Sepiola
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Aus dem Thread "Der christliche Kanon":
Um mit einem der frühesten christlichen Texte (Paulus, 1. Kor) zu beginnen:
"Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben? Was für eine törichte Frage! Auch das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. Gott gibt ihm die Gestalt, die er vorgesehen hat, jedem Samen eine andere. Auch die Lebewesen haben nicht alle die gleiche Gestalt. Die Gestalt der Menschen ist anders als die der Haustiere, die Gestalt der Vögel anders als die der Fische. Auch gibt es Himmelskörper und irdische Körper. Die Schönheit der Himmelskörper ist anders als die der irdischen Körper. Der Glanz der Sonne ist anders als der Glanz des Mondes, anders als der Glanz der Sterne; denn auch die Gestirne unterscheiden sich durch ihren Glanz. So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leib gibt, gibt es auch einen überirdischen. So steht es auch in der Schrift: Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendig machender Geist. Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische. Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden. Damit will ich sagen, Brüder: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben; das Vergängliche erbt nicht das Unvergängliche. Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden - plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?"
1.Korinther 15 - Einheitsübersetzung :: BibleServer
Um das mal kurz zusammenzufassen:
- Am letzten Tag ("beim letzten Posaunenschall") werden die Toten wieder auferstehen.
- Eine "Auferstehung der (körperlosen) Seele" gibt es bei Paulus nicht, Paulus meint eindeutig eine leibliche Auferstehung.
- Der Leib der Auferstandenen ist aber auch nicht identisch mit dem "sterblichen", "irdischen" Leib; es wird ein "unsterblicher", "unvergänglicher", "himmlischer" Leib sein.
Man kann die leibliche Auferstehung als "Reinkarnation im weitesten Sinne" bezeichnen. In diesem Sinne (und nur in diesem Sinne) ist der folgende Halbsatz sicher korrekt:
Verstehen wir aber unter "Reinkarnation" die Seelenwanderung in dem Sinne, dass eine Seele nach dem Tod in einem anderen irdischen Körper (Mensch oder Tier) wiedergeboren wird, ist der Satz zweifellos falsch.
Hier spricht Origenes nicht von der Seelenwanderung in dem Sinne, dass eine Seele nach dem Tod in einem anderen irdischen Körper (Mensch oder Tier) wiedergeboren wird.
Vielmehr sehen wir hier eine deutliche Analogie zum obigen Paulus-Zitat: Den "Tausch" eines "irdischen" Körpers mit einem "himmlischen" Körper, nur eben in umgekehrter Reihenfolge.
Zusätzlich geht Origenes hier von mehreren (offensichtlich von sehr vielen) himmlischen Stufen aus, im ungekürzten Zitat wird das vielleicht noch deutlicher:
Die Engel und Throne und Herrschaften, die Gewalten und Herrscher der Welt und der Finsternis und "jeder Name, der genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen" (vgl. Eph. l, 21) sind Seelen von solchen Körpern, die sie entweder aus Verlangen oder zum Dienste angenommen haben. - Alle körperlosen und unsichtbaren vernünftigen Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach der Art der Orte, zu denen sie herabsinken: z. B. erst aus Äther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden. - Auf der Leiter Jakobs (vgl. Gen. 28, 12) steigen die vernunftbegabten Geschöpfe allmählich bis zur untersten Stufe herab, d. h. bis zu Fleisch und Blut. Es ist unmöglich, daß einer mit einem Male vom hundertsten zum ersten Rang herabstürzt; er gelangt vielmehr durch die einzelnen Ränge wie auf den Stufen einer Leiter bis zum untersten Rang. Dabei wechselt er seinen Körper ebensooft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.
Bemerkenswerterweise taucht der "Reinkarnationsglaube" oder ein Verbot desselben in den neun Bannverfügungen dann aber gar nicht auf.
Einige Zitate aus Helmut Zander, Geschichte der Seelenwanderung in Europa, Darmstadt 1999, S. 132-134:
"Bereits um 300 hielt Laktanz eine Widerlegung für nicht ganz seriös: Wer dies tue, setze sich dem Verdacht aus, etwas für wahr zu halten, was niemand mehr glaube. ...
Die anti-origenistische Literatur am Ende des vierten Jahrhunderts kommt auf die Seelenwanderung schon gar nicht mehr zu sprechen.
...
Der 407 gestorbene Johannes Chrysostomos meint, daß viele nicht einmal mehr den Namen der Seelenwanderungslehre der Pythagoräer und Platoniker ... kennen würden.
...
Als damals [im 5. Jahrhundert] die aus Nordafrika flüchtenden Manichäer in Rom eintrafen, wurden die antimanichäischen Schriften Augustinus' zur Erstellung von Abschwörungsformeln genutzt, die als Commonitorium Sancti Augustini, als Vermächtnis des Heiligen Augustinus, kusierten. Hier kommt die Reinkarnationslehre in den abzulehnenden Positionen nicht vor. Was schon bei Augustinus ein marginales Problem in den Gemeinden gewesen sein dürfte, war im 5. Jahrhundert offenbar überhaupt keines mehr.
