Die Ursprungsmythen der Diné (Navajo/Navaho)

El Quijote

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Ich lese gerade über die Ursprungsmythen der Navajo, die nach Haarmann (Weltgeschichte der Sprachen, S. 100 ff) mit anderen Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten.

In den mündlichen Überlieferungen der Navajo, d.h. in ihren Mythen, Erzählungen und Gesängen finden sich Anklänge an große Wanderungen, mit der ihre Vorfahren aus dem hohen Norden in den Süden kane (Rex Lee Jim 1996). Nach Auffassung der Navaho, die sich selbst Diné >Leute< nennen, gibt es verschiedene Welten, die stufenweise aufeinander aufbauen, wobei sich die ältesten Erinnungern mit der >Schwarzen Welt< assoziieren.
Die Erzählungen von Ereignissen in jener Welt lassen erkennen, daß die Menschen damals noch in der arktischen Tundra gelebt haben.
Die zweite Welt wird >Blau-Grüne Welt< genannt. Die Pflanzen und Tiere sind solche, die man im Westen Kanadas findet.
Die Landschaften der dritten Welt (>Gelbe Welt<) ähneln denen, die man mit den westlichen Abhängen der Rocky Mountains und mit den Ebenen im Südwegen adentifizieren kann.
Die vierte, die >Glänzende Welt<, ist das Kernland der Navaho, das Dinétah heißt und ungefähr der Gobernador-Region im Nordwesten Neumexicos entspricht (Griffin-Pierce 1992). Die archäologischen Hinterlassenschaft läßt darauf schließen, dass die Vorfahren der Navaho etwa im 14. Jahrhundert in ihr heutiges Siedlungsgebiet gelangten. Im Zuge ihrer Wanderungen mussten sie sich anpassen. Die längste Zeit waren sie Jäger und Sammler gewesen. Erst in Dinétah wurden sie seßhaft und erwarben von ihren neuen Nachbarn, den Pueblo-Indianern, die Kenntnise des Ackerbaus.
...
Die Sprache der Navaho ist reich an Terminologien, die ihre Anpassung an die sich verändernde Umwelt spiegeln: die Welt der Wildbeuter (in den Mythen und Erzähungen), die der Ackerbauern sowie die Sphäre der spirituellen Verankerung allen Lebens. ...."

Soweit zum möglichen "wahren Kern von Herkunftsmythen". Wobei die sich übereinander aufbauenden "Welten" eine Tradition sind, die sich auch in mittelamerikanischen Überlieferungen findet. Der Weg aus diesen Welten in die nächsthöhere Welt erfolgt zwangsläufig über Höhlen - die ja auch der biologischen Herkunft von Säugetieren und Menschen "aus der Bauchhöhle" entsprechen.
Das Zitat im Zitat stammt aus Haarmanns Weltgeschichte der Sprachen: von der Frühzeit des Menschen bis zur Gegenwart.

Haarmanns Behauptung also ist, die erste/schwarze Welt erinnere an die sibirische Tundra.
Ich finde dagegen in der Creation Story, dargestellt von Harold Carey Junior folgendes über die erste Welt:
Die erste Welt war nachtschwarz, es gab nur vier verschiedenfarbige Wolken: Die weiße und die schwarze Wolke formten den Mann und den weißen Mais, die blaue und die gelbe Wolke formten die Frau und den gelben Mais. In dieser Welt gab es bereits schwarze Ameisen, die Bienen- und die Wespenleute, Coyote, zwei sprechende Götter und die erste Morgenröte, den ersten blauen Himmel, den ersten Sonnenuntergang und die erste Nacht. Außerdem ewiges Leben und Glück. Das scheint so ein interkulturelles Mythem zu sein, die Vertreibung aus dem Paradies, wo ewiges Leben und Glück herrscht, das finden wir mit Adam und Eva genauso, wie bei den Römern und Griechen mit ihrem Goldenen Zeitalter.

Also, was haben wir, was an Natur gemahnt? Insekten - die es freilich auch in der Tundra gibt - und - Trommelwirbel und Tusch:

MAIS.

