Planeten, Götter und die Wochentage...

Nicht in RIB 1593 aber in RIB 1594:

CIVES TUIHANTI | CUNEI FRISIORUM
"Bürger Twentes aus der Einheit ("Keil") der Frisen"

Danke, das habe ich mir abgespeichert. Wobei "Twente" natürlich der moderne Name der Region ist, der tatsächlich nach van Dale (niederländisches Herkunftswörterbuch) auf eine römische CIVES TUIHANTI zurückgehen soll.

Aber zurück zur eigentlichen Diskussion: Ausgangspunkt war die Bezeichnung für den 2. Tag der Woche, den Dienstag.
Behauptet wurde eine Verbindung zu dem in RIB 1593 genannten MARS THINCSUS. Dies bestreite ich weiterhin.
Dass der Wochentagsname durch eine INTERPRETATIO GERMANA des DIES MARTI zum Ziustag wurde, ist unbestritten. Die Rückprojektion auf das 3. Jahrhundert halte ich für nicht beweisbar.

Gruß
Kochant
 
Aber zurück zur eigentlichen Diskussion: Ausgangspunkt war die Bezeichnung für den 2. Tag der Woche, den Dienstag.
Behauptet wurde eine Verbindung zu dem in RIB 1593 genannten MARS THINCSUS. Dies bestreite ich weiterhin.
Dass der Wochentagsname durch eine INTERPRETATIO GERMANA des DIES MARTI zum Ziustag wurde, ist unbestritten. Die Rückprojektion auf das 3. Jahrhundert halte ich für nicht beweisbar.

Die interessante Frage ist doch, woher die mittelhochdeutschen Formen Dinstag/Dingstag/Dingestag kommen. Eine Herleitung von Ding scheint mit nicht unplausibel, eine Herleitung von Ziu ist dagegen abwegig.
 
Dass der Dienstag auf den ᚦing zurückzuführen ist, lässt sich leicht an älteren Belegen, die das -g- noch nicht verschliffen haben, zeigen, die Zurückführung darauf ist historiolinguistisch sauber, anders, als Dienstag auf Týr zurückzuführen (was bei tuesday und der althochdeutschen Forum ziodag möglich ist). Wir haben daneben die romanischen Formen des Dienstag (martedì, mardi, martes...) und den lateinischen Götternamen mit dem latinisierten germanischen Namenszusatz Thincsus sowie die germanischen Namensformen tuesday, tisdag, tirsdag und eben Dienstag. Wir wissen, dass das Wort ᚦing sich in deutschen Rechtsbegriffen ebenso fortgesetzt hat (ich hatte beDINGen/BeDINGung erwähnt), wie auch in Ortsnamen (z.B. Diestedde). Wir sehen hier die hochdeutsch umgelautete Fassung mit -d-, was beweist, dass das Wort vor der Lautverschiebung bereits im Deutschen vorhanden war. Es ist also ein ERBwort, kein LEHNwort.

Nithard legt in seinem Geschichtsbüchern Mitte 8. Jhd. Karl dem Kahlen 842 folgendes in den Mund:

Quod cum Lodhuwicus explesset, Karolus Teudisca lingua sic hec eadem verba testatus est:

In Godes minna ind in thes christianes folches ind unser bedhero gehltniss fon thesemo dage frammordes, so fram so mir Got gewizci indi mahd furgibit, so haldih thesan minan bruodher, soso man mit rehtu sinan bruodher scal, in thiu, thaz er mig so sama duo, indi mid Ludheren in nohheiniu thing ne gegango the minan willon imo ce scadhen werdhen.
Zuvor hat er Ludwig dem Deutschen folgendes auf Französisch in den Mund gelegt:
Pro Demo amur et pro christian poblo et nostro commun salvement, d`'ist di in avant, in quant Deus savir et podir me dunat, si salvarai eo cist meon fradre Karlo et in adiudha et cadhuna cosa, si cum om per dreit son fradra salvardist, in o quid il mi altresi fazet, et ab ludher nul plaid numquam prindray, qui meon vol cist meon fradre Karle in damno sit.
Sie sichern sich in den Eiden gegenseitig zu, sich nicht mit Lothar gegeneinander zu verbünden. Hier ist thing im Sinn von Zusammenkunft zu verstehen.
 
Thing/Ding haben ein kurzes, der Dienstag dagegen ein langes i, das, wegen der zwischenzeitlichen Diphtongierung, die in den oberdeutschen Dialekten noch erhalten ist, sinnigerweise mit ie widergegeben wird.

