Homosexualität Friedrich des Großen

Mit dem Thema habe ich mich noch nicht befasst. Was sind eigentlich die Quellen zu Friedrich II. Neigungen?
 
...2.
Das habe ich auch schon oft gelesen. Gibt es da das originale Schriftstück dazu?...
Geschlechtsverkehr mit Tieren war nach meiner Erfahrung in der 1. Hälfte des 18.Jh. noch ein rigoros verfolgtes Delikt - und offenbar eine verlockende Möglichkeit, verhassten Leuten das Leben zur Hölle zu machen. Die Praxis der Begnadigungen allerdings ist ein weites Feld. Von daher kann es auch gut sein, dass man die Versetzung zur Infanterie schon als eine ausreichende Bestrafung empfand. Letztlich würde ja später in der ganzen Truppe gefragt, warum Soldat XY versetzt worden sei und Soldat XY war gewiss die Erklärung kein Vergnügen....

Zum einen das, zum anderen mag die Anekdote, selbst wenn sie nicht belegbar ist (ich zumindest kann es nicht ;)) etwas über den Zeitgeist aussagen: Ein Pragmatismus, der keinen Soldaten verschwendet wenn die Tat doch eine so naheliegende Lösung anbietet. Verglichen mit blutrünstiger Bestrafung um des Regelerhalts selbst Willen scheint mir das schon sehr aufgeklärt.
 
2.
Das habe ich auch schon oft gelesen. Gibt es da das originale Schriftstück dazu?
Geschlechtsverkehr mit Tieren war nach meiner Erfahrung in der 1. Hälfte des 18.Jh. noch ein rigoros verfolgtes Delikt - und offenbar eine verlockende Möglichkeit, verhassten Leuten das Leben zur Hölle zu machen. Die Praxis der Begnadigungen allerdings ist ein weites Feld. Von daher kann es auch gut sein, dass man die Versetzung zur Infanterie schon als eine ausreichende Bestrafung empfand. Letztlich würde ja später in der ganzen Truppe gefragt, warum Soldat XY versetzt worden sei und Soldat XY war gewiss die Erklärung kein Vergnügen.

Also nicht wissenschaftlich, aber in der Form der Rezeption - sozuquasi wissenschaftlich verbrämt unter der Rubrik "Versuch einer Annäherung" :still:einige Verweise auf spätere Ansichten über den zeitgenössischen Umgang mit Sodomie und weiterer Unzucht.

Zunächst vom Großmeister der ungezogenen Weltliteratur hier über den gesellschaftlich erwünschten einerseits und zwei pragmatisch denkbare Ansätze zum Umgang mit Sodomie andererseits:
https://books.google.de/books?id=9u...inen Blick auf das erste Schriftstück&f=false von "Jack warf einen Blick..." bis zur Folgeseite "... falls es Ihnen nichts ausmacht." [Mann, das leidet so unter der Übersetzung:cry:]

Im selben Werk vielleicht erhellendes dazu, warum - zumindest für den einfachen Hein Seemann - ein Gesetzeskodex trotz aller Strenge etwas tröstliches haben mag:
https://books.google.de/books?id=9u...olgte die verlesung der kriegsartikel&f=false von "Es folgte die Verlesung der Kriegsartikel..." bis zur übernächsten Seite "... Es beruhigte die Gemüter." Wesentlich hierbei die beiden letzten Absätze.


Zuletzt zum tatsächlichen Umgang mit Unzucht und Swinkram an Bord. Warnung, ich habe das Buch vor vielen vielen Jahren gelesen und womöglich könnte meinem rudimentären Schulfranzösisch entgangen sein, dass es als ironisches Werk gedacht war - ich halte und hielt es allerdings eher für patriotisch bis chauvinistisch, was das freimütige Zugeständnis einer aktiven Förderung homosexueller Verhältnisse an Bord des französischen Ostindiengeschwaders unter Suffren im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg das G'schmäckle nimmt. In Frédérich Hulot: Suffren: l'Amiral Satan (2009) schreibt Hulot [ich hatte scheinbar vergessen, dass ich das Buch verliehen habe,:motz: daher (aber ziemlich genau) sinngemäß]:
Um seine Besatzung(en) während der langen Passage von Europa nach Indien bei der Stange, pardon, bei Laune zu halten, bediente Suffren sich eines ziemlich ausgeklügelten Systems: Er ließ immer jeweils einen älteren und einen jüngeren Seemann eine Hängemattsgemeinschaft bilden. Für die (wenigen) seiner Männer, denen das überhaupt nicht zusagte, ließ er ein mit Schmalz gefülltes Faß an Deck aufstellen, in dessen Wänden ringsum Löcher gebohrt waren, klein, mittel und groß... :red:
Nach unseren Maßstäben erinnere ich mich an das Buch als Sachbuch. Nach französischen Maßstäben könnte es sogar unter "wissenschaftlich" laufen (kann leider nicht überprüfen, ob es einen wissenschaftlichen Apparat hat). Zumindest lt. der französischsprachigen Wikipedia gilt Hulot drüben als Historiker. [Hier Forum Histoire - Passion Histoire • Consulter le sujet - Les homosexuels dans la guerre im post vom 17 Août 2009, 17:58 hat sich jemand die Mühe gemacht, einen Teil davon abzuschreiben - leider nur auf westfränkisch. Allerdings scheine ich mich hier falsch zu erinnern, da die zitierte Stelle die Geschichte mit den Fässern [!] als bösartiges Gerücht bezeichnet.] Umso erstaunlicher, dass Hulot ohne zu tadeln die Förderung gleichgeschlechtlicher Reisebeziehungen als außerordentlich wirksam zur Hebung der Moral beschreibt, während die viel prüderen Engländer sich für ähnliche Verrichtungen immer bei Nacht und Nebel ins Kabelgatt schleichen mussten... (und trotzdem gewannen :devil:).


