Deutsche Weltmachtpolitik 19. - 20. Jahrhundert

blackbash

Neues Mitglied
Guten Tag alle zusammen,
ich habe als Referatsthema die "Deutsche Weltmachtpolitik 19. -20 Jahrhundert".

Soweit mir bekannt ist, ist doch vor der Übernahme von Wilhelm II von einer "Weltmacht Deutschland" wohl eher kaum die Rede.

Ich denke da erst mal an Wilhelm II + 1. Weltkrieg + 2. Weltkrieg.

Aber wie seht ihr das? Oder liege ich in meiner Annahme falsch?
Es wäre nämlich sehr tragisch, wenn ich wichtige Punkte weglassen würde.

Und mal eine ganz allgemeine Frage: Was ist überhaupt Weltmachtpolitik?
Und inwiefern ist Sie auf Deutschland im 19.-20. Jahrhundert zu beziehen?


Ich hoffe Ihr könnt mir da weiterhelfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wilhelm II. hat aber nicht gleich zum Zeitpunkt seiner Thronbesteigung im Jahre 1888 mit der sogenannten Weltpolitik begonnen. Dafür hatte er zu jenen Zeitpunkt sicher den falschen Reichskanzler.

Ich würde das Jahr 1897 als Zäsur betrachten. 1897 wurde Bülow Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und Tipritz Staatssekretär des Reichsmarineamtes. Tirpitz hatte die Aufgabe eine Schlachtflotte aufzubauen, damit wurde die maritime Weltmacht Großbritannien herausgefordert, und Bülow sollte mit einer entsprechenden auswärtigen Politik die Zeitspanne des Aufbaus nach außen abdecken.
 
..."Deutsche Weltmachtpolitik 19. -20 Jahrhundert" ... Und mal eine ganz allgemeine Frage: Was ist überhaupt Weltmachtpolitik? Und inwiefern ist Sie auf Deutschland im 19.-20. Jahrhundert zu beziehen...

Lies doch zuerst einmal den Wiki-Artikel über "Imperialismus" [Weltmachtstreben] und dort besonders den Abschnitt "Deutsches Reich".
Du wirst feststellen, dass man zwischen dem Weltmachtstreben als Gedankenkonstrukt und dessen Umsetzung zeitlich unterscheiden muss.
Spätestens mit der Schaffung deutscher Schutzgebiete Mitte der 80er Jahre des 19. Jh., als o durchaus bereits in der Bismarck-Ära, beginnt die Realisierung deutscher weltpolitischer Ambitionen. Imperialistisches Denken ist m. E. nicht eindeutig von seinem ideengeschichtlichen Vorläufer, dem Kolonialismus zu trennen.
Dies zeigt sich z,B. sehr deutlich im Denken eines exponierten Vertreters des deutschen Imperialismus, Carl Peters.
Manche sprechen auch von einem "Frühimperialimus".
 
Mal so eine ganz simple Frage:
Sollte ich für das Referat auch den 2. WK und die Weimarer Republik einbeziehen, oder gehört das nicht zur sogenannten "Weltmachtpolitik"?
 
blackbash schrieb:
Guten Tag alle zusammen,
ich habe als Referatsthema die "Deutsche Weltmachtpolitik 19. -20 Jahrhundert".

blackbash schrieb:
Mal so eine ganz simple Frage:
Sollte ich für das Referat auch den 2. WK und die Weimarer Republik einbeziehen, oder gehört das nicht zur sogenannten "Weltmachtpolitik"?
Der 2. Weltkrieg fand im 20. Jahrhundert statt und die Nationalsozialisten betrieben auf jedem Falle Weltmachtspolitik.

Die Weimarer Republik kann man m. E. hinsichtlich Weltmachtpolitik vernachlässigen. Militärisch war die WR ein Leichtgewicht, weltwirtschaftlich auch nicht so bedeutend. Politisch spielte man im Konzert der Großmächte auch nur eine bescheidene Nebenrolle. Der Vollständigkeit halber könnte man die WR erwähnen und eine Weltmachtpolitik für diesen Zeitraum verneinen.
 
KlausP schrieb:
Spätestens mit der Schaffung deutscher Schutzgebiete Mitte der 80er Jahre des 19. Jh., als o durchaus bereits in der Bismarck-Ära, beginnt die Realisierung deutscher weltpolitischer Ambitionen. Imperialistisches Denken ist m. E. nicht eindeutig von seinem ideengeschichtlichen Vorläufer, dem Kolonialismus zu trennen.
Dies zeigt sich z,B. sehr deutlich im Denken eines exponierten Vertreters des deutschen Imperialismus

Welche weltpolitischen Ambitionen sollen den das gewesen sein?

Die deutsche Kolonialpolitik hatte Bismarck aus Gründen des Machterhalts in die Wege geleitet. Ab 1883 sand das Deutsche Reich in Erwartung des Wechsels auf dem Thron. Wilhelm I. war alt und immer häufer krank. Sein Ableben wurde bald erwartet.

Auf dem Thron würde der Kronprinz folgen, mit dem Bismarck nun gar nicht konnte. Der Kronprinz hatte nun ganz und gar andere außen- sowie innenpolitische Vorstellungen als Bismarck. Friedrich Wilhelms liberale Vorstellungen, die beabsichtigte Anlehnung an Großbritannien, als dies behagte Bismarck gar nicht und würde mit ihm auch nicht zu machen sein.

Hierzu empfehle ich das monumentale Werk von Riehl, Der Tanz um den Äquator.

Die Wahrscheinlichkeit, das Bismarck sein Amt verlieren würde, war hoch. Mit Beginn der Kolonialpolitik wurde das Verhältnis zu Großbritannien getrübt; was so von Bismarck gewollt war. Darüber hinaus wurde auch noch Frankreich unterstützt, welches auf diese Weise von Elsaß-Lothringen abgelenkt wurde. Als Bismarck mit dem Kronprinzen ein Agreement getroffen hatte, wurde die Kolonialpolitik Knall auf Fall wieder eingestellt. Mit weltpolitischen Ambitionen hatte dies aber nichts zu tun.

Carl Peters verfügte nun nicht so über einen Einfluß, das dieser nun maßgeblich an der Formulierung der kaiserlichen Außenpolitik nehmen konnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Welche weltpolitischen Ambitionen sollen den das gewesen sein?

Ich würde das auch eher unter weltpolitische Träumereien einordnen, die sich im Wesentichen auf Afrika in bestimmten Kreisen konzentrierten. Die pazifischen Inselchen waren für ein paar Naturwissenschaftler und kleinere Unternehmen interessant, in Fernost suchte man nach einem überhaupt brauchbaren Stützpunkt.

In London hatte man das schon richtig erkannt: dem Deutschen Reich würden für die Expansion in Afrika brauchbare größere Häfen fehlen. Allein die Ambitionen in Südafrika/Burenrepubliken wurden wegen der potenziellen Bedrohung von Kapstadt sehr misstrauisch beobachtet. Dort gab es dann auch die eigentlich brisante Reiberei in Kolonialfragen.
 
Ich würde das auch eher unter weltpolitische Träumereien einordnen, die sich im Wesentichen auf Afrika in bestimmten Kreisen konzentrierten. Die pazifischen Inselchen waren für ein paar Naturwissenschaftler und kleinere Unternehmen interessant, in Fernost suchte man nach einem überhaupt brauchbaren Stützpunkt.

