhalb des Systems, welches sie zum Machterhalt missbrauchten.

1) Ägypten, wo diese Praxis am deutlichsten stattfand, erwähnst du überhaupt nicht.

2) Ich wiederhole: Hierarchischer Theismus ist ursprünglich ein Produkt der Herrscherelite. Dass die folgenden Generationen in dieses System hingeboren und sozialisiert wurden, ist klar, aber das System hat sich doch ständig weiterentwickelt, angetrieben von den Bedürfnissen der Herrscherelite, die Mittel ihrer geistigen Macht über das Volk noch zu verfeinern. Das muss, wie ich ja schrieb und von dir leider übersehen wurde, nicht unbedingt bewusst geschehen sein (woraus ja logisch folgt, dass die Elite, sobald das System erst einmal etabliert ist, ein Teil des Systems ist). Es gab aber auch genügend bewussten Spielraum für strategische Neuerungen. Ein besonders deutliches Beispiel ist die Selbstvergöttlichung mancher mesopotamischer Herrscher (als erster: Naram-Sin), deren Zweck nur sein konnte, den unterworfenen Populationen einen maximalen Respekt vor der Person ihres neuen Herrschers einzuflößen. Dem unmittelbaren Umfeld des Vergöttlichten musste der strategische Hintergedanke dabei natürlich klar sein.

Aber auch die schon früher nachweisbare Idee der "Gottessohnschaft" des Herrschers, die noch keine direkte Göttlichkeit implizierte, ist als Ausdruck eines Willens anzusehen, die Person des Herrschers zu überhöhen, um seine Position innerhalb der aristokratischen Hierarchie noch unangreifbarer zu machen. Man kann annehmen, dass das Königtum (bzw. Fürstentum) zunächst als temporäres Amt entstand durch die Wahl eines provisorischen "Ersten" durch eine Anzahl liierter Stämme. Aufgrund zunehmender Kriegsaktivitäten im Laufe des 4. Jt. BCE schien es notwendig zu sein, dass das Amt kontinuierlicher und mit mehr Akzent auf dem Militärischen ausgeübt wurde, um sich der neuen instabilen Situation anzupassen, die zugleich mehr Gefahr, aber auch mehr Chancen für Machtzuwachs durch Eroberungen bot.

Das war dann auch die historische Situation, die von einzelnen Individuen genutzt wurde, um das Führungsamt narzisstisch zu missbrauchen und mit persönlicher Macht und Machtzuwachs zu verbinden. Die Kontinuität des Amtes ermöglichte auch, den König zum "Sohn" des Stadtgottes (z.B. Eannatum als Sohn von Ningirsu) aufzupeppen. Dahinter stand sicher der Wunsch der royalen Sippe, ihren Status zu festigen. Diese Erhöhungsstrategie muss von einem uns unbekannten König/Fürst/lugal in Sumer innovativ eingeführt worden sein und wurde, wegen der Attraktivität und Effektivität dieses Konzepts, von anderen Herrschern dann nachgeahmt.

Deine Argumentation, soweit ich sie dechiffrieren kann, scheint darauf hinauszulaufen, dass religiös fundierte soziale Hierarchie "schon immer" bestanden hat oder aber, dass kein historischer Beginn einer solchen festgestellt werden kann, auch wenn es einen gegeben haben muss (welche der Optionen die deine ist, weiß ich nicht, du wirst es aber vielleicht noch erläutern).

Das heißt natürlich nicht, dass Religion nicht als Legitimation von Herrschaftsstrukturen als Machtinstrument herangezogen worden ist. Die Frage des Mißbrauchs ergibt sich dann wohl immanent aus dem Vergleich der damals geltenden Normen und den tatsächlichen Handlungen.

Das erscheint mir unlogisch. Gerade diese Normen stehen doch zur Debatte. Die Frage ist doch, inwieweit diese, immer auch theologisch fundierten, Normen im Dienste königlicher Macht standen. Nehmen wir die Norm des Steuerabführens an das Königshaus, das sich dadurch einen prächtigen Luxus leisten konnte, und an den Tempel, der vor Reichtum ebenfalls aus den Nähten platzte. Nehmen wir zudem die Norm der Gottessohnschaft und der Kriegslegitimation durch Götter. Das waren königlich-priesterlich geschaffene Normen, die gemäß der "normativen Kraft des Faktischen" zu traditionellen Normen in der altorientalischen Gesellschaft wurden. Ich will damit nicht sagen, dass alle Normen herrschaftsspezifisch waren, viele von ihnen waren soziale Regeln, die in jeder Gesellschaft notwendig erscheinen. Andere aber dienten zur Stabilisierung von Herrschaftsstrukturen, nicht zuletzt auch im Kontext der zunehmenden Dominanz des Mannes über die Frau bis zu dem Punkt, an dem sie nur noch sein Besitzobjekt ist.