(Bei der Suche nach einer Ausgabe des Suffren im Netz habe ich übrigens noch das hier aus dem Land der Liebe gefunden:
https://books.google.de/books?id=Fx...ved=0ahUKEwjrlrDw9ebMAhVCFCwKHS5dDIsQ6AEILDAB
Vielleicht lässt sich Godard auch über aufgeklärte Könige und Ihre Rechtspflege aus?
 
Nach französischen Maßstäben könnte es sogar unter "wissenschaftlich" laufen (kann leider nicht überprüfen, ob es einen wissenschaftlichen Apparat hat).

Ist das jetzt wissenschaftlicher Chauvismus oder allgemeine Eigenschaft wissenschaftlicher Werke aus Frankreich unwissenschaftlich zu sein.

Umso erstaunlicher, dass Hulot ohne zu tadeln die Förderung gleichgeschlechtlicher Reisebeziehungen als außerordentlich wirksam zur Hebung der Moral beschreibt, während die viel prüderen Engländer sich für ähnliche Verrichtungen immer bei Nacht und Nebel ins Kabelgatt schleichen mussten... (und trotzdem gewannen :devil:).

Frage mich ob das Letzte belegt ist - oder einfach nur eine Vermutung.
 
Ist das jetzt wissenschaftlicher Chauvismus oder allgemeine Eigenschaft wissenschaftlicher Werke aus Frankreich unwissenschaftlich zu sein.
Die - zugegebenermaßen in ihrer Anzahl überschaubaren - wissenschaftlichen französischen Monographien, die ich im Original durchgearbeitet habe und deren Autoren auch außerhalb Frankreichs hoch angesehen sind und die auch gut und interessant schreiben - (z. B. Martine Acerra, Jean Meyer) sind mir leider dadurch schwer im Magen liegengeblieben, dass sie a) schludrig produziert waren, b) voller inhaltlicher Fehler und Nachlässigkeiten und c) und am schlimmsten sehr wenige oder gar keine Belege mitlieferten. Ja, Statistik mit winziger Stichprobe, womöglich bin ich auf Grund dessen tatsächlich voreingenommen und ja, es gibt auch schwache Veröffentlichungen anderer Marinehistoriker.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass in Frankreich z. T. Monographien als wissenschaftlich durchgehen, die nach anderen Maßstäben eher als Sachbuch gälten.
Das spricht nicht gegen den Inhalt oder gegen die Kenntnisse der Autoren. Sie verraten aber leider keinem, wo sie ihr Wissen herhaben. Die geringe Anzahl (oder das komplette Fehlen) von Belegen in den mir bekannten Werken finde auffällig und schade.

@Chauvinistisch: Hulot lässt sich in seinem oben genannten Werk zu Suffren an einer Stelle dazu hinreißen, diesen diesen diesen Nelson zu schmähen, nicht wegen seiner tatsächlichen Untaten und Peinlichkeiten, sondern weil er ...nichts als eine blasse Kopie Suffrens gewesen sei
"Nelson [...] qui n'était qu'une pâle imitation de Suffren..."
Das ist dann schon eine Polemik, die - Heldenlästerung hin oder her - egal von oder gegen wen sie gerichtet ist in meinen Augen nichts mehr mit wissenschaftlicher Sachlichkeit zu tun hat.
 
kleiner ot-Exkurs bzgl. de Sade

Wenn ich an Aufklärer wie Sade oder auch nur Mirabeau (Le rideau levé) denke, würde ich solche Aussagen relativieren.
Der hier zur Debatte stehende "alte Fritz" konnte aber keine der aufklärerischen und sensationellen Schriften des Marquis de Sade lesen, weil diese erst nach Friedrichs Tod publiziert vorlagen.

Was die berüchtigtesten Schriften von de Sade betrifft - die Philosophie im Boudoire, Justine und Juliette, die 120 Tage von Sodom - so sind diese primär im geistesgeschichtlichen Kontext von de Sades Zeit zu lesen (z.B. Horkheimer und Adorno bezeichneten ihn treffend als den "Bluthusten der Revolution"). Keinesfalls ist die Intention dieser drei Romane irgendetwas wie "aufklärerische" Entkriminalisierung der Homosexualität und sie haben in diesem Sinne auch nichts mit heutigen westeuropäischen Haltungen zur Sexualität zu tun.

Im erzählerischen Experimentierlabor des Marquis werden auf der Ebene der Deskription sexueller Handlungen sowohl christliche als auch allgemein humane Werte in ihr Gegenteil verkehrt und als zynische Vernunftleistung wird das jeweilige Gegenteil von den Protagonisten propagiert: die Nächstenliebe wird zur Grausamkeit, der kirchlich erlaubte eheliche*) "normale" Geschlechtsverkehr (zur Zeugung**) von Nachkommen) wird zur Präferierung hetero- wie homosexuellen Analverkehrs, die aufklärerische Vernunft wird zur Theorie der hedonistischen Libertinage.