In London hatte man das schon richtig erkannt: dem Deutschen Reich würden für die Expansion in Afrika brauchbare größere Häfen fehlen. Allein die Ambitionen in Südafrika/Burenrepubliken wurden wegen der potenziellen Bedrohung von Kapstadt sehr misstrauisch beobachtet. Dort gab es dann auch die eigentlich brisante Reiberei in Kolonialfragen.


Die afrikanischen "Spinnereien" kamen dann besonders deutlich bei der Vanbanquepolitik eines Kiderlen-Wächter im Zuge der Marokkokrise Nr.2 zum Ausdruck.
 
Nun kommt meine Antwort etws spät. Aber schon das Thema ist merkwürdig. Ganz allgemein finde ich diese Überblicksthemen bedenklich. Sie scheinen so einfach zu sein, verlangen aber ein fundiertes Wissen. Wenn das Thema tatsächlich so gelautet hat, muss der Lehrer wohl wenig Zeit zur Klausurvorbereitung gehabt haben.

Einmal stört mich der undifferenzierte Begriff Weltmachtpolitik. Unter Wilhelm II. kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Begriff "Weltpolitik" auf. Im Auswärtigen Amt verstand man darunter, dass Deutschland als Großmacht auch außerhalb Europas ernst genommen werden wollte. Der Staatssekretär im AA,von Bülow, meinte 1897 im Reichstag, man wolle auch "seinen Platz an der Sonne". Im Bürgertum war diese Politik populär. Die deutsche Außenpolitik zwischen 1897 und 1911 hingegen wirkte auf die anderen europäischen Großmächte bedrohlich und inkonsequent. In den beiden Krisen um Marokko 1905 und 1911 trat das Kaiserreich wie ein Störenfried auf und wirkte kriegerischer als es war.

Nach 1911 erkannte man in Berlin, dass Deutschland sich wieder auf seine Machtstellung auf dem Kontinent besinnen sollte, denn die "Weltpolitik " hatte dazu geführt, dass Frankreich, England und Russland das Kaiserreich als Gefahr betrachteten und ihre Zusammenarbeit intensivierten. Die Deutschen sprachen von "Einkreisung".

Mit einem Krieg gegen Frankreich und Russland rechnete man im AA seit 1894. Sich England dann noch durch den Bau einer Schlachtflotte zum Gegner zu machen, war ein politischer Fehler.

Zwischen 1912 und 1914 gab es wieder eine vorsichtige Annäherung zwischen Berlin und London. In kolonialpolitischen Fragen konnte man sich einigen, aber eine Verständigung über die Begrenzung des Flottenbaus in beiden Ländern scheiterte. Im Juli 1914 war es mit der Mäßigung in Berlin vorbei. Man unterstützte Österreich-Ungarn und glaubte, die schwierige Situation zu nutzen, um Russland einen "Dämpfer" zu verpassen. Der Reichskanzler nahm einen Krieg zumindest biligend in Kauf. Aber um Weltmacht ging es ihm nicht.

Von Weltmachtpolitik kann man bei Adolf Hitler sprechen, Er strebte zuerst die Hegemonie in Europa an. Angeblich sollte dann der Krieg gegen die USA geführt werden.

Und sind "Weltpolitik" und Hitlers Eroberungspolitik überhaupt vergleichbar? Im wilhelminischen Deutschland verfolgte man eine traditionelle Machtpolitik. Es ging darum, seine Machtposition auszuweiten und in Übersee größeren wirtschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Im Ersten Weltkrieg verloren dann einige Herrn am kaiserlichen Hof den Verstand und zwangen 1918 dem besigten Rusland einen harten Frieden auf. Im Westen wollte man Belgien. die Erzgebiete Lothringens und Teile der französischen Kanalküste annektieren.

Hitler hingegen verfolgte, um Charles Bloch zu zitieren, einen "archaischen Imperialismus". Für ihn galt nur die Alternative oder Untergang.

Mein Fazit: Es gab in Deutschland zwischen 1890 und 1918 und zwischen 1933 und 1945 politische Kräfte, die auf Expansion setzten. Rechts von der Regierung der Alldeutsche Verband (zwischen 1890 und 1918). Ihm war die Politik des Kaisers zu gemäßigt. Großen Einfluss besaß diese Organisation aber nicht. Die moderate und rationalere Seite des wilhelminischen Imperialismus trat seit 1912 für eine "Weltpolitik ohne Krieg" ein. Sie setzte auf die wirtschaftliche Leistungskraft der Exportnation Deutschland und wollte die "Weltmärkte erobern".

In der Weimarer Republik (1918 bis 1933) traten alle Parteien für eine Revision des Versailler Vertrages ein. Die Deutsch-Nationale Volkspartei oder rechtsradikale Gruppierungen verfolgten größere Ziele. Und irgendein staatenloser Regionalpolitiker soll um 1928 herum davon gesprochen haben, dass Deutschland "Lebensraum im Osten brauche." Aber der besaß meines Wissens zu diesem Zeitpunkt keinen Pass eines deutschen Bundesstaates und er wollte ja auch "nur" Russland. Das ist ja nicht die ganze Welt.

Sorry, aber über diesen Verbrecher kann ich manchmal nur sarkastisch schreiben.
 
Mit einem Krieg gegen Frankreich und Russland rechnete man im AA seit 1894. Sich England dann noch durch den Bau einer Schlachtflotte zum Gegner zu machen, war ein politischer Fehler.

An dieser Stelle würde ich einmal ketzerisch querschießen wollen und behaupten, dass die Flottenpolitik kein strategischer Fehler per se gewesen ist.
Wie ich das sehe, ist der Fehler der wilhelminischen Machtpolitik gewesen (und da bitte ich jetzt zu beachten, dass ds eine rein strategische Betrachtung ist, zu der ich vom moralischen Standpunkt durachaus auch eine andere Meinung habe), dass ihr Vorgehen gemessen an den Rahmenbedingungen nicht agressiv genug war um funktionieren zu können.

Die Möglichkeit machtpolitisch Deutschland Weltgeltung zu verschaffen und aus der europäischen Isolation heraus zu holen, währe einiger Wahrscheinlichkeit nach 1905 gegeben gewesen, wenn man sich zum damaligen Zeitpunk dazu durchgerungen hätte in einer gemeinsamen Aktion im Verein mit Österreich-Ungarn über das krisengeschüttelte Zarenreich herzufallen und selbiges zu zerlegen. Die Chancen dafür standen im unmittelbaren Kontext von Russlands Niederlage gegen Japan und der Revolution von 1905 recht günstig, hier hätten, selbst im Falle französischer Waffenhilfe für Russland die Zentralmächte ein deutliches Kräfteübergewicht besessen, wenn man hier noch berücksichtigt, dass für Frankreich das Terrain für Offensivoperationen extrem schwierig und damit effektive Hilfe von dieser Seite her kaum möglich war.
Hätte man den Russen ein Brest-Litwosk bereits zu diesem Zeitpunkt bescheren können, hätte Frankreich ohne potenten Verbündeten auf dem europäischen Kontinent dargestanden und in weiteren kolonialpolitischen Auseinandersetzungen tendenziell klein beigeben müssen, da es sich in diesem Fall keine weiteren Kriege hätte leisten können, die Briten hätten dann auch überlegen müssen, was sie weiterhin tun.