Mais war präkolumbin verbreitet von Perú bis zum Sankt-Lorenz-Strom in Ostkanada. Die Urform des Mais, die Teosinte, wächst in der Sierra Madre in Mexiko und an einigen Stellen in Utah. Opinio communis ist, dass der Mais erstmals in Zentralmexiko domestiziert wurde, aber vereinzelte Stimmen gibt es auch für die These, dass Mais in Utah oder sowohl da als auch dort domestiziert wurde (dazu muss man allerdings sagen, dass das not very likely ist, da die Teosinte als Urform des Mais für den Laien kaum als Mutterpflanze des Mais zu erkennen ist).
Wem ist nun zu folgen: dem auf die Navajo spezialisierten Harold Carey oder Haarmann, dem von linguistischer, althistorischer und archäologischer Seite gerne mal vorgeworfen wird, im Trüben zu fischen?* Denn es wird kein Tier oder keine Pflanze genannt, das typisch für die Tundra ist (also dass wir wenigstens die Landschaftsform Tundra zweifelsfrei identifizieren könnten, die es ja außer in Sibirien auch in Alaska und Kanada gibt). Stattdessen der Mais, mit dem die Navajo vor dem 14. Jhdt. kaum in Berührungs gekommen sein dürften. Dieses zentrale Lebensmittel der mesoamerikanischen und uto-aztekischen Völker spielt eine bedeutende Rolle bereits in der ältesten Welt des Diné-Ursprungsmythos, was besagt das über das Alter dieses Mythos, wenn die Mythenträger erst im 14. Jhdt. - oder meinetwegen auch schon im 12. oder 13. Jhdt. - damit in Berührung gekommen sind?


* Raphael Brendel (Althistoriker): "Schon der konventionelle Althistoriker, der sich der Erforschung der antiken Griechen und Römer widmet, sieht sich trotz einer erheblich besseren Quellenlage mit zahlreichen Fragen konfrontiert, die bislang noch nicht zufriedenstellend gelöst sind (und das vielleicht auch niemals werden). Um wie viel mehr muss das dann für die hier behandelte Vor- und Frühgeschichte gelten."

Robert Kuhn (Archäologe): "teils sehr gewagten Thesen und Theorien"
Wolfgang Krischke (Historiker, Journalist): "suggeriert Eindeutigkeiten, wo in Wirklichkeit Unklarheiten herrschen."
Herbert Ernst Brekle (Linguist): "nicht immer zuverlässig und zumindest in Teilen nicht auf dem Stande der Forschung"
(Die ersten drei Rezensionen sind durchaus wohlwollend gegenüber Haarmann, Brekle zwar im Ton freundlich, aber in der Aussage vernichtend. Die Rezensionen beziehen sich auf die Bücher Rätsel der Donauzivilisation, Universalgeschichte der Schrift und Auf den Spuren der Indoeuropäer)
 
Interessant ist auch
Donald Sandner: So möge mich das Böse in Scharen verlassen", Eine psychologische Studie über Navajo-Heilrituale.

Wahrscheinlich ist es nur noch antiquarisch zu bekommen.

Es wirft aus der Sicht jungianischer Psychoanalyse einen Blick auf Heilrituale, der sowohl die Einschätzung der in der römischen Republik häufigen Lustrationen, als auch die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen erweitern kann.
 
Haarmanns Behauptung also ist, die erste/schwarze Welt erinnere an die sibirische Tundra.
nein !
ich habe Hartmann mit "arktische Tundra" zitiert. Es macht keinen Spaß, ständig Verdrehungen richtig stellen zu müssen.
Das gilt auch bezüglich der weiteren Ausführungen oben. So bestätigt auch Hartmann, dass die _(zu den Apache gehörenden Navajo) den Maisanbau erst im 14. Jhdt. übernommen haben.
Ich habe keine Lust, hier Windmühlengefechte zu führen und ständig Unterstellungen zu berichtigen. So kann man zwar ein Forum am Laufen halten - aber das führt nicht zu sinnvollen Diskussionen.

Im Übrigen gehören die Navaho oder Navajo nicht nach Lateinamerika. Die Sprachgruppe der Na-Dene reicht von Alaska (Athabasken) über Nordwestkanada bis zum Süden der USA (Navajo und Apache).
Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hierzu nur den entsprechenden WIKIPEDIA Karteneintrag posten, auch wenn Wiki hier bei manchen Moderatoren "verpönt" ist.
Na-Dene_langs.png


