Renate Riemeck, eine enge Freundin von Ulrike Meinhofs Mutter, zu der Ulrike als junge Frau ein sehr enges Verhältnis hatte, forderte Meinhof in einem offenen Brief auf, sich zu stellen. Sinngemäß schrieb Riemeck, dass die Stadtguerilla der RAF in der BRD zum Scheitern verurteilt sei und bestenfalls Potenzial für ein blutiges "Schinderhannesabenteuer" habe. Mit dieser Einschätzung lag Riemeck wohl durchaus richtig.

Rückblickend erscheint es schwer verständlich, dass intelligente, engagierte Menschen mit durchaus ehrenwerten Motiven sich ideologisch-intellektuell so verrennen konnten, dass sie allen Ernstes glaubten, mit Kaufhausbrandstiftungen und Banküberfällen, zuletzt mit politischen Morden eine grundlegende Änderung und Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse herbeiführen zu können. Die Vorstellung, in der Bundesrepublik der 1970er Jahre, in der sich durchaus Reformen abzeichneten, sozusagen die Oktoberrevolution wiederholen zu können, zeugte von einer gewissen politischen Naivität.

Fast zeitgleich mit dem sogenannten "Deutschen Herbst" bzw. etwas später gelang es Menschen aus ganz unterschiedlichen sozialen Millieus, von denen sich die wenigsten intensiv mit Atomphysik beschäftigt hatten, den Bau von Dutzenden geplanten Atomkraftwerken zu verhindern. Dadurch, dass sie sich als außerparlamentarische Opposition organisierten, möglichst wenige Fehler machten und sich bei ihrem Protest auf dem Boden des GGs bewegten. 1980 rückte eine Partei, die es so heute nicht mehr gibt, die Grünen, erstmals in ein Parlament ein. Mitglieder der Frankfurter Spontiszene brachten es zu Ministern. Dass beim langen Marsch durch die Institutionen viele von den ursprünglichen Idealen auf der Strecke blieben, war ein Schönheitsfehler. Grundsätzlich aber zeigte sich dabei, dass die Bürgerrechts- und Protestbewegung der 1960er Jahre, von der die RAF ein radikaler Teil war, Potenzial für eine Demokratisierung der Bundesrepublik hatte, dass es sich bei vielen Kritikpunkten um konstruktive Kritik handelte und die Verbesserungsvorschläge nicht nur die Universitäten und Studenten betrafen. Die Art und Weise wie Kritik geäußert wurde und teilweise mit politischen Gegnern umgegangen und diskutiert oder auch nicht diskutiert
wurde, mag polemisch, ja oft rüde und manches unausgegoren gewesen sein, insgesamt war die Rebellion der 1960er Jahre nicht nur berechtigt, sondern notwendig und überfällig. An der Radikalisierung und Polarisierung war auch das politische Establishment und die Presse, allen voran der Axel Springer Konzern nicht unbeteiligt. Gar zu selbstherrlich und herablassend waren immer wieder alle, die sich dem Konformitätsdruck entzogen und gegen Missstände protestierten

als "Revoluzzer", "Chaoten", "Gammler" und Schlimmeres diskreditiert und die Protestbewegung" als von "östlichen Quellen finanzierte Unruhestifter verunglimpft worden, die sich "an unseren Universitäten herumtreiben". Die RAF und die Radikalität ihrer Mitglieder ist ohne die bleierne Erstarrung und Restauration der Adenauerjahre und die paranoide Atmosphäre des Kalten Krieges kaum zu verstehen.