Die Konsequenz, die man dafür in Kauf hätte nehmen müssen, wäre ein Krieg gewesen, die Beendigung des "polnischen Teilungskonsens" und damit auch die Schwächung des "monarchischen Prinzips" innerhalb Europas.

Die Vorstellung, dass Weltpolitik von Beginn an nicht umsetzbar war, halte ich für verkehrt. Sie war nicht umsetzbar, wenn als grundsätzliche Prämissen die Erhaltung des europäischen Friedens, der "polnische Teiliungskonsens" und der legitimistische Charakter der osteuropäischen Raumaufteilung aufrechterhalten werden sollten.

Vom technischen Standpunkt her, würde sich sagen, war die Illusion der Weltpolitik nicht, dass man sich gegen alle Wahrscheinlichkeit einbildete, dass sie machbar gewesen wäre, sondern dass man sich einbildete, dass sie nichts kosten würde und eine Veränderung der Kräfteverteilung in außereuropäischen Fragen vorgenommen werden könne, bei gleichzeitiger Beibehaltung der innereuropäischen Verhältnisse.
Wenn man das die Machtverteilung innerhalb der gesammtel Welt revolutionieren wollte, musste man auch bereit sein das in Europa vorzunehmen, mit allen damit verbundenen sozialen Konsequenzen.

Die eigentliche Absurdität der wilhelminischen Außenpolitik (jedenfalls empfinde ich das so), dürfte darin zu suchen sein, dass die damals handelnden Persönlichkeiten nicht wahrhaben wollten, dass sie sich zwischen den Modellen der "legitimistischen Solidarität" und der "imperialen Konkurrenz" entscheiden mussten, wozu sie nicht fähig waren.
Die wilhelminische Außenpolitik war zu agressiv um konsenzfähig zu sein, gleichzeitig aber nicht agressiv genug um sich unter dem Paradigma der imperialen Konkurrenz durchzusetzen, als sich die Gelegenheit bot, unter Inkaufnahme eines Krieges wäre sie in den frühen 1900ern sehr wahrscheinlich erfolgversprechend gewesen.

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Ich denke, auch in diesem Zusammenhang, wird man sie von dem, was Hitler später tat deutlich unterscheiden können, denn dem war ja jegliche Rücksichtnahme auf konservativ-legitimistische Zusammenhänge vollkommen fremd.

Ob man von Weltmachtpolitik in wilhelminischer Zeit sprechen kann, kann man, würde ich meinen auch noch einmal differenziert betrachten. Die Annexionistische Politik im Verlauf des Weltkriegs in Verbingung mit der Vorstellung der "Zurückdrängung des Slawentums", den Phantasien von Deutsch-Mittelafrika, wie auch denen eines deutsch dominierten mitteleuropäischen Blocks, aus dem die Entente-Mächte herauszudrängen wären, halte ich mit dem, was Hitler mit Polen und der Sowjetunion zu tun beabsichtigte, für durchaus vergleichbar. In beiden Fällen ging es um die Schaffung einer entsprechenden Machtbasis im europäischen Zentrum um den "Rücken" frei zu haben und weiter agieren zu können.
Richtig ist, dass die Sache in Hitler Programmatik, im Besonderen mit Hinblicka auf Auseinanderstzungen mit den Vereinigten Staaten etwas weiter gedacht und weniger diffus war, als in der Endphase des Kaiserreiches.

Dem Modell einer eurozentrischen Orientierung der deutschen Politik nach 1911, möchte ich demgegenüber widersprechen und zwar mit Verweis auf das weitere Vorantreiben der Baghdad-Bahn. Was Machtpotentiale angeht, halte ich diese für das vielversprechendste und ambitionierte Projekt der wilhelminischen Ära, einfach weil sie bei Ferfigstellung das deutsche Aktionsfeld in den nahen Osten hinein deutlich erweitert hätte, im Besonderen auch in Richtung Persien.
Das hätte trotz maritimer Unterlegenheit von den Entente-Mächten nicht abgeschnitten werden können, einzige Bedingung dafür war die Kooperation Östereich-Ungarns und des Osmanischen Reiches und die konnte so lange beide mit Russlans über Kreuz lagen, durchaus als gegeben angesehen werden.

Wäre das Ding fertig gestellt worden, hätte das Deutschland eine aktive Politik bis in den persischen Golf und nach Persien selbst hinein ermöglicht und das wiederrum hätte den Briten im Hinblick auf die Bedeutung Persiens, im Hinblick auf die Sicherheit Indiens zu denken geben müssen, im Besonderen hätte man da von deutscher Seite weitere Ausbauprojekte forciert.

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Schlussendlich möchte ich für den ersten Teil noch einmal klar gestellt haben, dass ich keinesfalls vom moralischen Standpunkt her ein agressiveres Handeln gutheißen würde, das Gegenteil ist der Fall.
Nur ist, meine ich das strategische Paradigma angebracht, wenn es um politische und militärische Möglichkeiten und damit auch Erfolgschancen geht und das fällt mir bei der Betrachtung der wilhelminischen Politik etwas unter den Tich.
 
Ob man von Weltmachtpolitik in wilhelminischer Zeit sprechen kann, kann man, würde ich meinen auch noch einmal differenziert betrachten.

Zwei Aspekte fallen bei der Betrachtung der Außenpolitik des DR bzw. von KW II. schnell unter den Tisch und haben aber den Anspruch auf Weltmachtpolitik unterstrichen. Zum einen ist es der Konflikt, der im Jahr 1898 zwischen der USA und dem DR vor Manila stattfand. In dieser Situation hätte durch gegenseitige maritime Provokationen ein Krieg ausbrechen können. Auch, weil das DR ein starkes Interesse an den Philippinen hatte, nicht zuletzt, um einen veritablen Stützpunkt für seine Marine zu erhalten (vgl. Dülffer et al.: Vermiedene Kriege, S. 513-526) Dieses ist auch vor dem Hintergrund der Besetzung von Kiautschous (1897/98) zu sehen.

Zu einem gravierenden Konflikt kam es jedoch vor Venezela (1902/03) als die USA massiv ihre Flotte mobilisiert hatte und diese nach Venezuela schickte, um ihren "Anspruch" im Rahmen der Monroe-Doktrin gegen die Interessen des DR und auch teilweise gegen GB durchzusetzen (vgl. von Hase, Herwig und Mitchel). Von Seiten der USA wäre man entschlossen gewesen, einen Seekrieg zu führen.

Das Konzept der "Weltmachtpolitik" war vorhanden und galt als imperialer globaler Anspruch, allerdings war er eher "erratisch" und die anderen Mächte irritierte nicht, dass es diese Form eines Anspruchs gab, sondern die teilweise unklare Zielformulierung und nicht zuletzt wurde das DR aus diesem Grund als schwer einschätzbar angesehen.