Dass der Begriff "altamerikanische Kulturen" dagegen weit ausgelegt wird, ist akzeptabel. Denn Kulturen im archäologisch-historischen Kontext sind nicht nur die - möglicherweise von Mittelamerika beeinflussten - "Mounds-Bauer" etwa im Bereich des Mississippi, sondern beispielsweise auch Jäger und Sammler. Das nur, um der nächsten Verdrehung gleich Vorschub zu leisten.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich habe Hartmann mit "arktische Tundra" zitiert. Es macht keinen Spaß, ständig Verdrehungen richtig stellen zu müssen.
Tu mal nicht so beleidigt. Ich räume ein, dass da ein Missverständnis vorliegt (was aber in der Sache egal ist, denn die Ursprungsmythen verweisen nicht erkennbar auf die Tundra und zudem auf Mais!). Aber überleg doch mal, wie solche Missverständnisse zustande kommen, ob da alleine der Empfänger zu blöd ist, zu verstehen, oder nicht das Missverständnis bereits beim Sender angelegt:

Ich lese gerade über die Ursprungsmythen der Navajo, die nach Haarmann (Weltgeschichte der Sprachen, S. 100 ff) mit anderen Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten.
...
...
Die Erzählungen von Ereignissen in jener Welt lassen erkennen, daß die Menschen damals noch in der arktischen Tundra gelebt haben.
 
Das gilt auch bezüglich der weiteren Ausführungen oben. So bestätigt auch Hartmann, dass die _(zu den Apache gehörenden Navajo) den Maisanbau erst im 14. Jhdt. übernommen haben.
Die Navajo zu den Apachen zu klassifizieren ist ungefähr so, als würde man zu einem Dänen sagen, er sei Deutscher.

Ich habe keine Lust, hier Windmühlengefechte zu führen
Dann lass doch solche Aussagen:

Im Übrigen gehören die Navaho oder Navajo nicht nach Lateinamerika.
Wie du selber feststellst haben wir zwei Unterforen USA |Kanada ein anderes Lateinamerika | Altamerikanische Kulturen. Die Navajo sind eine altamerikanische Kultur. Das muss man nicht weit auslegen, das ist so. Wenn wir sie nicht bei ihrer Eigenbezeichnung Diné bezeichnen, dann ist sogar ihr Name Spanisch und sie leben - Teil der athapaskischen Kultur hin oder her - in einem Teil der USA, der mal zum Vize-Königreich Neuspanien bzw. nach 1821 zu México gehörte und in dem bis heute Menschen leben, die besser Spanisch als Englisch sprechen.

um der nächsten Verdrehung gleich Vorschub zu leisten.
So. Dieser Satz macht mich richtig sauer. Ich empfinde ihn als zutiefst ehrverletzend.
Es kann sein, dass wir aneinander vorbeireden.
Es kann sein, dass wir uns gegenseitig missverstehen. Da kann man immer analysieren, worin das Missverständnis liegt, liegt es an einem Manko beim Sender oder an einem beim Empfänger? Niemand ist perfekt.
Du aber unterstellst Absicht.

Ich stelle also noch einmal heraus:
DU hast geschrieben, dass die "Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten" und dann Haarmann mit "arktischer Tundra" zitiert. Und dann wunderst du dich, dass man 1 und 1 zusammenzählt.
Ja, du hast nicht geschrieben, dass die ältesten Mythenschichten aus Sibirien stammen, aber der Sachverhalt, dass die Na Dene zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten" ist für die Argumentation völlig irrelevant gewesen. Sobald man ihm Relevanz beimisst, kommt man zu der offenbar falschen Schlussfolgerung, zu der ich gekommen bin. Ein typisches Beispiel für Sender- und Empfängerproblematik.

Darum merk dir für die Zukunft eines: Wenn du glaubst, ich verdrehte dir das Wort, dann sei dir sicher, dass das nicht der Fall ist!

Auch für mich sind Metadiskussionen wie diese ärgerlich und alles andere als erquicklich.
Du hast in einem solchen Fall zwei Möglichkeiten: Entweder du stellst heraus, wann und wo ich dich missverstanden habe, oder aber du schaust, wo der Fehler liegen könnte, völlig unerheblich, ob bei dir oder bei mir. Also aufklären bzw. Fehleranalyse, nicht einschnappen. Danke sehr!
 
Haarmann nimmt an, wenn ich dich, erich, richtig verstanden habe, dass ein Teil des Wortschatzes noch aus der sibirischen Epoche der Na Dene stammt.