...
Und wie ich @Maglor verstanden habe, hat er das Grimmsche Wörterbuch nur verlinkt, weil dort die mittelalterlichen Formen gesammelt belegt sind. (Das ist ein bleibendes Verdienst der Gebrüder Grimm.)
..
Das sehe ich durchaus auch so. Aber nicht nur bei Verträgen und Einverständniserklärungen im Netz empfiehlt es sich sie vollständig zu lesen und zu bedenken, was drinsteht. :)

"..mag nun ..n ... unorganisch eingeschoben .., oder ... misglückte erklärung, ..

immer ist gewis dasz ... es ist der tag des altdeutschen gottes Zio, des nordischen Tŷr der dem Mars entspricht;"
(Hervorhebung von mir)

Eine Erklärung, wie das n hineinkam, habe ich oben schon geliefert.

Schließlich noch eine eher rhetorische Frage: Weshalb sollten ausgerechnet allein die Deutschen, die es im Unterschied zu den Skandinaviern eher weniger mit dem Thing hatten, Tiu durch ihn ersetzt haben.
 
Thing/Ding haben ein kurzes, der Dienstag dagegen ein langes i, das, wegen der zwischenzeitlichen Diphtongierung, die in den oberdeutschen Dialekten noch erhalten ist, sinnigerweise mit ie widergegeben wird.

Mir ist kein oberdeutscher Dialekt bekannt, in dem das das i in Dienstag diphthongiert oder lang gesprochen wird. Mir geläufig sind: Dinschdich (mit kurzem i), Ertag/Irta (hat nichts mit Dienstag zu tun), Aftermedich (hat nichts mit Dienstag zu tun), Zischdig/Zaischdich (hat nichts mit Dienstag zu tun).


immer ist gewis dasz ... es ist der tag des altdeutschen gottes Zio, des nordischen Tŷr der dem Mars entspricht;"
Das hat, soweit ich sehe, hier auch niemand bezweifelt.
 
Thing/Ding haben ein kurzes, der Dienstag dagegen ein langes i, das, wegen der zwischenzeitlichen Diphtongierung, die in den oberdeutschen Dialekten noch erhalten ist, sinnigerweise mit ie widergegeben wird.
Eigentlich ist die Form [di:nstac] doch erst in der Neuzeit belegt. Vermutlich liegt in der Verlängerung des [i ] zu [i:] eine pseudoetymologische Deutung vor: Nachdem das -g- apokopiert und somit die Beziehung zu Ding/ᚦing nicht mehr offensichtlich, hat man dem Tagnamen eine Deutung zu geben versucht: Dienst-tag, und daher das lange i: welches von Dienst kommt, obwohl der Name des Tages eigentlich von ᚦing rührt.

Für deine Deutung würde der Pfeiffer sprechen:

Vielleicht ist angesichts dieser guten Überlieferung ohnehin die Anknüpfung an *Þingsaz aufzugeben und auch für die niederrhein. Namen besser von germ. *tīwas-dagaz auszugehen. Um aus kirchlichem Bestreben den heidnischen Götternamen zu tilgen, wird anlautendes t- durch d- ersetzt; dadurch entstandenes dīsdach führt (unter Angleichung an sonnendach, mānendach) zu dīsendach bzw. (unter Angleichung an woensdach) zu dinsdach, das die Grundlage der heute gültigen Namensform bildet.
Allerdings überzeugt der Pfeifer mich hier nicht: Erstens steht der Pfeiffer - der auf die gute Überlieferung der Týrstag-Formen hinweist (auch im Südddeutschen!) - der guten Überlieferungslage des an ᚦing anknüpfenden Dienstags entgegen und Pfeiffer sagt selbst, dass der Dienstag vom Niederrhein aus erst nach Osten und dann nach Süden gehend die auf Týr basierenden Formen verdrängt und zweitens sehe ich nicht, welchen Nutzen "die Kirche" davon gehabt hätte, das t- durch d- zu ersetzen.
Zuguterletzt ist aber absolut nicht plausibel, dass die Kirche solche Tricksereien zwar beim Dienstag versucht habe, nicht aber beim Donnerstag, Freitag oder Montag.

Schließlich noch eine eher rhetorische Frage: Weshalb sollten ausgerechnet allein die Deutschen, die es im Unterschied zu den Skandinaviern eher weniger mit dem Thing hatten, Tiu durch ihn ersetzt haben.
Die rhetorische Frage basiert auf einer Behauptung, die man in Abrede stellen kann, ich verweise einmal mehr auf die Rudimente von ᚦing/Ding in der deutschen Sprache, sowie die Straßburger Eide oder Ortsnamen und Flurnamen die auf eine Thie/Thingstätte verweisen.
 
Danke, das habe ich mir abgespeichert. Wobei "Twente" natürlich der moderne Name der Region ist, der tatsächlich nach van Dale (niederländisches Herkunftswörterbuch) auf eine römische CIVES TUIHANTI zurückgehen soll.
Im modernen Niederländisch heißt der Dies Martis ebenfalls Dinsdag.
Sowohl der römisch-germanische Thincsus-Kult als auch der Wochentagsname Dienstag kamen vom Niederrhein.
Alles Zufall?