Die entsprechenden Planspiele im DR für einen Krieg gegen die USA sind im Forum diskutiert worden und auch auf die langfristigen Wirkungen ist hingewiesen worden. Die relativ frühzeitige Verschlechterung des Verhältnisses der USA gegenüber dem DR.

https://www.geschichtsforum.de/thema/kriegseintritt-der-usa-im-1-weltkrieg.52855/

Fiebig von Hase, Ragnhild (1997): Großmachtkonfikte in der Westlichen Hemnisphäre: Das Beispiel der Venezuela-Krise vom Winter 1902/03. In: Jost Dülffer, Martin Kröger und Rolf-Harald Wippich (Hg.): Vermiedene Kriege. Deeskalation von Konflikten der Grossmächte zwischen Krimkrieg und Erstem Weltkrieg (1865-1914). München: R. Oldenbourg, S. 527–556.
Herwig, Holger H. (1976): Politics of frustration. The United States in German naval planning, 1889-1941. Boston: Little Brown.
Herwig, Holger H. (1986): Germany's vision of empire in Venezuela, 1871-1914. Princeton, N.J: Princeton University Press
Mitchell, Nancy (1999): The danger of dreams. German and American imperialism in Latin America. Chapel Hill: Univ. of North Carolina Press.
 
Zuletzt bearbeitet:
Shinigami: Der Flottenbau war in meinen Augen ein politischer Fehler. Mit moralischen Kategorien möchte ich diese Politik nicht bewerten.

Dass Problem an der "Weltpolitik" war, dass Deutschland ja schon über großen Einfluss verfügte. Ein englischer Minister hätte "Weltpolitik" nicht angekündigt, sondern sie betrieben.

Meiner Meinung nach überschätzte die deutsche Politik ihren Handlungsspielraum: Man war doch "wer". Musste man dann noch wie Protz und Neureich auftreten? Allerdings gab es in der deutschen Gesellschaft auch Strömungen, die für eine "Weltpolitik" plädierten. Meinte nicht der Soziologe Max Weber (eigentlich habilitierter Jurist) 1894, das Reich dürfte sich mit dem Erreichten nicht zufrieden geben? Man müsste expandieren oder die Reichsgründung hätte ihren Sinn verloren. Ob Weber damit eine "Weltpolitik" Marke Bülow meinte, kann ich nicht beurteilen.

Bismarck soll 1871 bemerkt haben, das Kaiserreich sei in außenpolitischer Hinsicht "saturiert". Seine Nachfolger waren da weniger vorsichtig. Allerdings wäre die immer stärker werdende Industriemacht Deutschland irgendwann mit England in Konflikt geraten - was sich aber friedlich hätte lösen lassen. Mit dem Bau der Flotte lieferte das Reich den Kräften in England einen Grund, die schon aufgrund der Überdehnung des Empires sich mit den Franzosen und Russen verständigen wollten.
 
Shinigami:

Meiner Meinung nach überschätzte die deutsche Politik ihren Handlungsspielraum: Man war doch "wer". Musste man dann noch wie Protz und Neureich auftreten? Allerdings gab es in der deutschen Gesellschaft auch Strömungen, die für eine "Weltpolitik" plädierten. Meinte nicht der Soziologe Max Weber (eigentlich habilitierter Jurist) 1894, das Reich dürfte sich mit dem Erreichten nicht zufrieden geben? Man müsste expandieren oder die Reichsgründung hätte ihren Sinn verloren. Ob Weber damit eine "Weltpolitik" Marke Bülow meinte, kann ich nicht beurteilen.

Natürlich war die Politik, die man im Kaiserreich für letztendlich ein Desaster, das wird man angesichts des Ergebnisses nicht anders konstatieren können, aber wie gesagt, meiner Meinung nach musste es so nicht kommen.

Ich würde meinen, es gab zwei Möglichkeiten an die Sache heran zu gehen:

1. Akzeptieren, dass man saturiert ist und versuchen auf dem Weg der Kooperation irgendwie weiter zu kommen. Das wäre der moralisch wünschenserte Gang der Dinge gewesen.

2. Es nicht akzeptieren und Konfrontation in Kauf nehmen, aber wenn man diesen Weg hätte gehen wollen, hätte man ihn zu einem Zeitpunkt gehen müssen, in dem man so etwas wie militärische Überlegenheit besaß, die man in politisches und ökonomisches Kapital umschlagen konnte, was 1905 sicher noch möglich gewesen wäre, 1914 aber definitiv nicht mehr.


Bismarck soll 1871 bemerkt haben, das Kaiserreich sei in außenpolitischer Hinsicht "saturiert". Seine Nachfolger waren da weniger vorsichtig.
Ich hatte es in einem anderen Threat schon einmal angesprochen. Ich halte es für Falsch Bismarck in dieser Sache zum Vorbild zu stilisieren. Die zweite Hälfte seiner Amtszeit, war sicherlich auf Vorsicht bedacht (trotzdem ging sie mehr oder minder in einem diplomatischen Scherbenhaufen zu Ende), die erste Hälfte seiner Amtszeit, war allerdings von einer Politik ziemlich unkalkulierten Risikos geprägt.

Hätte im Krieg von 1866/1867 Frankreich nicht die Füße still gehalten und sich auf seiten Österreichs beteiligt um sich als Lohn dafür die Rheingrenze zu holen - ein Szenario, dass in keinem Moment wirklich auszuschließen war -, würden wir heute über Bismarck als den Totengräber Preußens reden und einen wahnwitzigen Risiko-Politiker, der einem Bülow oder Bethmann-Holweg in nichts nachgestanden hätte.
Auch war seine Politik als Initialzündung für die europäische Blockbildung, nicht ganz unschuldig an dem Dilemma, in dem sich die wilhelminische Außenpolitik dann später wiederfand.
Wenn man mit Bismarck in diese Richtung argumentiert, sollte man hinterfragen, ob es seinen Nachfolgern möglich war im selben Modus weiter zu arbeiten.
Meiner Meinung nach nicht. Meiner Meinung nach hat Bismarck, etwa im Rahmen der Kongo-Konferenz durchaus ebenfalls weltpolitisch agiert, nur eben in dem Sinne, dass er versucht hat durch Nachgiebigkeit in Übersee Gewaltpotentiale aus Europa abzuleiten.
Aber auch das konnte nur so lange funktionieren, wie es in der Welt noch etwas zu verteilen gab. Heißt Bismarck hat den Mechanismus, mit dem er Revanchismus und Gewaltpotentiale aus Europa heraus hielt mit seinem Politikstil auch schön verschlissen, denn ein zweites mal, konnte man Afrika eben nicht aufteilen.

Allerdings wäre die immer stärker werdende Industriemacht Deutschland irgendwann mit England in Konflikt geraten - was sich aber friedlich hätte lösen lassen.

Mittelfristig, hätte Deutschland für Großbritannien mit einiger Wahrscheinlichkeit eine eher nachgeordnete Rolle als Gegner gespielt. Das Deutschland das Flottenpotential Großbritanniens niemals auch nur annähernd erreichen konnte, war schon deswegen klar, weil Deutschland wegen der Problematik Frankreich-Russland im Gegensatz zu Großbritannien eben auch ein großes Landheer unterhalten musste.
Kommt hinzu, dass die Briten in ihren Kolonien über diverse Rohstoffe verfügte, die Deutschland nicht hatte. Was hatte denn das Kaiserreich außer reichlich Steinkohle und einigen Erzvorkommen in Lothringen an Schlüsselrohstoffen für die Industrien so aufzubieten?
Eigentlich nichts. Kein Öl, kein Kautschuk, auch diverse andere Chemikalien nicht, alles Dinge auf die Großbritannien mittels seiner Kolonien und der Kotrolle der Seewege die Hand hatte, so dass es zwischen den beiden Wirtschaften durchaus auch einige Abhängigkeitsverhältnisse gab.