Es gibt ja immerhin die Hypothese, wonach eine Verwandtschaft der Na-Dene-Sprachen mit den jenisseischen Sprachen Sibiriens bestehen soll.
Als wichtigste Verfechter dieser Hypothese sind Edward Vajda und Werner Heinrich zu nennen, hier zwei Kostproben:
https://www.uaf.edu/anlc/docs/Vajda_2013_Vestigial.pdf
Zur jenissejisch-indianischen Urverwandtschaft

Kritisch bis ablehnend dazu z. B.:
Lyle Campbell:
(PDF) The Dene–Yeniseian Connection (Kari and Potter, eds.)
Claus Schönig:
https://www.jstor.org/stable/10.13173/zeitdeutmorggese.158.1.0193?seq=1
 
Dieses zentrale Lebensmittel der mesoamerikanischen und uto-aztekischen Völker spielt eine bedeutende Rolle bereits in der ältesten Welt des Diné-Ursprungsmythos, was besagt das über das Alter dieses Mythos, wenn die Mythenträger erst im 14. Jhdt. - oder meinetwegen auch schon im 12. oder 13. Jhdt. - damit in Berührung gekommen sind?

Ich halte es zumindest für möglich, dass der Mais, grade weil er so eine zentrale Position in der Nahrungsmittelversorgung hatte, auch in ältere Mythen integriert wurde, die noch aus einer Zeit vor der Übernahme des Ackerbaus stammten. Die Tundra erkenn ich im zitierten Textabschnitt allerdings auch nicht wieder...
 
Ich halte es zumindest für möglich, dass der Mais, grade weil er so eine zentrale Position in der Nahrungsmittelversorgung hatte, auch in ältere Mythen integriert wurde, die noch aus einer Zeit vor der Übernahme des Ackerbaus stammten.
Das ist natürlich richtig. Aber genau darum geht es ja in der übergeordneten Fragestellung, weswegen Erich das Bsp. der Diné hervorgezaubert hat, ob man das Alter der einzelnen Überlieferungsschichten identifizieren kann. Und der Mais muss aus einer ziemlich jungen Überlieferungsschicht im Mythos der Diné stammen. Das besagt nicht, dass der Mythos genauso jung ist. Aber es zeigt eindrücklich, wie formbar Mythen sind und eben nicht statisch und somit für den Historiker, der glaubt, in den Mythen in eine weit zurückliegende Zeit vorstoßen zu können ein trügerisches Terrain, bei dem es kaum eine sinnvolle Methode gibt, die Alterschichten der Mythen zu separieren.
Ich sehe durchaus auch Parallelen zum Ursprungsmythos der Hopi, die nicht zur athanapaskischen sondern zur uto-aztekischen Familie gehören, so verlassen die Navajo die erste Welt durch ein Schilfrohr. Die Hopi überleben in einem Schilfrohr die Zerstörung einer ihrer Welten (die Welten der Hopi werden durch Feuer, Wasser und weitere Naturkatastrophen zerstört, das Schilfrohr ist bei den Hopi gewissermaßen die Arche Noah). Eine weitere Parallele ist, dass in beiden Überlieferungen es dem personifizierten Bösen immer wieder gelingt, mit von der einen in die andere Welt zu gelangen.
 
Sagt der Hopi-Mythos auch etwas über den Mais und seine Herkunft und, wenn ja, was?
Ja. Hier wird der Mensch als Maisfladen erschaffen. In der Version des 20. Jhdts. backen die Götter den Menschen aus Maismehl und zunächst verbrennt der Mais und die Menschen werden zu dunkel. Dann lassen die Götter den Fladen nicht lang genug im Ofen und die Menschen bleiben zu blaß, erst beim dritten Versuch* gelingt es, den perfekten Bräunungsgrad zu erreichen. Mich würde ja interessieren, wie der Mythos im Präkolumbinium erzählt wurde.

Der Mais spielt bei den Hopi eine sehr große Rolle, im Kultus vor allem der hierzulande fast unbekannte blaue Mais. Maismehl von blauem Mais wird häufig verwendet für kultische Handlungen, z.B. werden Neugeborene mit Mehl vom blauen Mais bestäubt und noch vieles mehr (ist schon fast acht Jahre her, dass ich mich damit ausführlicher beschäftigt hätte, daher habe ich viele Details nicht mehr so parat).


*es mag auch sein, dass die ersten beiden Versuche in der umgekehrten Reihenfolge misslangen, aber das halte ich für unwesentlich.
 