Das alles (und ich habe es nur angedeutet) wäre nichts weiter als blutrünstiges Schmierentheater, wenn da nicht einerseits formale erzähltechnische und sprachliche Brillanz***), und andererseits höchst prekäre und geschickt verarbeitete Bezüge zur vorrevolutionären Gesellschaft Frankreichs. Denn genau in dieser angespannten Zeit vor der franz. Revolution sind die drei Romane angesiedelt: ihre Protagonisten (Libertins) sind Chiffren für die Spitzen der (aufgeklärt) absolutistischen Gesellschaft, nämlich Adel, Klerus, Militär und Großhandel (!!). (Hochadel, Bischöfe, Generäle, Unternehmer halten das tumbe Volk in Unterdrückung mittels gottgewollter Stände und rel. Regeln, halten sich selber aber nicht an dergleichen, lustmorden aus Bosheit und höhnisch-zynischer aufgeklärter Atheistik, erkennen einzig das Recht des Stärkeren als logische Grundlage an, folgern daraus Dostojewski vorwegnehmend, dass alles erlaubt sei, wenn kein Gott ist usw usw)

;) da in diesem Faden auch zoophile Praktiken Erwähnung gefunden haben, sei nicht verschwiegen, dass dergleichen auch in den drei Romanen von de Sade sporadisch auftaucht: gleichsam als skurrile Spitze der aus Bösartigkeit und Amoralität (s.o. zum vorrevulutionären Libertin) durchgeführten Praktiken... vermutlich wäre eine Sperrung fällig, wenn ich wörtlich eine solche Szene aus Justine et Juliette zitieren würde (?!) - es mag genügen, dass da der Anblick eines vergifteten Dorfes bei guter Fernsicht von einem Hügel herunter bei gleichzeitiger Verwendung eines Truthahns doch für Verblüffung sorgt... (einen gelegentlichen Hang zu schwarzem Humor kann man de Sade nicht absprechen)

Aber all das hat, wie schon gesagt, nichts mit dem alten Fritz zu tun, hat auch nichts mit einer Entkriminalisierung dieser oder jener sexuellen Präferenz zu tun, hat auch trotz des Tante Wiki Artikels nichts mit sexueller Aufklärung zu tun.

Inwiefern abseits der textimmanenten sowie histor.-krit. Interpretation der Texte hier Anlass für psychopathologische und sexualpathologische Überlegungen vorliegt, ist dann Sache der Psychologen/Psychatrie. Nüchtern feststellen allerdings lässt sich, dass etliche der de Sadeschen Greuel wohl nicht seine "Erfindung" sind: zoophile, rektale, homoerotische, "sadomasochistische" und sonstige Vergnügungsweisen dürften allesamt in mehr oder weniger krasser Form bekannt gewesen sein; die antike Literatur verweist da auf vielerlei.

Zuletzt stellt sich die Frage, ob der Autor die Haltungen seiner Libertins gutheißt - sie lässt sich nicht beantworten. Die Romane sind in auktorialer Haltung erzählt, der auktoriale allwissende Erzähler berichtet nüchtern faktisch, enthält sich allerdings nicht immer der Bewertung: nicht selten werden die Libertins als Scheusale bezeichnet.
________________
*) freilich betreibt der Libertin alles andere als monogame Partnerbindungen
**) konsequenterweise wird dann die Zeugung neuen Lebens ins Gegenteil verkehrt: der Libertin schlachtet seine Sexualpartner (man sollte eher sagen: seine Opfer)
***) geradezu Heinesches Format hat z.B. eine Passage aus einer antichristlichen Rede eines Libertins: "Madame, man muss schon selber ein wenig Eselskinnbacke sein, um solche Geschichten zu glauben oder zu erfinden" (Justine et Juliette)
 
Ich möchte mich an den Vermutungen zu Friedrichs II. Sexualität nicht beteiligen, aber unter Berufung auf Alfred Kinsey darauf hinweisen, dass die wenigsten Menschen ausschließlich homo- oder heterosexuell sind. Vielmehr sind die allermeisten Menschen bisexuell, mit gelegentlichen Abweichungen in die eine oder andere Richtung, gleichsam auf einer Skala, die sich im Laufe des Lebens auch verschieben kann. So sind vermeintlich "homo"sexuelle Erfahrungen etwa im Jugendalter völlig normal, viele haben sie wohl hinter sich. Kulturell wäre es noch heute ein Tabubruch, darüber zu sprechen.

Ich gehe davon aus, dass zwischen der deklarierten Sexualität (kulturell bedingt) und der tatsächlichen individuellen eine Divergenz bestehen kann. Unhistorisch fände ich die Vermutung, der König von Preußen hätte sich für Homosexuelle einsetzen können. Auch ein König konnte sich in der Vormoderne nicht über als göttlich oder religiös fundiert betrachtete allgemeine Lebensregeln hinwegsetzen.
 
In Berlin gibt es übrigens mehrere Büsten und Statuen, die den Hadrianliebling Antinous darstellen. Die meisten wurden zur Zeit Friedrichs des Großen erworben:
antin2b - deutsch
 
Warum sollte ein König (unterstellen wir mal, dass er diese Neigung verspürte) ein moralisch und gesellschaftlich geächtetes Verhalten deshalb "legalisieren"?
Die Wirkung nach außen und innen wäre vergleichbar damit, wenn heute eine Regierung das Praktizieren von Pädophilie legalisiert - nur weil der Kanzler / die Kanzlerin entsprechende Triebe verspürt.
Auch ein König ist nur Kind seiner Zeit und Teil der Gesellschaft seiner Zeit. Dafür hätten weder das Volk noch irgendein anderer Monarch Verständnis gehabt.
Faktisch muss man allerdings sagen:
Mehr als Spekulationen gibt es darüber wohl nicht. Möglich, dass er so empfand - aber schon bei Zeitgenossen würde ich nicht wagen wollen ohne deren Aussage etwas zu deren sexuellen Präferenzen zu äußern. Bei historischen Persönlichkeiten, bei denen nicht einmal Aussagen oder Belege überliefert sind, ist das reines Nebelstochern.
 