Die drei Player, die GB aus der Perspektive der 1910er Jahre heraus potentiell in Zukunft am meisten Ärger machen konnten, waren Russland, Japan und die USA.

Russland war mindestens potentiell in der Lage eine veritable militärische Bedrohung für Britisch-Indien darzustellen. Nun hatten sich die Briten mit St. Petersburg arrangiert, aber wie tragfähig war das am Ende und wie lange hätte das letztlich überdauert?

Japan besaß bis 1910 keine größeren Flächenkolnien in Ostasien, zudem hatte der Krieg von 1904/1905 gezeigt, dass die russischen Eisenbahnkapazitäten in den fernen Osten nicht hinreichend waren um Japan dort erfolgreich bekämpfen zu können. Bedeutet, weder Japan, noch die Vereinigten Staaten mussten sich zu diesem Zeitpunkt für die eigene Sicherheit ein wirklich großes Landheer leisten, wie das bei Deutschland der Fall war.
Potentiell (und das zeigte sich dann ja auch sukzessive bis zum 2. Weltkrieg), waren deren maritime Potentiale weit größer, als es die Deutschen jemals hätten sein können.
Insofern musste auch klar sein, dass populäre ideologische Figuren, wie der "two-power-standart", mittelfristig keinen Bestand haben konnten und da kam die größte potentielle Bedrohung durchaus nicht aus deutscher Richtung, da Deutschland mit seiner relativ kurzen Küstenlinie und seinen vergleichsweise kleinen Werftkapazitäten, wie der Notwendigkeit des Landheeres, da zwangsweise limitiert war.

Wirtschaftlich war Großbritannen von Deutschland zwar überholt worden, nur angesichts der noch rasanteren Entwicklung der USA hätte auch eine Aussschaltung Deutschlands den Briten ihre industrielle und wirtschaftliche Überlegenheit nicht zurück gebracht, die Zeiten waren einfach vorbei.

Mit dem Bau der Flotte lieferte das Reich den Kräften in England einen Grund, die schon aufgrund der Überdehnung des Empires sich mit den Franzosen und Russen verständigen wollten.
Einen Grund zu was?

Um das Empire sichern und sich mit den Franzosen und Russen verständigen zu wollen, brachte es keine deutsche Bedrohung. Dazu reichte der technologische Fortschritt.
Im 19. Jahrhundert stellte die französische Kanalküste für die Briten kein Problem da, weil sie die See beherrschten und französische maritime Opertionen unterbinden konnten.
Mit Aufkommen der U-Boot-Waffe, ist die französische Kanalküste eo ipso eine strategische Bedrohung für den britischen Handel und die Verbindung mit den Kolonien, so das man Frankreich nicht mehr, wie im 18. Jahrhundert in Europa abrigeln und aus den Kolonien herauswerfen kann.

Baut Russland Bahnlinien an die afghanische Grenze, liegt Indien wie auf dem Präsentierteller und kann durch mraitime Überlegenheit nicht mehr abgeschirmt werden, wie das noch 50 Jahre vorher der Fall war.

Um daraus die Konsequenz zu ziehen, dass es Abkommen braucht um das zu regeln, brauchte es lediglich etwas gesunden Menschenverstand, aber keine deutsche Bedrohung, sofern diese von den britischen Regierungskreisen im Sinne maritimer Politik denn überhaupt als tatsächliche Bedrohung empfunden wurde, was angesichts der tatsächliche Leistungsfähigkeit der beiden Flotten zu jeder Zeit im Übrigen völliger Humbug gewesen wäre.
 
Ich will Bismarck gar nicht zum Vorbild erheben. Zu Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wollte er die Position des 1871 gegründeten Reiches in Europa festigen. Mehr als die kleindeutsche Reichsgründung war in seinen Augen nicht zu erreichen.

Bismarck hat 1864, 1866 und 1871 in meinen Augen eine Politik des kalkulierten Risikos betrieben. Frankreich griff 1866 nicht ein, weil schon das Engagement in Mexiko, wo Napoleon III. einen Habsburger zum Kaiser der Mexikaner machen wollte, die Staatsfinanzen und damit auch die Armee belastete.

Die Situation des Deutschen Reiches nach 1871 in der Mitte Europas war schwierig. Auch das von Bismarck geschmiedete Vertragssystem (Zweibund mit Österreich-Ungarn, Rücksicherungsvertrag mit Russland) war widersprüchlich. Am Ende seiner Kanzlerschaft glich der Reichskanzler einem überforderten Jongleur.

Welche Möglichkeiten hätte die deutsche Politik nach 1890 gehabt? Eine zurückhaltendere Außenpolitik wäre eine Möglichkeit gewesen. Aber "Weltpolitik" war in Teilen der deutschen Gesellschaft populär. Von den Linksliberalen bis hin zu den Konservativen war man der Meinung, dass das Reich einen Anspruch auf einen "Platz an der Sonne" hätte, wie von Bülow es 1897 ausdrückte (als ob das Kaiserreich bis dahin im Schatten gedämmert hätte).

Der Bau einer deutschen Hochseeflotte wurde von den Briten als Bedrohung empfunden. 1908 gab es erste Sondierungen (ich meine, sie gingen von London aus), ob man in der Flottenfrage zu einer Übereinkunft kommen könne. Bülow war wohl dazu bereit, aber Tirpitz konnte sich bei Wilhelm II. durchsetzen.

Der letzte deutsche Botschafter in London vor dem Ersten Weltkrieg, Fürst Lichnowsky, warnte ab 1912 mehrmals vor einem weiteren Ausbau der Flotte und sah darin das größte Problem im deutsch-britischen Verhältnis. 1912 reiste der britische Kriegsminister Lord Haldane nach Berlin, um in einer inoffiziellen Mission erneut die Spielräume für ein Flottenabkommen auszuloten. Aber weder Deutschland noch England waren zu gravierenden Zugeständnissen bereit.

Natürlich ist es falsch, den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nur auf die maritimen Ambitionen des letzten deutschen Kaisers zurückzuführen. Aber ich bleibe dabei: In meinen Augen war diese Flottenrüstung ein kapitaler Fehler. Militärisch brachte sie nichts ein; im Gegenteil. Die für die Marine verwendeten Gelder hätte das Heer dringend gebraucht. Die Folgen für die außenpolitische Situation hatte ich schon beschrieben.
 
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Ich will Bismarck gar nicht zum Vorbild erheben. Zu Beginn der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wollte er die Position des 1871 gegründeten Reiches in Europa festigen. Mehr als die kleindeutsche Reichsgründung war in seinen Augen nicht zu erreichen.
... was ihn dann aber nicht davon abhielt sich am Ende, wenn auch zähneknirschend, doch auf eine deutsche Kolonialpolitik eingelassen. Man sollte dabei nicht vergessen, dass was erfolgreiche Umsetzung außereuropäischer Aspirationen angeht, sich das Reich unter Bismarck wesentlich expansiver verhielt, als nach 1890.
Was kam denn an kolonialen Zugewinnen nach Bismarck noch hinzu?