Auffällig ist vor allem, dass der himmlische Staat ein Spiegelbild des irdischen Staates war. Das zeigt doch eindeutig, dass die "Henne" (die Hierarchie der Menschenwelt) vor dem "Ei" (die Hierarchie der Götterwelt) da war. Du und Thanepower tun so, als sei es genau umgekehrt.

3. In diesem Kontext enthält sie als sinnstiftendes Element - vor allem - auch das Potential einer "Ideologie", die die "Vergemeinschaftung" bzw. die "Vergesellschaftung" ermöglicht.

Da sollte man mehr differenzieren, meine ich. Du scheinst anzunehmen, dass die hierarchischen Gesellschaft der Frühgeschichte und des Altertums quasi naturgewachsen, also alternativlose Modelle sind, die erst viel später durch demokratische Ideen modifiziert wurden, und dass Religion u.a. den Zweck hatte, den Zusammenhalt dieser alternativlosen Systeme zu ermöglichen. Man kann aber davon ausgehen, dass es bereits in jenen Zeiten (auch ab 4. Jt., aber natürlich schon vorher) gesellschaftliche Alternativmodelle gab, die von der historischen Entwicklung aber nach und nach ausgesondert wurden. Der Assyriologe Thorkild Jacobson hat z.B. die Hypothese einer "primitiven Demokratie" im vorbabylonischen Mesopotamien aufgestellt, begründet u.a. mit der Götterversammlung in sumerischen Mythen, in denen der Götterkönig keine monarchische Macht hat, sondern den Rat der Versammlung berücksichtigen muss. Jacobsen zufolge könnte noch bis in die Zeit der ersten Hälfte des 3. Jt. der irdische Herrscher seine Macht mit einem Ältestenrat und einem Rat aus waffenfähigen jungen Männern geteilt haben, wobei er als exekutives Organ dieser Räte fungierte. Das ist aber nur eine, wenn auch viel diskutierte, Hypothese. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass das Königtum einen historischen Beginn im 4. Jt. hat, dessen Bedingungen ich oben schon angedeutet habe.

Zu bedenken ist dabei, dass es schon vorher stark hierarchische Strukturen auf tribaler Ebene gab, deren historischer Beginn aber wohl erst im 6. Jt. BCE liegen dürfte.

Obiges gilt für Sumer. In Ägypten war der monarchische Gedanke natürlich schon ab dem 4. Jt. durch die Identifikation des Königs mit dem Himmelsgott Horus bis zum Anschlang realisiert.

Also die Durchsetzung von Normen ohne eine dauerhafte Notwendigkeit, ihre Anwendung und Befolgung permanent durch physischen Druck bzw. Strafe durchzusetzen, was als ein explizit repressives politisches Herrschaftssystem wahrgenommen werden würde.

Das ist mir zu einseitig. Du stellst das so dar, wäre der Prozess sozialer Hierarchisierung in dem Maße, über das wir hier reden, eine evolutionäre Notwendigkeit. Ich sehe in dieser Entwicklung aber keinen Prozess, der sich mit Notwendigkeit aus einer vermeintlichen menschlichen "Natur" ergibt, sondern sehe darin eine Reihe von individuellen Entscheidungen historischer Subjekte, die auf der Grundlage ökonomischer Prozesse und damit verbundenen Zuwachses an Ressourcen (vor allem die Akkumulation des Viehs als Basis von indivduellem Reichtum) soziale Macht erlangten und Hierarchien etablieren konnten, die der Erhaltung ihrer Macht dienten. Nicht dass ich oder jemand anders ihnen deswegen "moralische" Vorhaltungen machen würde - es geht nur darum, die psychologischen Motive hinter dieser Entwicklung in den Blick zu nehmen, statt an der Oberfläche einer evolutionären Geschichtskonzeption zu verharren, die ich in deinen Anmerkungen - vielleicht zu Unrecht - zu erkennen glaube.

4. Somit sind diese Ideologien notwendig, um das Zusammenleben zu organisieren.

Dieser Satz scheint das ja zu bestätigen.