Dass der Wochentagsname durch eine INTERPRETATIO GERMANA des DIES MARTI zum Ziustag wurde, ist unbestritten. Die Rückprojektion auf das 3. Jahrhundert halte ich für nicht beweisbar.
Das es einen germanischen Gott *Ziu gab, ist kaum belegbar. Der Name *Ziu ist rekonstruiert. Der wichtigste indirekte Beleg dafür ist dieser schwäbische Wochentagsname. Dann gibt es noch ein paar fadenscheinige Ortsnamendeutungen, aber eben nichts eindeutiges.
Für einen germanischen Kult in der Römischen Kaiserzeit um ein Gott namens *Tiu gibt es keine Quellenbelege. Im Grunde basiert diese Rekonstruktion allein auf der Interpretation der Wochentagsnamen schwäbisch Ziestag und englisch Tuesday und Anleihen aus der hochmittelalterlichen Literatur Islands.
Der bairiche Ertag und der Augsburger Aftermontag gehen auch auf den Dies Martis zurück. Da muss nicht immer ein germanischer Gott hinterstecken.
Dass es einen Kult um einen germanisch-römischen Gott Mars Thincsus gab, ist hingegen klar erwiesen.

Schließlich noch eine eher rhetorische Frage: Weshalb sollten ausgerechnet allein die Deutschen, die es im Unterschied zu den Skandinaviern eher weniger mit dem Thing hatten, Tiu durch ihn ersetzt haben.
Über die Religion der Germanen der Römischen Kaiserzeit ist wegen mangelnder Überlieferung nur sehr wenig bekannt. Die isländische Literatur des Hochmittelalters ist schon ziemlich weit weg davon.gab.
Angesichts der frühmittelalterlichen Quellenlage zu den Göttern der Sachsen und Angelsachsen müsste man sich eigentlich fragen, warum es keinen Saxnotstag gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
die Deutschen, die es im Unterschied zu den Skandinaviern eher weniger mit dem Thing hatten, ...

Schauen wir in den Heliand:

Aus der Rede der Jungfrau Maria bei Mariä Verkündigung:

Thiu bium ic theotgodes.| Nu ik [theses] thinges gitrûon;
uuer{d}e mi aftar thînun uuordun,| al sô is uuilleo sî,
hêrron mînes;| nis mi hugi tuîfli,
ne uuord ne uuîsa.»

> Ich will dieses Ratschlusses vertrauen

In der Bergpredigt:

Ôc scal ic iu gebeodan,| than gi uuilliad te bedu hnîgan
endi uuilliad te iuuuomu hêrron| helpono biddean,
that he iu alâte| lê{d}es thinges,
thero sacono endi thero [sundeono],| thea gi iu sel{b}on hîr
uurê{d}a geuuirkead,| that gi it than for ô{d}rumu uuerode ni duad:

> Jesus soll zum Herren beten, dass er den Menschen im leidigen Thing die Sünden erlässt, die sie gegen sich selbst erwirkt haben

Gerot gi simbla êrist thes godes rîkeas,| endi than duat aftar them is gôdun uuercun,
rômod gi rehtoro thingo:| than uuili iu the rîkeo drohtin
ge{b}on mid alloro gôdu gehuuilicu,| ef gi im thus fulgangan uuillead,

> Die Leute sollen nach "rechten Dingen" (noch heute sprichwörtlich) trachten.​

Die Vertreibung der Händler aus dem Tempel:

drêf sie ut thanen
rûmo fan themu rakude,| qua{d} that uuâri rehtara dâd,
that thar te bedu fôrin| barn Israheles
«endi an thesumu mînumu hûse| helpono [biddean,]
[that sia sigidrohtin| sundiono tuomie,]
than hêr [theo{b}as an]| thingstedi halden,
thea faruuarhton uueros| uuehsal drî{b}an,
unreht ênfald.

> Hier ist es eindeutig, es ist von Dieben an der Thingstätte die Rede.
Der Beschluss Jesus zu töten wird in einer Volksversammlung gefasst:

sô hue sô ina undar themu folke| finden mahti,
that [ina] sân gifengi| endi for{d} brâhti
an thero thiodo thing;| quâ{d}un that sie ni mahtin githoloian [leng],
that sie the êno man| [sô alla uueldi,]
uuerod faruuinnen.|

Die Weissagung Jesu zum Jüngsten ("lazto") Tag:

sô uuir{d}id the lazto dag.| For thiu scal allaro liudio gehuilic
[thenkean] fora themu thinge;| thes is tharf mikil
manno gehuilicumu:| bethiu lâtad [iu] an iuuuan môd sorga.
Jesus Urteil über den (noch ausstehenden) Verrat des Judas:

That imu thoh te harme scal,
uuer{d}an te uuîtie;| be that he thea [uurdi farsihit]
endi he thes ar{b}edies| endi scauuot,
than uuêt he that te uuâran,| that imu uuâri [uuô{d}iera thing],
betera mikilu,| that he gio giboran ni uur{d}i
libbiendi te thesumu liohte,| than he that lôn nimid,
u{b}il ar{b}edi| inuuidrâdo.