Rebellen waren die RAF-Terroristen der 1. und 2. Generation sicher, und man wird etwa einer Ulrike >Meinhof was immer man auch von ihr hält, ehrenwerte Motive und soziales Engagement nicht absprechen können. Die Banküberfälle geschahen nicht aus der Motivation persönlicher Bereicherung heraus. Einen bewaffneten Raubüberfall zu begehen, oder eine Brandstiftung beinhaltet aber immer die Gefahr, dass so etwas eskaliert, dass Menschen verletzt oder getötet werden, die nun wirklich keine Träger des "Schweinesystems" sind, die nur das Pech haben, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Terror und Gewalt sind keine, waren keine und werden niemals emanzipatorische Mittel sein, irgendwelche Veränderungen oder Reformen zu bewegen, und auch ehrenwerte Motive wie der Kampf gegen den Vietnamkrieg können niemals solche Mittel rechtfertigen, geschweige denn heiligen. Die Ereignisse, die schließlich 1977 im Deutschen Herbst eskalierten, haben die BRD erschüttert, sie aber zu keinem Zeitpunkt destabilisiert oder in ihrem Bestand gefährden können. Eine Kontroverse über seine NS-Verstrickung konnte Schleyers Ermordung nicht entfachen, stattdessen wurde Schleyer, den man durchaus zu Recht
wie seinen Kollegen Filbinger einen "furchtbaren Juristen" nennen könnte, zu einem Märtyrer, mit dessen Familie die Mehrheit der Deutschen Mitgefühl hatte. Das BKA, das um 1970 noch eine ganz bescheidene Behörde war, entwickelte sich zu einem Apparat, der wucherte wie ein Krebsgeschwür, und die Art und Weise, wie die "wehrhafte Demokratie" mögliche Sympathisanten ausspähte, war ziemlich fragwürdig. Letztlich hat die RAF fast nichts ausgerichtet, aber viel Schlimmes angerichtet. Eine Revolution lässt sich so nicht durchführen! Als Rebellen und in gewisser Weise tragische Figuren wird man die RAF-Terroristen schob bezeichnen können, zu einem Revolutionär gehört aber, meiner Meinung nach mehr, als Radikalität und ursprünglich ehrenhafte Motive.
 
Blech. Bei der Behandlung juristischer Fragen kann es nicht schaden, mal einen Blick in die Gesetze zu werfen. Und da finden wir:
"Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet."

Ich kann mich Tannhäuser nur anschließen. Was Mord und Totschlag in juristischer Wertung betrifft, herrschen bei vielen missverständliche Vorstellungen. Wenn ein Mensch in einem Streit oder einem Handgemenge ungewollt einen anderen Menschen totschlägt, ist das kein Totschlag, sondern eine Körperverletzung mit Todesfolge

Mord= Totschlag plus besonders niedere Beweggründe etwa aus Habgier, Rache, Befriedigung der Lust, oder wenn das Opfer im Moment der Tat arglos oder hilflos ist ( man erschießt das Opfer im Schlaf).
 
Der wesentliche Unterschied zwischen Mord und Totschlag ist der Vorsatz: Ist der Vorsatz nicht gegeben, kann es kein Mord sein.
Blech. Bei der Behandlung juristischer Fragen kann es nicht schaden, mal einen Blick in die Gesetze zu werfen. Und da finden wir:

"Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet."
Du weißt aber schon, dass das zitierte Gesetz aus der Nazizeit stammt, zum Teil aus der Feder des Staatssekretärs im NS-Reichsjustizministerium und späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler? Das Gesetz zielt auf die Gesinnung eines Menschen, nicht auf die Tat selbst, wie sonst bei anderen Gesetzen.

Seit 1941 hat sich nur der Strafmaß geändert: Statt Todesstrafe gibt es jetzt lebenslängliche Freiheitsstrafe.

Gleichwohl können die dort aufgeführten Gründe auf einen Begriff zurückgeführt werden: Vorsatz. Plant jemand aus Habgier, Heimtücke, etc. die Tötung eines Menschen, wird bei erfolgreicher Ausführung des Plans auf Mord erkannt, sonst nicht.

Heimtücke ist z.B. auch dann erfüllt, wenn eine Frau ihren sie und ihre Kinder jahrelang schlagenden und tyrannisierenden Mann im Schlaf erschlägt. Das ist dann Mord und bei Mord gibt es nur eine Strafe: Lebenslänglich. Das hat zwar mit Recht, aber sehr wenig mit Gerechtigkeit zu tun.
 
Dion,
dieses Thema hatte wir hier im Forum schon einmal diskutiert.
Ich finde es nicht mehr.
Hat jemand einen Tip wo es zu finden ist?
 
Du weißt aber schon, dass das zitierte Gesetz aus der Nazizeit stammt, zum Teil aus der Feder des Staatssekretärs im NS-Reichsjustizministerium und späteren Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler? Das Gesetz zielt auf die Gesinnung eines Menschen, nicht auf die Tat selbst, wie sonst bei anderen Gesetzen.
Solange dies die Gesetzeslage ist, hat man sich daran als Diskussionsgrundlage zu halten...
 
