Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Ich habe doch geschrieben, warum mich das nicht überzeugt. Die Behauptung mit der "wichtigen Verkehrslage" wird durch die von mir angeführten Weil-Namen widerlegt. Dass sich hier etwas "unmittelbar aus römischen Strukturen" entwickelte (wenn man unter "Strukturen" mehr verstehen soll als Mauerreste), ist nicht ersichtlich. Und dass "Weil"-Namen im Württembergischen eine andere Bedeutung gehabt haben sollen als "Weil"-Namen in Oberbayern, wirst Du wohl nicht behaupten wollen.
Ich kann aus dem vorliegenden Material nur den Schluss ziehen, dass es den Namensgebern egal war, ob das jeweilige "Weil" an einer Straße lag oder nicht und ob hier einst eine große Siedlung lag oder nur ein Gutshof.
nur kurz zu Rottweil:
nach der Tabula Peutingeriana ist ein Weg der Donau entlang von Regensburg nördlich des Bodensees durch den Schwarzwald eingezeichnet, obwohl dieses Gebiet den Alemannen zugewiesen ist
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/TabulaPeutingeriana.jpg
Dieser Weg hätte durchaus auch Rottweil passieren können.

Und unmittelbar an der "Allgäustraße" (Römerstraße Kempten (an Betzigau vorbei) - Augsburg) befindet sich der Ort "Baisweil".
BayernAtlas

Das sind mir bei den -weil Orten alles zu viele Zufälle, als dass es nicht zu Straßenstationen passen würde, die noch in frühbaiuwarischer Zeit besetzt waren.
Ich meine durchaus, dass sich eine romanische (Rest-)Bevölkerung nicht nur in den Städten wie Augsburg und Regensburg erhalten haben dürfte:
...
Grabungen unter dem Niedermünster erbrachten das Ergebnis, dass der Ort weiter besiedelt wurde, allerdings mit einer nun immer stärker germanisch geprägten materiellen Kultur. Raetien gehörte zu dieser Zeit noch zum Römischen Reich. Die Germanen dürften daher Söldner (foederati) gewesen sein. Wann die Kontrolle der römischen Zentrale faktisch erlosch, ist unbekannt, doch wird dies im späteren 5. Jahrhundert gewesen sein. Für den Übergang vom 5. zum 6. Jahrhundert gibt es Belege für Bauarbeiten unbekannter Art. Um 600 wurde unter dem Niedermünster eine Holzpalisade errichtet. Um 700 lassen sich dann die ersten mittelalterlichen Bauten belegen. Auch wenn die Belege mager sind, so scheint Castra Regina doch durchgehend besiedelt gewesen zu sein.
Arbeo von Freising beschreibt die Stadt um 770 als stark befestigte Metropolis. Bei diesen Befestigungen dürfte es sich um die noch intakt gebliebenen römischen Mauern gehandelt haben.
Quelle: Castra Regina – Wikipedia

Und auch die Aussage von Schöntag/Czezior (Varia Selecta - Ausgewählte Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft … S. 133) scheint mir schlüssig:
Wie die neuere Forschung deutlich gemacht hat, ist aber nicht von einer mehr oder weniger kompletten Siedlungsleere des Voralpenraumes auszugehen, die Situation dieser Übergangszeit muß vielmehr differenzierter gesehen werden. So gab es durachaus Gebiete, in denen Garnisonen bzw. Kastelle (castra), Kleinfestungen (burgi), Städte (municipie bzw. civitates, je mit canabae), Dörfer (vici) und Gutshöfe (villae rusticae) vermehr aufgegeben wurden, aber es blieben auch sogenannte Inseln der Romanität bestehen. …
Wir können inzwischen durchaus feststellen, dass der Herrschaftsübergang von den Römern auf die Bajuwaren fließend vonstatten ging. Diese Germanen wurden schließlich mit der Aufgabe des Grenzschutzes betraut. Und noch die Ostgoten haben Anspruch auf das Voralpengebiet erhoben.
Ein solcher administrativer Anspruch setzt aber ein Mindestmaß an funktionierenden Verkehrswegen mit Rast- und Versorgungsstationen etwa für Boten voraus.
Auch die Pilgerfahrt von Venantius Fortunatus im Jahre 565 verlangt ein funktionierendes Straßennetz. Die Straßenstationen dürften also die letzten "Bastionen" gewesen sein, die auch in schwierigen Zeiten aufrecht erhalten und später von den Agilolfingern übernommen und weiter geführt wurden.
An der adminstrativen Verwaltung änderte sich auch nichts, als 536 das Gebiet nördlich der Alpen an die Franken abgetreten wurde. Diese haben mit den Agilolfingern eines der bayrischen Uradelsgeschlechter als ihre Regenten bestätigt.

Dass sich dies an der mit zahlreichen Städten versehene Provinz Noricum z.B. mit Salzburg, Lorch-Enns oder Passau leichter "belegen" lässt als im eher ländlich geprägten Raetien (mit den wenigen größeren Orten wie Augsburg, Kempten, Regensburg und Bregenz) spricht nicht gegen diese These.
 
nur kurz zu Rottweil:
nach der Tabula Peutingeriana ist ein Weg der Donau entlang von Regensburg nördlich des Bodensees durch den Schwarzwald eingezeichnet, obwohl dieses Gebiet den Alemannen zugewiesen ist
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/TabulaPeutingeriana.jpg
Dieser Weg hätte durchaus auch Rottweil passieren können.

Du meinst diese Straße (ich dachte, ich hätte den Beitrag schon mal verlinkt)?
https://www.geschichtsforum.de/attachments/upload_2019-2-13_22-44-43-png.17969/

Die führte durch Rottweil.

Sie führte aber nicht durch Weil der Stadt.
Sie führte auch nicht durch Weilimdorf.
Sie führte auch nicht durch Weil im Schönbuch.
Alle diese Weil-Orte lagen abseits der wichtigen Römerstraßen.
Und daher ist die These "Weil-Orte zeichnen sich durch ihre Lage an wichtigen Römerstraßen aus" falsch.
 