> Judas wäre besser nie geboren worden.
Jesus im Gerichtshaus:

hô nâmon ina uurê{d}e man
sô gibundanan,| that barn godes,
endi ina thô lêddun,| thar [thero] liudio uuas,
there thiade thinghûs.| Thar thegan manag
huur{b}un umbi iro heritogon.| Thar uuas iro hêrron bodo
fan Rûmuburg,| thes the thô thes rîkeas giuueld:
kumen uuas he fan themu kêsure,| gisendid uuas he undar that cunni Iudeono
te rihtiene that rîki,| uuas thar râdge{b}o:
Pilatus uuas he hêten;| he uuas fan Ponteo lande
cnôsles kennit.| Habde imu craft mikil,
an themu thinghûse| [thiod] gisamnod,
an huarf uueros;| uuârlôse man
agâ{b}un thô thena godes sunu,| Iudeo liudi,
under fîundo folc,| quâ{d}un that he uuâri thes ferhes scolo,
that man ina uuîtnodi| uuâpnes eggiun,
scarpun scûrun.| [Ni] uuelde thiu scole Iudeono
thringan an that thinghûs,| ac thiu thiod ûte stôd,
mahlidun thanen uui{d} thea menegi:| ni uueldun an that gimang faren,
[an] elilandige man,| that sie thar unreht uuord,
an themu dage der{b}ies uuiht| adêlian ne gihôrdin,
ac quâ{d}un that sie [im] sô [hluttro| hêlaga tîdi],
[uueldin iro pascha halden].

> Die wütende Menge brachte Jesus ins Gerichtsgebäude wo der vom Kaiser gekommene Herr Pilatus aus Pontien Romaburg vertrat. Und das Volk verlangte, dass man Jesus mit scharfen Waffen hinrichten sollte.


Than bêd that barn godes| – bendi tholode
an themu thinghûse –

> Das Kind Gottes duldete es, sich gefesselt im Gerichtshaus zu befinden.


Thuo brâhtun sia ina eft an that hûs innan,
an thia palencea uppan,| thar Pilatus uuas
an thero thingstedi.|

...
Erodes mohta,| thie iuuuan êo bican,
iuuuaro liudo landreht,| hie ni mahta is lî{b}es gifrêson,
that hie hier thuru êniga sundia te dage| sueltan scoldi,
lîf farlâtan.| Nu uuilliu ik ina for theson liudion hier
githrôon mid thingon,| thrîstion uuordun,
buotian im is briosthugi,| lâtan ina brûcan for{d}
ferahes [mid] firion.»|
...
Thuo huarf im eft thie heritogo| an that hûs innan
te thero thingstedi,| thrîstion uuordon
...
Thuo gihôrda thie heritogo| thia hieri Iu{d}eono
thrêgian [far is] thiodne;| thuo hie [far] thero thingstedi geng
sel{b}o gisittian,| thar gisamnod [uuas]
[sô mikil huarf] uuerodes,| hiet uualdand Crist
lêdian for thia liudi.|

Joseph (von Arimathea) geht zu mit den Leuten des Kaisers um den Leichnam Jesu zu verhandeln:

hie geng im thuo uui{d} thena heritogon mahlian,
thingon uui{d} thena thegan kêsures,


Das ist eine Auswahl des Vorkommens von thing im Heliand. Ich habe alle Vorkommen, wo thing klar im Sinne des neuhochdeutschen Ding = Sache benutzt wird, gleich gar nicht übertragen, das ist die überwiegende Mehrheit des gebrauchs dieses Worte. An einigen Stellen ist es fraglich, ob thing im Sinne von 'Sache' oder von 'Thing' verwendet wird, das obliegt dann meiner Interpretation, die man gerne als befangen kritisieren darf. Das letzte Beispiel und die Komposita (thiodo thing, thinghûs, thingstedi) dürften aber allgemein als eindeutig anerkannt werden.
 