Solange dies die Gesetzeslage ist, hat man sich daran als Diskussionsgrundlage zu halten...
Schon. Ich wollte mit meinen Ausführungen u.a. auch darauf hinweisen, dass es andere, bessere Formulierungen gibt und gab. So lautete der § 211 StGB vor der Änderung durch die Nazis so:

„Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.“

Diese einfache und wie ich finde sehr treffende Formulierung galt fast 70 Jahre.
 
Das mag für den Laien so scheinen, der sich seine Interpretationen für Tatbestandsformulierungen selber bastelt, siehe oben diesen mehrfachen Unsinn zwischen Mord und Totschlag, und das völlig von der Rechtslage losgelöste Herumhantieren mit Plan, Vorsatz, Absicht, Überlegung etc.

Zur Substanz:

Die Vorschrift für Mord baut verbrechenssystematisch auf dem Grunddelikt des Totschlags auf. Nach § 211 Abs. 1 ist der „Mörder“ mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu sanktionieren. In Abs. 2 sind diejenigen subjektiven und objektiven Merkmale abschließend aufgezählt, die eine vorsätzliche Tötung (die auch zB beim Totschlag gegeben sein kann) zum Mord stempeln.

Diese Verwerflichkeitskonzeption, zusätzlich inzwischen durch die Rechtsprechung mit der Gefährlichkeitskonzeption ergänzt, ist in vielen rechtsstaatlichen Systemen international üblich.

Was Dion hier komplett durcheinander bringt, sieht systematisch so aus:

Die Differenzierung zwischen Mord und Totschlag entspricht langer deutscher Rechtstradition. Die Unterscheidungskriterien schwankten im Laufe der Zeit zwischen tat- sowie täterbezogenen Qualifikationsmerkmalen und dem psychologischen Kriterium der Überlegung.

Die psychologisch fundierte Abgrenzung der mit Vorbedacht handelnden „Mörder“ von den eher spontan und emotional agierenden sonstigen Tätern setzte sich in Deutschland endgültig im 19. Jahrhundert durch; sie beherrschte die Strafrechtsdogmatik bis in das Jahr 1941. Im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 sah § 211 RStGB für die vorsätzliche Tötung eines Menschen die Todesstrafe vor, wenn der Täter die Tat mit Überlegung begangen hatte. Demgegenüber wurde nach § 212 RStGB wegen Totschlags mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren sanktioniert, wer die Tötung nicht mit Überlegung ausgeführt hatte.

Die Klassifikation der Tötungsdelikte anhand des Überlegungsmerkmals wurde in der Strafrechtswissenschaft von Beginn an als kriminalpolitisch und strafrechtsdogmatisch verfehlt kritisiert.

Darüber hinaus bereitete das Kriterium der Rechtsprechung erhebliche Probleme. Während die Bestimmung des Zeitpunktes der Überlegung („Ob“ der Tat) mit der Fixierung auf die Ausführungsphase weitgehend unumstritten war, war die Festlegung des Gegenstandes der Reflexion schwierig. Im Einzelnen ging es darum, inwieweit und mit welchem Grad an Besonnenheit der Täter die zur Tat drängenden und ihn abhaltenden Beweggründe gegeneinander abwägen und zudem die zur Erfolgsherbeiführung erforderliche Tätigkeit vorbedenken müsse.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung erwies sich ... als konturenlos und neigte ... dazu, das Mordmerkmal der Überlegung auf ein „nicht-emotionales Handeln“ zu reduzieren. Ausgehend hiervon war es ein Leichtes, auch ein „unzweckmäßiges“ und „unvorsichtiges“ Vorgehen der Vorschrift des § 211 RStGB zu subsumieren, obschon derartige Verhaltensweisen tendenziell gegen ein mordtypisches reflektiertes Agieren sprechen.

Die kaum noch zu verhüllende Erosion des Überlegungsmerkmals in der Rechtsprechung des RG gab schließlich Veranlassung, auf dieses Kriterium zur Abgrenzung von Mord und Totschlag zu verzichten.

Der nationalsozialistische Gesetzgeber änderte § 211 RStGB durch Gesetz 1941 dahingehend, dass das Abschichtungskriterium der Überlegung durch eine vorwiegend an gesinnungsethischem Denken ausgerichtete Kasuistik der Mordmerkmale ersetzt wurde. Die Tatbestandsseite der neu gefassten Strafvorschrift hat bis heute Bestand. Die Bestimmung entsprach dem nationalsozialistischen Zeitgeist der Ethisierung des Strafrechts.