Warum sollte ein König (unterstellen wir mal, dass er diese Neigung verspürte) ein moralisch und gesellschaftlich geächtetes Verhalten deshalb "legalisieren"

Die Legalisierung hätte schon vom administrativen Stanspunkt her einige Vorteile gehabt. Schon weil man damit ein K.o.-Kriterium für die Besetzung bedeutender Positionen ausgeschaltet und damitden Kreis der möglichen Kandidaten erweitert, so wie die Position eventueller betroffener Funktionsträger stabilisiert hätte.
Vergegenwärtigt man sich, dass Armee und Staat zum betreffenden Zeitpunkt stark wuchsen, gleichzeitig die gesellschaftliche Stellung des Adels jedoch noch eine relativ exklusive war und der Adel naturgemäß nummerisch nicht so schnell wuchs, wie die Anzahl bedeutender Positionen, die man tunlichst nicht mit sich herausbildenden großbürgerlichen Elementen besetzen wollte, war doch absehbar, dass es da auf Dauer zu einem gewissen Missverhältnis kommen würde, im besonderen dann, wenn gewünscht war die fachliche Qualifikation zu waren.

Entsprechend gab es in der längerfristigen Entwicklung drei Möglichkeiten mit dem sich ungünstiger entwickelnden Verhältnis von Kandidaten zu Positionen umzugehen. a) Aufhebung der Exklusivität des Adels und damit Untergrabung der Grundlagen des ancien Régime oder b) Aufhebung von personenbezogenen Kriterien, bei gleichzeitiger Erfüllung hinreichender Leistungskriterien um das Kandidatenfeld zu vergrößern ohne die Exklusivität des Adels und seinen Anspruch auf die Besetzung der entscheidenden Positionen zu untergraben.
c) Den Adel durch inflationäre Neuerhebungen auszudünnen und das aufstrebende Großbürgertum zu integrieren, wie das dann später im Kaiserreich der Fall war.

Durchaus vorstellbar, das Möglichkeit b) mindestens innerhalb der funktionstragenden Eliten, was den Adel meint den unproblematischsten Schritt dargestellt hätte.
Kommt, wie das schon im Faden erwähnt wurde anderenortes entsprechende Tendenzen innerhalb der militärischen Eliten ja offenbar durchaus mindestens mal geduldet, respektive in Mode waren.
Warum also nicht den Versuch unternehmen Nägel mit Köpfen zu machen?

Ergibt sich der Eindruck, wenn man es mal spieltheoretisch angehen möchte, dass die Akzeptanz etwa in Frankreich oder Österreich höher ist, stellt sich bei den denjenigen Funktionsträgern mit abweichender sexueller Orientierung natürlich unweigerlich auch die Loyalitätsfrage. In einem Land wie Prußen, dessen Ressourcen und personelle Möglichkeiten gemessen an seinen Großmachtsambitionen, sich eher bescheiden ausnahmen, ggf. ein ernstzunehmender Faktor.
Von einem Monarchen, dem solche Neigungen völlig unbekannt sind, wären da sicherlich in solche Richtungen wesentlich weniger zu antizipieren, als von einem, der jedenfalls nicht als vollständig heterosexuell durchgeht, da wäre neben Nutzen sicherlich auch Empathie ein Faktor.

Auf der rein persönlichen Ebene würde ich das mit dem Verweis auf die Problematik der Expansion des Staates und der Loyalitäten der Eliten dieses Staates, gar nicht diskutieren, da sind offensichtlich herrschaftstechnische Faktoren von vorn herein untrennbar damit verbunden.



Die Wirkung nach außen und innen wäre vergleichbar damit, wenn heute eine Regierung das Praktizieren von Pädophilie legalisiert - nur weil der Kanzler / die Kanzlerin entsprechende Triebe verspürt.

Jetzt wüsste ich gerne mal, was du unter "praktiziren von Pädophilie" verstanden haben willst? Das Recht offen pädophil zu sein oder aber sexuelle Handlungen an sexuell unmündigen Personen, sprich Kindern vorzunehmen.
Ersteres ist offensichtlich nicht illegal und letzteres nicht mit der Legalisierung von homosexuellen Praktiken vergleichbar, weil es bei homosexuelen Praktiken grundsätzlich um eine Angelegenheit zwischen zwei mündigen Personen handelt, bei pädophilen Sexualpraktiken hingegen nicht.

Kommen wir zur Wirkung an sich. Letztendlich wäre das ein Eingriff der Obrigkeit in bisherige Lebensgewohnheiten der Bevölkerung gewesen. Derlei gab es viele. Z.B. im Hinblick auf die Abstellung von Hexen- und Vampierverfolgungen und dergleichen. Auch das führte nicht zu irgendwelchen Massenempörungen oder gar Revolten gegen den jeweiligen Herrscher.
Die Rolle der Kirchen als allgemeinem Sittenwächter war Infolge der Reformationszeit und auch des 30-Jährigen Krieges, in dem erzwungene Bekenntniswechsel keine Ausnahme waren ohnehin geschwächt.
Wie wenig das mitunter die Bevölkerung tatsächlich interessierte, ließe sichetwa am Phänomen des Calvinismus, der sich ja im besonderen Vor dem 30-Jährigen Krieg im Reich doch einiger Beliebtheit erfreute, im Gegensatz zum Luthertum aber bis Zum Frieden von Münster und Osnabrück keine offizielle Anerkennung als gleichberechtigte Religion genoss.
Mit anderen Worten veritable Teile der Bevölkerung hatten über annähernd 100 Jahre hinweg kein prinzipielles Problem, vom katholischen oder Teilen des lutherischen Klerus selbst als Ketzer betrachtet oder von so betrachteten Personen (Brandenburg) regiert zu werden.

