Reste des Heidentums in der Folklore

Der Weihnachtsmann ais Ausdruck wiedererwachten Heidentums wird in Dijon hingerichtet (Thyl hat diesen Link #104 gesetzt):

http://classiques.uqac.ca/classique...oel_supplicie/Levi-Strauss_Pere Noel_1952.pdf

Claude Lévi-Strauss / “Le Père Noël supplicié” (Der hingerichtete Weihnachtsmann)

Dijon, 24. Dezember 1951 (aus der Zeitung France-Soir) (in Auszügen übersetzt)

Der Weihnachtsmann wurde gestern Nachmittag aufgehängt auf dem Scheiterhaufen vor der Kathedrale von Dijon und öffentlich verbrannt. Diese spektakuläre Exekution fand in Anwesenheit von mehreren hundert Kindern des Patronats statt. Das geschah in Übereinkunft mit der Geistlichkeit, die den Weihnachtsmann als als Usurpator und Häretiker verurteilte. Er wurde beschuldigt Weihnachten zu einem heidnischen Fest zu machen und sich wie ein Kuckuck einzunisten und immer mehr Platz zu beanspruchen. Am Sonntag um 15 Uhr bezahlte der brave Unglückliche mit weißem Bart wie so mancher Unschuldige ein Verbrechen dem die Anwesenden überzeugt Beifall klatschten. Das Feuer erfaßte seinen Bart und er verschwand in Feuer und Rauch.

Die Affaire teilte die Stadt in zwei Lager.

Dijon erwartete die Auferstehung des gestern vor der Kathedrale gemeuchelten Weihnachtsmannes. Er aufersteht wieder heute Abend um 18 Uhr vor dem Rathaus. Ein offizielles Kommunique verkündet, daß er wie jedes Jahr den Kindern auf dem Place de la Libération zu den Kindern hoch vom Dach des Rathauses aus sprechen wird.

Wir sind Zeuge einer symptomatischen Manifestation einer sehr schnellen Entwicklung der Sitten und Glaubensanschauungen, zuerst in Frankreich, aber ohne Zweifel auch woanders. Es geschieht nicht alle Tage, daß ein Ethnologe die Gelegenheit findet, in seiner eigenen Gesellschaft das urplötzliche Wachsen eines Ritus und Kultus zu beobachten.

Seit etwa drei Jahren, das heißt, seit die Wirtschaft sich ein wenig normalisiert hat, hat die Feier des Weihnachten einen Aufschwung genommen, der vor dem Krieg unbekannt war. Die großen Märkte an den Ausfallstraßen der Städte haben einen solchen Einfluß auf die Menschen genommen mit ihrem Lichterglanz und merkantilen weihnachtlichen Angebot, das die Menschen in ihrer Gesamtheit nicht unbeeindruckt lassen konnte.

Der Weihnachtsmann ist in seiner aktuellen Form eine moderne Schöpfung. Sie verpflichtet z.B. Dänemark eine spezielle Poststelle zu unterhalten für die Briefe der Kinder aus aller Welt. Dänemark ist als Besitzer von Grönland die Heimat dieses Weihnachtsmannnes, der mit Kutsche und vorgespannten Rentieren durch die Luft zu reisen pflegt. Dieser Aspekt der Legende soll sich entwickelt haben während des letzten Krieges. Grund sei die Stationierung Hunderter amerikanischer Soldaten in Island und auf Grönland. Und die Rentiere sind dort nicht aus Zufall, sondern englische Quellen der Renaissance erwähnen sie bei Gelegenheit weihnachtlicher Tänze. Also noch vor allem Glauben an den Weihnachtsmann und der Bildung entsprechender Legenden.
 
Nun kann ja jeder die Grenzen nach seinem persönlichen Geschmack ziehen. Oder noch besser, erst gleich gar keine Grenze ziehen. Dann können wir im Prinzip alle Religionen mit dem Etikett "synkretistisch" versehen, und die Diskussion löst sich in Wohlgefallen auf.

Was denn, schon kampfesmüde? =)

Und wenn wir davon ausgehen, dass auch noch das ganze Mittelalter über (und bis in die Neuzeit hinein) ein Großteil der Bevölkerung ländlich war, wenn wir davon ausgehen, dass sie unter einem christlichem Anstrich ziemlich lange ziemlich heidnisch geblieben ist und dass auch die prähistorischen Mythen und Symbole weiterverwendet wurden, dann können wir auch das mittelalterliche Christentum noch als "Naturreligion" bezeichnen.