Allerdings wäre es verfehlt, den Tatbestand des § 211 in seiner aktuellen Fassung schlichtweg als Relikt nationalsozialistischen Rechtsdenkens zu stigmatisieren. Die Mordmerkmalskasuistik hat ältere, ideologisch und kriminalpolitisch unverdächtige Grundlagen. Sie lehnt sich an tradierte sozialethische Rechtsanschauungen an und geht im Wesentlichen auf Vorarbeiten von Carl Stooß für ein Schweizer Strafgesetzbuch zurück. Leitbilder für die Auswahl der den Mord klassifizierenden Kriterien waren die „Gemeinheit“ des vom Täter verfolgten Motivs oder Zwecks sowie die Gefährlichkeit der Begehungsweise. Interessant ist insoweit, dass selbst die gemeinhin den Nazis zugeschriebene Motivgeneralkausel des Abs. 2 im Schweizerischen Diskurs über die Ausgestaltung der Tötungsdelikte (unverdächtige) Vorläufer hatte.

Und diese Kombination aus Verwerflichkeits- und Gefährlichkeitskonzeption letztlich auf eine Grad- oder Levelbetrachtung für die Tat hinausläuft. Diese findet sich in fast allen Rechtssystemen in den Tatbeurteilungen wieder.

Wogegen die "Bevorzugung" der Plan- oder Überlegungskonzeption "in der Praxis" von Jahrzehnten gescheitert ist (wovon Dion offenbar nichts mitbekommen hat, ebenso wenig wie von der Entwicklung der Rechtsprechung, die selbstverständlich die "Gesinnungsethik" der Nazis nicht unter 211 irgendwie verdeckt fortführt. Das zeigt auch gerade die Fortentwicklung mittels Gefährdungskonzeption, was in den Feinheiten natürlich nicht aus Wiki und Co. hervorgeht).

Stattdessen zB (und auch Quelle für oben: ) Fachliteratur, zB Münchner Kommentar zum StGB.
 
Sehr interessant, danke für deinen Beitrag!

Wenn ich das richtig verstehe, entspricht das, was du mit "tat- sowie täterbezogenen Qualifikationsmerkmalen " der Verwerflichkeits- und der Gefährlichkeitskonzeption, oder?

Zudem war u.a. bei der bis 1941 gültigen Auffassung es schwierig zu definieren, was unter "Überlegungsaspekt" zu verstehen ist, was zu einer simplen Reduzierung auf "nicht-emotional" herauslief.

Habe ich das richtig verstanden?
 
Grundsätzlich ja, aber auch die alte, verworfene "Überlegungskonzeption" ist eine täterbezogene Betrachtungsweise.

Mit der Erosion durch die jahrzehntelange ältere Rechtsprechung ist gemeint, dass dieses "Ob der Tat" nach Plan und Überlegung zunehmend uminterpretiert wurde und sich bereits der Tat/Motiv-Betrachtung in dieser Abgrenzung schwerer und schwerster Tötungsdelikte bzw. Totschlag/Mord annäherte.

Die Gefährlichkeitskonzeption ist ein BGH-Trend, der wiederum als Interpretation unter den fortgeführten Gesetzeswortlaut der Verwerflichkeitskonzeption gezogen wurde. Strenggenommen also ein Gegensatz, sondern dynamische Fortentwicklung des Verständnisses.

Niemand käme auf die Idee, diesen aktuellen Interpretationen der höchsten deutschen Strafsenate NS-Wurzeln unterzujubeln. Die Strafrechtsreform in der NS-Zeit 1941 lässt sich außerdem problemlos in Wortlaut und eigentlicher Zielsetzung des Regimes trennen: der (sachlich verständlichen, siehe Schweiz) Wortlaut bekommt den Farbanstrich der Rechtstaatlichkeit, den Inhalt verbiegt man in Volksgerichtshof und Co. zu Regimezwecken. Die NS-Wurzel wird daher für polemische oder politisch-populistische Schagabtausche über eine Strafrechtsreform benutzt, nicht aber in der Fachdiskussion (siehe Münchner Großkommentar, der das sachlich abhandelt).

Absurd wird es, wenn ein Hobbyjurist alles durcheinander schmeißt. Oder mit Tannhäuser: Blech.
 
Mit der Erosion durch die jahrzehntelange ältere Rechtsprechung ist gemeint, dass dieses "Ob der Tat" nach Plan und Überlegung zunehmend uminterpretiert wurde und sich bereits der Tat/Motiv-Betrachtung in dieser Abgrenzung schwerer und schwerster Tötungsdelikte bzw. Totschlag/Mord annäherte.

