Gens, exercitus, Sprache(n) ?


Das überkommene Bild von der Wanderung des alemannischen Volksstammes als mehr oder weniger geschlossener Einheit von der Elbe bis an den Oberrhein, sollte, da es weder von den Berichten der schriftlichen Quellen, noch von sprachwissenschaftlichen Argumenten gestützt, noch durch die archäologisch faßbaren Hinterlassenschaften begründet wird, aufgegeben werden. Stattdessen ist von einem über einen längeren Zeitraum sich erstreckenden Prozeß des Eindringens von unterschiedlichen Personenverbänden in den von den Römern preisgegebenen Raum östlich des Rheins und nördlich der Donau auszugehen, der im 3. und 4. Jahrhundert eine gewisse Sogwirkung ausgeübt haben dürfte, und zwar vor allem auf die Bevölkerung der mitteldeutschen Gebiete. Weder zum Überwinden der dazwischen liegenden Entfernung, noch zum "Überrennen" des Limes bedurfte es, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, einer wie auch immer gearteten Einigung, einer politischen Einheit unter der Führung eines (Heer-)Königs oder einer einheitlichen Sprache.
(Geuenich) da ist ja auch das Argument gegen den "Alemannensturm" - wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte der röm. Kaiser Zoff mit einem Usurpator/Gegenkaiser und warb alemannische/germanische Hilfstruppen an, wobei die agri decumates quasi zum Sold gehörten.

Die später erwähnten Brisgovari etc. scheinen allesamt erst nach dem 3. Jh. "entstanden" zu sein, wobei die sueb.-alemann. Juthungen noch für manches Ungemach sorgten (Italieneinfall im 4. Jh. usw.)

Die Frage bei diesen Kriegergruppen ist halt: was für Alemannen und Sueben zogen marodierend mit den Vandalen und Alanen durch Gallien nach Hispanien.
 
(Geuenich) da ist ja auch das Argument gegen den "Alemannensturm" - wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte der röm. Kaiser Zoff mit einem Usurpator/Gegenkaiser
Das waren die Auseinandersetzungen zwischen Gallienus und Postumus. Möglicherweise wurden auch Truppen aus den agri decumates abgezogen, weil sie anderweitig gebraucht wurden.
Immerhin sollen dort zeitweise "mehr als 20.000 Auxiliarsoldaten in 60 größeren Truppenstandorten" stationiert gewesen sein. Dazu kamen noch "bis zu 1000 kleinere Kastelle und Wachtürme" am Limes.

"Nicht die eindringenden Germanenscharen brachten demnach den Limes zu Fall und zwangen die Römer zur Aufgabe ihrer Grenzkastelle, sondern der innerrömische Machtkampf zwischen Kaiser und Gegenkaiser".
Andererseits zeigen die Spuren von Brandstiftungen, Plünderungen usw., dass die Alemannen sich nicht nur als friedlich siedelnde Veteranen bzw. Foederaten breit gemacht haben.
 
Erwähnenswert zu den Alemannen auch die These von Patrick Geary, welcher davon ausgeht, dass kaum Alemannen je in BaWü "eingewandert" seien, sondern schon immer dort gewesen wären bzw. dass deren Ethnogenese erst im Alemannenland stattgefunden habe (Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen. 2002)

Diese These hat eine "uralte" Tradition - zum Mindesten in der Schweiz. In den Sechziger habe ich jedenfalls noch in der Grundschule gelernt, dass die keltischen Helvetier und Rauracher wegen dem Druck der "bösen Alemannen" zur Auswanderung gezwungen wurden - und das zu Cäsars Zeiten (!) - Da habe ich dann doch eine wahrscheinlichere These und behaupte, dass die Alemannen eigentlich Kelten gewesen seien - schliesslich ist ja bekannt, dass es sich bei den Schwaben um wegen Geiz aus ihrer Heimat ausgewiesene Schotten handelt. :D