Diese Sicht kann man beispielsweise in den Arbeiten von Durkheim (Die elementaren Formen des religiösen Lebens), von Luhmann (Funktion der Religion) oder auch bei Mann (Geschichte der Macht. und der dazugehörigen Theorie der "Kapitalsorten") in unterschiedlichen Facetten erkennen.

An dieser Stelle zu Luhmann nur so viel, dass seine Auffassung von der Religion als soziales Subsystem mit der Selbstauffassung der Religion als alles überdachendes Totalsystem unheilbar kollidiert. Diesem vermeintlichen "Subsystem" unter diesen Umständen einen konstruktiven und notwendigen Sinn anzudichten, ist widersinnig. Den Luxus einer solchen Fehleinschätzung kann sich Luhmann natürlich nur erlauben, weil theistische Religion als faktisches Totalsystem (in Europa bis zum 17. Jh.) nur deswegen zum "Subsystem" wurde, weil sie von den Kräften der Vernunft (Aufklärung) entscheidend in den Hintergrund gedrängt wurde. Bis zur Frz. Revolution galt der frz. König ja noch als "von Gottes Gnaden" in sein Amt eingesetzt (analog zur sumerischen Gottessohnschaft). Luhmann argumentiert also aus der gemütlichen Perspektive des nachaufklärerischen Zeitalters. Im 15. Jh. z.B. hatte er "die Religion" sicher nicht für ein "Subsystem" gehalten.
 
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Soweit prä-patriarchalische Sozialsysteme bekannt sind, fehlt jedes Anzeichen für eine starke Hierarchie (die ich als Merkmal für Herrschafts-Systeme nannte, über die es hier geht). In frühneolithischen und paläolithischen Zeiten gab es möglicherweise "flache Hierarchien", die aber nichts mit Herrschaft zu tun haben in dem Sinne, um den es hier geht.

Wie stark Hierarchien ausgeprägt waren, darüber haben wir in vorschriftlichen Kulturen eben kaum Zeugnisse. Wir wissen z.B. aus Zeiten, aus denen uns Hierarchien in den schriftlichen Quellen überliefert sind, dass sie sich in den archäologischen Befunden überhaupt nicht niederschlagen. Wir haben teilweise Gesellschaften, die den archäologischen Zeugnissen zufolge höchst egalitär wirken, weil sich Hofgröße und Gerätschaften kaum unterscheiden, wo wir aber wissen, dass es hier Hierarchien gab - und auch gibt. Nur drücken diese sich nicht im archäologischen Befund aus. Wenn man sich die Twareg in Nordafrika anschaut, da gibt es ganz klar Befehlsstrukturen zwischen Stammesangehörigen und Sklaven, es gibt klare Regeln, wer mit wem schlafen darf (was letztlich häufig auf Vergewaltigung hinausläuft), wer wann essen darf, wer reiten darf - aber im archäologischen Befund würde man diese Unterschiede nicht wiederfinden. Der Emir der Twareg hinterlässt kaum andere archäologische Spuren als der niedrigste Sklave des Stamms. Insofern ist es höchst gefährlich, aus einem archäologischen Befund Hierarchien herauslesen zu wollen, wenn man nicht noch über zusätzliche Informationsquellen verfügt. Und die fehlen uns in der Prähistorie nun mal per definitionem.

Davon kann in prä-patriarchalischen Zeiten noch keine Rede sein, da Gottheiten damals höchstwahrscheinlich noch stark symbolisch konnotiert waren und keine personalen Namen trugen, sondern als universale Naturmacht aufgefasst wurden.
Das sind Annahmen, keine Fakten!

Vielleicht ist es einfach nur der Ausdruck "Egalität", der in die Köpfe mancher User nicht rein will, die in Schwarzweißmanier nur die Alternative Patriarchat-Matriarchat kennen, wobei ersteres für sie ein selbstverständlicher Naturzustand von Beginn der Zeiten zu sein scheint.
Das ist unangemessene Polemik.
Es tut mir wirklich leid, wenn ich deine Grundüberzeugung bisher falsch wahrgenommen habe. Aber diesen Thread beispielswiese hast du eröffnet:
http://www.geschichtsforum.de/f22/bergang-von-matriarchat-zu-patriarchat-45331/

Zudem kam mit dem Patriarchat nicht "das Böse" in die Welt (warum kannst du meine Statements nicht einfach mal sachlich wiedergeben, sondern verzerrst sie immer wieder?), sondern das Kriegerische.