Also das verstehe ich nicht ganz. Heißt das, dass die heutige Auffassung sich damals durch die Rechtssprechung eingeschlichen hat? Also nicht "verwässert" wie ich dachte? Wenn ja, wie passt das dann zu deiner Ausführung hinsichtlich der emotionalen Komponente? Ich finde da widersprichst du dich.
 
Es gibt zwei Rechtsprechungsentwicklungen.

1. nach 1871 Verwässerung der Überlegungskonzeption, bzw. "Erosion" dieses als zunehmend unbrauchbar angesehenen Tatbestandsbegriffs - Reichsgericht

2. nach 1949 Fortentwicklung der Verwerflichkeitskonzeption und "Einbau" einer bzw. Fortentwicklung zu einer "Gefährdungskonzeption" - Bundesgerichtshof

jetzt klarer?
 
Die NS-Wurzel wird daher für polemische oder politisch-populistische Schagabtausche über eine Strafrechtsreform benutzt, nicht aber in der Fachdiskussion (siehe Münchner Großkommentar, der das sachlich abhandelt).

Absurd wird es, wenn ein Hobbyjurist alles durcheinander schmeißt. Oder mit Tannhäuser: Blech.
Dann redet seit Jahren Heribert Prantl, ein ehemaliger Richter und Staatsanwalt, auch Blech: http://www.sueddeutsche.de/politik/strafrechtsreform-tod-des-mordparagrafen-1.1969287
- Zitat: „Der Mordparagraf ist reformbedürftig. Das steht seit Jahrzehnten in allen Kommentaren und Lehrbüchern zum Strafgesetzbuch. Passiert ist nichts.
(…)
Das geltende Recht stammt aus dem Jahr 1941, es ist also Nazistrafrecht, es wurde seitdem nur die Strafdrohung verändert - statt Todesstrafe jetzt lebenslängliche Haft. Der Mordparagraf ist einer, der in seiner Formulierung vollständig aus dem Strafgesetzbuch herausfällt: Es wird nämlich nicht eine Tat, sondern ein Tätertypus beschrieben. Es findet sich im einschlägigen Paragrafen 211, so sagt das Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), "die beklemmende Beschreibung eines Mörders, wie ihn sich die Nazis vorgestellt haben".
Der Bundesrichter Thomas Fischer hat formuliert, der Paragraf habe eine "braune Schleimspur". Dort finden sich nämlich Vokabeln wie "heimtückisch" oder "niedrige Beweggründe". Und es heißt apodiktisch: Der so beschriebene Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft; im Gesetz gibt es da keine mildernden Umstände, es gibt da nur diese eine Strafe als einzig mögliche Strafe: "Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft."
 
Es gibt zwei Rechtsprechungsentwicklungen.

1. nach 1871 Verwässerung der Überlegungskonzeption, bzw. "Erosion" dieses als zunehmend unbrauchbar angesehenen Tatbestandsbegriffs - Reichsgericht

2. nach 1949 Fortentwicklung der Verwerflichkeitskonzeption und "Einbau" einer bzw. Fortentwicklung zu einer "Gefährdungskonzeption" - Bundesgerichtshof

jetzt klarer?

Danke. Ja, das macht es nochmal deutlich. Ich hatte deinen letzten Beitrag so verstanden, als ob die Verwässerung nicht hinsichtlich der "Emotionalität" geschehen ist, sondern "automatisch" in Richtung Punkt 2.
 
Genau, eine formfreie politisch-polemische Kontroverse.
Es wird Prantl freuen, das zu lesen.

Ich beende hiermit meinerseits diese Diskussion, weil in ihr mit Beleidigungen (Hobbyjurist, der Blech redet) operiert wird. Ich habe es nicht nötig, mich mit "Argumenten" ad personam herumzuschlagen.
 
...Die NS-Wurzel wird daher für polemische oder politisch-populistische Schagabtausche über eine Strafrechtsreform benutzt, nicht aber in der Fachdiskussion (siehe Münchner Großkommentar, der das sachlich abhandelt).

...: Blech.
Es sei bemerkt, dass die Diskussion um die spezielle deutsche Mord-Definition im Zusammenhang mit dem Thema OT ist.
(Was das "Blech" angeht mochte ich auf Thomas Fischer verweisen: Mord-Paragraf: Völkisches Recht )
 
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