=)

Es ist ja nun nicht so, dass wenn das eine nicht gilt, automatisch das andere gilt.

Der Katholizismus ist bzw. war mit seinen Teufeln und Dämonen, Erzengeln und Schutzheiligen, alles andere als ein reiner Monotheismus. Daß aber die Religion der Bauern und ländlichen Gegenden vom IV. Jhd. bis ins Hochmittelalter von der theologischen und künstlerischen Entwicklung des Katholizismus gänzlich unberührt blieb, ist fraglich. Hier reicht die Weiterverwendung prähistorischer Motive nicht aus, um das bäuerliche Christentum als Naturreligion zu bezeichnen :winke:
 
Was denn, schon kampfesmüde? =)

Wo es nichts zu diskutieren gibt, gibt es nichts zu diskutieren. Wenn Wörter undifferenziert oder inflationär gebraucht werden, verlieren sie ihren Sinn.

Statt Begriffe zu erweitern, ziehe ich es vor, mein Wissen zu erweitern. Also zurück zum Thema:

Der Sankt-Martins-Stein bei Perrigny-lès-Auxerre ist ein alter keltischer Kultort.
Wodurch ist der Kultort nachgewiesen?
(Ich frage deswegen, weil es nebst den vielen nachweisbaren Umfunktionierungen auch eine Reihe von behaupteten "alten Kultorten" gibt, wo nichts nachgewiesen ist.)

Nein, denn Grégoire von Tours (ca. 539 - 594) berichtet, daß in die Basilika von Tours ein Stein eingemeißelt sei, auf dem sich Sankt Martin ausgeruht habe. Er erzählt auch von der Quelle, die Sankt Martin bei Nieuls-lès-Saintes aus dem Boden stampfte, und daß es bei dieser Quelle einen Stein gäbe, der den Hufabdruck des Martin'schen Esels trage.
Das geht jetzt genau in die Richtung, nach der ich gefragt hatte:
Hier wird es interessant: Was enthalten die hagiographischen Dokumente zu St. Martin an alter Mythologie?
Sind die Stellen genauer angegeben? Ich würde das gern mal im Zusammenhang nachlesen.
 
Sind die Stellen genauer angegeben? Ich würde das gern mal im Zusammenhang nachlesen.
Leider nicht, da müßten wir uns schon die Schriften des guten Grégoire aus der Nähe ansehen.

EDITH : Grégoire von Tours, De Miraculis S. Martini archiepiscopi Turonensis libri IV, Kap. XXXI (siehe auch Dictionnaire d'archéologie chrétienne et de liturgie, Eintrag »paganisme«, Kap. XXX)
 
Zuletzt bearbeitet:
(proto-christliche Artefakte in Pompeji, was auf eine proto-christliche Präsenz in Italien schon vor 79 spricht)

Was heißt "proto-christliche Präsenz"? Ob es sich um christliche Artefakte handelt, ist umstritten. Und wenn sie nicht christlich sind, dann belegen sie weder eine christliche noch eine "proto-christliche" Präsenz.
Sehr überzeugend sind die Artefakte nicht. Das wohl 'relativ überzeugendste' Relikt, eine nur noch teilweise lesbare Kohle-Inschrift, wurde kurz nach seiner Entdeckung (1862) vom Regenwasser weggewaschen. Eine Buchstabenfolge lasen die Augenzeugen als "...HRISTIAN...". Über den Sinn des Ganzen wurde viel spekuliert.
CIL IV
 
Sepiola:

Und was ist mit Petrus? :)

Der ist in den Inschriften von Pompeii bisher noch nicht aufgetaucht.
Und auch der Archäologe des Vatikans in Deinem Link hat gar nichts in der Hand: "... man hat ein unberührtes Körpergrab des Petrus oder eben des vermuteten Petrus nicht archäologisch nachweisen können".

Wie Du meinen Beiträgen entnehmen kannst, argumentiere ich nicht gegen die Präsenz von Christen in Italien zur fraglichen Zeit. Ich habe nur Zweifel daran geäußert, was die Artefakte von Pompeii wirklich "belegen".
 