Insofern ist die offiziell für die Gesellschaft geltende, Moral, was dann auch die Sexualmoral meint das eine. Inwiefern dieses Bild denn der tatsächlichen Lage innerhalb der Bevölkerung auch entsprach und vor allem, nach dem 30 Jährigen Krieg mit seinen Ausschweifungen im Hinblick auf sämmtliche Bereiche der Sittlichkeitsvorstellungen überhaupt noch entsprechen konnte, wäre hier zu hinterfragen. Ob die Quellenlage hinreichend ist um Aufschluss darüber zu geben, weiß ich nicht.

Eine derartige Forderung a priori zum Vergleich, wie sie hier formuliert wurde, sehe ich in keiner Weise eo ipso als berechtigt an.
 
Auch ein König ist nur Kind seiner Zeit und Teil der Gesellschaft seiner Zeit. Dafür hätten weder das Volk noch irgendein anderer Monarch Verständnis gehabt
Was hatte denn das analphabetische und in weiten Teilen an die Scholle gebundene Volk für partizipationsmöglichkeiten, sich dem in irgendeiner Form zu widersetzen? Dem Volk wird man auch unterstellen dürfen kein Verständins dafür gehabt zu haben horrende Steuern zu berappen für einen Staat von dem es vergleichen mit späteren Zeiten wenig bis nichts hatte. Konnte man deswegen jetzt auch keine Steruern erheben?

Natürlich wäre das ein Bruch mit den bisherigen Konventionen gewesen.
Genau so war es im Rahmen der Reformationszeit ein Bruch mit sämmtlichen vorherigen Konventionen, wenn ein Territorialfürst seinen Untertanen verordnete dem Katholizismus abzuschwören.
Welchen Widerhall das in der Bevölkerung dann gefunden hätte und ob überhaupt einen, oder ob sich die Bevölkerung dafür überhaupt nicht groß interessiert hätte und nach dem Motto "Der Himmel ist hoch und der Zar (in dem Fall dann König) ist weit" zur Kenntnis genommen und einfach weitgehend ignoriert hätten, ist eine Frage, die heute nicht mehr zu klären ist.
Natürlich wäre die Vorstellung das Friedrich mit einer hypothetischen Legalisierung qua Verordnung eine tolerantere Gesellschaft hätte schaffen können, andererseits sehe ich absolut keinen Anlass dafür anzunehmen, eine solche Verordnung hätte automatisch zur Unruhe oder gar Bedrohung seines Königtums geführt.

Was sonstige Monarchen angeht, warum sollte da grundsätzlich kein Verständnis möglich gewesen sein? Geht man nach der statistischen Wahrscheinlichkeit, dürften genügen davon selbst nicht so ganz heterosexuell gewesen sein oder in der nährern Familie entsprechende Fälle gehabt haben, die so lange das unter Repression stand natürlich ein gewisses Legitimitätsproblem darstellten.
Der König selbst mochte vielleicht als über den Konventionen steh stehend, akzeptiert worden sein, vielleicht auch der jeweilige Kronprinz, aber der restliche Anhang? Daran kann man zweifeln.


Faktisch muss man allerdings sagen:
Mehr als Spekulationen gibt es darüber wohl nicht. Möglich, dass er so empfand - aber schon bei Zeitgenossen würde ich nicht wagen wollen ohne deren Aussage etwas zu deren sexuellen Präferenzen zu äußern. Bei historischen Persönlichkeiten, bei denen nicht einmal Aussagen oder Belege überliefert sind, ist das reines Nebelstochern.
Na, so ganz reines Nebelstochern ist das an Hand dessen, was an Überlieferung so vorhanden ist wohl nicht, denn sonst hätte sich die Diskussion ja nicht so ewig lange gehalten. Wenn es für etwas überhaupt keine Anhaltspunkte gibt, würden entsprechende Vermutungen längst verworfen sein.
Ansonsten kann ich mich in der Sache nur einem Statment anschließen, dass hier schon mehrfach angeklungen ist, nämlich dass mit Verweis auf seine Jugendzeit und die Einschlägigen Überlieferungen darüber eine dezidierte Homosexualität eher unwahrscheinlich erscheint und eine Diskussion um eine dezidierte Homosexualität demnach den Tatsachen vermutlich weniger nah kommt, als der Hinweis darauf, dass es nicht nur Homo- und Heterosexualität gibt und die Debatte, wenn man sie weiterführen wollte in dem Sinne wahrscheinlich erst einmal "modernisiert" werden müsste.
In diesem Sinne würde ich mich dem Statement von @thanepower auf der ersten Seite anschließen und im Hinblick auf die Indizienlage eine Orientierung für einigermaßen wahrscheinlich halten, die eher in Richtung Bisexualit gehen würde.

Eine endgültige Schlussfolgerung sehe ich hier aber auch nicht, dafür müsste man mMn dann schon etwas genauer wissen, in welcher Weise sich die Spätfolgen/Überbleibsel seiner Geschlechtskrankheit tatsächlich praktisch auswirkten.
Sollten die ihn am aktiven Geschlechtsakt gehindert haben, kann die dezidierte Distanz zu Frauen und die übersteigerte Männergesellschaft mit allen Folgen auch einfach die Floge sexueller Frustration und Ausdruck eines zeitgenössisch möglicherweise nicht einmal allzu exzentrischen Kunstverständnisses gewesen sein. Bedenken wir neben diversen Moden aus Frankreich auch diverse Inhalte klassisch antiker Texte, deren Rezeption ja nach wie vor durchaus en vogue war und die mitunter derlei thematisierten.
Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass man das nicht mehr eindeutig wird rekonstruieren können.
 
Vielleicht hätte sich die Frage heute anders gestellt, wenn FdG im Rahmen einer selbstbestimmten Liebesheirat hätte agieren können. Stattdessen ist er fremdbestimmt worden und mußte als Folge eine Österreicherin heiraten, die er massiv ablehnte. Es wäre aber dann denkbar gewesen, dass Kinder aus dieser Liebesheirat hätten entstehen können, da er wohl grundsätzlich zur Produktion von Spermien noch fähig war, auch nach den Folgen seiner Geschlechtskrankheit.

