Riothamus
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Wenn ich Divicos Idee richtig verstanden habe, reden wir hier über zwei grundlegend unterschiedliche Dinge - Divico, korrigiere mich bitte, wenn ich Dich falsch interpretiere:
1. Die römische Armee marschierte im Regelfall in noch unerschlossenem Gebiet nach einem recht strikten Muster - eine vorgegebene Anzahl Stunden in einem eingeübten Tempo, dann Lagerbau. Daraus ergeben sich womöglich relativ konstante Distanzen zwischen den Marschlagern. Indiz dafür könnte sein, daß wir gar nicht so selten über recht dicht neben- und übereinander liegende Lager stolpern, gern auch als "Übungslager" interpretiert und tituliert, jedenfalls hierzulande. Divicos Gegenvorschlag zur Interpretation wäre eben die konstante Marschleistung und damit Etappenlänge, so daß bei selbem Ausgangsort und selber Streckenführung zwei verschiedene römische Einheiten ziemlich exakt am selben Ort ihr Lager aufschlagen würden. Zu beachten wäre hier natürlich noch die jeweilige Topographie, sprich: Haben wir's an dieser Stelle vielleicht mit einer Abfolge von mindestens temporären Sicherungsstellungen zu tun, um bei mehrjährigen/ wiederholten Kampagnen in dieser Gegend einen wichtigen Flußübergang o.ä. für den Nachschub offen zu halten? Das ist jedenfalls die gängige Deutung z.B. der (mindestens) acht Lager rund um das walisische Leintwardine.
2. Ist ein Gebiet dann mal erobert, tritt mehr und mehr die zivile Nutzung in den Vordergrund. Die Route wird zur Straße ausgebaut, entlang derer Infrastruktur entsteht und sich Zivilisten ansiedeln. Solche Ansiedlungen entstehen gern im unmittelbaren Umfeld von Militärstandorten. Aber auch schlichte Marschlagerplätze könnten da und dort attraktiv sein, weil die Armee da schon größere Flächen gerodet oder einen schönen Brunnen gegraben hat. D.h. das aus 1. ererbte Muster, so es eines gab, würde sich zumindest anfangs noch recht gut widerspiegeln in zivilen Einrichtungen, meinetwegen sogar in frühen villae rusticae. Im Laufe der Zeit würde die Infrastruktur entlang der Straße aber natürlich überdeckt werden durch Einrichtungen, die auf unterschiedlichste zivile Erfordernisse ausgerichtet sind - die Frequenz, in der Kurierreiter ihre Pferde wechseln, ist schwerlich in Übereinstimmung zu bringen mit den Rast- und Versorgungsplätzen für Ochsenkarren. Außerdem entstehen selbstverständlich auch zwischen Rastplätzen und Pferdewechselstationen Ansiedlungen, die mit Infrastruktur im engeren Sinne erstmal nichts zu tun haben, im weiteren Verlauf aber die Notwendigkeit zentral geplanter Infrastruktur mehr und mehr überflüssig machen.
Nicht völlig abwegig soweit. Abwegig war im inzwischen doch jahrelangen Diskussionsverlauf "lediglich" Divicos Argumentation, die meistenteils jegliche Systematik vermissen, jegliche Zeitstellung von Fundorten außer Acht ließ, kunterbunt militärische mit zivilen Lokationen vermischte, alles mit einem lapidaren "könnte ja was früheres, militärisches nur noch nicht entdeckt sein dort". Oder wir hatten gar kein römischen Funde dort, die aber doch da sein müssen, weil... Ich nehme an, da wurde aus einer Idee einfach eine fixe Idee und der rationale Kurzschluß führte zum Zirkelschluß.
Soweit meine Interpretation - oder besser: Rekonstruktion - von Divicos Idee. In den letzten Tagen hat er mich daran allerdings erheblich zweifeln lassen mit seinen villae rusticae, die ganze Legionen auf dem Marsch versorgen sollten etc. Ich bin gespannt zu hören, ob ich ihn bisher nur jahrelang mißverstanden habe oder ob das Sich-Verrennen jetzt schlicht eskaliert ist.
Falls es hier irgendwann noch sinnvoll weitergehen sollte: An sich wäre 1. ja recht gut überprüfbar. Allerdings halt nicht (bzw. nicht so einfach) in Gegenden, die jahrhundertelang zum Imperium gehörten wie Gallien, Italien, die Schweiz oder wo auch immer sonst uns Divico hin geführt hat mit seinen anekdotischen Beispielen. Das rechtsrheinische Germanien böte sich natürlich an, krankt im Moment aber noch an allzu dürrer Fundlage. Ich hab' schon mal die Nordgrenze Britanniens vorgeschlagen, also das Gebiet zwischen Hadrian's Wall und Antonine Wall sowie nördlich davon, Gask Ridge.
Nur, dass die konstante Etappenentfernung sich schon aus der Annahme von ungefähren Marschallshagen ergibt. Damit ist die 9-/10-Leugen-Theorie nicht beweisbar und auch obsolet. Zudem wurde sie im Thread x-mal falsifiziert.