Somit fehlen die Argumente, von einer Eliminierung des Reinkarnationsglaubens in der Alten Kirche zu sprechen oder gar eine Ausgrenzung von Reinkarnationsvorstellungen "auch mithilfe staatlicher Machtmittel" zu mutmaßen. Dafür gibt es keine Belege und sie ist angesicht sder vermutlich geringen Relevanz auch ausgesprochen unwahrscheinlich. Vielmehr legt die Lektüre der Kirchenväter einen beträchtlichen Relevanzverlust der Reinkarnationsfrage um 400 nahe.
...
Von daher ist die Behauptung, auf dem Konstantinopolitaner Konzil von 553 sei die Reinkarnationslehre kirchenamtlich verboten worden, gegenstandslos - abgesehen davon, daß ein solcher Schluß auf einer Fehlinterpretation der Konzilsentscheidung beruht ...
Die frühe Kirche hat sich mit praktisch allen religiösen Gruppierungen, die es in der Antike gab, auseinandergesetzt, weil sie es sich als keineswegs hegemoniale Institution nicht leisten konnte, Anfragen durch Schweigen auszusitzen. Wenn es zum Ende der Antike hin kaum mehr Auseinandersetzungen um die Reinkarnation gab, dann wohl deshalb, weil sie keine Herausforderung mehr darstellte."
"Reinkarnation" ist ein dehnbarer Begriff. Nach Steve Mason (Flavius Josephus on the Pharisees) kann man jede Auferstehungslehre, bei der die Seele im Tod den Leib verlässt und irgendwann später in denselben (oder einen anderen) Körper gelangt, als "Reinkarnation oder palingenesia im weitesten Sinne" bezeichnen.
Die Vorstellung einer Seelenwanderung muss damit aber noch nicht verbunden sein.
Um mit einem der frühesten christlichen Texte (Paulus, 1. Kor) zu beginnen:
"Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben? Was für eine törichte Frage! Auch das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. Gott gibt ihm die Gestalt, die er vorgesehen hat, jedem Samen eine andere. Auch die Lebewesen haben nicht alle die gleiche Gestalt. Die Gestalt der Menschen ist anders als die der Haustiere, die Gestalt der Vögel anders als die der Fische. Auch gibt es Himmelskörper und irdische Körper. Die Schönheit der Himmelskörper ist anders als die der irdischen Körper. Der Glanz der Sonne ist anders als der Glanz des Mondes, anders als der Glanz der Sterne; denn auch die Gestirne unterscheiden sich durch ihren Glanz. So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leib gibt, gibt es auch einen überirdischen. So steht es auch in der Schrift: Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendig machender Geist. Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische. Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden. Damit will ich sagen, Brüder: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben; das Vergängliche erbt nicht das Unvergängliche. Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden - plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?"
1.Korinther 15 - Einheitsübersetzung :: BibleServer
Um das mal kurz zusammenzufassen:
- Am letzten Tag ("beim letzten Posaunenschall") werden die Toten wieder auferstehen.
- Eine "Auferstehung der (körperlosen) Seele" gibt es bei Paulus nicht, Paulus meint eindeutig eine leibliche Auferstehung.
- Der Leib der Auferstandenen ist aber auch nicht identisch mit dem "sterblichen", "irdischen" Leib; es wird ein "unsterblicher", "unvergänglicher", "himmlischer" Leib sein.
Man kann die leibliche Auferstehung als "Reinkarnation im weitesten Sinne" bezeichnen. In diesem Sinne (und nur in diesem Sinne) ist der folgende Halbsatz sicher korrekt:
Auch nach dem Konzil, war bspw. die Reinkarnation ein Kernglaube des Christentums...
Verstehen wir aber unter "Reinkarnation" die Seelenwanderung in dem Sinne, dass eine Seele nach dem Tod in einem anderen irdischen Körper (Mensch oder Tier) wiedergeboren wird, ist der Satz zweifellos falsch.
Das Zitat - einschließlich der Kürzungen - hat Chan anscheinend von dieser Seite kopiert.wobei aber auf eine Ausnahme hingewiesen werden muss, nämlich auf Origenes, der in seinem frühen Werk "Peri archon" (um 213 CE) eindeutig einen Reinkarnationsglauben vertritt, wie z.B. hier:
1 schrieb:Alle (...) Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach Art der Orte ...und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden (...) Dabei wechselt er seinen Körper ebenso oft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.
(Das ursprünglich griechisch verfasste Werk ´Peri archon´ ist weitgehend verschollen und nur in einer lateinischen Übersetzung von Rufinus ("De principii") erhalten, von welchem allerdings alle den Reinkarnationsglauben betreffenden Passagen herausgestrichen wurden. Görgemanns/Karp haben obige Stelle aus einer Hieronymus-Schrift ("Contra Joh.") rekonstruiert, wo Hieronymus Origenes mit Quellenangabe zitiert.
Hier spricht Origenes nicht von der Seelenwanderung in dem Sinne, dass eine Seele nach dem Tod in einem anderen irdischen Körper (Mensch oder Tier) wiedergeboren wird.
