Der militärische Niedergang der Speerwerfer

B

Biller

Gast
In antiken Schlachten spielte der Speerwerfer als leichte, mobile Truppe ein bedeutende Rolle, aber im Mittelalter hört man von dieser Waffengattung kaum noch etwas. Selbiges gilt für die Steinschleuderer. Hat beiden der Bogenschütze schließlich den Rang abgelaufen? Und was liesse das für Rückschlüsse auf die Effektivität der antiken Bogentruppe zu?
 
Pfeile sind leichter und handlicher als Speere und du kannst Pfeile viel weiter schießen, das wusste man spätestens seit dem Magdalenién, also ungefährt vor 20.000 Jahren bereits, da tauchen nämlich die ersten Bögen auf und bald auch Pfeile mit Ersatzpfeilspitzen (also die steinerne Pfeilspitze wird auf einen kurzen Schaft gesetzt und der Originalpfeil mit einer Solbruchstelle ausgestattet, auf die der kurze Schaft geklebt wird. Splittert die Spitze an einem baum oder am Knochen des Jagdwildes, kann der Pfeil trotzdem wiederbenutzt werden).
Wir unterscheiden zwar heute in Speere als Fernwaffen und Lanzen und Spieße als Nahwaffen, aber in mittelalterlichen Texten werden Speer, Spieß und Lanze ziemlich durcheinander verwendet. Es scheint da keine begriffliche Diefferenzierung gegeben zu haben, wie wir sie kennen, gleichwohl waren natürlich die einzelnen Waffen aufgrund ihrer Gestaltung differenziert.
 
nun ja,ein Speer hat im Verhältnis zum Pfeil mehr Masse und ist im Zweifel auch sowohl im Nahkampf als auch auf kleinere und mittlere Entfernung im Fernkampf einsetzbar, hat also auch Vorteile gegenüber Pfeil und Bogen
Ausserdem ist er auch leichter herzustellen und weniger empfindlich
Nicht umsonst war er daher in extremen Klimazonen wie den Polargebieten bis zur Einführung des Gewehrs die bevorzugte Jagd und Kriegswaffe
Die Inuit verwenden ihn z.T. (in Form der Harpune) heute noch
und im 19.Jahrhundert waren Kampf- und besondere Wurfspeere bei vielen afrikanischen Völkern wie den Zulu mit beträchtlichem Erfolg als Kriegswaffen in Gebrauch.
Zur Zeit der Conquista waren mesoamerikanische Atlatlkämpfer selbst von den Spaniern gefürchtet, da der Waffe zumindest nachgesagt wurde ,auch die Rüstungen der Spanier durchdringen zu können.Zumindest war ,wenn man Masse und Geschwindigkeit berücksichtigt da mehr Wumms dahinter als bei einem Pfeil.
Interessant ist dass es in verschiedenen Kulturen wohl auch mit dem Wurfpfeil eine Waffe gab ,die die Vorteile von Wurfspeer und Pfeil zu kombinieren versuchte. und auch die Kombination von Bogenschützen und Speerwerfern lange Zeit bei diversen Armeen (z.B. bei den Römern) eingesetzt wurde.
Letztlich könnte es auch in Europa an der Änderung der Taktik im Mittelalter hin zum massierten Kavallerieangriff sowie an der Verbesserung der Bögen und dem Aufkommen der Armbrust (quasi als Wurfspeer 2.0 ) gelegen haben, dass der Wurfspeer als Kriegswaffe ausgemustert wurde.
 
Zur Zeit der Conquista waren mesoamerikanische Atlatlkämpfer selbst von den Spaniern gefürchtet, da der Waffe zumindest nachgesagt wurde, auch die Rüstungen der Spanier durchdringen zu können.
Ich erinnere mich an die Diskussion mit den Obsidian-Schwertern, da wurde ähnliches behauptet, ein Nachweis dafür konnte nicht erbracht werden. Solche Gerüchte, dass die Spanier Angst vor dieser oder jener aztekischen Waffe (Macuahuitl 'Obsidianschwert', eigentlich eine mit Obsidianklingen versehene Keule, ähnliches eines Cricket-Schlägers; Atlatl 'Speerschleuder') hatten, liest man häufiger, aber in den Quellen ist mir das noch nie begegnet.
 
gegenüber dem normalen Wurfspeer hat der Atlatl schon grössere Durchschlagskraft wie ich selbst schon ausprobiert habe.
Aber es kommt natürlich auf die Entfernung und die Art der Rüstung an.
Einen gehämmerten Plattenharnisch dürfte das teil nicht durchschlagen haben. Bei dünnem Blech, Leder oder Stofflagen könnte ich mir das auf kürzere Entfernung schon vorstellen, wenn auch nicht mit letaler Wirkung.
 