Ich habe überspitzt, aber nicht wirklich verzerrt. Lies noch mal diesen deinen Beitrag:

Angenommen, die Out-of-Africa-Hypothese trifft zu, dann haben jene Leute mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit einen Kult um eine Muttergöttin in die Welt exportiert. Unter Fachleuten herrscht weitgehender Konsens, dass prähistorische Religion als höchste Gottheit eine weibliche Gestalt verehrte. Die entsprechende Bezeichnung "Matriarchat" für die prähistorische Kultur weist aber nicht auf "Herrschaft" der Frauen hin, sondern - gemäßigter - auf eine soziale Vorrangstellung gegenüber den Männern. Dass Frauen im sesshaften Matriarchat lediglich als Sammlerinnen und Kinderaufzüchterinnen agierten, ist ein Mythos: Auch Frauen nahmen an der Jagd teil, belegt durch jagdspezifische Beigaben in Gräbern prähistorischer Frauen.

Der Umschwung zum Patriarchat mit seinen männlichen Hauptgöttern geschah aufgrund zunehmender Invasionen durch kulturell niedriger stehender Nomadenstämme, die einen männlichen Gott verehrten. Nach und nach bildete sich eine neuartige, hierarchische und gewaltbetonte Kultur, die ihrem Lebensstil entsprechend Götter ersann, die das Kriegsglück fördern. In diese Phase fallen auch die Anfänge der Sklaverei.

Mit deiner unwissenschaftlichen Wortwahl verunsachlichst du die Debatte ganz erheblich.

Da habe ich etwas andere Sicht drauf. Meines Erachtens schlussfolgerst du aus der dünnen Faktenlage die wir vorliegen haben, viel zu häufig viel zu forsch etwas über Strukturen, Hierarchien und religiöse Vorstellungen, was sich bei näherer Betrachtung eben nicht [zwingend] aus den vorliegenden archäologischen Fakten herleiten lässt. Das ist es, was Widerspruch erzeugt.

Ich sehe nicht, wo ich die Elite "außerhalb des Systems" dargestellt habe. Auch hier wurde ich - zum 587.334 Male - missverstanden.
Es ist schon ein paar Tage her, aber ich meine, dass ich mich im entsprechenden Absatz in erster Linie auf Erik Erikson bezog. Das ist leider nicht erkennbar und das konntest du dementsprechend auch nicht erkennen.

1) Ägypten, wo diese Praxis am deutlichsten stattfand, erwähnst du überhaupt nicht.
Es ging mir nicht um ein Ranking. Mit Rankings kann ich wenig anfangen. Es waren zwei willkürlich gewählte Beispiele.

Deine Argumentation, soweit ich sie dechiffrieren kann, scheint darauf hinauszulaufen, dass religiös fundierte soziale Hierarchie "schon immer" bestanden hat...
Nein, sicher nicht.

...oder aber, dass kein historischer Beginn einer solchen festgestellt werden kann, auch wenn es einen gegeben haben muss.
Das schon eher. Wobei ich es methodisch mindestens für schwierig halte, einen solchen Prozess nachzuweisen. Das ist die Forschheit die ich oben kritiserte. Inhaltlich sind wir so weit gar nicht auseinander. Außer bei den Geschlechterfragen. Ich habe keine Ahnung, ob Gruppen egalitar, matriarchalisch oder patriarchalisch organisiert waren. Ich gehe davon aus, dass sich das bei jeder menschlichen Gruppe sich anders, abhängig von den gruppenbildenden Individuen konstituiert hat. Gruppen konstituieren sich um Individuen herum, in den meisten Gruppen gibt es ganz schnell eine Person oder auch einen engeren Zirkel, der das Sagen hat. Das sind mal feminine mal maskuline Individuen. Ich wüsste nicht, warum man das in Mesolithikum oder dem frühen Neolithikum anders gewesen sein sollte.

Auffällig ist vor allem, dass der himmlische Staat ein Spiegelbild des irdischen Staates war. Das zeigt doch eindeutig, dass die "Henne" (die Hierarchie der Menschenwelt) vor dem "Ei" (die Hierarchie der Götterwelt) da war. Du und Thanepower tun so, als sei es genau umgekehrt.

Bin ich "du" ("Du und Thanepower")? (Bzw. wolltest du schreiben "Du und EQ"?) Nein, so tue ich sicher nicht.

Zu bedenken ist dabei, dass es schon vorher stark hierarchische Strukturen auf tribaler Ebene gab, deren historischer Beginn aber wohl erst im 6. Jt. BCE liegen dürfte.
Warum? Wo immer sich Gruppen konstituieren, entstehen ganz schnell Gruppenhierarchien. Eine Gemeinschaft egalitär zu erhalten, bedarf richtig Arbeit (und damit auch einer zugrundeliegenden Ideologie, die das will und die stark genug ist, die Starken in der Gruppe in die Schranken zu weisen), selbst wenn sie ihre Entscheidungsprozesse legitimiert.