Und auch die Aussage von Schöntag/Czezior (Varia Selecta - Ausgewählte Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft … S. 133) scheint mir schlüssig:
Das ist auch so ungefähr meine Meinung. Ich würde allerdings hinzufügen, dass dem archäologischen Befund zufolge die villae rustica praktisch flächendeckend aufgegeben wurden, und zwar zum großen Teil schon im 3. Jahrhundert. Danach finden wir in einigen Gegenden noch "Streusiedlungen". Ich halte es für denkbar, dass deren Bevölkerung bereits germanischsprachig war, während sich die romanisch sprechende Bevölkerung weitestgehend in die ummauerten Orte zurückgezogen hatte (wo angesichts germanischer Söldnern und Föderaten eine zweisprachige Bevölkerung anzunehmen ist). Mancherorts waren fruchtbare Landstriche tatsächlich verlassen (z. B. der Gäuboden), andernorts bestand eine stark reduzierte dünne Besiedlung ("Streusiedlungen") weiter.
Eine völlige Neuordnung des ländlichen Raums lässt sich dann im archäologischen Befund ab dem mittleren 6. Jahrhundert feststellen.

"Die Ereignisse um die Jahre 357/358 bedeuten faktisch das Ende der Besiedlung im offenen Gäuboden. [...] Im Gäuboden sind erste Siedlungen auf dem flachen Land wieder für die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts feststellbar." (Günther Moosbauer, Die ländliche Besiedlung im östlichen Raetien während der römischen Kaiserzeit, Espelkamp 1997)

Siehe auch: Jochen Haberstroh, Transformation oder Neuanfang? In: Gründerzeit, St. Ottilien 2019
 
...

Siehe auch: Jochen Haberstroh, Transformation oder Neuanfang? In: Gründerzeit, St. Ottilien 2019
der dann auch schreibt (S. 558 )
Für eine fortgesetzte Nutzung im 5. und frühen 6. Jh. kommen vorrangig Mittelpunktsiedlungen, etwa an Kreuzungspunkten der Fernwege, und Straßenstationen in Betracht …
...
Mit einiger Wahrscheinlichkeit ergänzen solche Plätze aber das Siedlungsgerüst Raetiens neben den strategisch wichtigen Kastellorten entlang der Donaugrenze … Wie die Nachnutzung der Mehrzahl dieser Standorte seit dem 7. Jahrhundert zeigt, bleibt ihre strategische Funktion weiterhin ausschlaggebend auf für ihre weitere Entwicklung im frühen Mittelalter …
(nichts anderes versuche ich ständig deutlich zu machen).

Für diesen Thread von größerem Interesse scheint mir Fehr ("Die Anfänge Bayerns, St. Ottilien 2014 S. 311 ff, der auf S. 316 auch eine Karte der Germanisch-Romanischen Sprachgrenze und des spätantikeon Rhein-Iller-Donau-Limes darstellt.

Dabei kommt für die "Germanisierung" des nördlichen Alpenvorraumes insbesondere der Besiedelung durch Alemannen (später vereint mit Sueben) und Baiuwaren besondere Bedeutung zu:

1. Alemannisches Vordringen in Raetien:
Wir wissen von den Historikern, dass die Alemannen etwa ab 260 n. Chr. von Norden her kommend in diesem Dekumatland niedergelassen haben.
In welchem Umfang Teile dieser ( romanisierten Vor-) Bevölkerung nach dem Abzug der römischen Verwaltung im Land zurückblieben, ist nicht genau bekannt. Die Kontinuität einiger Fluss-, Orts- und Flurnamen lässt aber vermuten, dass auch provinzialrömische Bevölkerungsanteile in den Alamannen aufgegangen sind. So wird im mittleren Schwarzwald das Fortbestehen einer romanischen Sprachinsel möglicherweise bis ins 9./10. Jahrhundert angenommen.
und
Die neue Grenzlinie zu den Alamannen konnte die römische Grenze bis 401 n. Chr. (Abzug der römischen Legionen) bzw. 430 n. Chr. (Abzug der Burgunden, die als foederatii den Grenzschutz übernahmen) verteidigen.
,...
Ab 455 setzte eine West- und Ostexpansion von Alamannen nach Gallien und Noricum ein, über die nur ungesicherte Informationen vorliegen.
...
Ein Konflikt mit den benachbarten Franken führte nach Gregor von Tours irgendwann zwischen 496 und 507 zu entscheidenden Niederlagen der Alamannen gegen den fränkischen König Chlodwig I. aus dem Geschlecht der Merowinger. … Der Ostgotenkönig Theoderich gebot der fränkischen Expansion zunächst Einhalt, indem er die südlichen Teile Alamanniens unter ostgotisches Protektorat stellte und Flüchtlinge der besiegten Alamannen unter seinen Schutz nahm.
(Wikipedia)
Ennodius betont in seinem Preislied auf den König, dieser habe die Alemanniae generalitas intra Italiae terminos (…) inclusa und diese hätten die Grenzwacht des Reiches übernommen.
(Heitmeier, a.a.O. S. 489)

Für dieses Zeit von ~ 500 bis etwa 540 möchte ich das Vordingen der Alemannen östlich der Iller zumindest bis zum Lech ansetzen. Denn (wieder Wikipedia wie vor):
Aber schon 536/537 überließ der von byzantinischen Truppen bedrängte Ostgotenkönig Witigis dem Frankenkönig Theudebert I. unter anderem Churrätien und das Protektorat über "die Alamannen und andere benachbarte Stämme", um sich die Unterstützung der Merowinger zu erkaufen. Damit befanden sich alle Alamannen unter fränkischer Herrschaft.

Damit war aber nicht zwingend die Vertreibung der romanischen Vorbevölkerung verbunden. Schöntag ("Varia selecta - Ausgewählte Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft …" S. 134 f) verwendet die Begriffe einer "Baselromania", "Schwarzwaldromania", "Regensburgromania", "Passauromania", "Augsburgromania" und auch "Salzburgromania" um größere Sprachinseln im Umfeld der alten römischen Städte zu bezeichnen. Dazu kommen Rückzugsorte im alpinen Bereich (Walchen-Namen) sowie nach meiner Überzeugung die strategisch wichtigen Straßenstationen (Villa), die auch von den Neuankömmlingen zur Aufrechterhaltung der Verwaltungsherrschaft und -kontrolle dringend benötigt wurden (Boten- , Rast- und Versorgungsstationen). Deren Beibehaltung ist schon anzunehmen, weil diese Neuankömmlinge das Gebiet friedlich und nicht mit Gewalt übernommen hatten.