(Ich darf das sagen, ich bin selbst Alemanne, wenn auch nicht unbedingt Schwabe resp. Donausuebe )
 
Diese These hat eine "uralte" Tradition - zum Mindesten in der Schweiz. In den Sechziger habe ich jedenfalls noch in der Grundschule gelernt, dass die keltischen Helvetier und Rauracher wegen dem Druck der "bösen Alemannen" zur Auswanderung gezwungen wurden - und das zu Cäsars Zeiten (!) -
besonders pikant wäre diese eidgenössische Erklärung, wenn sie voller Emphase auf schwyzzerdütsch*) vorgebracht würde :D
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*) einer alemannischen Sprache :pfeif:
 
Die später erwähnten Brisgovari etc. scheinen allesamt erst nach dem 3. Jh. "entstanden" zu sein, wobei die sueb.-alemann. Juthungen noch für manches Ungemach sorgten (Italieneinfall im 4. Jh. usw.)

Laut dem hier kann man Semnonen und Juthungen gleichsetzen.

Oder vielleicht die Juthungen vom Namen her als Semnonische Jungmannschaft verstehen.

Allerdings scheint mir das ethymologisch nicht ganz zu passen, Jugend war doch 'Juguth', oder irre ich mich?
 
Laut dem hier kann man Semnonen und Juthungen gleichsetzen.

Oder vielleicht die Juthungen vom Namen her als Semnonische Jungmannschaft verstehen.
und die Semnonen wiederum zählen laut Tacitus zu den Sueben...

Ob allerdings die gen Spanien gezogenen Sueben noch irgendwas anderes als den alten traditionsreichen Namen mit den Sueben Caesars und den Sueben Tacitus´ gemein haben, ist mehr als fraglich...
 
Es ging mir nur darum, dass bei den Juthungen die Herkunft nach Fund des Altars klar scheint.

Es ist allerdings interessant, dass die Donausueben (und auch die Nordschwaben) ihre Stammesnamen zugunsten des Suebennamens aufgegeben haben. Das könnte der Hinweis auf eine Ethnogenese sein, bei der der gemeinsame Name schließlich für die entstehende Gemeinschaft stand.
 
und die Semnonen wiederum zählen laut Tacitus zu den Sueben...

Ob allerdings die gen Spanien gezogenen Sueben noch irgendwas anderes als den alten traditionsreichen Namen mit den Sueben Caesars und den Sueben Tacitus´ gemein haben, ist mehr als fraglich...

Sei haben so eine Art, mien Herr...
Nun, aus versch. QUELLEN lässt sich DURCHAUS schließen, dass diese als "Donausueben" bezeichneten mit den Quaden gleichzusetzen sind. Und ich pfeiff jetzt mal auf Nachschau.
 
Sei haben so eine Art, mien Herr...
Nun, aus versch. QUELLEN lässt sich DURCHAUS schließen, dass diese als "Donausueben" bezeichneten mit den Quaden gleichzusetzen sind. Und ich pfeiff jetzt mal auf Nachschau.

@Sueben:
Es ist ein altes Streitthema, ob es sich bei den Sueben nun um einen Stamm, Stammes-Bund/-Schwarm, oder einen "Einzelstamm" gehandelt haben soll. Dieter Timpe hat sich eingehend mit dem Problem befasst. Online ist von ihm im Kontext zu Agrarüberlegungen ein Aufsatz zu finden, in dem er entsprechende Überlegungen ausführt (Besonders ab Seite 13ff). Folgender Link:


http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a149573.pdf


Nach der römischen Okkupationszeit in Germanien hat sich der vorher so häufige "Suebenname" in der Überlieferung stark verflüchtigt. Als Sueben werden u.a. die in Mitteldeutschland ansässigen Hermunduren, als auch der Kern der mächtigen Stammeskonföderation des Marbod östlich der Donau angesehen. Hier besonders die Markomannen und die Quaden. Wie ning bereits erwähnte, werden in der Regel die Quaden als ein wichtiger Kern jener Donausueben angesehen, die sich gemeinsam mit Alanen und Vandalengruppen nach Spanien aufmachen sollten. Es entfiel spätestens dann die Versuchung zwischen den an der Donau vorher ansässigen Quaden und Markomannen als suebische Brudervölker unterscheiden zu müssen, so das sich am Atlantik der alte Suebenname durchsetzen sollte.