Vielmehr sehen wir hier eine deutliche Analogie zum obigen Paulus-Zitat: Den "Tausch" eines "irdischen" Körpers mit einem "himmlischen" Körper, nur eben in umgekehrter Reihenfolge.
Zusätzlich geht Origenes hier von mehreren (offensichtlich von sehr vielen) himmlischen Stufen aus, im ungekürzten Zitat wird das vielleicht noch deutlicher:
Die Engel und Throne und Herrschaften, die Gewalten und Herrscher der Welt und der Finsternis und "jeder Name, der genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen" (vgl. Eph. l, 21) sind Seelen von solchen Körpern, die sie entweder aus Verlangen oder zum Dienste angenommen haben. - Alle körperlosen und unsichtbaren vernünftigen Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach der Art der Orte, zu denen sie herabsinken: z. B. erst aus Äther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden. - Auf der Leiter Jakobs (vgl. Gen. 28, 12) steigen die vernunftbegabten Geschöpfe allmählich bis zur untersten Stufe herab, d. h. bis zu Fleisch und Blut. Es ist unmöglich, daß einer mit einem Male vom hundertsten zum ersten Rang herabstürzt; er gelangt vielmehr durch die einzelnen Ränge wie auf den Stufen einer Leiter bis zum untersten Rang. Dabei wechselt er seinen Körper ebensooft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.
Chan schrieb:Im anti-origenistischen Edikt (543 CE) von Kaiser Justinian, welches den Reinkarnationsglauben der auch im 6. Jh. noch weit verbreiteten Anhänger des origenistischen Reinkarnationsglauben als Häresie verbietet, heißt es:
Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er (= Origenes, Anm. Chan) meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt. Nach dem Maß ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren.
Bemerkenswerterweise taucht der "Reinkarnationsglaube" oder ein Verbot desselben in den neun Bannverfügungen dann aber gar nicht auf.
Das deutet darauf hin, dass die Seelenwanderung schon lange kein heißes Eisen mehr war. Während die Kirchenväter des 2. und 3. Jahrhunderts (Justin, Irenäus, Tertullian) noch scharf dagegen polemisiert hatten, lockte das Thema später keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.Worum es im 6. Jh. ging, ist unklar. Adolf von Harnack erwähnt den Begriff Seelenwanderung nur in Fußnoten; dogmengeschichtlich scheint es keinen "offiziellen" Streit darum gegeben zu haben.
Einige Zitate aus Helmut Zander, Geschichte der Seelenwanderung in Europa, Darmstadt 1999, S. 132-134:
"Bereits um 300 hielt Laktanz eine Widerlegung für nicht ganz seriös: Wer dies tue, setze sich dem Verdacht aus, etwas für wahr zu halten, was niemand mehr glaube. ...
Die anti-origenistische Literatur am Ende des vierten Jahrhunderts kommt auf die Seelenwanderung schon gar nicht mehr zu sprechen.
...
Der 407 gestorbene Johannes Chrysostomos meint, daß viele nicht einmal mehr den Namen der Seelenwanderungslehre der Pythagoräer und Platoniker ... kennen würden.
...
Als damals [im 5. Jahrhundert] die aus Nordafrika flüchtenden Manichäer in Rom eintrafen, wurden die antimanichäischen Schriften Augustinus' zur Erstellung von Abschwörungsformeln genutzt, die als Commonitorium Sancti Augustini, als Vermächtnis des Heiligen Augustinus, kusierten. Hier kommt die Reinkarnationslehre in den abzulehnenden Positionen nicht vor. Was schon bei Augustinus ein marginales Problem in den Gemeinden gewesen sein dürfte, war im 5. Jahrhundert offenbar überhaupt keines mehr.
Somit fehlen die Argumente, von einer Eliminierung des Reinkarnationsglaubens in der Alten Kirche zu sprechen oder gar eine Ausgrenzung von Reinkarnationsvorstellungen "auch mithilfe staatlicher Machtmittel" zu mutmaßen. Dafür gibt es keine Belege und sie ist angesicht sder vermutlich geringen Relevanz auch ausgesprochen unwahrscheinlich. Vielmehr legt die Lektüre der Kirchenväter einen beträchtlichen Relevanzverlust der Reinkarnationsfrage um 400 nahe.
...
Von daher ist die Behauptung, auf dem Konstantinopolitaner Konzil von 553 sei die Reinkarnationslehre kirchenamtlich verboten worden, gegenstandslos - abgesehen davon, daß ein solcher Schluß auf einer Fehlinterpretation der Konzilsentscheidung beruht ...
Die frühe Kirche hat sich mit praktisch allen religiösen Gruppierungen, die es in der Antike gab, auseinandergesetzt, weil sie es sich als keineswegs hegemoniale Institution nicht leisten konnte, Anfragen durch Schweigen auszusitzen. Wenn es zum Ende der Antike hin kaum mehr Auseinandersetzungen um die Reinkarnation gab, dann wohl deshalb, weil sie keine Herausforderung mehr darstellte."