2. Baijuvarische Landnahme in Noricum und Raetien:
Das dem Franken Theudebert I. überlassene Protektorat über "anderen benachbarten Stämme" können nur Stämme auf dem Boden der Provinz Raetien (denn nur diese unterstand formal den Ostgoten) gewesen sein - also Sueben (seinerzeit wohl noch von den Alemannen unterschieden) und Baiuvaren (die Burgunder waren ja schon gut 100 Jahre vorher abgezogen).

Wir können also davon ausgehen, dass die Bajuwaren schon vor 536/537 in der Provinz Raetien nördlich bzw. westlich des Inn ansässig waren. Das ist auch zu erwarten, wenn die Römer den Schutz der Donaugrenze von Passau über Künzing, Straubing und Regensburg bis zur Iller auch germanischen Hilfstruppen anvertraut hatten.
Das waren die Baiuwaren, die auch im benachbarten Noricum unter einem eigenen "Dux" (Herzog) entsprechende Dienste leisteten. Deren "Dux" dürfte auf dem Gebiet der Provinz Raetia im Umfeld der römischen Provinzregierung, also in Augsburg, residiert haben (Anm.: Garbiald I., der 548 durch den fränkischen König Theudebald als Herzog bestätigt wurde, soll noch in Augsburg residiert haben).

Und ich nehme durchaus an, dass auch diese bajuwarischen Bauernkrieger (Selbstversorger) ebenso wieder friedlich die vielfach von den Römern verlassenen Gebiete besetzten, nicht aber romanische Restbevölkerung vertrieben.

Diese fränkische Herrschaft ging damit formal bis zum Inn, der römischen Provinzgrenze zwischen Raetien (nun unter fränkischer Herrschaft) und Noricum (als äußerstem Vorposten Konstantinopels - dazu und zum weiteren Heitmeier in "Gründerzeit …" S. 500 ff).
Sie "zerschnitt" damit das Gebiet der Bajuwaren unter den Agilolfingern, die sich ja in beiden Provinzen - auch hier angefangen als Hilfstruppen zur Grenzsicherung an der Donau - ausgebreitet hatten.

Damit kommen wir zu einem interessanten Phänomen: erst nach einer militärischen Niederlage (im Jahr 787 !) mussten die Bayern "das Recht König Karls" für den östlichen Teil, also die vormalige Provinz Noricum anerkennen. Und noch bis spätestens in das 7. Jh. war der Begriff Noricum als Abgrenzung zum raetischen Gebiet in Gebrauch. Heitmeier schließt das aus dem Nurihtal - lat. vallis Norica - in der lautverschobenen Form "Nurih" (Heitmeier in "Die Anfänge Bayerns …" S. 518 ff - 521) - Zitat:
Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum die frühen Klostergründungen Herrenchiemsee, Mondsee und Niederaltaich im Osten liegen, warum die Agilolfinger gerade die Salzburger Kirche so reich bedachten und Salzburg zu einem bevorzugten Herzogssitz und Aufenthaltsort machten."
mit anschließenden Ausführungen zur kirchlichen Organisation, die "der weltlichen folgte".
Noch Bischof Arbeo von Freising (wir kennen ihn aus der Gründung von Scharnitz) beschreibt im späten Jahrhundert die "besondere Konstellation des Herzogtums, aus auf dem Boden zweier römischer Provinzen lag" (Heitmeier, "Die Anfänge Bayerns …" S. 520).

Um 555 wird von Garivaldus Dux berichtet, dem König Chlothar I. die langobardische Königstochter und merowingische Königswitwe Waltrade zur Frau gab.
Um 565 beschreibt Venantius Fortunatus bekanntlich, dass die Baiovarius den Weg von Augsburg am Lech entlang bis zu den Alpen kontrollierten.
Im Jahr 591 wurde Tassilo I. vom Frankenkönig Childebert II. über Baiern als rex (König) eingesetzt.
(Quelle: Wikipedia)


Das ist dann nichts anderes als die Anerkennung einer faktischen Machtstellung der bayrischen Herzöge, die sich mit Noricum auch auf eine (zunächst den Franken nicht unterstehende) weitere Provinz stützen konnten (dazu Heitmeier, a.a.O. S. 510 ff) - verbunden mit einer "Rangerhöhung" ("rex" wie bei Odoaker als "rex Italiae") aber zugleich mit einem damit verbundenen Machtanspruch (von den Franken eingesetzt) der Franken über das ganze baierische Gebiet, das als "Provinz Noricum" auch von den Karolingern so bezeichnet wurde (Heitmeier, "Die Anfänge Bayerns …" S. 522). .
 
Zuletzt bearbeitet:
..

"Die Ereignisse um die Jahre 357/358 bedeuten faktisch das Ende der Besiedlung im offenen Gäuboden. [...] Im Gäuboden sind erste Siedlungen auf dem flachen Land wieder für die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts feststellbar." (Günther Moosbauer, Die ländliche Besiedlung im östlichen Raetien während der römischen Kaiserzeit, Espelkamp 1997)
dennoch ist das Gebiet der Provinz Raetien erst 535 den Franken - die Provinz Pannonia Savia mit dem südöstlichen Teil Binnennoricums erst um 550 von Kaiser Justinian den Langobarden - überlassen worden. Das setzt ein Mindestmaß an Herrschaft und kein herrenloses, verlassenes Gebiet voraus. Und das Mindestmaß verlangt eine funktionierende Verwaltung, die auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen ist und auf einer wohl ausgedünnten, aber durchaus noch vorhandenen Restbevölkerung aufbauen kann.
Das "Zwischengebiet" - also die restliche Provinz Noricum - ist von den Baiuwaren in Besitz genommen worden, die mit einer "Schaukelpolitik" zwischen Franken und Langobarden möglichst viel Unabhängigkeit für ihr Stammesgebiet erreichen wollten.
 
Zuletzt bearbeitet:
So wird im mittleren Schwarzwald das Fortbestehen einer romanischen Sprachinsel möglicherweise bis ins 9./10. Jahrhundert angenommen
Das ist mir bekannt. Ich hatte in früheren Diskussionen ja auch schon Wolfgang Kleiber / Max Pfister, Aspekte und Probleme der römisch-germanischen Kontinuität (Stuttgart 1992) zitiert. Beim Schwarzwald handelt es sich eindeutig um ein Rückzugsgebiet - hier haben sich die letzten Romanen in z. T. bislang unbesiedelte Täler zurückgezogen.