Und damit hätte sich die Frage nach seiner Homosexualität anders gestellt bzw. in den Hintergrund getreten, weil er seinen "dynastischen Verpflichtungen" zur Fortpflanzung nachgekommen wäre.
 
Es wäre aber dann denkbar gewesen, dass Kinder aus dieser Liebesheirat hätten entstehen können, da er wohl grundsätzlich zur Produktion von Spermien noch fähig war, auch nach den Folgen seiner Geschlechtskrankheit.
Grundsätzlich physisch fähig dazu zu sein, ist das eine, aber auch völlig schmerzfrei und von der psychischen Disposition her dazu bereit?
Die Möglichkeit, dass er in dieser Hinsicht eingeschränkt war, bzw. dass Krankheit un Behandlung oder ein anderes, damit vielleicht nicht direkt verbunenes Erlebnis da tramatsieriend gewirkt haben könnten, würde ich da nicht vollständig außer Acht lassen.
Das ist jetzt natürlich unprofessionelle Küchenpsychologie, aber aus den Schilderungen heraus, die mir bekannt sind, wirkt es für mich so, als sei der erwachsene Friedrich vom Umgang her insgesamt ein schwieriger Charakter gewesen, mitunter insgesamt mit Problemen dabei engere wischenmenschliche Bindungen aufzubauen.
Da kann ich mich natürlich täuschen, aber das ist mein Eindruck.
Und wenn so etwas da hinein gespielt haben mag, was seine spätere Distanz zum weiblichen Geschlecht angeht, wird das heute schwerlich exakt nachzuweisen sein, allein für möglich halte ich es.

Und damit hätte sich die Frage nach seiner Homosexualität anders gestellt bzw. in den Hintergrund getreten, weil er seinen "dynastischen Verpflichtungen" zur Fortpflanzung nachgekommen wäre.
Dem würde ich sicherlich zustimmen.
 
1.
Vergegenwärtigt man sich, dass Armee und Staat zum betreffenden Zeitpunkt stark wuchsen, gleichzeitig die gesellschaftliche Stellung des Adels jedoch noch eine relativ exklusive war und der Adel naturgemäß nummerisch nicht so schnell wuchs, wie die Anzahl bedeutender Positionen, die man tunlichst nicht mit sich herausbildenden großbürgerlichen Elementen besetzen wollte, war doch absehbar, dass es da auf Dauer zu einem gewissen Missverhältnis kommen würde, im besonderen dann, wenn gewünscht war die fachliche Qualifikation zu waren.

Entsprechend gab es in der längerfristigen Entwicklung drei Möglichkeiten mit dem sich ungünstiger entwickelnden Verhältnis von Kandidaten zu Positionen umzugehen. a) Aufhebung der Exklusivität des Adels und damit Untergrabung der Grundlagen des ancien Régime oder b) Aufhebung von personenbezogenen Kriterien, bei gleichzeitiger Erfüllung hinreichender Leistungskriterien um das Kandidatenfeld zu vergrößern ohne die Exklusivität des Adels und seinen Anspruch auf die Besetzung der entscheidenden Positionen zu untergraben.
c) Den Adel durch inflationäre Neuerhebungen auszudünnen und das aufstrebende Großbürgertum zu integrieren, wie das dann später im Kaiserreich der Fall war.

2.
Ergibt sich der Eindruck, wenn man es mal spieltheoretisch angehen möchte, dass die Akzeptanz etwa in Frankreich oder Österreich höher ist, stellt sich bei den denjenigen Funktionsträgern mit abweichender sexueller Orientierung natürlich unweigerlich auch die Loyalitätsfrage. In einem Land wie Prußen, dessen Ressourcen und personelle Möglichkeiten gemessen an seinen Großmachtsambitionen, sich eher bescheiden ausnahmen, ggf. ein ernstzunehmender Faktor.
1.
Es ist aber doch Fakt, dass ganz das Gegenteil der Fall war. Friedrich II. versuchte die Bürgerlichen aus dem Militär eher zurückzudrängen. Er hielt einfach nichts von bürgerlichen Offizieren. Wo er diese von seinem Vorgänger übernahm, wurden sie einfach nicht mehr weiter befördert.
Diese Einengung (also die gegenteilige Entwicklung von der von Dir für sinnvoll gehaltenen) war aber kein preußisches Phänomen sondern ist bis in Kleinstaaten ebenfalls zu beobachten. Oliver Heyn zeigt das am Beispiel Sachsen-Hildburghausens, wo zusehends die Adligen die Bürgerlichen aus dem Militär verdrängten bis den Bürgerlichen ein Aufstieg über Leutnantsrang verwehrt wurde und den Bürgerlichen somit Posten, wo sie effektiv mehr zu "arbeiten" hatten, blieben und die Adligen im Militär die lukrativen und von anstrengendem Dienst verschonten Posten für sich reservierten.

2.
Auch hier: hast Du dafür irgendwelche Belege? In Frankreich wie in Österreich wurde Homosexualität entschieden verfolgt. Leider habe ich den nicht mehr wiedergefunden, aber es gab mal auf Ebay oder einer ähnlichen Plattform einen Steckbrief für einen gesuchten Homosexuellen (strafbar entsprechend CCC) aus den 1750ern Laut Theresiana findet sich hierzu der 74. Artikel: "Von Unkeuschheit wider der Natur".
§ 6 regelt hier die Strafen. Die Strafe lautet hier auf Enthaupten und anschließendes Verbrennen samt Körper und Kopf.
Es gibt auch mildernde Umstände, wenn es wegen "Jugend, Unverstand, und Dummheit" geschehen ist oder
"da einer sich der Sünd zwar angemasset, der Saamen aber noch nich gelassen worden".*

Ich habe mich schon eine Weile mit Strafrecht beschäftigt, aber Fälle von "Sodomie" oder wie sie sonst zeitgenössisch genannt wurden, scheinen mir doch recht selten zur Anzeige gekommen zu sein. Auch in den paar Publikationen zum Reichskammergericht kommen sie fast nicht vor - ich könnte nochmal nachschauen. Als Appelationsgericht wäre das Reichskammergericht sicher öfter damit beschäftigt gewesen, wenn es häufig zur Anklage gekommen wäre.