Der wichtigste indirekte Beleg dafür ist dieser schwäbische Wochentagsname. Dann gibt es noch ein paar fadenscheinige Ortsnamendeutungen, aber eben nichts eindeutiges.
Für einen germanischen Kult in der Römischen Kaiserzeit um ein Gott namens *Tiu gibt es keine Quellenbelege. Im Grunde basiert diese Rekonstruktion allein auf der Interpretation der Wochentagsnamen schwäbisch Ziestag und englisch Tuesday und Anleihen aus der hochmittelalterlichen Literatur Islands.
OT: So habe ich es in sehr jungen Jahren im sehr ländlichen Bereich Schwabens noch gelernt und bis eben geglaubt...;)
 
Die Wochentage und ihre Benennung nach den Planeten waren Dir da aber schon bekannt.

Bevor ich mit der Recherche angefangen habe, wußte ich eher aus Allgemeinwissen, dass im Deutschen der Donnerstag und der Freitag von den altgermanischen Götternamen Donar und Freya abgeleitet werden. Und vom Englischen und Niederländischen wußte ich auch, dass der Wednesday und Woensdag noch den Gott Wodan beinhalten. Von gelegentlichen Besuchen in Skandinavien hatte ich auch in Erinnerung, dass man da ähnliche Bezeichnungen benutzt. Vom Französischen und Spanischen wußte ich auch, dass dort eine Reihe von Wochentagen auch den römischen Pantheon widerspiegeln.

Ob eine Ableitung von den Götternamen und/oder von den Himmelskörpern oder wie die Namen in verschiedene Sprachen übernommen wurden, war mir zu Beginn nicht klar.



Dein Unverständnis hast Du erst geäußert, als Du auf die Planetenstunden gestoßen bist:

Die Namensbezeichnungen sowohl für die Monate und die Wochentage benutzen wir noch genau so wie in der Antike, auch wenn heute wohl kaum jemanden bewußt ist, dass der Monat März, der Planet Mars und der Gott Mars eine gemeinsame Namensherkunft haben. Auch im romanischen Sprachraum wird wohl auch nicht vielen Leuten bewußt sein, dass der mardi im Französischen oder der martes im Spanischen mit dem ähnlich klingenden Monatsnamen und dem Planeten in Verbindung steht.

Nur das Konzept der Planetenstunde erschien mir merkwürdig und auch in der praktischen Anwendung nicht so einfach. Während man bei der ersten bis zur zwölften Stunde tagsüber auf die Sonnenuhr schaut, ist das System mit den Planetenstunden, die auch noch von Wochentag zu Wochentag variieren, kompliziert. Ob dies in der Zeitmessung eingesetzt wurde, ist mir allerdings nicht bekannt. Wenn man zu Zeitangaben in antiken Texten etwas liest, findet man doch meist Angaben, wie die fünfte Stunde.
 
Zur weiteren Verwirrung sollte unbedingt beachtet werden, dass der Planet "Venus" in der menschlichen Vorstellungswelt zusätzlich noch als Morgenstern und Abendstern mit eigenen Entsprechungen in der griechischen Mythologie exisitiert.

Die Griechen nannten den Morgenstern Euphosphoros. Der Name bedeutet auch deutsch Lichtbringer, auf lateinisch Lucifer.
In der Mythologie galt Euphosphoros als männliche Gottheit, als Sohn des Astraios (Morgendämmerung) und der Eos (Morgenröte).
Den Abendstern nannten sie Hesperos, er galt als männliche Gottheit bzw. Titan.
Wichtig ist, dass Abendstern und Morgenstern als unterschiedliche Sterne und unterschiedliche Gottheiten gedacht wurden.
Aus dem Orient übernahmen die Griechen die Gleichsetzung dieses Planeten mit der Liebesgöttin, aber die Konzepte Abendstern und Morgenstern existieren danach weiter.

Die Worte Euphosphoros bzw. Luzifer kommen bekanntlich auch in der Bibel vor.
Der Morgenstern gilt als Allegorie für Christus, aber auch als Name des Teufels vor.
Eine grundsätzliche Unterscheidung von Abendstern und Morgenstern scheint es in der christlichen Mythologie aber nicht zu geben.

Fragmentarisch überliefert ist das angelsächsiche Worte "earendel", das ebenfalls Morgenstern bedeuet. In einem angelsächsischen Gedicht wird "earendel" als hellster Engel beschrieben.
Etymologisch verwandt ist auch die Sagenfigur Aurvandil aus der Nordischen Mythologie. Aurvandils Zeh wird zum Stern, während die mittelhochdeutsche Sagenfigur Orendel nichts mehr mit den Sternen zu tun hat.
(Tolkien inspirierten diese rätselhaften Figuren zu seiner Fantasy-Mythologie und den Fantasy-Sprachen. Er erfand den Halbelb Earendil, der in der Mittelerde ebenfalls zum Morgenstern wird.)
 
Die Griechen nannten den Morgenstern Euphosphoros. Der Name bedeutet auch deutsch Lichtbringer, auf lateinisch Lucifer.
Ich hatte Phosphorus in Erinnerung.