Dazu kommen Rückzugsorte im alpinen Bereich (Walchen-Namen)
Auch das ist kein Diskussionspunkt.

sowie nach meiner Überzeugung die strategisch wichtigen Straßenstationen (Villa),
Und für diese Überzeugung fehlt es bislang an Begründungen, die auch andere überzeugen könnten. Der lateinische Begriff villa bezeichnet nämlich im allgemeinen keine Straßenstation, sondern ein ländliches Anwesen oder auch (in der Spätantike) ein Dorf. "Strategisch wichtige Straßenstationen" bzw. Pässe, Flussübergänge, Verkehrsknotenpunkte wurden von den neuen alemannischen bzw. bajuwarischen Herren selbstverständlich früher oder später besetzt; daraus kann aber keine romanische Siedlungskontinuität geschlossen werden.
Die romanische Bevölkerung wird sich auch da auf einige wenige - vor allem befestigte - Punkte konzentriert haben, z. B. in Epfach wohl noch bis ins 5. Jahrhundert.

Um 565 beschreibt Venantius Fortunatus bekanntlich, dass die Baiovarius den Weg von Augsburg am Lech entlang bis zu den Alpen kontrollierten.
Dabei wird der "barbarische" Baiovarius explizit als potentielles Verkehrshindernis beschrieben: "Si vacat ire viam neque te Baiovarius obstat..."
 
Für diesen Thread von größerem Interesse scheint mir Fehr ("Die Anfänge Bayerns, St. Ottilien 2014 S. 311 ff, der auf S. 316 auch eine Karte der Germanisch-Romanischen Sprachgrenze und des spätantikeon Rhein-Iller-Donau-Limes darstellt.
Danke für den Hinweis. Eventuell kann ich im Lauf der nächsten Woche das Buch einsehen. Für welche Zeit stellt Fehr die Sprachgrenze dar und mit welchen Methoden hat er die Sprachgrenze ermittelt?
 
dennoch ist das Gebiet der Provinz Raetien erst 535 den Franken - die Provinz Pannonia Savia mit dem südöstlichen Teil Binnennoricums erst um 550 von Kaiser Justinian den Langobarden - überlassen worden. Das setzt ein Mindestmaß an Herrschaft und kein herrenloses, verlassenes Gebiet voraus.
Das ist etwas naiv gedacht. Herrscher nehmen für sich häufig nicht nur das tatsächlich beherrschte Territorium in Anspruch, sondern auch eines, worauf sie glauben, Anspruch zu haben. Ich glaube, der spanische König betitelt sich bis heute als König von Jerusalem. Zumindest tat sein Vater das noch. Als Karl V., in der Blüte seiner Säfte junger König von Spanien war, noch bevor er auch deutscher König wurde, bot ihm Franz I. ihm seine Tochter Louise zur Frau und als Mitgift Neapel. Die Prinzessin war nicht einmal ein Jahr alt (und sollte auch nur drei Jahre alt werden) und Neapel hatte Karl längst von seinen spanischen Großeltern, um genau zu sein von seinem aragonesischen Großvater geerbt. Franz bot Karl also etwas, das de facto seit gut 80 Jahren von seiner Familie großväterlicherseits beherrscht wurde und zuletzt vor 80 Jahren in Anjou-Besitz gewesen war. Will sagen: Franz hätte auf Ansprüche verzichtet, die er eh nicht gegen Karl durchsetzen konnte. Justinian war 535 der Herrscher des römischen Ostreichs, das Westreich existierte da seit 70 Jahren nicht mehr, die genannten Gebietsabtretungen waren letztendlich nur das Eingeständnis, dass das eh längst nicht mehr römisch kontrolliertes Gebiet war. Man hatte gerade das die Region um Karthago wieder zurückerobert, und war jetzt dabei, das Ostgotenreich zu zerschlagen. Die Franken waren da ein willkommener Verbündeter, denn die waren katholisch, im Gegensatz zu den arrianischen Ostgoten. Den Franken also einen Teil des ostgotischen Territoriums zuzugestehen, bedeutete, die Rückeroberung Italiens von den Ostgoten für Rom zu erleichtern und ggf Bündnisse zwischen den Germanen zu verhindern, denn nach Afrika und Italien war Spanien dran - dessen Rückeroberung aber nur im Süden gelang, Sevilla, Córdoba, Málaga konnten 552 wieder ins römische Reich integriert werden, dann war Schluss mit den justitianischen Rückeroberungen. Aber die Stoßrichtung war doch klar: Das römische Reich in seiner Gänze und Integrität wiederherzustellen, das konnte auch den Franken auf Dauer nicht gefallen. Nur solange, wie man mit Justinian das Interesse teilte, West- und Ostgoten zu schwächen.
 
.... Justinian war 535 der Herrscher des römischen Ostreichs, das Westreich existierte da seit 70 Jahren nicht mehr, die genannten Gebietsabtretungen waren letztendlich nur das Eingeständnis, dass das eh längst nicht mehr römisch kontrolliertes Gebiet war. Man hatte gerade das die Region um Karthago wieder zurückerobert, und war jetzt dabei, das Ostgotenreich zu zerschlagen. Die Franken waren da ein willkommener Verbündeter, denn die waren katholisch, im Gegensatz zu den arrianischen Ostgoten. ...
bist Du da mit den "natürlichen katholischen Verbündeten" sicher?
Justinian war nach WIKIPEDIA zwar sehr fromm, aber auch Anhänger der orthodoxen Kirche, scheint aber durchaus im Gegensatz zu weströmischen Bischöfen, insbesondere auch dem Bischof Vigilius von Rom gestanden zu haben. Letzendlioch wird er als Wegbereiter der Kirchenspaltung zwischen der (oströmischen) Orthodoxie und der (westlichen) katholischen Kirche gesehen.
Schon das Konzil von Ephesus (431) und erst recht das Konzil von Chalcedon (451) brachte eine Reihe von Abspaltungen mit sich.
Schisma – Wikipedia
 
bist Du da mit den "natürlichen katholischen Verbündeten" sicher?
Ich habe den Begriff "natürlicher .... Verbündeter" nicht verwendet. Ich habe geschrieben "willkommener Verbündeter", weil katholisch.