DU hast geschrieben, dass die "Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten" und dann Haarmann mit "arktischer Tundra" zitiert. Und dann wunderst du dich, dass man 1 und 1 zusammenzählt.
Ja, du hast nicht geschrieben, dass die ältesten Mythenschichten aus Sibirien stammen, aber der Sachverhalt, dass die Na Dene zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten" ist für die Argumentation völlig irrelevant gewesen. Sobald man ihm Relevanz beimisst, kommt man zu der offenbar falschen Schlussfolgerung, zu der ich gekommen bin. Ein typisches Beispiel für Sender- und Empfängerproblematik.
Was Du da hineininterpretierst ist Deine Interpretation und nicht meine Aussage. "Lies sorgfältig" ist eine Deiner Standardformulierungen. Das gilt für Dich genauso.
Der Hinweis auf die "vorletzte Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika ist eine Abgrenzung zur "letzten Migrationswelle", die aus den Eskimo-Völkern besteht - und diese Völker haben sich in historischer Zeit ausgebreitet. Sie besiedeln heute noch Gebiete von Ostsibirien bis Grönland, wo die Eskimo dann auch auf die Wikinger gestoßen sind.
Das ist also nichts anderes als ein Hinweis auf die relativ kurze Zeitspanne, in der diese "vorletzte Migrationswelle" zurück liegt. Und dieser Hinweis ist somit nicht - wie Du meinst - völlig irrelevant sondern geradezu notwendig und Relation zu der in #3 eingefügten Karte.
Und wenn man sich vergegenwärtigt, wie konkret die isländischen Sagas - bis hin zu Personenbenennungen - sind, dann darf es nicht verwundern, dass sich in älteren indigenen Mythen auch allgemeinere Hinweise auf arktische (nicht sibirische) Gegebenheiten finden. Zumal sich in dieser in #3 eingefügten Karte ersehen lässt, dass das Verbreitungsgebiet dieser Sprachgruppe immer noch bis Alaska und Nordwestkanada reicht - also in arktische Gebiete Nordamerikas. Die "Abspaltung" bzw. "Südwanderung" der südlichen Teile der Na-Dene erfolgte in einer Zeit, die mit der Ostwanderung der Eskimo übereinstimmt.

Es gibt ja immerhin die Hypothese, wonach eine Verwandtschaft der Na-Dene-Sprachen mit den jenisseischen Sprachen Sibiriens bestehen soll.
Ein schöner Versuch, El Quijote zu Hilfe zu kommen. Der sich aber auf keinerlei Beiträge von mir stützen kann, sondern mit dem Du die Diskussion erneut auf Sibirien erweiterst. Allerdings habe ich auf die Na-Dene Sprachgruppe abgehoben und nicht auf die jenisseischen Sprachen Sibiriens.
Die These ist - wie Du selbst darlegst - zudem nicht unumstritten.

Dennoch möchte ich diese These aufgreifen - es gibt auch in Nordostsibirien lokale Überzeugungen, die Existenz eines Universums liege auf drei Ebenen vor: einer höheren Welt, einer mittleren Welt und einer niedrigeren (unterirdischen) Welt. Dieser Hinweis auf eine "unterirdische Welt" korrespondiert mit den Entstehungsmythen westamerikanischer Indigener *), wonach deren Vorfahren aus einer "unterirdischen Welt" durch "Geburtshöhlen" auf diese "mittlere Welt" gekommen seien.
Der Ursprung dieser Mythen scheint durch neuere geologische Forschungen am Batagaika-Krater in Nordostsibirien (Jakutien) erklärbar. Der hat sich kürzlich durch die Klimaerwärmung gebildet, wobei schmelzendes Eis im Permafrostboden die Kraterbildung verursacht.
Bildlich erklärt: Stell Dir einfach einen bis zum Boden durchgefroren riesigen See vor, der mit Sand- Schnee- und gefrorenen Schlammverwehungen durchsetzt und bedeckt ist, einen "umgedrehten Eisberg". Sobald das Eis des Sees schmilzt, sackt die Oberfläche entsprechend ein.
Der Prozess wird durch die Freisetzung von Gasen wie Kohlendioxid oder Methan aufgrund des Schmelzprozesses von Permafrostböden beschleunigt.
Nun ist dieses "Auftauen" nicht nur auf Ostsibirien beschränkt. Die arktische Zone umfasst auch das Na-Dene Siedlungsgebiet in Alaska und Nordwestkanada. Auch dort gab es am Ende der Eiszeiten entsprechende "Tauprozesse" und Einbrüche ("Megaslump"), auch heute noch (oder wieder). Der Prozess war zwischenzeitlich lediglich weitgehend zum Stillstand gekommen und wird heute durch die Klimaveränderung wieder angestoßen **).
Diese verstärkte Kraterbildung zum Ende der Eiszeiten ***) könnte zur Überzeugung einer unterirdischen Welt beigetragen haben. Wir brauchen also gar keine genetische oder linguistische Verwandtschaft, um gemeinsame bzw. vergleichbare Mythen zu erklären.