Wichtig ist, dass Abendstern und Morgenstern als unterschiedliche Sterne und unterschiedliche Gottheiten gedacht wurden.

Die spätbabylonische, seleukidische und dann hellenistische Astronomie kannte nur noch 7 Wandelsterne, die Identität von Morgen- und Abendstern war da schon bekannt.
Die antike Idee, das Konzept der unterschiedlichen Wirkungen/Qualitäten der Wandelsterne, besonders von Merkur und Venus, wurden i.d.R. auch mit ihrer Stellung zur Sonne in Zusammenhang gebracht. Die Morgenvenus ging vor der Sonne am aufsteigenden Horizont auf, die Abendvenus nach der Sonne am absteigenden Horizont usw.
 
Im modernen Niederländisch heißt der Dies Martis ebenfalls Dinsdag.
Sowohl der römisch-germanische Thincsus-Kult als auch der Wochentagsname Dienstag kamen vom Niederrhein.
Alles Zufall?


Das es einen germanischen Gott *Ziu gab, ist kaum belegbar. Der Name *Ziu ist rekonstruiert. Der wichtigste indirekte Beleg dafür ist dieser schwäbische Wochentagsname. Dann gibt es noch ein paar fadenscheinige Ortsnamendeutungen, aber eben nichts eindeutiges.
Für einen germanischen Kult in der Römischen Kaiserzeit um ein Gott namens *Tiu gibt es keine Quellenbelege. Im Grunde basiert diese Rekonstruktion allein auf der Interpretation der Wochentagsnamen schwäbisch Ziestag und englisch Tuesday und Anleihen aus der hochmittelalterlichen Literatur Islands.
Der bairiche Ertag und der Augsburger Aftermontag gehen auch auf den Dies Martis zurück. Da muss nicht immer ein germanischer Gott hinterstecken.
Dass es einen Kult um einen germanisch-römischen Gott Mars Thincsus gab, ist hingegen klar erwiesen.


Über die Religion der Germanen der Römischen Kaiserzeit ist wegen mangelnder Überlieferung nur sehr wenig bekannt. Die isländische Literatur des Hochmittelalters ist schon ziemlich weit weg davon.gab.
Angesichts der frühmittelalterlichen Quellenlage zu den Göttern der Sachsen und Angelsachsen müsste man sich eigentlich fragen, warum es keinen Saxnotstag gibt.

Ein paar Fragen:

Der indirekte Beleg (der offenbar keiner ist) vom Schwäbischen ("Zeistig") und Englischen (Tuesday) wäre dann wohl auch im Schweizerischen resp. Baseldeutschen und Elsässischen "Zischdig" ebenfalls keiner ?

Heisst das, man müsste auch das "Zeistig" und "Zischdig" auf die Gerichtsversammlung "Ding / Thing" beziehen ?

Gemäss Edda war der Kriegsgott Tyr auch der Gott der Rechtsordnung und damit der Schutzgott des Ding / Thing. Wenn das auch für die Völkerwanderungszeit gelten würde hätte man hier zum Mindesten das Äquivalent zum Mars (mardi, martedi, martes etc.), was dann wieder passen würde.
Ist Tyr und Ziu nicht dasselbe ?

Eine weitere Frage: Ich habe mal (vor langer Zeit -:)) gehört/gelesen das der bayrische Egerstag (Dienstag) nach "Ares" benannt ist, umgedeutet weiter zum Arius der Kirchengeschichte. Ist das überholt oder völlig abwegig ?

Berücksitigt man, dass schon beim Mittwoch zum Mindesten im Englischen als Äquivalent des Merkur (Wotan, Odin - ist zugegebnermassen nicht unbeding ein Äquivalent), beim Donnerstag deutsch und englisch das Äquivalent des Jupiter (Donar, Thor) und beim Freitag deutsch und englisch das Äquivalent der Venus (Freja) verwendet wurde, ist es doch nicht ganz abwegig, dass der Dienstag zum Mindesten in der englischen und alemannischen Variante vom Tyr kommt ? Trotz des zeitlichen Abstands der Edda ?
 
Ein paar Fragen:

Der indirekte Beleg (der offenbar keiner ist) vom Schwäbischen ("Zeistig") und Englischen (Tuesday) wäre dann wohl auch im Schweizerischen resp. Baseldeutschen und Elsässischen "Zischdig" ebenfalls keiner ?

Heisst das, man müsste auch das "Zeistig" und "Zischdig" auf die Gerichtsversammlung "Ding / Thing" beziehen ?

Nein, eben nicht!

Dingstag/Dingestag/Dinstag einerseits und Tiwesdæġ/Týsdagr/Tirsdag/Zischdig dürften auf zwei verschiedene Etyma zurückgehen, einerseits auf *thing > (dt. Ding), andererseits auf *tiwaz > Tyr.