Justinian war nach WIKIPEDIA zwar sehr fromm, aber auch Anhänger der orthodoxen Kirche, scheint aber durchaus im Gegensatz zu weströmischen Bischöfen, insbesondere auch dem Bischof Vigilius von Rom gestanden zu haben.
Letzendlioch wird er als Wegbereiter der Kirchenspaltung zwischen der (oströmischen) Orthodoxie und der (westlichen) katholischen Kirche gesehen.
Schon das Konzil von Ephesus (431) und erst recht das Konzil von Chalcedon (451) brachte eine Reihe von Abspaltungen mit sich.
Schisma – Wikipedia

Das Morgenländische Schisma/Μεγάλο Σχίσμα war erst im 11. Jhdt. Insofern sehe ich das Problem nicht.
 
Ich habe den Begriff "natürlicher .... Verbündeter" nicht verwendet. Ich habe geschrieben "willkommener Verbündeter", weil katholisch.
… .
dann bitte ich um Entschuldigung, da habe ich Dich wohl falsch verstanden
Das Morgenländische Schisma/Μεγάλο Σχίσμα war erst im 11. Jhdt. Insofern sehe ich das Problem nicht.
J...ein, bereits unter Justinian gab es die Differenzen zwischen dem (ost-)römischen Herrscher und den Bischöfen seines Herrschaftsbereiches mit dem Bischof von (West-)Rom, der sich als legitimer Nachfolger von Petrus und Paulus in der Rolle eines "primus inter pares" sah.
Dem stand der Anspruch des orthodoxen Bischofs von Konstantinopel/Byzanz entgegen, der sich als Bischof am Regierungssitz in einer bevorzugten Stellung sah.
Die Differenzen belegt schon die Tatsache, dass Justinian den römischen Bischof Vigilius festnehmen lies. Die gemeinsame Kirche konnte die Differenzen bis zum endgültigen morgenländischen Schisma zwar immer wieder überspielen, letztendlich ist das Schisma aber nur bis zum 11. Jh. mühselig überkleistert aufrecht erhalten worden.
 
J...ein, bereits unter Justinian gab es die Differenzen zwischen dem (ost-)römischen Herrscher und den Bischöfen seines Herrschaftsbereiches mit dem Bischof von (West-)Rom, der sich als legitimer Nachfolger von Petrus und Paulus in der Rolle eines "primus inter pares" sah.
Dem stand der Anspruch des orthodoxen Bischofs von Konstantinopel/Byzanz entgegen, der sich als Bischof am Regierungssitz in einer bevorzugten Stellung sah.
Die Differenzen belegt schon die Tatsache, dass Justinian den römischen Bischof Vigilius festnehmen lies. Die gemeinsame Kirche konnte die Differenzen bis zum endgültigen morgenländischen Schisma zwar immer wieder überspielen, letztendlich ist das Schisma aber nur bis zum 11. Jh. mühselig überkleistert aufrecht erhalten worden.

Es gab seit Beginn 'Schismen', Häresien, Dissens innerhalb des Christentums, innerhalb und zwischen den Ortskirchen, den Bischöfen etc.. Justinian verstand und sah sich als Oberhaupt der römischen Reichskirche inklusive Rom, Alexandria, Antiochia etc., wie schon Konstantin d. Gr. Dass das römische Bischofsamt sich im Laufe der Jahrhunderte eine Sonderstellung zubilligte, schließlich die ganze Welt umfassend, katholisch, hat mit orthodox, also rechtgläubig, erst mal nichts zu tun, das sind verschiedene Bereiche.

Zwischen dem Bischof von Rom und dem weltlichen römischen Herrscher in Konstantinopel entwickelten sich vor allem Machtfragen auf weltlicher, religiöse-theologischer und kirchlicher Ebene. Daher hat Justinian und nicht der Bischof von Konstantinopel Vigilius nach Konstantinopel verbringen lassen.
 
Aus einer Nebendiskussion zu einer mutmaßlichen romanischen SprachInsel um Partenkirchen:

Und was davon wäre ein überzeugender Beleg für eine romanische Sprachinsel? Der ganz und gar germanische Name des Kochelsees sicher nicht. Walchen-Namen können mit einer romanischen Bevölkerung zusammenhängen, müssen aber nicht. Es gibt nämlich auch den alten deutschen Personennamen Walcho.

...
....

Die ganze Gegend wurde offenbar Wallgau genannt:
Wallgau wurde erstmals im Jahr 763 als walhogoi[3] in der Gründungsurkunde des Klosters Scharnitz (scarantia) erwähnt.[4] Der „Gau der Walchen“ oder „Welschen“ bot römischen Siedlern und Legionären zur Bewahrung ihrer Tradition nach dem Verfall der Provinz Raetia Zuflucht vor den Bajuwaren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wallgau

[Hier noch einmal die durch die zu späte Auslagerung des Themas abgeschnittenen Quellen:
Romanische Sprachgeschichte / Histoire linguistique de la Romania.