Ein paar Inseln im Pazifik, dann noch das "Konzessionsgebiet" Kiauchou, nen Stück Kamerun als Gegenleistung für den Verzicht seiner "Ansprüche" in Marokko und der "Caprivi-Zipfel", als britische Konzession für das offizielle Aufgeben sämmtlicher eingebidelten deutschen Ansprüche in Uganda, wenn ich das richtig im Kopf habe. Das wars.
Richtig ist sehr wohl, dass man unter Kaiser Wilhelm dem letzten im Auftreten eine agressivere Gangart einschlug. An realisierter imperialer Politik im Sinne erfolgreichen Kolonialerwerbs stand das Reich unter Bismarck dem in nichts nach, im Gegenteil.

Bismarck hat 1864, 1866 und 1871 in meinen Augen eine Politik des kalkulierten Risikos betrieben. Frankreich griff 1866 nicht ein, weil schon das Engagement in Mexiko, wo Napoleon III. einen Habsburger zum Kaiser der Mexikaner machen wollte, die Staatsfinanzen und damit auch die Armee belastete.

Das würde ich ein wenig anders beurteilen:

Zunächstmal der Krieg von 1864 war, da Österreich mitging und weder die Interessen Frankreichs, noch Russlands in besonders schwerer Form tangierte (vergleichen mit dem, was Frankreich 1859 vom Stapel gelassen hatte, war das für das europäische Mächtesystem geradezu harmlos) keinerlei Risiko.

1870/1871 war das Risiko mindestens noch kalkulierbar, weil Österreich-Ungarn noch massiv geschwächt war und sich mit Italien noch einem anderen potentiellen Gegner gegenübersah, dass es von einem profranzösischen Eingreifen abhalten konnte, Russland, dass kein Interesse an einer erneuten Stärkung Österreichs haben konnte ebenfalls und das Großbritannien vor der Reichgründung in einem europäischen Hegemonaialkrieg auf Seiten Frankreichs interveniert hätte, darf man wohl ein mehr als unwahrscheinliches Szenario nennen.
1870/1871, spielte eine Rolle ob die süddeutsche Staaten mitgehen würden, aber die Lokalisierung des Krieges an und für sich, stellte unter diesen Umständen keine besonders große Herausforderung dar.

Der Krieg 1866/1867 gegen Österreich, ist demgegenüber eine völlig andere Nummer.

War Mexiko betrifft, so war Frankreich dort stets nur mit einem Bruchteil seiner Armee vertreten. Außerdem waren die Franzosen dort 1866, als es in Europa losging bereits dabei ihre Truppen von dort zurück zu holen, weil sich seit 1865 abgezeichnet hatte, das dieses außenpolitische Abenteuer ein Desaster würde.
Natürlich waren die Staatsfinanzen belastet, die sahen aber auch 1870 nicht rosig aus, was Frankreich durchaus nicht von einem Krieg unter wesentlich ungünstigeren Vorzeichen abhielt. Davon ab, gibt es ja durchaus auch die Möglichkeit so etwas über Anleihen zu finanzieren, im Besonderen dann, wenn man sicher sein kann, nach einem schnellen Sieg in die Lage zu kommen, diese abzuzahlen.

Dann kommen da erschwerend noch zwei Momenta hinzu:

1. Mexiko selbst war ja Ausdruck dessen, dass sich Frankreich in Richtung Österreich nach dem Krieg von 1859 wieder auf Annäherungskurs befand, eine Politik, die durch einen gemeinsamen Krieg gegen Preußen sicher noch einigen Auftrieb bekommen hätte. Außerdem wäre es die Gelegenheit gewesen das Wiener System und die antifranzösische Barriere, nachdem die durch die Entstehund von Belgien und Italien schon massive Risse bekommen hatte, endgültig zu beseitigen.
2. Bot sich hier eine Gelegenheit zum Einen die Rheingrenze zu realisieren und gleichzeitig Österreich, dass ja stets auch immer in Richtung Schlesien schielte zu kompensieren, das dann nicht nur ein Ende der Barriere versprochen hätte, sondern auch weitere militärische Sicherheit, territorialen Zuwachs, ökonomischen Auftrieb, durch das industriell recht entwickelte Rheinland, eine Vereinfachung des europäischen Mächtesystems und einen enormen Prestigegewinn.

Entscheidender als die wirtschaftliche Lage Frankreichs dürfte gewesen sein, dass man in Paris ohnehin auf einen Österreichischeen Sieg rechnete und darauf setzte die Rheingrenze für eine Erweiterung Österreichs um Schlesien als Kompensation auch ohne eigene Opfer zu bekommen.
Jedenfalls war Frankreich technisch in der Lage zu intervenieren und hatte hinreichend Motivation das auch zu tun, zu den genannten Positiveffekten kommt ja noch das natürliche strategische Interesse eine Dominanz Preußens in Norddeutschland zu verhindern. Somit wurde die Gefahr einer französischen Intervention mit jedem Tag, den der Krieg länger dauerte realer und man konnte in Berlin von Glück reden, dass man ihn beenden konnte, bevor man sich in Paris doch noch zur Intervention durchrang.

Das war ein Risiko, dass so nicht mehr kalkulierbar war, sondern das Wohl und Weh in diesem Krieg hing ganz an der Eischätzung der Lage seitens Paris. Das ist im Prinzip ein ähnlichen Spiel gewesen, wie das, was Bethmann-Hollweg und Konsorten im Juli 1914 spielten.

Die Situation des Deutschen Reiches nach 1871 in der Mitte Europas war schwierig. Auch das von Bismarck geschmiedete Vertragssystem (Zweibund mit Österreich-Ungarn, Rücksicherungsvertrag mit Russland) war widersprüchlich. Am Ende seiner Kanzlerschaft glich der Reichskanzler einem überforderten Jongleur.
Es war nicht nur widersprüchlich, sondern auch folgenreich. Die Option einer Russisch-Französischen Kooperation, erschien ja letzendlich nur deswegen im Tableau, weil für Frankreich der logische Verbündete Österreich-Ungarn (beide hätten Gründe zur Revanche gegen das neu entstandene Reich gehabt und beide hatten territoriale Streitigkeiten mit Italien), durch seine Kooperation mit Deutschland ausfiel und sich zeitgleich mit Russland anlegte.
Das es zu einer solchen Kooperation ohne Bismarcks Isolationspolitik gegenüber Frankreich unter Einbeziehung Österreichs gekommen wäre, darf man, meine ich, für unwahrscheinlich halten. Insofern kaufte Bismarck zu seiner Zeit Sicherheit auf Kosten ungemütlicher Zukunftsperspektiven, die dadurch zwar nicht determinert, wohl aber eröffnet wurden. Damit hatten sich seine Nachfolger dann herum zu schlagen.
 
Welche Möglichkeiten hätte die deutsche Politik nach 1890 gehabt? Eine zurückhaltendere Außenpolitik wäre eine Möglichkeit gewesen. Aber "Weltpolitik" war in Teilen der deutschen Gesellschaft populär. Von den Linksliberalen bis hin zu den Konservativen war man der Meinung, dass das Reich einen Anspruch auf einen "Platz an der Sonne" hätte, wie von Bülow es 1897 ausdrückte (als ob das Kaiserreich bis dahin im Schatten gedämmert hätte).