Zur möglichen Kontinuität von Feuerrädern aus vorchristlicher Zeit

Ich möchte auf einen Ausgangspunkt der Diskussion zurückkommen, sorry, dass ich mich jetzt so spät einschalte, ich habe überraschend mehr Zeit als gewöhnlich.

haerangil hat im Sommer (Seite 2, post 30) auf eine Stelle in Birkhan (Kelten - Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur) hingewiesen, der Hinweis ging etwas unter (oder wurde vom Tempo der Diskussion überrollt).

Birkhan weist auf Zwicker (eine Sammlung literarischer Zeugnisse aus den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts zur keltischen Religion - Fontes historiae religionis Celticae. Drei Teile, Berlin 1934–1936) hin, dort eine Heiligenvita des Vincent aus Agen (gest. ca 309 AD), wo berichtet wird, dass ein feuriges, funkenssprühendes Rad (rota...vana vomens incendia) aus einem Tempel den Hang hinab bis in einen Fluß gerollt und wieder zurückgerollt sei, Vincent habe diesem Spuk durch ein Kreuzzeichen Einhalt geboten. (Zwicker S.302) https://de.wikipedia.org/wiki/Vinzenz_von_Agen
Birkhan bringt dies en passant in Zusammenhang mit auch heute noch stattfindenden brauchtümlichen Entsprechungen wie den in Luxemburg und anderen Orten stattfindenden Brauch brennende Räder in ein Tal zu rollen.
Birkhan deutet das Radmotiv, dass tatsächlich in der vorrömischen Eisenzeit und darüber hinaus vielfach nachgewiesen ist, als Sonnenmotiv - diese Interpretation wird nicht unbedingt von jedem geteilt, Mondzeichen, jahreszeitliches Symbol, Symbol der Zeit oder Weltordnung sind andere Interpretationsvorschläge. Der "Radgott" der Keltike ist Taranis (nicht der einzige), vielfach durch Inschriften mit Jupiter identifiziert (CIL III 2804, RIB 452). Vielfach gefunden sind Votivräder, Miniaturrädchen, die Opfergabe in Gewässern waren, im Oppidum Alesia wurden sie manufakturmäßig aus Blei hergestellt (ich habe keine Abbildung gefunden, in einer Austellung habe ich sie gesehen, etwa münzgroß, Talismane?). Radabbildungen finden sich z.B. auch auf dem Gundestrupkessel.
In der Loire bei Orleans wurden 200 Votivrädchen gefunden, in La Villeneuve-au Chatelot 70.000. Das Rad war Kennzeichen mancher gallorömischer Jupitergigantensäulen (insg. bisher 1289 Fundstücke) J abgebildet ist. Interessant ist, Taranis/Taranus ist eigentlich nicht der Sonnengott (da eher Belenus), sondern der Donnergott - damit zwar auch eine Himmelsgottheit, jedoch nicht in direkter Verbindung mit einer Sonnensymbolik (nebenbei, sein Sympathietier ist die Gans, CIL VII 168; RIB 452). Es ist übrigens nicht gesichert, dass Taranus/Taranis der keltische Himmelsgott ist, trotz Cäsars bekannte Textstelle (b.G. VI,17).
Birkahn deutet (S.587) nur an, bzw. fragt, anhand eines galatischen Götternamens, ob dies ein Reflex auf einen Donner - oder Sonnenwagen des Himmelsgottes ist. Dies halte ich zwar für zu unsicher, da der Zeus bennos schon von griechischer Mythologie beeinflusst sein kann: [FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=+1][FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=-1]"Phaethon, Sohn des Sonnengottes Helios und der Okeanide Klymene, wird als Jüngling von seinem Freund Epaphos mit der Behauptung geneckt, Helios sei gar nicht sein Vater. Klymene schickt ihn zu Helios' Palast im Osten. Dort angekommen, verspricht Helios als Beweis seiner Vaterliebe, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Phaethon wünscht sich, einen Tag lang den Sonnenwagen über den Himmel lenken zu dürfen.[/SIZE][/FONT]