Historische Sprachwissenschaft als philologische Kulturwissenschaft]
Ich lese gerade "Baiern und Romanen" von Wiesinger/Greute (Hrsg.).; auf S. 91 ff wird das Gebiet im südlichen Oberbayern abgehandelt. In Auszügen zitierend:
Wenn man die Karte … betrachtet, so enden die integrieren antik-Rom. Siedlungsnamen am Beginn des Voralpengebietes etwa an der Linie Starberger See (Würmsee) - Rosenheim/Inn - Chiemsee, südlich welcher das Bergland des Ammergebirges, der Kochelseer Berger, der Tegernseer und Schliersse Berge und der Chiemgauer Alpen anfängt. Die Baiern haben in der Frühzeit diese südlichen Gebiete …. sichtlich gemieden, denn dort fehlen anfänglich die -ing und -heim-Namen als frühe bairische Siedlungszeugnisse. Sie entstanden erst mit der 1. Welle der Ausbausiedlung durch die ab der Mitte des. 8. Jhs. … von der Huosi-Familie gegründeten Klöster Benediktbeuern … (746) und Tegernsee, ebenfalls um 740, denen um 770 Schlieresse und das auf Herzog Tassilo III. zurück gehende Doppelkloster auf der Insel Frauenchiemsee folgten. So enden hier die vorgelagerten -ing- und heim-Namen heute südlich des Starnberger Sees am Saffelsee mit Aidling (Mitte 11. Jh. zu Ottilinga mit PN Ötilo), bei Bad Tölz mit Greling (1042 Cruwilingun mit PN *Gruwilo), südlich von Bad Feilnbach mit Altofing (1193 - 95 predium quoddam Altofingen mit PN Altolf) und Kutterling (1193-95 predium suum Chúternellingen … südlich von Rosenheim mit Raubling am Inn (778 Ruplinga mit PN *Rupilo) und südlich des Chiemsees mit Schlechting (1122 Slehingin mit PN Sleho).
An der genannten Linie enden nach Karte … aber auch die integrieren antik-Rom. Siedlungsnamen Pähl, Nordern, Laus, Langen- und Leonhardspfunzen, Prien und Almau. Auf Grund ihres Laustandes wurden Pähl, Nordern und Prien mit den jüngeren Akten der Zweiten Lautverschiebung von d> t in der 1. und von b > p in der 2, Hälfte des 8. Jhs. ins Bard.-Ahd. aufgenommen, während die ältesten Akte der Zweiten Laufverschiebung p->pf- und -t->-z- bis längstens 650 aufweisenden beiden Pfunzen am Inn und damit an der alten Römerstraße als Handelsweg … nicht überraschen können.
Ebenso enden in dieser Grenzzone … die Rom.-dt. Mischnahmen, die aus dem Kontakt der Baiern mit den Romanen hervorgegangen sind. Es sind dies Königsdorf, Jasberg, Maxlrain, Aising und Jolling. Unmittelbar auf hier siedelnde Romanen verweisen die deutschen Walchen-Namen im Bereich der oberen Isar, so nördlicher Walchstadt am Wörthsee und Walchstatt bei Wolfratshausen östlich des Starnberger Sees. Wesentlich südlicher befindet sich der Walchensee und der hier auf ein größeres, von Romanen bewohntes Gebiet verweisende Ort Wallgau, von dem es 763 heißt, es sei dies ein pagus desertus, ein unkultiviertes und daher wohl nur ein sehr dünn besiedeltes Gebiet. Südwestlich davon liegt hier der einzige integrierte antik-Rom. ON (Garmisch.)Partenkirchen im Werdenfelserland. Wenn der bereits antik als Partano überlieferte ON auch umstritten ist, so steht jedenfalls fest, dass hier die längstens bis 650 wirksamen älteren Alte der zweiten Lautverschiebung nicht eintegreten sind, aber wegen des Initialakzents die Integrierung während der ahd. Zeit erfolgt ist. Das wird shcon spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhs. geschehen sein, denn der frühere, mit Partenkirchen zusammengewachsene Nachbarort Garmisch … ist bereits 802 als Germareskaue urkundlich überliefert. Dass die Baiern aber spätestens zu Beginn des 8. Jhs. in diese Gebiet vorgedrungen sind, geht auch aus den frühen urkundlichen Erstbezeugungen im ausgehenden 8. und frühen 0. Jh. mit einer Zeitverschiebung von rund einem dreiviertel bis einem Jahrhundert hervor, wie Wallgau 763, Kochel am See 1. Jh. zu 739, Tegernsee 804, Schliersee 779 und Raubling am Inn 778-83. Auch die Rom.-dt. Mischnahmen werden zur selben Zeit erstmalig urkundlich genannt, so Königsdorf 776-80, Aising 778.83 und Maxlrain 832. Aber sowohl die Walchen- als auch die Mischnamen zeigen, dass es in diesem südwestlichen oberbayerischen Raum ein frühes Miteinander von wenigen Romanen und überwiegenden Bayer gegeben hat. Wahrscheinlich hat sich der Sprachwechsel der Romanen in diesem Gebiet im 8./9. Jh. vollzogen.
Wir haben hier also eine schöne Beschreibung der Sprachgrenze im 7./8. Jh. vor uns.

Insgesamt möchte ich von einer langsamen aber stetigen Durchdringung dieses Raumes mit einer zunehmend bairisch-germanischen Bevölkerung ausgehen. Wie das geschieht, ist auf Seite 80 recht anschaulich geschildert.
Man kann annehmen, dass es damals in den den römischen Donauprovinzen … bei zunehmender germanischer Einwanderung zu einem sich verstärkenden Nebeneinander von Romanisch und Germanisch gekommen sein wird. Das aber brachte es mit sich, dass auch die romanischen Gewässer- und Siedlungsnamen von den germanischen Bewohnern aufgegriffen und in ihre Sprache übernommen und lautlich und formal angepasst und integriert wurden. Wenn aber die zuwandernde Bevölkerung allmählich gegenüber der heimischen an Zahl dominiert, dann vollzieht sich .. der Sprachwechsel zur Sprache der Mehrheitsbevölkerung und stirbt die Sprache der Minderheit aus ...

Archäologisch wird das Ergebnis durch die erschlossenen Gräberfelder (Sindelsdorf 1. Hälfte 6. Jh. bis frühes 8. Jh. - u.a.) bestätigt, in denen in der Frühzeit überwiegend romanische Bestattungen im Laufe der Zeit zunehmend durch germanische Bestattungsbeigaben ersetzt wurden.

In dem Kontext ist dann auch die Ausführung auf S. 90 nicht uninteressant:
Im Gegensatz zu den anderen bairischen Zentren Regensburg und Freising mit rom.-dt. Mischnamen ist im Salzburger Flachgau auffällig, dass die Mischnamen und die ältesten bair.ahd. Siedlungsnamentypen auf -ing und -heim mit den Rom. Siedlungsnamen insofern in Beziehung stehen, als die einen dort einsetzen, woe die anderen enden und umgekehrt. Es scheint (Anm. dort - im Salzburger Flachgau) also im 6./7. Jh. eine Trennung der Ethnien gegeben zu haben
 
Zuletzt bearbeitet:
Du meinst diese Straße (ich dachte, ich hätte den Beitrag schon mal verlinkt)?
https://www.geschichtsforum.de/attachments/upload_2019-2-13_22-44-43-png.17969/

Die führte durch Rottweil.