P.S.: Weil du dich durch mich angegriffen fühlst: Hast du mitbekommen, dass ich dich vor einigen Tagen auch mal vor einem dich missverstehenden Beitrag verteidigt habe?
 
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Wie stark Hierarchien ausgeprägt waren, darüber haben wir in vorschriftlichen Kulturen eben kaum Zeugnisse. (ff)

Ich denke, man durchaus Rückschlüsse ziehen, bspw auf Grund anthropologischer Erkenntnisse. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass solche Vergleiche höchstens einen Rahmen abstecken können und keine detailierten Schlussfolgerungen möglich sind. Insofern würde ich manche von Chans Aussagen in ihrer Bestimmtheit anzweifeln. Dennoch halte ich den begriff egalitär für durchaus zutreffend, zumindest für manche vorschriftliche Gesellschaften

Bei wildbeuterisch lebenden, nicht-sesshaften Gesellschaften ist mE eine Egalität am ehesten zu erwarten. Für soziale Differenzen fehlen die Voraussetzungen. Die Unterschiede im materiellen Besitz sind unbedeutend, institutionalisierten Hierarchien fehlt weitestgehend die Grundlage. Gerontokratische oder auch patriarchalische Differenzen mag es geben, oder auch nicht; ebenso natürliche informelle Hierarchien, die sich auf die normalen Unterschiede zwischen Individuen stützen. Aber keine sozialen Differenzierungen und gesellschaftlichen Hierarchien, die in komplexeren Gesellschaften mit sehr viel mehr Mitgliedern fast zwangsweise auftreten.

Auch wildbeuterisch lebende Gesellschaften können sesshaft werden, wenn es die Umweltbedingungen hergeben. Bei solchen ist dann auch eine größere Bevölkerungsdichte zu erwarten, bzw größere, ständig zusammenlebende Sozialgruppen, mit allen Implikationen für das soziale Zusammenleben. Beispiele wären die sesshaften Kulturen im Nordwesten der heutigen USA.

Wenn man sich die Twareg in Nordafrika anschaut, da gibt es ganz klar Befehlsstrukturen zwischen Stammesangehörigen und Sklaven, es gibt klare Regeln, wer mit wem schlafen darf (was letztlich häufig auf Vergewaltigung hinausläuft), wer wann essen darf, wer reiten darf - aber im archäologischen Befund würde man diese Unterschiede nicht wiederfinden.

Streifende Jäger und Sammler haben mE keinen Bedarf an Sklaven. Wie diese kontrollieren, wie ihre Arbeitskraft ausbeuten? Die Tuareg als Viehzüchter dürften bspw eine andere Vorstellung von Besitz gehabt haben als Wildbeuter.

Umfassende soziale Regeln kann es dagegen immer geben, würde ich sagen. Aber worauf basieren diese, wer schafft diese, wer setzt sie durch? Eine wie auch immer geartete "soziale Elite", die sich auf feste Hierarchie- und Machtstrukturen stützen kann? Oder die (kleine, übersichtliche) Gruppe als Ganzes? Oder bspw durch Alter oder Geschlecht "legitimierte" Personen?
 
Dennoch halte ich den begriff egalitär für durchaus zutreffend, zumindest für manche vorschriftliche Gesellschaften.
Ich denke auch, egalitär bedeutet nicht, dass z.B. den Älteren, Erfahrenen, nicht eine gewisse Bedeutung zukommt. Akephalität widerspricht dem ja nicht.

Nur ein kleiner Gedanke, mehr nicht:
Wenn man sich spielende Kinder anschaut, so stellt man ganz schnell fest, dass sich gewisse Rollenstrukturen herausbilden. Nun kann man einwenden, die Kinder orientierten sich an dem familiär und gesellschaftlich Vorgelebten oder seien davon maßgeblich beeinflusst. Dennoch scheint es gewisse Alpha-Persönlichkeiten (geschlechtsunabhängig!!) zu geben. Treffen zwei davon aufeinander,... wäre schon zuvor erfolgte erzieherische Einwirkung nasenbein- und zahnschonend...

P.S. Aber so ganz nah am Olymp sind die oben angestellten Gedanken nicht... Also: Rückkehr zum Thema?
 
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