[/SIZE][/FONT][FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=+1][FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=-1]Obwohl Helios ihn eindringlich vor den Gefahren warnt, besteht Phaeton auf seinem Wunsch. Helios gibt seinem Sohn noch genaue Anweisungen und Ratschläge, bevor die vier Pferde vor den strahlend leuchtenden Sonnenwagen gespannt werden und die Fahrt über den Himmel beginnt.[/SIZE][/FONT]
[/SIZE][/FONT]
[FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=+1] [FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=-1]Schon bald kann Phaethon das Gespann nicht mehr auf der vorgeschriebenen Himmelsbahn halten, und die Pferde geraten außer Rand und Band. Die Erde gerät in Brand und Flüsse verdampfen.[/SIZE][/FONT]
[FONT=verdana, arial, helvetica, sans-serif][SIZE=-1]Um die Zerstörungen zu beenden, zerschmettert Zeus das Gespann mit einem Blitzstrahl, und es stürzt brennend in den Eridanos." (Ovid, Metamorphosen)[/SIZE][/FONT]
[/SIZE][/FONT]
Für mich stellt sich daher zuerst die Frage, ob es eine in der Keltike verankerte Vorstellung eines Sonnenlaufs - im Tages -oder Jahresverlauf - auf einen Wagen, für den das Radsymbol steht, geben könnte. Eine klare, wie hier oft postulierte hervorgehobene Bedeutung eines Sonnenkultes ist meiner Ansicht nach für die Keltike nicht gesichert - obwohl Belenus wahrscheinlich zum älteren Bestand des keltischen Pathenon gehörte.
Herausragende Festtage an Sonnenwenden sind nicht bekannt bzw. überliefert. Allerdings spielen Himmelsrichtungen/der Sonnenlauf eine große Rolle, kein Heiligtum (z.B. Viereckschanzen, gallorömische Umgangstempel, Heiligutm Picardtyp) ist nach Norden ausgerichtet/bzw. wird von dort betreten, von der alltäglichen Orientierung ist vorne Osten, rechts Süden, hinten Westen und links gleichbedeutend mit Norden.
Was gesichert ist, dass der Kultwagen in verschiedener Form eine Bedeutung hatte, und daher die Wagenreise bei Beerdigungen, Prozessionen, Festumzügen sehr wahrscheinlich ein Bestandteil von Prozessionen gewesen ist -> siehe den in der Grabkammer von Hochdorf gefundenen Wagen (auf der Kline des Grabes ist eine Wagenreise eingepunzt, Prunk - oder Zeremoniewägen sind bekannt auch im hallstattzeitlichen Grab Fürstin von Vix, Herrin von Mitterkirchen, Grab Hohmichele) . Dies führte zu der Annahme, dass die "fürstlichen" Toten ähnlich wie es Herodot bei den Skythen beschreibt (IV, 71), einbalsamiert im Land herumgefahren und gezeigt wurden. (siehe Biel,Riekhoff,2001,S.181)
Dass eine in die Bronze -bzw. Unrnenfelderzeit hinüberreichende Kontinuität der kultischen Wagennutzung gegeben hat, dazu ein anderes mal, nur soviel, ein Text -> Die Wagen der Bronzezeit in Mitteleuropa | Christopher Pare - Academia.edu - siehe dort besonders S.353 oben -> https://de.wikipedia.org/wiki/Kultwagen_von_Strettweg