*)
Damit sind nicht ausschließlich Na-Dene Völker gemeint, sondern auch andere Sprachgruppen bis hin zu den mittelamerikanischen Uto-Azteken mit ähnlichen Ursprungsmythen.

**)
Tatsächlich betrug der Kohlendioxidgehalt am Ende der letzten Eiszeit, als die Zusammenbrüche häufiger auftraten, 280 ppm. Derzeit belaufen sie sich auf 400 ppm.

***)
Damit meine ich auch die Temerapturschwankungen der letzten Jahrtausende, ggf. bis hin zur sogenannten "Kleine Eiszeit", die sich nicht nur auf Europa erstreckte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was Du da hineininterpretierst ist Deine Interpretation und nicht meine Aussage. "Lies sorgfältig" ist eine Deiner Standardformulierungen. Das gilt für Dich genauso.
Es ist geschlagene zwei Monate her, dass wir diskutiert haben. Es ist okay, dass du den Faden wieder aufgreifst. Aber es ist schade, dass du einen Meta-Streit, der beigelegt sein könnte, wieder anfachst.
Ich habe zugegeben, dass du nicht expressis verbis geschrieben hast, dass die ältesten Mythenschichten aus Sibiren stammen. Aber noch einmal: So, wie du deinen Beitrag komponiert hast, nämlich mit der Aussage

Ich lese gerade über die Ursprungsmythen der Navajo, die nach Haarmann (Weltgeschichte der Sprachen, S. 100 ff) mit anderen Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten.​

und direkt darauf folgend dem Zitat aus Haarmann

In den mündlichen Überlieferungen der Navajo, d.h. in ihren Mythen, Erzählungen und Gesängen finden sich Anklänge an große Wanderungen, mit der ihre Vorfahren aus dem hohen Norden in den Süden kane (Rex Lee Jim 1996). Nach Auffassung der Navaho, die sich selbst Diné >Leute< nennen, gibt es verschiedene Welten, die stufenweise aufeinander aufbauen, wobei sich die ältesten Erinnungern mit der >Schwarzen Welt< assoziieren.
Die Erzählungen von Ereignissen in jener Welt lassen erkennen, daß die Menschen damals noch in der arktischen Tundra gelebt haben.

kommt man gerade zwangsläufig zu dem Fehlschluss, egal wie sorgfältig man liest. Ob du das nun einsiehst oder nicht, ändert nichts an deiner Komposition.
Die vorletzte Migrationswelle aus Sibirien hättest du dir sparen können, weil sie mit dem Thema nicht zu tun hat.
Insofern habe ich mir den Schuh, den du mir nach zwei Monaten Pause überzustülpen versuchst, nicht anzuziehen.

Ich habe schon vor zwei Monaten begriffen, dass du das nicht so gemeint, wie du das geschrieben hast. Nun begreif bitte du, dass man es so, wie du es geschrieben hast, in der Art begreifen musste, in der ich es begriffen habe.
 
Ein schöner Versuch, El Quijote zu Hilfe zu kommen. Der sich aber auf keinerlei Beiträge von mir stützen kann
Ich wüsste nicht, wozu El Quijote hier meiner Hilfe bedürft hätte. Der von mir zitierte Satz dreht sich um Haarmann, der ja tatsächlich auf die Möglichkeit transpazifischer Sprachverwandtschaften zum Na-Dene zu sprechen kommt. Hierzu habe ich die (aus meiner Sicht) noch am ehesten diskussionswürdige Hypothese beigesteuert. (Ich selber neige da eher den Skeptikern zu.)
 
Manchmal braucht man etwas Zeit, um zu antworten - einmal, weil man nicht aus der Emotion heraus antworten sollte, und dann weil es auch noch andere Dinge gibt. Dazu kommt, dass manche Erkenntnisse erst reifen müssen, oder sogar ("Megaslump") neu gewonnen werden.
Und Fakt ist, ich habe mich massiv geärgert, dass aus dem Zitat zur "arktischen Tundra" (die es ja im ebenfalls zitierten "hohen Norden Nordamerikas" gibt)
finden sich Anklänge an große Wanderungen, mit der ihre Vorfahren aus dem hohen Norden in den Süden kamen ....
plötzlich die sibirische Tundra wurde, für mich offenbar in dem Bemühen, meine Aussage zu verfälschen (und in's Lächerliche zu ziehen ?) und mir "an's Bein zu pinkeln".