Eine weitere Frage: Ich habe mal (vor langer Zeit -:)) gehört/gelesen das der bayrische Egerstag (Dienstag) nach "Ares" benannt ist, umgedeutet weiter zum Arius der Kirchengeschichte. Ist das überholt oder völlig abwegig ?
Das steht z. B. hier, die Behauptung, der Tag sei "zur Ehrung des Presbyters Arius" so benannt worden, ist aber Blödsinn:
Ertag – Wiktionary

Zwar ist der Personenname Arius wohl eine Ableitung von Ares (ebenso wie Martin von Mars), die Goten haben aber Arius nicht verehrt, sie verstanden sich auch nicht als "Arianer" (die ursprünglich polemische gemeinte Bezeichnung "Arianer" wurde für Gruppen verwendet, die mit der Lehre des Arius nichts am Hut hatten).
 
Die germanischen Wochentagsgötter gelten als eine Art Missing Link zwischen den antiken Interpreatio romana und den mittelalterlichen Quellen. Damit gelingt es scheinbar die germanischen Hauptgötter, die Tacitus u.a. nur in der Interpretatio romana als Merkur, Mars und Herkules überliefern, mit den im Frühmittelalter überlieferten, zu identifizieren.

Ob die antiken Germanen tatsächlich schon die Namensformen wie Wodan und Donar benutzt haben, bleibt unklar. Aus der inschriftlichen Überlieferung sind jedenfalls ganz andere Namen bekannt.
Mars Thincsus ist auch der einzige aus Inschriften bekannte germanische Gott, der es zum deutschen Wochentag geschafft hat. Das ist sehr ungewöhnlich.
Es gibt durchaus andere antike Gottheiten wie der Mars Lenus der Treverer, Nehalenia oder Hercules Magusans, die es nicht zum Wochentagsnamen geschafft haben, obwohl sie inschriftlich viel häufiger überliefert sind als Thincsus.

Wodan und Donar sind auf der frühmittelalterlichen Runeninschrift der Nordendorfer Fibel überliefert, ebenso in altdeutschen Taufgelöbnissen. Wodan und Frija kommen in anderer Schreibweise auch in langobardischen Quellen vor. Im 2. Merseburger Zauberspruch werden Frija und Wodan genannt.
Von einer Gott namens *Ziu gibt es in kontinentalgermanischer Überlieferung anscheinend aber nur den schwäbischen Wochentag. Die angelsächsische Überlieferung für *Tiw beschränkt sich auch nur auf den Wochentag. Das ist vergleichsweise dünn.

Ich sehe den deutschen Wochentagsnamen als Hinweis, dass der Name Thincsus insbesondere am Niederrhein eine höhere Bedeutung hatte, während bei Angelsachsen und Alamannen getrennt von einander der andere germanische Mars (*Tiw oder althochdeutsch verschoben *Ziu) wichtiger war.

Eine weitere Frage: Ich habe mal (vor langer Zeit -:)) gehört/gelesen das der bayrische Egerstag (Dienstag) nach "Ares" benannt ist, umgedeutet weiter zum Arius der Kirchengeschichte. Ist das überholt oder völlig abwegig ?
Das kann schon sein, ist aber etymologisches Rätselraten.
Er wäre jedenfalls nicht der einzige bairische Wochentag für den eine griechische Etymologie vermutet wird. Der Pfinztag (Donnerstag) soll auch griechischen Ursprungs sein.
Jakob Grimm erklärte bairischen Wochentag mit einem weiteren angeblich weiteren germanischen Gottheit namens *Eor. Für die Rekonstruktion dieses germanischen Gottes braucht es aber viel Phantasie.
 
Zuletzt bearbeitet:
Er wäre jedenfalls nicht der einzige bairische Wochentag für den eine griechische Etymologie vermutet wird. Der Pfinztag (Donnerstag) soll auch griechischen Ursprungs sein.

Und der Samstag:

Samstag m. im Süden und Westen des dt. Sprachraumes geltender Wochentagsname (gegenüber Sonnabend in den übrigen Gebieten), ahd. sambaʒtag (9. Jh.), mhd. sam(e)ʒtac beruht als verdeutlichende Zusammensetzung auf (vor der hd. Lautverschiebung vermitteltem) got. *sambatō; diesem geht vulgärgriech. *sámbaton (*σάμβατον) vorauf, woraus balkanlat. *sambata (vgl. rumän. sîmbǎtǎ), das auch in andere benachbarte Sprachen eingedrungen ist, vgl. aslaw. sobota, aruss. subota, russ. subbóta (суббота), ungar. szombat.
DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache
 
Das steht z. B. hier, die Behauptung, der Tag sei "zur Ehrung des Presbyters Arius" so benannt worden, ist aber Blödsinn:
Ertag – Wiktionary

Das Übliche, Beleg mit überholter wissenschaftlicher Literatur, basierend auf einem noch älteren Werk.