Unten das Bild Jupiter-Taranus-Statuette mit Rad und Donnerkeil, Le Chatelet, Gourzon, Haute, Marne
 

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* Explosionsartige Ausbreitung des neuen Glaubens (proto-christliche Artefakte in Pompeji, was auf eine proto-christliche Präsenz in Italien schon vor 79 spricht)

Abgesehen von der von Sepiola angebrachten, nicht vollständig erhaltenen Inschrift: Welche Artefakte, die auf eine proto-christliche Präsenz in Italien hinweisen, gibt es denn in Pompeji?
 
Abgesehen von der von Sepiola angebrachten, nicht vollständig erhaltenen Inschrift: Welche Artefakte, die auf eine proto-christliche Präsenz in Italien hinweisen, gibt es denn in Pompeji?

Vielleicht ist das SATOR-Quadrat gemeint, das eine verborgene christliche Message zu enthalten scheint:

1)
Das Kreuz in Form der vier T oben, unten, rechts und links

2)
Die Häufung der A/O-Paare als Chiffren für Alpha und Omega

Gegen eine christliche Interpretation spricht, dass zu dieser Zeit Christen eher die griechische als die lateinische Sprache verwendet haben dürften und dass das Kreuz ebenfalls viel später, offiziell sogar erst ab dem Konzil von Ephesos 431, als christliches Symbol anerkannt war. Der Text ist vermutlich eine jüdische Inschrift und die Kreuzform eine Anspielung auf das Tau-Zeichen, das jüdische Symbol für Heiligung.

Siehe dazu das angehängte Bild und folgenden Wiki-Artikel:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sator-Quadrat
 

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Es ist natürlich alles andere als unwahrscheinlich, dass 15 Jahre nach der spektakulären neronianischen Christenverfolgung in Rom auch Christen in Pompeji lebten. Ob dieses Symbol deswegen christlich ist, ist eine ganz andere Baustelle.
 
Es ist natürlich alles andere als unwahrscheinlich, dass 15 Jahre nach der spektakulären neronianischen Christenverfolgung in Rom auch Christen in Pompeji lebten. Ob dieses Symbol deswegen christlich ist, ist eine ganz andere Baustelle.

Ob die Tacitus-Stelle auf einen christlichen ´Chrestos´aka Jesus hinweist, kann man entweder mit philologisch-historischer Argumentation oder mit einem Münzwurf (Kopf oder Zahl) entscheiden - es läuft aufs gleiche hinaus. Der Tacitus-Text steht bekanntlich unter Interpolationsverdacht (Einfügung einer Sulpicius-Severus-Passage aus dem 4. Jh. mit geringer Wortlautveränderung). Diese Passage ist die erste Erwähnung einer Christenverfolgung durch Nero bis ins 4. Jh. - da darf man doch fragen, warum über drei Jahrhunderte lang kein christlicher Autor auf dieses, wie man meinen sollte, für die christliche Historie so bedeutsame Ereignis (erste Verfolgung) Bezug genommen hat. Vielleicht, weil die Tacitus-Stelle erst nach Sulpicius Severus entstanden ist, es davor also gar keinen Hinweis auf neronische Christenverfolgung gab?

Auch dass Nero Rom überhaupt angezündet hat, wird von Historikern zunehmend in Frage gestellt.
 
Es ist natürlich alles andere als unwahrscheinlich, dass 15 Jahre nach der spektakulären neronianischen Christenverfolgung in Rom auch Christen in Pompeji lebten.

Stimmt. Unwahrscheinlich ist das nicht. Aber mir sind keine eindeutig christlichen Hinterlassenschaften aus Pompeji bekannt.

Aber es geht ja in der von mir zitierten Behauptung nicht um die Frage, ob es in Pompeji auch Christen gab, sondern irgendwelche Artefakte aus Pompeji sollen die explosionsartige Ausbreitung des neuen Glaubens in Italien beweisen.

Und da würde ich gerne wissen, welche Artefakte es sind!

Wenn die Inschrift christliche Bedeutung haben sollte, dann wäre dennoch fraglich, ob man allein damit (mit offenbar 2 Funden aus Pompeji) die explosionsartige Ausbreitung wirklich beweisen kann!
 
Ob die Tacitus-Stelle auf einen christlichen ´Chrestos´aka Jesus hinweist, kann man entweder mit philologisch-historischer Argumentation oder mit einem Münzwurf (Kopf oder Zahl) entscheiden - es läuft aufs gleiche hinaus. Der Tacitus-Text steht bekanntlich unter Interpolationsverdacht (Einfügung einer Sulpicius-Severus-Passage aus dem 4. Jh. mit geringer Wortlautveränderung). Diese Passage ist die erste Erwähnung einer Christenverfolgung durch Nero bis ins 4. Jh. - da darf man doch fragen, warum über drei Jahrhunderte lang kein christlicher Autor auf dieses, wie man meinen sollte, für die christliche Historie so bedeutsame Ereignis (erste Verfolgung) Bezug genommen hat. Vielleicht, weil die Tacitus-Stelle erst nach Sulpicius Severus entstanden ist, es davor also gar keinen Hinweis auf neronische Christenverfolgung gab?

Auch dass Nero Rom überhaupt angezündet hat, wird von Historikern zunehmend in Frage gestellt.