* "Constutio Criminalis Theresiana" Johann Thomas von Tattner, S. 208, 1769
 
1.
Es ist aber doch Fakt, dass ganz das Gegenteil der Fall war. Friedrich II. versuchte die Bürgerlichen aus dem Militär eher zurückzudrängen. Er hielt einfach nichts von bürgerlichen Offizieren. Wo er diese von seinem Vorgänger übernahm, wurden sie einfach nicht mehr weiter befördert.
Diese Einengung (also die gegenteilige Entwicklung von der von Dir für sinnvoll gehaltenen) war aber kein preußisches Phänomen sondern ist bis in Kleinstaaten ebenfalls zu beobachten. Oliver Heyn zeigt das am Beispiel Sachsen-Hildburghausens, wo zusehends die Adligen die Bürgerlichen aus dem Militär verdrängten bis den Bürgerlichen ein Aufstieg über Leutnantsrang verwehrt wurde und den Bürgerlichen somit Posten, wo sie effektiv mehr zu "arbeiten" hatten, blieben und die Adligen im Militär die lukrativen und von anstrengendem Dienst verschonten Posten für sich reservierten.

2.
Auch hier: hast Du dafür irgendwelche Belege? In Frankreich wie in Österreich wurde Homosexualität entschieden verfolgt. Leider habe ich den nicht mehr wiedergefunden, aber es gab mal auf Ebay oder einer ähnlichen Plattform einen Steckbrief für einen gesuchten Homosexuellen (strafbar entsprechend CCC) aus den 1750ern Laut Theresiana findet sich hierzu der 74. Artikel: "Von Unkeuschheit wider der Natur".
§ 6 regelt hier die Strafen. Die Strafe lautet hier auf Enthaupten und anschließendes Verbrennen samt Körper und Kopf.
Es gibt auch mildernde Umstände, wenn es wegen "Jugend, Unverstand, und Dummheit" geschehen ist oder
"da einer sich der Sünd zwar angemasset, der Saamen aber noch nich gelassen worden".*

Ich habe mich schon eine Weile mit Strafrecht beschäftigt, aber Fälle von "Sodomie" oder wie sie sonst zeitgenössisch genannt wurden, scheinen mir doch recht selten zur Anzeige gekommen zu sein. Auch in den paar Publikationen zum Reichskammergericht kommen sie fast nicht vor - ich könnte nochmal nachschauen. Als Appelationsgericht wäre das Reichskammergericht sicher öfter damit beschäftigt gewesen, wenn es häufig zur Anklage gekommen wäre.

* "Constutio Criminalis Theresiana" Johann Thomas von Tattner, S. 208, 1769
Ich glaube ich muss hier eine Missverständlichkeit gerade rücken.

Die Frage auf die ich eingegangen war, lautete dahingehend, welche Beweggründe ein entsprechendes Handeln hätten intendieren können, nicht wie der alte Fritz seinerzeit denn tatsächlich dazu stand.
Das dieser nchts in die Richtung gehendes unternahm ist mir auch klar, aber darum ging es mir im Kern nicht.

Der zitierte User hatte die benannten Schritte für völlig abwegig dargestellt, das wären sie im Sinne eines vorausschauenden Handelns aber durchaus nicht unbedingt gewesen. Und natürlich wäre das mit gewissen Risiken und Schwierigkeiten verbunden gewesen solche Schritte zu gehen, aber eben durchaus nicht undenkbar oder strategisch vollkommen daneben.

Das Friedrich durchaus kein moderner Monarch in dem Sinne war, dass er bereit gewesen wäre die Grundlagen des ancien Régime auf Raten abzuschreiben, ist mir bewusst. Schaut man sich jenseits des populären Bildes und der Selbstdarstellung und späteren Mystifizierung der Person die zweite Hälfte seiner Regierungszeit an, wird man auch nicht umhin kommen einen gewissen Reformstau zu konstatieren, der dann später im Gefolge von Auerstedt und Jena allerspätestens überdeutlich manifest wird, seine Ursprüge liegen aber durchaus schon früher.

Zu den Einwänden:

1. In den Kleinstaten mag das auf Grund der deutlich kleineren Truppenstärken und des kleineren Verwaltungsapparates auch weniger problematisch sein, als wenn man sich mit den Ambitionen einer Großmacht trägt und deswegen einen Apparat benötigt, der an die Leistungsfühigkeit des altösterreichischen, französischen, niederländischen, britischen, schwedischen und russischen in Sachen Militär und Verwaltung mindestens herankommt, ihn eigentlich sogar deutich übertrifft, um das Fehlen von Manpower und Ressourcen, was nach wie vor den Unterschied zu den echten Großmächten ausmachte mindestens ein Stück weit zu kompensieren.

Ob man dann tatsächlich so handelte, ist ganz eine andere Frage. Angesichts der perspektivischen Ziele und Grundlagen wäre es allerdings möglicherweise nicht unsiinnig das zu tun.