Und was schreibt DWDS zu Samstag gegen Ende?
Samstag ist ein Wort der gotisch-arianischen Mission, das donauaufwärts zuerst den deutschsprachigen Südosten erreicht und sich von hier aus verbreitet.

Tja...
 
Das Übliche, Beleg mit überholter wissenschaftlicher Literatur, basierend auf einem noch älteren Werk.

Und was schreibt DWDS zu Samstag gegen Ende?
Samstag ist ein Wort der gotisch-arianischen Mission, das donauaufwärts zuerst den deutschsprachigen Südosten erreicht und sich von hier aus verbreitet.

Tja...
Tendenziell ist jüngere Literatur der älteren zwar vorzuziehen, aber das ist kein Automatismus. Wenn sich die Datenlage nicht verbessert hat (also Zwischenformen gefunden wurden, die in der älteren Literatur noch nicht berücksichtigt wurden/werden konnten), dann sind das zunächst einmal - abhängig von der Qualität und Faktenbasiertheit der Argumentation - nur nebeneinanderstehende Meinungen.

Ich will das mal am Beispiel der Namensdeutung von al-Andalus vor- bzw. ausführen:
Seit dem 13. Jhdt. kann man regelmäßig lesen, der Name al-Andalus leite sich von den Vandalen her. Das geht ein in die wissenschaftliche Literatur und steht bis heute in fast jedem Andalusien-Reiseführer.
Um 1960 hat Juan Vernet eine alternative Deutung versucht, nämlich al-Andalus von Atlantis herzuleiten. In Spanien ist das durchaus positiv aufgenommen worden, obwohl eigentlich nichts dafür spricht, außer das beides auf <a> beginnt und auf <s> endet. Die These ist m.E. absoluter Quatsch, gleichwohl Juan Vernet in seinen meisten Publikationen ein ernstzunehmender Historiker und Arabist war.
Um 1980 hat dann der deutsche Arabist Heinz Halm (damals Professor an der Uni Tübingen) eine These vorgelegt, wonach der arabische Begriff al-Andalus auf einem gotischen Wort - *Landhalauts - basiere. Das Wort *Landhalauts ist in keiner Quelle belegt (daher der Asterisk), aber seine lateinische Entsprechung Gothica sors.
Volker Noll (Romanist, Prof. an der Uni Münster) hat versucht Halm zu widerlegen und die Vandalenhypothese wieder ins Spiel gebracht, allerdings hat er dabei einen Umweg über das Griechische gewählt.
Georg Bossong (Romanist, Prof. an der Uni Zürich) hat dann in einer Festschrift für Theo Vennemann versucht sowohl Noll als auch Halm zu widerlegen. Vennemann hat ja die waskonische These entwickelt und in diesem Zusammenhang ist auch der Beitrag von Bossong zu sehen, der nur statt von waskonisch von baskoid spricht. Viele der Argumente, die Bossong gegen Halm und Noll wendet, auf seine eigene Deutung des Namens al-Andalus erst recht angewendet werden müssten. Er wirft ihnen z.B. vor, dass es für ihre Thesen also die Vandalen-These und die *Landhalauts-These über 200 oder 300 Jahre keinen Beleg gebe, und eröffnet eine baskoide Hypothese, wonach der name als vorrömisch sein müsse, muss dann aber nicht nur 200 oder 300 Jahre beleglos bleiben - was er ja Halm und Noll vorwirft, sondern knapp über 900 Jahre (ich habe Bossongs Artikel an anderer Stelle in diesem Forum ausführlich zerpflückt). Bossong hat seine baskoide These in seinem al-Andalus-Buch in der Beck'schen Reihe schließlich auch als Faktum dargestellt, was ich ihm durchaus übel nehme. Er hat aber auch großartige Bücher über andalusische Literatur des Mittelalters verfasst.
Um 1999 hat dann der kürzlich verstorbene Arabist/Semitist Federico Corriente y Córdoba eine These vorgestellt, wonach der Name al-Andalus aus dem Altägyptischen bzw. Koptischen käme. Federico Corriente war die Koryphäe schlechthin für das andalusische Arabisch.

Nach Halm ~1980 kamen also Noll und Bossong, die beide auf Halm bzw. auf Halm und Noll reagierten und weitgehend unabhängig von dieser Diskussion (obwohl er irgendwo auch Noll oder Halm mal bibliographiert) Corriente. Aber die These von Halm ~1980 die am saubersten begründete und daher den jüngeren Thesen von Noll, Bossong und Corriente vorzuziehen.
 
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