Dass Nero Rom abgefackelt hat als pyrotechnische Untermalung einer Gedichte-Lesung oder um städtebauliche Visionen einer "Neropolis" verwirklichen zu können, hat eigentlich auch keiner von den römischen Historiographen behauptet, und es ist tatsächlich sehr unwahrscheinlich, dass der Brand befohlen war. Feuersbrünste waren nichts ungewöhnliches, bei M. Licinius Crassus, der eine eigene Feuerwehr aufstellte, wurde gemunkelt, er habe Brände selbst gelegt. Im Jahr 27 verwüstete ein Brand den Mons Caelius in Rom (Tac, Annales IV, 64-65) Im gleichen Jahr, als Pompeji und Herculaneum starben, AD 79, wurde Rom durch eine fast ebenso katastrophale Feuersbrunst heimgesucht wie der große neronische Brand von 64, ohne dass Brandstiftung im Spiel war oder behauptet wurde. Tacitus schreibt, beim Neubau habe man versucht, durch bauliche Maßnahmen Feuersbrünsten vorzubeugen.

Tacitus schreibt, das Feuer brach nahe des Circus Maximus aus, vermutlich ein Unglücksfall, er berichtet aber süffisant über Gerüchte, es seien Prätorianer gesehen worden, die Feuer legten, oder Löschversuche unterbanden. Dabei könnte es sich, wenn das überhaupt faktisch ist, um gezielte Löschversuche durch Gegenfeuer gehandelt haben. Nero war, als der Brand ausbrach in Antium und zeigte sich eigentlich als fähiger Krisenmanager. Es wurden Lebensmittel und Unterkünfte bereitgestellt und Spenden verteilt. Genaues weiß man nicht, außer dass die Christen als Sündenböcke dienten, und ihnen die Schuld an der Katastrophe gegeben wurde.


Der Bericht über die Neronische Christenverfolgung in Tacitus Annalen kann eigentlich kein christlicher Einschub sein, jedenfalls ergäbe das einfach keinen Sinn aus verschiedenen Gründen:

1. Tacitus hat wenig Ahnung vom Christentum, er weiß nur, dass es sich um einen obskuren, "unheilvollen Aberglauben" handelt, der in Palästina entstand und der auf einen von Pontius Pilatus hingerichteten Kriminellen zurückgeht.

2. Er äußert sich vernichtend über das Christentum, er glaubt zwar nicht, dass die Christen für den Brand verantwortlich sind, hält deren Hinrichtung und Verfolgung aber für richtig und kritisiert sogar, dass bei Teilen der Bewohner Roms Mitleid für die Christen aufkam, denn "man glaubte, dass sie nicht dem öffentlichen Interesse, sondern der Grausamkeit eines Einzelnen würden sie geopfert." Tac, Annales ( XV, 44)
 
Zur möglichen Kontinuität von Feuerrädern aus vorchristlicher Zeit (II)

Ich weiß, Ihr seid in der Diskussion gerade woanders, jetzt benötige ich Hilfe.

Wie gestern geschrieben, teile ich nicht Birkhans Auffassung, dass die einzelne schriftliche Belegstelle aus der Heiligenvita hinreichend ist, um eine vorchristlichen Ursprung für ein nachrömisches Feuerradbrauchtum zu belegen.

Ich denke ich habe oben ausreichend beschrieben, dass der Kultwagen und das Rad als pars pro toto seit der Bronzezeit in der religiösen Vorstellungwelt verankert ist.
Allerdings habe ich keinen Beleg gefunden, ob es einen Feuerradbrauch oder ähnliches wie Feuerscheibenwerfen (bis auf die Heiligenvita aus gallorömischer Zeit) gibt, insbesondere welche Bedeutung dieser Kult gehabt haben könnte.

Da hier der Zusammenhang mit einem Sonnenkult hergestellt wurde, habe ich auch dazu recherchiert, mit (fast) keinem Ergebnis.

Meine Arbeitshypothese ist, dass das Feuerrad "den Lauf der Sonne" repräsentieren könnte. In den astronomischen Informationen aus antiken Quellen über druidisches Wissen dazu habe ich nichts (bisher) gefunden.