Sie führte aber nicht durch Weil der Stadt.
Sie führte auch nicht durch Weilimdorf.
Sie führte auch nicht durch Weil im Schönbuch.
Alle diese Weil-Orte lagen abseits der wichtigen Römerstraßen.
Und daher ist die These "Weil-Orte zeichnen sich durch ihre Lage an wichtigen Römerstraßen aus" falsch.
Lass mich die Reihe noch mit Wannweil zwischen Reutlingen und Tübingen ergänzen.
Weil der Stadt, Weilimdorf sowie Weil im Schönbuch (mit dem zugehörigen Ortsteil Neuweiler) sowie das genannte Wannweil liegen alle im ehem. Dekumatenland, und zwar in dem Gebiet, das im 1. Jh. bzw. zuletzt um 150 n. Chr. unter Antoninus Pius dem römischen Reich integriert wurde.
Es wurde während der Reichskrise des 3. Jahrhunderts
durch Einfälle plündernder Germanen erheblich verheert und ging zwischen 260 und 280 (spätestens nach dem Tod des Probus) endgültig an die Alamannen verloren, nachdem es von den römischen Truppen geräumt worden war (siehe Limesfall).
Quelle: Wikipedia

Mir liegt für das Gebiet nur eine Karte der bedeutenden römischen Fernstraßen vor, an der wohl auch Rottweil liegt.
Die genannten Ortschaften liegen zwischen Rottenburg, Pforzheim und Cannstatt bzw. nördlich von Cannstatt, wo wichtige Fernstraßen nach Wimpfen bzw. in Richtung Speyer eingezeichnet sind.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Agri_decumates_Karte.png

Weil der Stadt ist etwa zwischen Rottenburg und Pforzheim zu verorten. Und da finde ich:
Vermutlich wird während der sogenannten "älteren Ausbauphase" von einem alamannischen Urdorf aus (z. B. Merklingen) bei den Resten eines römischen Gutshofs ("villa rustica") ein neuer Siedlungsplatz angelegt: "Wil" (von lat. "villa").
Quelle: Weil der Stadt – die Keplerstadt im Landkreis Böblingen | Das Dorf Weil , ebenso Wikipedia

Zu Weil im Dorf finde ich
Schon zur Hallstattzeit war die Weilimdorfer Gemarkung besiedelt. Hierbei handelte es sich vermutlich um Kelten, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. Auf dem Horn bei Weilimdorf gab es eine keltische Fliehburg und im Stellenrain hoch über dem Lindental finden sich heute noch deutliche Zeichen eines Ringwalles. Die Kelten wurden aber noch vor Christi Geburt von den Sueben verdrängt. Anschließend besetzten Römer das verlassene (?) Land und teilten es der Provinz Obergermanien zu. Spuren finden sich noch an der Steinstraße am östlichen Markungsrand, die einst eine Römerstraße war und im Jahre 1910 grub man eine römische Mauer im Gewann Blauäcker aus. Diese könnte von einem römischen Gutshof stammen und von jenem Gutshof ließe sich auch der Name Weilimdorfs ableiten: Weil = Villa = Landhaus.
Quelle Wikipedia

Zu Weil im Schönbuch finde ich
Die erste Siedlung auf dem heutigen Gemeindegebiet legten die Römer Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. an. Die Ausgrabung einer Villa rustica (römischer Gutshof mit Wirtschaftsgebäuden und Kultstätte) bei der Totenbachmühle und weitere, beim Umbau der Martinskirche im Jahre 1904 entdeckte Spuren, belegen das. Der Name Weil könnte von der lateinischen villa abgeleitet sein.
Quelle Wikipedia

Zu Wannweil finde ich
Wannweil hieß nach der ältesten uns erhaltenen Urkunde aus dem Jahre 1275 "Wile" später "Wyle bi Betzingen" und im Jahr 1465 "Wannwyle". Der Name "Wile" (Villa) ist auf eine römische Ansiedlung zurückzuführen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei Wannweil eine Römerstraße über den Fluss Echaz führte, die auf beiden Ufern durch Befestigungen gedeckt war. Nachweislich erhob sich in der Nähe der Kirche ein größeres römisches Gebäude, von dem 1880 dicke Grundmauern ausgegraben wurden. Aus vorrömischer Zeit stammt ein auf dem "Burghau" festgestelltes, der Göttin Epona geweihtes keltisches Heiligtum. Der Flurname "Wüste" weist darauf hin, dass mit dem Heiligtum ein großer heiliger Bezirk verbunden war. Auch die seit altersher umgehende "Schlangensage" mag mit diesem Heiligtum in Verbindung stehen.
Auf den Trümmern des Römerplatzes nahmen im 3. Jahrhundert nach Christi die Alemannen das Land in Besitz.
Quelle

Dazu
1.
Aus dem mir vorliegenden und im Internet einsehbaren bayerischen Denkmalschutzatlas, den ich hier schon mehrfach verlinkt habe, lässt sich ein archäologisch zumindest in Teilstrecken nachgewiesenes deutlich (!) dichteres römisches Straßennetz entnehmen als in den antiken Quellen (Itinerarium Antonini und Tabula Peutingeriana) genannt ist und auch in dieser "Fernstraßenkarte" aufgezeichnet sind.
So fehlen die (sogar als Fernstraßen) wichtigen Verbindungen zwischen der Via Claudia (Epfach) und der Via Raetia (über Wessobrunn - Weilheim bzw. Wessobrunn - Peißenberg - Oberhausen) und durch das Ammertal bei Ammergau.
Darüber hinaus sind die nur regional und lokal bedeutenden Straßenverbindungen nicht aufgeführt.
Woher nimmst Du also die Gewissheit, dass die von Dir genannten Orte "abseits der (wichtigen) Römerstraßen" lagen?
Auch wenn man unterstellt, dass das Dekumatenland nur eine sehr viel kürzere Zeit zum römischen Reich gehörte als die Provinz Raetia östlich der Iller - auch im Dekumatenland ist jedenfalls ein dichteres Wegenetz zu erwarten als in den historischen Quellen und der bisher sehr lückenhaften archäologischen Erfassung aufgezeigt ist.

2.
Ich möchte hinterfragen, ab die in der Tabula Peutegerania abgebildete "Donaustraße" von Regensburg südlich der Donau entlang https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/TabulaPeutingeriana.jpg durch den Schwarzwald nach (jeweils mit Fragezeichen, ich kann die Begriffe nicht ganz lesen) Samulocemo, Brigobane, Tenedonce und Augusta Ruracum (sicher Augst, jenseites des Rheins) führende Straße tatsächlich durch Rottweil geführt hat.
Ich vermute vielmehr die geradlinige Weiterführung im Donau- und Bregtal etwas südlich an Donaueschingen vorbei bis zu einem Übergang über die Breg (wohl Hüfingen mit seinem Kastellbad) und von dort entlang der Wutach (Achdorf, Weilheim/Baden, Birndorf), den Hotzenwald passierend, nach Süden zum Rhein, während die Straße vom Übergang aus nach Norden weiter bis Rottweil führte.