Nebenbei erwähnt: Kurz bevor die Alamannen schließlich von den Franken des Chlodwig unterworfen wurden, finden sich archäologisch gestreut Funde in der Alamannia. Sie verweisen typologisch in die ehemals den "Donausueben" zugeschriebenen Räume nördlich der Donau und in die Slowake. So wurde es um das Jahr 2000 herum publiziert (Ich glaube in beiden Bänden: "Die Alamannen "1998 sowie in "Imperium Romanum - Römer, Christen, Alamannen" 2005). Diese Funde treten neben in der Alamannia bereits bekannte Formen.
 
Über das komplizierte Verhältnis von Sueben und Alamannen wurde im Thread Alamannen schon so einiges geschrieben worden.

Der Komplex der Alamannen und/oder Sueben ist mit das interessanteste Beispiel, da es anders als bei den meisten anderen Stämmen, eben doch über einen langen Zeitraum etliche Schriftquellen überliefert sind und die Archäologie hier besonders ergiebig zu sein scheint.

Bei der Sprache ist sicher noch interessant welchen Anteil romansich-sprachige Bevölkerung in der Alamannia hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
da steht es ja, ex cathedra sozusagen, auf S.18-20: die via Gallien gen iberische Halbinsel marodierenden Sueben formierten sich erst aus allerlei Bevölkerungsteilen im späten 4. Jh., mutmaßlich mit hohem Anteil ehemaliger markomannischer und quadischer Kriegergruppen, welche sich in Abgrenzung von den Hasdingen, Siliesiern und Alanen an den traditionsreichen alten Suebennamen erinnerten.
 
Mein Beitrag ist nicht in der Richtung misszuverstehen, dass ich Ost- und Westgotisch für klar differenzierbare Dialekte hielte (mal abgesehen davon, dass es dazu an Material mangelt).
Anders scheint es sich auf der Appeninhalbinsel darzustellen:

Marcello Durante, Geschichte der italienischen Sprache. Stuttgart 1993 < Dal latino all‘italiano moderno. Bologna 1981, S. 74 (dt. Ausgabe):

Die [germanischen] Wörter, die in der Kaiserzeit ... in die Sprache Eingang fanden, breiten sich in Italien und anderswo aus [gewissermaßen in der Gesamtromania, EQ]... Von den ca. 100 gotischen Wörtern, die ins Italienische aufgenommen wurden, blieben viele nur auf jene Regionen beschränkt, die vorwiegend von Ostgoten besiedelt waren ..., doch ungefähr 20 breiten sich über die ganze Halbinsel aus.... Da die Verbreitung dieser Wörter nicht auf das Italienische beschränkt bleibt, vermutete man, dass sie aus dem von Westgoten beherrschten Südgallien kommen. ... jedenfalls sind astio, smaltire, stecca rein italienische Wörter, und deshalb müssen sie den Ostgoten zugeschrieben werden. Es ist erwiesen, dass zwischen dem 5. und 6. Jhdt. der sprachliche Austausch zwischen Nord- und Süditalien noch nicht unterbrochen war. Doch keines der insgesamt ca. 300 langobardischen Wörter erreichte jemals die gesamte Halbinsel. ... Der größte Teil der Langobardismen bleibt au% die langobard. Siedlungsgebiete beschränkt oder verteilt sich auf angrenzende Gebiete in Norditalien oder der Toskana....​
 
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