Jetzt habe ich einen sprachgeschichtlichen Hinweis (meine große Schwäche): bei Peter Ellis, The druids, 1994, S.267 fand ich folgendes:
"im altirischen (im gälischen Maundeville-Manuskript) gibt es den Ausdruck
reithes grían für Tierkreis; er bedeutet "Sonnenrad" - ....
später im Mittelirischen, wurde der Tierkreis crois gréine - "Gürtel der Sonne" -bezeichnet. Diese Form ist noch im Manx erhalten, nämlich als cryss greiney, wenngleich A.W.Moore in the Folklore of the Isle Man einen noch älteren Ausdruck erwähnt - Cassan-ny-greiney "Fußpfad der Sonne".

Obwohl Historiker, Mitglied der Royal Society, halte ich Ellis alleine für nicht zuverlässig, da habe ich in anderen Feldern schon zu viele Ungenauigkeiten entdeckt.

Birkhan (S.786) enthält noch einen weiteren Hinweis:
der zweite Schaltmonat auf dem Kalender von Coligny heißt sonnocingos "Sonnenlauf" - eine andere Fomr für sul / altkelt. Sonne (Sulis - Sonnengöttin) ist darin enthalten. -> RIG III, S 426

P.S. Im vorigen Text führte ein link,CIL VII 168; RIB 452 nicht dahin, wo er hinsollte im Roman Inscriptions of Britain.
Bei der Überprüfung meiner Aussage zur Himmelsausrichtung der Heiligtümer /Nekropolen> Nekropole von Vix hat Durchgang im Nordwesten (kann jedoch andere Ursachen haben)

Unten Repliken der Miniaturrädchen nachgeliefert
 

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"im altirischen (im gälischen Maundeville-Manuskript) gibt es den Ausdruck
reithes grían für Tierkreis; er bedeutet "Sonnenrad" - ....
später im Mittelirischen, wurde der Tierkreis crois gréine - "Gürtel der Sonne" -bezeichnet.

Die Zeit des Altirischen endet spätestens im 10. Jahrhundert.

Das irische Ma(u)ndeville-Manuskript kann nicht älter als das französische Original sein, und das stammt aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jehan_de_Mandeville

Irgendetwas kann da nicht stimmen. Gibt es genauere Quellenangaben?
 
Die Zeit des Altirischen endet spätestens im 10. Jahrhundert.

Das irische Ma(u)ndeville-Manuskript kann nicht älter als das französische Original sein, und das stammt aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jehan_de_Mandeville

Irgendetwas kann da nicht stimmen. Gibt es genauere Quellenangaben?
Das ist ein Grund, warum ich direkt nachfrage, Ellis hat keine Anmerkungen, Belege sind selten, er ist doch mehr Schriftsteller als Historiker. Interessant, das Buch Reisen des Ritters John Mandeville vom Heiligen Land ins ferne Asien habe ich sogar, ich schaue gleich mal rein, ob da der Tierkreis auftaucht.
 
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Okay, etwas gefunden, Kapitel Jerusalem:

"Ihr müsst aber wissen,Erst der römische Kaiser Julius fügte 2 Monate hinzu, den Januar und den Februar. Das Jahr fing damals im März an und der letzte Monat hieß Dezember. Wer nun mit einem Jahr von zwölf Monaten rechnen will, der muss 365 Tage nach dem Lauf der Sonne nehmen."
Vom Tierkreis steht hier aber nichts, könnte jedoch synonym gemeint sein, oder?
 
Da das gälische Mandeville-Mansukript nicht in einem altirischen Dialekt geschrieben sein kann, wie du ja mitteiltest, endete das altirische im 10.Jahrhundert, würde ich es als Beleg ausschließen wollen. Und bestätigt meine Erfahrung mit Ellis. Nichtsdestotrotz sage ich mal, ja, für mich ist eine vorchristliche Tradition des Feuerradrollens sehr wahrscheinlich.

Das Feuerrad symbolisiert den "Lauf der Sonne" durch die Zeit (den Zodiak, Jahreslauf), ein Versenken in Gewässern könnte auf einen auffälligen Zusammenhang von SonnengöttInnen mit Quellen (insbesondere warmen Quellen - Bath -Minerva /Sulis/ Suelviae) hinweisen, genauso die auffälligen Opfergaben des Zeichens des Himmels - und Wettergottes Taranis in Gewässer - (siehe oben, Miniaturrädchen).
 
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