Ich wiederhole mich da nochmal, letztlich war die Bismarcksche Kolonialpolitik weniger verbalgewaltig aber nichtsdestoweniger durchaus existent und im Hinblick auf ihre Erfolge expansiver als alles, was danach kam. Die Weltmachtpolitik an und für sich war nicht das Problem, sie wurde durch die zeitgleiche enge Bindung an Wien und damit die Weichenstellung zur Kooperation Paris-St. Petersburg zum Problem. Ohne die Zeitgleiche Blockbildung in Europa, die durchaus nicht zwangsläufig war und zu der Bismarck einiges beigetragen hatte, wäre die "Weltpolitik" genau so wenig ein Ruhmesblatt geworden, wie sie es dann tatsächlich wurde, aber sie hätte nicht in einen großen Krieg geführt.
Was hätte die Politik post-Bismarck tun können?

1. Sich weltpolitisch zurücknehmen, um so mehr wäre sie aber innenpolitisch ins Schlingern geraten, weil sie dann weder mit nationalem Prestige beim Bürgertum punkten konnte, noch mit der Erfüllung sozialpolitischer Forderungen in der Arbeiterschaft. Womit hätte man bei zeitgleicher Beibehaltung der Bevorzugung des Adels das Bürgertum im Reich zur Loyalität gegenüber Kaiser und Staat verpflichten wollen?
2. Sich andere Bündnispartner suchen. Italien und Russland wären als Bündnisparnter, was Interessenüberschneidungen angeht durchaus logisch gewesen. Mit Italien verbanden Deutschland territoriale Streitigkeiten mit Frankreich und Österreich-Ungarn als Verbündeten zugunsten einer engeren Kooperation mit Russland fallen zu lassen um letzterem die Notwendigkeit zu nehmen einem deutsch-österreichisch-ungarischen Block ein Pendent gegenüberzustellen und deswegen auf Frankreich zuzugehen.
3. An Österreich an Bündnispartner festhalten und dann aber in einem günstigen Moment durch einen Krieg Russland zerschlagen und Frankreich entscheidend schwächen. Die Gelegenheit war 1905 durch den Kollaps Russlands da, sie hätte sich auch im Kontext des Burenkrieges duchaus bieten können.

Es gibt verschiedene Szenarien die denkbar (natürlich ex post) wären um eine derart zerfahrene Sitution aufzubrechen und nicht alle davon erforderten jetzt zwangsweise "weltpolitische" Zurückhaltung.


Der Bau einer deutschen Hochseeflotte wurde von den Briten als Bedrohung empfunden. 1908 gab es erste Sondierungen (ich meine, sie gingen von London aus), ob man in der Flottenfrage zu einer Übereinkunft kommen könne. Bülow war wohl dazu bereit, aber Tirpitz konnte sich bei Wilhelm II. durchsetzen.
Von welchen Briten?
Der Regierung oder Teilen der britsichen Öffentlichkeit? In der britischen Öffentlichkeit und Teilen der nationalistischen Presse wurde das mitunter tatsächlich so empfunden. Im Übrigen wurde ja auch der Panslawismus und der Zarismus in Teilen der deutschen Öffentlichkeit als Bedrohung empfunden, daraus zog man auch in Petersburg nicht die Konsequenz die Republik auszurufen und sein Imperium aufzulösen um die Deutschen zu beruhigen.
Im Hinblick auf die britischen Regierungen, wäre mir von der Annahme einer dezidierten Bedrohung durch die deutsche Flotte so nichts bekannt, dazu hätte ich dann doch gerne Quellenangaben, die das entsprechend prägnant wiedergeben.
Das man diese Flotte als Ärgernis empfand, weil die eigene damit verbundene Flottenrüstung als unnötig empfundene Kosten verursachte und die britische Öffentlichkeit in Teilen in Panik versetzte, weswegen man sie gerne vom Tisch gehabt hätte, ist sehr verständlich.
Das Empfinden einer dezidierten Bedrohung der eigenen Vorherrschaft zur See, ist aus dem Versuch einen Rüstungsstopp auszuhandeln aber nicht abzuleiten. Dann möchte ich darüber hinaus noch eine Gegenfrage stellen? Wenn den Briten der Rüstungsstopp zur See so über alle Maßen wichig war, warum boten sie dann nichts substanzielles im Rahmen eines Agreements an, wie man das gegenüber Russland und Frankreich mit der Absteckung der kolonialen Interessenszonen tat?
Scheint den Briten so wichtig dann doch nicht gewesen zu sein, der deutsche Flottenbau. Alles andere, wäre auf Grund der eingeschränkten Operationsfähigkeit und des zu geringen Werftpotentials um in einem Rüstungswettlauf schritthalten zu können, auch sehr überraschend gewesen.


Der letzte deutsche Botschafter in London vor dem Ersten Weltkrieg, Fürst Lichnowsky, warnte ab 1912 mehrmals vor einem weiteren Ausbau der Flotte und sah darin das größte Problem im deutsch-britischen Verhältnis. 1912 reiste der britische Kriegsminister Lord Haldane nach Berlin, um in einer inoffiziellen Mission erneut die Spielräume für ein Flottenabkommen auszuloten. Aber weder Deutschland noch England waren zu gravierenden Zugeständnissen bereit.
Eben und warum? Weil nachdem Russland sich von der Katastrophe von 1905 erholt hatte und wie auch Frankreich Gelder in die Landrüstung Schoss klar war, das Deutschland ohnehin würde kleinbeigeben müssen, weil es in der Landrüstung nicht nurnachziehen, sonder mittelfristig auch kompensieren musste, dass Östereich-Ungarn bei der Rüstung zu Lande nicht mehr mithalten konnte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland des von Tirpitz gewünschte Stärkeverhältnis in Relation zur britischen Flotte nicht annähernd erreichen können und perspektivisch würden ihm die Gelder dazu fehlen.
Warum sollte als Großbritannien etwas substanzielles für die Beschränkung der deutschen Flottenrüstung anbieten, wenn diese sich mittelfristig ohnehin erledigen oder mindestens limitieren würde? Und wenn sie das tun würde, was sie angesichts von Frankreichs und Russlans Landrüstung musste, lag darin auch keine ernsthafte Gefahr.



Natürlich ist es falsch, den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nur auf die maritimen Ambitionen des letzten deutschen Kaisers zurückzuführen. Aber ich bleibe dabei: In meinen Augen war diese Flottenrüstung ein kapitaler Fehler. Militärisch brachte sie nichts ein; im Gegenteil. Die für die Marine verwendeten Gelder hätte das Heer dringend gebraucht. Die Folgen für die außenpolitische Situation hatte ich schon beschrieben.

In Meinen Augen war die Flottenrüstung allein für sich genommen kein kapitaler Fehler. Zu einem kapitalen Fehler wurde sie allenfalls (wenn überhaupt) in dem Moment wo man sich zusätzlich noch die falschen Verbündeten ausgesucht und die Gelegenheit Russland mit relativ geringen Verlusten zu zerschlagen versäumt hatte.
 
In Meinen Augen war die Flottenrüstung allein für sich genommen kein kapitaler Fehler.
So wie ich es verstehe, war der Willi ein großer Bewunderer von Mahan und empfahl dessen Lektüre nachdrücklich.
Dumm wie er war, versäumte er es den Inhalt des Werkes ausreichend zu durchdringen, um festzustellen. dass Mahan für die strategischen Lage des DR eben keine entsprechende Empfehlung gab.
Es war mE eine echte Blödheit.
 