2. Auch was das angeht: Es geht mir hier weniger um historische Evidenz im Hinblick auf Tatsachen, sondern eher um ein grundsätzliches Gedankenexperiment, um aufzuzeigen, dass es vom strategischen Standpunkt her Sinn gemacht hätte, weil hier Potentiale lagen, die man aktivieren konnte und offensichtlich im Hinblick auf brachliegende Potentiale derjenige, der sie als erstes aktiviert, der größte Nutznießer ist, während das Potential bei anderen.
Daneben gibt es ja nicht nur den jungen Friedrich, sondern Friedrich II. amtierte ja bis in die 1780er Jahre hinein.

Vergegenwärtigen wir uns, dass im Gefolge der französischen revolution, die ja nur eine Hand voll Jahre nach seinem Ableben stattfand, in Teilen Westeuropas die einschlägigen Gesetze fielen oder stark gemildert wurden (Preußen zog in Sachen deutlicher Milderung 1794 nach), lässt das durchaus darauf schließen, dass es bereits zu Friedichs Lebzeiten durchaus bereits Diskurse um das Thema gab, denn auch wenn der Machtwechsel in Frankreich dann eine eher abrupte Angelegenheit war, hatten die darauf folgenden gesellschaftlichen Veränderungen ja durchaus ältere geistesgeschichtliche Fundamente.

Warum sollte also gesellschaftlich vollkommen undenkbar gewese sein, was eine oder anderthalb Dekaden später in nennenswerten Teilen Europas gesetzliche Realität wurde?

Wie gesagt, ich möchte das als Perspektive von der Person Friedrichs selbst getrennt wissen, der war in der Einstellung seines gesamten Regierungsstils, salopp gesagt, nicht der Typ für so etwas, da stimme ich dir voll bei. Indess, gerade was den späten Friedrich und das ausgehende 18. Jahrhundert betrifft, wäre der Schritt sicherlich nicht so strukturell undenkbar gewesen, wie das von anderer Seite in den Raum gestellt wurde.
 
Mal unterstellt, Friedrich der Große war homosexuell. Hat seine sexuelle Orientierung seine Politik beeinflusst? Nein!
 
Mal unterstellt, Friedrich der Große war homosexuell. Hat seine sexuelle Orientierung seine Politik beeinflusst? Nein!
Dazu haben wir doch schon einiges gehabt.

Die Politik im 18.Jh. war auch immer stark dynastisch geprägt und da spielt Homosexualität schon eine Rolle, wenn diese schlichtweg der Hintergrund seiner Kinderlosigkeit gewesen sein sollte.
 
Dazu haben wir doch schon einiges gehabt.

Die Politik im 18.Jh. war auch immer stark dynastisch geprägt und da spielt Homosexualität schon eine Rolle, wenn diese schlichtweg der Hintergrund seiner Kinderlosigkeit gewesen sein sollte.

Womit sie im Übrigen seine Politik eo ipso durchaus beeinflusst hätte, spätestens an dem Punkt, an dem es um die Regelung seiner Nachfolge ging, sollte sie denn gegeben gewesen sein.
 
Womit sie im Übrigen seine Politik eo ipso durchaus beeinflusst hätte, spätestens an dem Punkt, an dem es um die Regelung seiner Nachfolge ging, sollte sie denn gegeben gewesen sein.
Die Nachfolgeregelung war schon sehr eigenwillig. Ohne eine attestierte Erkrankung der Königin oder der Feststellung, dass sie etwa keine Kinder zur Welt bringen könne (man denke da an die franz. Königin, welcher von den Ärzten weitere Entbindungen abgeraten wurden) erklärte Friedrich II. seinen Bruder und dann dessen Sohn als "Prinz von Preußen" zum Nachfolger. Interessanterweise nahmen daran auch Zeitgenossen in den Quellen, die ich bis jetzt las, keinen Anstoß. In anderen Dynastien wurde so eine Regelung über den Bruder des amtierenden Monarchen nach Möglichkeit umgangen, weil diese bisweilen Ehepartner von Schwestern des Monarchen usw. auf den Plan rief. Preußen unter Friedrich II. gerierte sich allerdings auch selber als Vormacht oder Protegé von Klientelstaaten und lief von daher vielleicht auch vom Selbstverständnis anders als kleinere oder schwächere Staaten nicht Gefahr, dass man im Ausland die Nachfolge anfechten würde.
Im 18.Jh. gab es allein innerhalb des HRR zahlreiche Erbfolgestreitigkeiten, selbst wo diese dynastisch unstrittig war (bei den Wettinern oder bei den Wittelsbachern).

Die Homosexualität/offenbar kalkulierte Kinderlosigkeit des Königs hatte aber natürlich auch noch weitere Dimensionen als die Nachfolge. Normalerweise machten Monarchen auch mit ihren übrigen Kindern Politik, nicht nur mit den Thronerben. Man schloss durch die Verheiratung von Söhnen und Töchtern Allianzen, die zur Reputation, der außenpolitischen Bündnis- und bisweilen sogar zur Wirtschaftspolitik beitrugen.

Da Friedrich Wilhelm I. recht jung noch starb, gab es zu dem Zeitpunkt noch 5 unverheiratete Nachkommen. Friedrich hat mit diesen offenbar eine ähnliche Politik betrieben, als wenn es seine Kinder wären, weil er faktisch das Familienoberhaupt wurde (ich glaube auch schonmal von Reibereien darüber mit seiner Mutter gelesen zu haben). Man kann eigentlich recht schöne Parallelen von Friedrichs Verhalten zu den angeheirateten Fürstenkindern zu dem Umgang anderer Führungsmächte wie Frankreich oder Österreich mit ihren Klientelstaaten ziehen. Um hier nicht zu weit auszuholen, würde ich subsumieren, dass mir Friedrichs Weg eher ungewöhnlich vorkommt.
 
Zurück
Oben