In antiken Schlachten spielte der Speerwerfer als leichte, mobile Truppe ein bedeutende Rolle, aber im Mittelalter hört man von dieser Waffengattung kaum noch etwas. Selbiges gilt für die Steinschleuderer. Hat beiden der Bogenschütze schließlich den Rang abgelaufen? Und was liesse das für Rückschlüsse auf die Effektivität der antiken Bogentruppe zu?
In Schwarzafrika wurden Speere und Steinschleudern bis Ende des 19. Jahrhundert benutzt. Zum Beispiel die von den Mahdi-Truppen im Sudan im Kampf gegen die Briten.

Gruss Pelzer
 
gegenüber dem normalen Wurfspeer hat der Atlatl schon grössere Durchschlagskraft
Das ist reine Physik. Man bräuchte keinen Atlatl, wenn der nicht dem aus dem Arm geschleuderten Speer überlegen wäre. Nicht nur wegen der größeren Durschlagskraft sondern damit unmittelbar verbunden auch der größeren Weite. Ist halt ein Unterschied, ob du dich dem Jagdwild auf 25 meter nähern musst, oder ob du es auf 75 Meter triffst.

Worauf ich mich bezog, war die populäre Behauptung, die spanischen Conquistadoren hätten Angst vor der Waffe X gehabt.

Solche Behauptungen liest man immer wieder, vor allem mit der weiteren Behauptung kombiniert, Waffe X hätte den Panzer der Spanier durchdrungen. Insbesondere Letzteres ist Unsinn.
Dass die Spanier Angst vor irgendeiner indianischen Waffe hatten, darf man positiv annehmen, weil es natürlich ist, vor Waffen, die gegen einen eingesetzt werden, Angst zu haben. Aber: In den Quellen ist davon - soweit ich sie überblicke - eigentlich nicht die Rede.
Dass die Spanier Angst darum hatten, dass ihre Rüstungen durchdrungen werden könnten, davon ist nicht auszugehen. Sie dürften ziemlich schnell herausgehabt haben, dass die Steinzeitwaffen der Azteken zwar durchaus tödlich, aber an den Rüstungen selbst wirklungslos waren.
 
Also ich habe mal darüber bei meiner Beschäftigung mit dem Atlatl ,die schon etwas zurück liegt gelesen, kann aber auch nicht mehr sagen ob es sich um eine Primär- oder Sekundärquelle handelte.
Von der reinen Physik her ,da sind wir wohl d accord, könnte es unter bestimmten eng umgrenzten Bedingungen bei schwachen Rüstungen funktionieren - der Rest scheint mir auch ein Gutteil Psychologie zu sein.
Wie bei allen Gerüchten könnte das unter Zusammentreffen aller erfolgversprechenden Umstände irgendwann mal geklappt zu haben und hat dann als Fama die Runde gemacht.
 
Hat beiden der Bogenschütze schließlich den Rang abgelaufen?
Davon gehe ich aus. Ich habe gerade erst einen interessanten Artikel zur römischen Feldarmee der Spätantike von Bernhard Palme gelesen. Die Tendenz ging dahin, salopp gesagt, das ganze Heer auf Pferde zu setzen. Dabei entwickelten sich auch immer schwerere Panzerreiter. Auch leichte Reiter mit 1-3 Speeren soll es gegeben haben (möglicherweise auch teilweise mit Steinschleudern). Nun hätten sie also was zum Werfen, aber da sind die (ebenfalls beritten vorhandenen) Bogenschützen in vielerlei Hinsicht überlegen. Oder man verwendet selbige Waffen für den Nahkampf - da sind die Panzerreiter merklich überlegen. Ich denke, man hat schnell gemerkt, dass Speerwerfer, wenn man Bogenschützen und Panzerreiter hat, die auf je einen Teil "spezialisiert" sind, kaum irgendjemandem überlegen sind. Insofern würde ich diese Frage bejahen.
 
Der Speer hat sich ja in 2 Richtungen entwickelt. Zum einen der Wurfspeer und zum anderen in Richtung Lanze/Stangenwaffe.
Der Wurfspeer hatte seine Berechtigung dahin, das man mit etwas Training eine „Fernwaffe“ hatte. Nicht umsonst waren Bogenschützen lange im Training und in der Ausbildung bevor sie ernst zu nehmen waren.
Der leichte Wurfspeer war aber fast nicht gegen Kavallerie zu gebrauchen. Von daher die Entwicklung zur Lanze.
Der Bogenschütze hatte nur bei Regen ein Problem, wegen der Sehne.
 
Der Bogenschütze hatte nur bei Regen ein Problem, wegen der Sehne.
Wobei (zugegeben weniger haltbaren) Sehnen aus Pflanzenfasern unempfindlicher Nässe gegenüber sind. Ich weiß nur nicht, ob man Pflanzen- oder Tierfasern verwendet hat. Größere Probleme gäbe es bei Regen mit der Präzision - nasse Federn, stark veränderte Flugbahn. Ob das aber wirklich ein Problem war kommt auf den Einsatz an: ungezielte große Salven oder gezielte Schüsse.