Wenn Du jetzt schreibst:
Ich habe schon vor zwei Monaten begriffen, dass du das nicht so gemeint, wie du das geschrieben hast. Nun begreif bitte du, dass man es so, wie du es geschrieben hast, in der Art begreifen musste, in der ich es begriffen habe.
dann frage ich mich erst recht, wieso Du - trotz gegenteiligen "Begreifens" und des "Verstehen, wie es gemeint war", also bewusst - mein Zitat zur "arktischen Tundra" auf Sibirien verfälscht hast.
Du hast mich also bewusst missverstanden um mir eine Aussage unterzuschieben, von der Du jetzt zugibst, dass Du meine Aussage mit dem "untergeschobenen" Kontext gar nicht so verstanden hattest.
 
Zuletzt bearbeitet:
... dann frage ich mich erst recht, wieso Du - trotz gegenteiligen "Begreifens" und des "Verstehen, wie es gemeint war", also bewusst - mein Zitat zur "arktischen Tundra" auf Sibirien verfälscht hast.

Am 18. November (siehe Beitrag 1) hat El Quijote die Formulierung "Navajo, die nach Haarmann ... zur 'vorletzten Migrationswelle' von Sibirien nach Nordamerika gehörten" so verstanden, als ob nach Haarmann die Navajo von Sibirien nach Nordamerika migriert wären.

Am selben Tag (siehe Beitrag 4) hat er sein Missverständnis bemerkt und eingeräumt, dass es ein Missverständnis war.

Gibt es noch irgendetwas zu klären, das die Öffentlichkeit interessieren könnte?
 
Wenn man deine Ausführungen

1. vorletzte Auswanderungswelle aus Sibirien​

und Haarmanns Ausführungen

2. Erzählung ließen erkennen, dass die Menschen der ersten schwarzen Welt in der arktischen Tundra lebten
3. die zweite blau-grüne Welt verweise auf Westkanda​

zusammennimmt: Was soll man dann schließen?

Ja, da hast es nicht explizit geschrieben, dass die ältesten Mythenstränge aus Sibiren stammten (ich gebe es ein weiteres Mal zu, wie schon seit zwei Monaten) - aber wenn du mal kritisch deine eigene Textkomposition liest: Was ergibt sich daraus, implizit?
 
Um das vielleicht noch mal klarzustellen:
- ich habe weder die Wanderung der Athapasken diskutiert
- noch ihre Route
- was ich diskutiert habe, ist, ob der Herkunftsmythos diese Wanderung widerspiegelt und somit als historische Quelle für die Zeit vor/während der Wanderung nutzbar ist. Letzteres negiere ich.

Eine historische Quelle wird der Mythos erst, wenn wir die richtigen Fragen an ihn stellen, nicht, wenn wir versuchen, aus ihm historische Ereignisse herauszuquetschen, die älter als 600 oder 700 Jahre sind. Es mag sein, dass der Mythos tatsächlich schon in einer Urform vor 800 Jahren erzählt wurde, aber diese lässt sich für uns nicht identifizieren.

Wahrscheinlicher scheint mir tatsächlich, dass die Diné ihren Mythos von den uto-aztekischen Völkern, etwa den Hopi übernahmen (also in etwa, wie die Franken aufgrund des Namens von Xanten (C. Ulpia Traiana) den Trojammythos für sich vereinnahmten), obwohl sie historisch gar nichts damit zu tun hatten. Dann wäre die Tradition der Navajo tatsächlich erst vor 600 bis 700 Jahren entstanden, als sie in die von ihnen heute besiedelten Gebiete einwanderten.
 
Also befinden sich in den Mythen doch noch Erinnerungen an Sibirien? Das wirst du ja kaum sagen wollen, nachdem wir uns darüber gestritten haben. Also ist zu fragen, warum das relevant ist?
Wie erklärst du den Mais in der ersten Welt im Ursprungsmythos der Diné? Mit dem kamen sie erst im Südwesten der USA in Berührung.

....
ich weiß nicht, warum Du ständig mit Sibirien ankommst.