Nun stammt die Tabula wohl aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts (ca. 375 n. Chr.), zu einer Zeit also, zu der das Gebiet schon seit rund 100 Jahren im Alemannischen Herrschaftsgebiet lag. Wenn also trotzdem (!) in der Tabula eine Straße nördlich des Bodensees vorbei bestätigt ist, dann war diese zu dieser Zeit noch benutzbar - was auch den Bestand entsprechender Straßenstationen im alemannischen Gebiet voraus setzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun stammt die Tabula wohl aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts (ca. 375 n. Chr.), zu einer Zeit also, zu der das Gebiet schon seit rund 100 Jahren im Alemannischen Herrschaftsgebiet lag. Wenn also trotzdem (!) in der Tabula eine Straße nördlich des Bodensees vorbei bestätigt ist, dann war diese zu dieser Zeit noch benutzbar - was auch den Bestand entsprechender Straßenstationen im alemannischen Gebiet voraus setzt.

Bei diesem Gedankengang wäre ich vorsichtig. Die TP beinhaltet zum Beispiel auch Pompeii, das bereits seit knapp 300 Jahren unter einer Ascheschicht begraben war. Es ist davon auszugehen, dass diese Karte auf älteren Vorläuferkarten beruhte, und dass nicht alle Angaben zu dem Zeitpunkt noch aktuell waren.
 
Ich möchte hinterfragen, ab die in der Tabula Peutegerania abgebildete "Donaustraße" von Regensburg südlich der Donau entlang https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/50/TabulaPeutingeriana.jpg durch den Schwarzwald nach (jeweils mit Fragezeichen, ich kann die Begriffe nicht ganz lesen) Samulocemo, Brigobane, Tenedonce und Augusta Ruracum (sicher Augst, jenseites des Rheins) führende Straße tatsächlich durch Rottweil geführt hat.

Die Namen sind:

Tenedone (Tenedo) - Zurzach
Iuliomago (Iuliomagus) - Schleitheim
Brigobanne (Brigobannis) - Hüfingen
Aris flavis (Arae Flaviae) - Rottweil
Samulocenis (Sumelocenna) - Rottenburg
Grinarione (Grinario) - Köngen (mittelalterlich: Cunticha)
Clarenna - Donnstetten
Ad Lunam - Lonsee

Aus Rottenburg stammt eine Inschrift mit der gut lesbaren Ortsangabe SUMELOCENNENSIS:
7414 Bauinschrift (Bilder)

Aus Köngen stammt ein Meilenstein mit der Angabe A SUMEL M.P. XXVIII:
7387 Meilenstein des Kaisers Hadrian

29 Meilen entspricht ziemlich genau der Entfernung Köngen-Rottenburg. (Die Entfernung auf den Peutingertafeln ist auf dieser Strecke wahrscheinlich in Leugen, nicht in Meilen angegeben.)

Außerdem gibt es eine Köngener Inschrift, auf der sowohl die Ortsangaben [SU]MELOCENES
wie auch VICI GRINAR zu lesen sind:
7389 Bauinschrift für die Umfassungsmauer eines Jupiterheiligtums (Bilder)

Damit steht zweifelsfrei fest, dass Rottenburg mit Sumelocenna und Köngen mit Grinario zu identifizieren ist.
Die Straße zwischen Rottweil und Rottenburg ist teilweise heute noch sichtbar, die Straße zwischen Rottenburg und Köngen archäologisch gesichert. In der Gegend von Wannweil verlief sie links des Neckar, in Wannweil kann es also keine Straßenstation gegeben haben.

Aus Rottweil stammt ein Wachstäfelchen mit der Orts- und Datumsangabe ACTUM MUNICIPIO ARIS PRIDIE N AUGUSTAS [etc.]:
Datei:Römermuseum Osterburken (DerHexer) 2012-09-30 035.jpg – Wikipedia
Demnach ist auch nicht daran zu zweifeln, dass Rottweil ein municipium mit dem Namen Arae war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Darüber hinaus sind die nur regional und lokal bedeutenden Straßenverbindungen nicht aufgeführt.
Woher nimmst Du also die Gewissheit, dass die von Dir genannten Orte "abseits der (wichtigen) Römerstraßen" lagen?

Die eine wichtige Römerstraße lief (von Augst) über Rottweil (municipium) und Rottenburg (civitas) nach Köngen (vicus, ursprünglich mit Kastell). Dort gab es eine Abzweigung nach Osten über die Alb - das ist die Strecke, die auf den Peutingertafeln erwähnt wird. Die Nord-Südverbindung ging aber weiter zum Kastell Bad Cannstatt (römischer Name unbekannt), und von dort zweigte die nächste wichtige Straße nach Westen ab, die über Pforzheim in die Rheinebene führte. Diese Straße ist archäologisch sehr gut nachvollziehbar:

Hier der Verlauf in der Gegend Weil der Stadt / Weilimdorf:
https://www.gerlingen.de/die+roemer+in+gerlingen

Damit haben wir zweifellos die beiden wichtigsten Fernstraßen im Bereich Wannweil / Weilimdorf / Weil der Stadt / Weil im Schönbuch.
Und zweifellos liegt keiner dieser Orte direkt an der Straße. Um einen Abstecher in diese Orte zu machen, war man zu Fuß oder mit bepacktem Maultier jeweils mindestens eine Stunde unterwegs.
 
Zuletzt bearbeitet:
Archäologisch wird das Ergebnis durch die erschlossenen Gräberfelder (Sindelsdorf 1. Hälfte 6. Jh. bis frühes 8. Jh. - u.a.) bestätigt, in denen in der Frühzeit überwiegend romanische Bestattungen im Laufe der Zeit zunehmend durch germanische Bestattungsbeigaben ersetzt wurden.
Mir fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung, warum Bestattungsbeigaben in Gräbern ein und desselben Friedhofs (!) Auskunft über die bevorzugte Sprache des einzelnen Individuums geben könnten.

Das einzige, was uns irgendeinen Hinweis auf die Sprache der in Sindelsdorf Bestatteten liefern kann, ist der Ortsname mit dem deutschen Grundwort Dorf und dem deutschen Namen Sindolf - mit deutschem Genitiv -(e)s - als Bestimmungswort.
 
Zurück
Oben