Ausnahmsweise hab ich mal einen Blick in Wikipedia geworfen: 20 Meter effektive Reichweite von Kriegsspeeren sagen die da, das kann man mal ungefähr als Ausgangspunkt nehmen. Bestätigt aber eigentlich nur die Vermutung, dass geübte Bogenschützen ihn als Fernkampfwaffe ablösten. Weniger Reichweite, und nach 20 Metern ist auch nicht mehr viel Energie drin, während ein Pfeil auf wesentlich größere Distanzen Rüstungen durchschlägt.
 
"Man bräuchte keinen Atlatl, wenn der nicht dem aus dem Arm geschleuderten Speer überlegen wäre. Nicht nur wegen der größeren Durchschlagskraft sondern damit unmittelbar verbunden auch der größeren Weite. "
Nicht nur. Ich habe in der Praxis die Erfahrung gemacht ,dass man mit dem Atlat auch über kürzere Distanzen zielgenauer werfen kann als mit einem einfachen Speer , Vermutlich ist die Gefahr den Wurf übers Handgelenk zu verziehen deutlich geringer
Durch die Hebelwirkung kann der Speer auf bis zu 150 km/h beschleunigt werden, wodurch eine wesentlich höhere Reichweite (70 bis 100 m ) erzielt und die Durchschlagskraft erhöht wird
Pfeile erlaubten zwar eine höhere Kadenz ,Reichweite und Flexibilität , aber innerhalb der jeweiligen Kampfentfernung hatte der Wurfspeer aufgrund der Kombination aus Masse x Beschleunigung die höhere Durchschlagskraft., die erst durch die Armbrust wettgemacht oder übertroffen wurde. Daher ist m.E. der Grund für die Ablösung des Wurfspeeres eher in der Armbrustentwicklung zu suchen als bei Pfeil und Bogen.

 
Zuletzt bearbeitet:
Atlatl gab es in Europa auch. Aber bis wannn? Mir sind die Dinger in Europa praktisch nur aus dem Magdalenién bekannt, da kamen auch Pfeil und Bogen auf.
Und der normale Wurfspeer? Kaum Reichweite, kompliziert zu transportieren.
Eine berittene Wurfspeerkavallerie, wie hier im Thread kurz angesprochen? Man stelle sich vor, ein Speerwerfer mit drei oder vier Speeren reitet heran, stoppt das Pferd, wirft seine 25 m.... da ist der Feind schon ran und zieht den Speerwerfer von seinem Klepper
- bevor er Gelegenheit hat einen zweiten Speer zu werfen
- das Ross wenden und davonreiten kann.
 
Zu Deinem Beispiel fällt mir der Kantabrische Kreisel ein. Damit konnte schwere Infanterie längere Zeit beschäftigt werden.

Der englische Artikel bei Wikipedia ist leider nicht gut, daher der Link zur spanischen Tante Wiki:

Círculo cántabro
 
Ein Speerwurf je Attacke, und dafür einem Regen von Pfeilen ausgesetzt sein. Die geringe Wurfweite des Speers gegenüber den ausgesetzten 80 m bei Attacke und dann erneut nach dem Wenden.
 
Dadurch das ein Reiter nach dem anderen an die Infanterie herangeht, zum Teil parallel, ist ein Permanenter Speerregen auf der Seite der Infanterie der dort niedergeht. Und Soldaten die die ganze Zeit Scutum und Pilum in der Hand haben, können kein Pilum werfen. Allenfalls die 2. Reihe und 3. Reihe.
 
Als Kavalleriewaffe war der Wurfspeer sicher eher ungeeignet
Ich sehe ihn auch eher als Infanteriewaffe und das gegen stärker gepanzerte Einheiten denen mit Pfeilen nur sehr bedingt beizukommen war.
Armbrüste wurden militärisch wohl zumindest ab Hastings 1066 in Europa durch die Normannen vermehrt eingesetzt , und in diesem Zeitraum nimmt der Gebrauch des Wurfspeers (Frame,Ango) auch rapide ab.
Bis dahin scheinen in der europäischen Taktik Schusswaffen nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.
 
Als Fernwaffe war ja zur Zeit der Völkerwanderung bei den Franken die Franziska im Einsatz, eine art Wurfaxt. Nur hat sie sich nicht lange gehalten.
 
Als Fernwaffe war ja zur Zeit der Völkerwanderung bei den Franken die Franziska im Einsatz, eine art Wurfaxt. Nur hat sie sich nicht lange gehalten.
Zu gleichen Zeit wie die Wurfaxt Franziska war auch der Wurfspeer Ango im Einsatz bei Franken und benachberte Germanenstämme im Einsatz. vgl. Wikipedia Ango
Franziska und Ango waren nur wenige Jahrzehnte im Gebrauch, wenn man von den Grabfunden ausgeht. Folgt man den spätantiken Geschichtsschreibern wurrden beide Waffen ausdrücklich geworfen. Warum die Franken u.a. gerade um 500 gleich zwei völlig verschiedene Wurfwaffen im Einsatz hatten, ist mir ein Rätsel.
Ich vermute, dass es sich beim Ango um den letzten spezifischen Wurfspeer in der westeuropäischen Geschichte handelt.
 
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