So wie ich es verstehe, war der Willi ein großer Bewunderer von Mahan und empfahl dessen Lektüre nachdrücklich.
Dumm wie er war, versäumte er es den Inhalt des Werkes ausreichend zu durchdringen, um festzustellen. dass Mahan für die strategischen Lage des DR eben keine entsprechende Empfehlung gab.
Es war mE eine echte Blödheit.

War er dumm? Weiß ich nicht.
Jedenfalls war er weit davon entfernt ein Sachverständiger in militärischen Angelegenheiten zu sein, aber er hat sich den Spuk, wie er realisiert wurde ja nicht selbst ausgedacht. Da wiegt für mich, wenn man das explizit kritisieren mag, das Versagen etwa eines Tirpitz, der der Flottenpolitik ja ebenfalls das Wort redete, in meinen Augen deutlich schwerer, denn der hätte es als Marineexperte besser wissen müssen.

Natürlich war die Flottenpolitik letztendlich auch eine verfehlte Angelegenheit, schon weil die Flotte, die da produziert wurde, mit ihrem Schwerpunkt auf behäbigen brennstoffintensiven und für die Torpedowaffe anfälligen großen Pötten, für einen modernen Handelskrieg ebenso wenig geeignet war, wie für eine ernsthafte Bedrohung der britischen Inseln. Für letzteres war sie wesentlich zu klein und für ersteres nicht aktionsfähig genug, da hätte man auf schnelle, wesentlich leichtere Kreuzer setzen müssen, statt auf Schlachtschiffe.
Die Flotte in dieser Zusammensetzung war wohl allenfalls zum Frontalangriff gegen eine Nahblockade zu gebrauchen, außerhalb der eigenen Gewässer oder gegen eine Fernblockade, ziemlich nutzlos, von der Möglichkeit gloalen Aggierens en gros nicht zu reden.

Insofern war S. M., der Selbsternannte oberste Hunne auf militärischem Gebiet sicherlich ne ziemliche Pfeife und der Flottenbau schon deswegen Murks, weil er eine absolute Fehlinvestition war, nur war er tatsächlich gefährlich und beeinträchtigte das Verhältnis zu Großbritannien entscheidend?
Da meine ich eher nein.
Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass wenn man die britische Flotte tatsächlich hätte schlagen wollen, jedes deutsche Schiff je nach Schiffstyp zwei oder mehr gleichwertige britische Schiffe hätte versenken müssen.
Bedenkt man die politische Lage in Europa, nach der ein Krieg mit Großbritannien ziemlich sicher auch einen mit Frankreich bedeutet hätte, ist man dann bei 3 und mehr Schiffen.

Welcher Mensch mit einem gesunden Verstand, fürchtet sich vor einem Gegner, dem er um das 3-fache überlegen ist, zumal wenn er seine eigenen Kräfte dank größeren Werftpotentials (der Dreadnaught-Sprung zeigte das ja nicht zuletzt) wesentlich schneller erholen und modernisieren kann?

Aus meiner Sicht ist der durch das deutsche Flottenrüsten entstandene Schaden zuvorderst ökonomischer und wehrpolitischer Natur, weil man hier Geld zum Fenster herauswarf, dass das Landheer benötigt hätte um für das Exerzieren des Schlieffenplans überhaupt ansatzweise genügend Kräfte zusammen zu bekommen.
Sicherlich litt auch das Immage Deutschland bei der britischen Bevölkerung und auch in den Vereinigten Staaten darunter, in Frankreich war es ja bereits ohnehin auf dem Nullpunkt.
Ich meine aber auch, dass man das überdramatisiert, wenn man die Haltung Großbritanniens daran aufhängt, denn mit Verweis auf das tatsächliche Kräfteverhältnis der Seestreitkräfte und die Möglichkeit die Seerüstung weiter zu forcieren, wäre das kaum rational zu begründen gewesen, sich davon in seiner Existenz bedroht zu fühlen.
 
Zu den wesentlichen geostrategischen Folgen der deutschen Flottenrüstung:
Flottenpolitik des deutschen Reiches

"Das Messer an der Kehle" wirkt entsprechend des alten Strategen Tartakower: die Drohung ist stärker als ihre Ausführung.
Die gewaltigen Konsequenzen dieses Messer muss man nicht in britischen öffentlichen Invasions-Scares, sondern in den praktischen Konsequenzen messen. Es zwang das Empire, sch auf seiner Lebensader Mittelmeer blank zu setzen.
 
Mag sein, dass es die Briten zur Umgruppierung zwang. Aber auch das ließ sich qua Konvention mit den Franzosen lösen, wenn man in London darüber auch sicher nich amused war.

Eine andere Frage, die dann aber auch erlaubt sein müsste, wäre, inwiweit die vorherigen Verhältnisse der Stationierung im Verlauf der globalen maritimen Aufrüstung zu halten gewesen wären. Immerhin endete die britische "Lebensader" ja nicht am Suez, sondern setzte sich in den indischen Ozean hinein, bis in den Pazifik fort, bedenkt man die wirtschaftlichen Verpflechtungen Indiens mit China.

Wer spielt in diesen Räumen zu dem Zeitpunkt maritim mit?
Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich-Ungarn in geringerem Maße, im Pazifik dann Japan und die USA. Die rüsteten maritim alle auf und welche Wachstumspotentiale die Japanische und die US-Amerikanische Marinerüstung besaßen zeigte sich ja dann, nicht zulezt im Rahmen der Washingtoner Konferenz.

Konnte man also britischerseits in mehr oder mindern jedem Gewässer Teilstreitkräfte zurück lassen ohne diese im Kriegsfalle so exponiert zu wissen, dass man bei einem konzentrierten Schlag des jeweiligen Gegners mit dem Totalverlust von Teilkräften rechnen musste?
Auf Dauer sicherlich nicht. Das Konzept musste auch ohne deutsches Zutun offensichtlich überdacht werden.

Wie ich das sehe, zwang die Deutsche Flottenrüstung die Briten damit nicht zu einem qualitativen Sprung, den man sich seitens Britannien hätte sparen können, hätte es diese nicht gegeben, sondern lediglich dazu einen unangenehmen strategischen Schritt schneller zu vollziehen, als er auf anderem Wege zu vollziehen gewesen wäre.


Die Realität der maritimen Wachstumsraten spricht ebenfalls für sich. 1912 waren die Briten nicht bereit Deutschland ein maritimes Kräfteverhältnis von 2:1 zu Gunsten der britischen Seestreitkräften zu bewilligen.

10 Jahre später im Rahmen der Washingtoner Flottenkonferenz war London gezwungen Washington Parität und Japan das von Deutschlans gewünschte Verhältnis von 2:1 zu Gunsten Großbritanniens

Weitere 8 Jahre später im Rahmen der Londoner Konferenz, musste man Japan ein Verhältnis von 2/3 der britischen Flotte zugestehen.



Die dahinterstehende wirtschaftliche Dynamik mag vielleicht durch den Krieg beschleunigt worden sein, aber in ihren Grundzügen war sie auch zuvor bereits absehbar. Damit musste klar sein, dass die Briten das Meer nicht länger aus eigener Kraft völlig beherrschen konnten, auch ohne deutsches Zutun.

Eine veritable, einzigartige, strategische Bedrohung Britanniens durch die deutsche Flotte sehe ich da nicht. Nur eine Beschleunigung in der Umverteilung der globalen Kriegstonnage zu Ungunsten Großbritanniens, die der Umverteilung des globalen Industriepotentials entsprach.
 
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