Fakt ist:
Die Mythen der im Süden der USA lebenden Diné (Navajo/Navaho), die zu den Na-Dene-Völkern gehören, sprechen wohl von einer Nord-Süd-Wanderung und lassen Anklänge an eine arktische Urheimat sowie den Wanderweg von Alaska über Nordwestkanada und über Westkanade bis in den Süden der USA erkennen. Zu diesen Anklängen gehört möglicherweise die Tradition von einer "unterirdischen Welt", aus der die Vorfahren über eine Höhle in die heutige Welt gekommen seien. Eine solche Tradition könnte durch geologische Prozesse in arktischen Gebieten ("Megaslump") erklärbar sein.

Die Na-Dene-Völker sind heute noch von Alaska bis zur Südgrenze der USA (Navajo) verteilt. Deren Vorfahren gehören zur vorletzten Migrationswelle von Sibirien nach Alaska (also vor den Innuit, die heute von Sibirien bis Grönland beheimatet sind). Das kann sowohl durch linguistische Überlegungen (Haarmann) wie durch genetische Untersuchungen geschlossen werden. Die letzten Spuren dieser Migranten, der Paläo-Eskimo, sind archäologisch etwa 700 Jahre alt. Die Nord-Süd-Wanderung der Diné ist also nicht jünger als 700 Jahre.
Das ist ein Zeitraum, in den etwa die isländischen Sagas sehr konkret die Geschichte Islands mit der Entdeckung Grönlands und Nordamerikas (Heluland, Markland, Vinland) sogar mit Personenbenennungen wiedergeben. Die Ursprungssaga der Diné ist allerdings weniger konkret, müsste also älter sein.
Spätere Ausschmückungen und Beifügungen sind durchaus möglich, ändern aber am Kern der Wandersage "von der nordamerikanischen Arktis entlang der Rocky bzw. der pazifischen Küste bis an die Südgrenze der heutigen USA" nichts.

Der Kern der Wandersage ist somit archäologisch, genetisch und linguistisch bestätigt.

Wahrscheinlicher scheint mir tatsächlich, dass die Diné ihren Mythos von den uto-aztekischen Völkern, etwa den Hopi übernahmen
Das wird jetzt aber absurd.
Es ist doch wohl sehr viel wahrscheinlicher, dass die Diné diverse Ausschmückungen (z.B. den von Dir zitierten Mais) von den Uto-Azteken in ihrer späteren Überlieferung übernahmen, als dass die Uto-Azteken eine (wenn dann wohl wesentlich frühere) Wanderung von der Arktis Nordamerikas bis nach Mittelamerika selbst überliefert hätten.
 
ich weiß nicht, warum Du ständig mit Sibirien ankommst.
Deswegen:
Ich lese gerade über die Ursprungsmythen der Navajo, die nach Haarmann (Weltgeschichte der Sprachen, S. 100 ff) mit anderen Na-Dene-Vorfahren zur "vorletzten Migrationswelle" von Sibirien nach Nordamerika gehörten.

dass die IRRELEVANTE Information mit der vorletzten Migrationswelle aus Sibirien zu dieser falschen Schlussfolgerung führt.

es war eben KEINE IRRELEVANTE Information,

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Also würde ich den Stand der Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt damit zusammenfassen, dass wir uns darauf einigen können, dass Sibirien zwar mittelbar für die athapaskischen Völker und damit auch für die Diné eine Rolle spielt, aber keinen unmittelbaren Themenbezug hat?

Wenn du das bestätigst, dann würde ich - vorbehaltlich irgendjemand anderes würde etwas von Sibirien schrieben - in diesem Thread nicht mehr wieder Sibirien/sibirisch verwenden.

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Im Übirgen habe ich in deinem vorletzten Post etwas überlesen:

Die Ursprungsmythen der Diné (Navajo/Navaho), die von der großen Nord-Süd-Wanderung berichten, sind im Kern also minimal zwischen ca. 700 und 1000 Jahren alt, mit großer Wahrscheinlichkeit jedenfalls nur unwesentlich älter.
Ich nehme zwar an, dass da bei dir mindestens und maximal sich zu minimal verbunden haben, ich lese also - vorbehaltlich du negierst das nicht - minimal als maximal, aber das wäre doch eine Aussage, auf die man sich unter gewissem Vorbehalt einigen kann. Zumindest halte ich sie für zwar nicht beweisbar aber doch plausibel.
 
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