Sollte man die Zustimmung vieler Abgeordneter zum Ermächtigungsgesetz von 1933 verurteilen?

Sebastian Haffner, der die Ereignisse in Berlin hautnah miterlebte, sprach vom "feigen Verrat der Partei- und Oganisationsführer" sechs Jahre später aus dem Londoner Exil.

Die Politiker, die wie Heuss, Krone, Kaiser oder Lemmer, dann später wieder in den deutschen Parlamenten oder Ministerien oder Bundespräsidialamt saßen, nahmen für sich das Recht des politischen Irrtums (Eugen Kogon in einem Aufsatz vom 01.07.1947) in Anspruch. Die deutsche Nachkriegsgesellschaft hatte auch spätestens seit Ende 40ziger überhaupt gar kein großes Interesse an das Schuldthema.
 
Entscheidend für die Zustimmung des Reichstages zum Ermächtigungsgesetz war das Votum der Zentrumspartei. Dabei gab es eine Art von Fraktionszwang, wobei ich vermute, dass man sich innerhalb der Fraktion darauf geeinigt hatte, geschlossen abzustimmen. Ein Abweichen von der Fraktionslinie wäre wohl möglich gewesen. Ich konnte aus dem Artikel in der Wiki zum Ermächtigungsgesetz nicht entnehmen, ob die Abstimmung geheim war, wobei das wohl zu vermuten ist.

Die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz war wohl im Zentrum umstritten, für die Zustimmung war der Vorsitzende Kaas und dagegen Brüning. Dass sich Kaas durchsetzen konnte, war für die deutsche Geschichte verheerend. (Ob die Nazis dann auf andere Art und Weise legal ihre Macht sich hätten sichern können oder ob sie die Macht illegal sich hätten gesichert hätten, ist eine andere Frage.)

Hier stellt sich für mich die Fage, welche Beweggründe Kaas hatte, dem Ermächtigungsgesetz zuzustimmen. Zum einen mögen das die Garantien gewesen sein, die man der katholischen Kirche versprochen hatte, zum anderen mag er auch eine ablehende Haltung gegenüber dem Parlamentarismus gehabt zu haben:

Auf dem Katholikentag im August 1929 äußerte er: „Niemals ist der Ruf nach einem Führertum großen Stils lebendiger und ungeduldiger durch die deutsche Volksseele gegangen als in den Tagen, wo die vaterländische und kulturelle Not uns allen die Seele bedrückt.“[5]

Ludwig Kaas – Wikipedia

Möglicherweise hat da auch das Verhätltnis zwischen dem faschistischen Staat und der katholischen Kirche in Iralien unter Mussolini eine Rolle gespielt:

Kirchengeschichte - Der Papst und der Duce


Ich habe dien nachfolgenden Artikel aus Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte von 1961 noch nicht gelesen, aber vielleicht findet sich dort etwas erhellendes:

https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1961_2_6_becker.pdf
 
Tatsächlich wurde die Weimarer Verfassung (auch wenn sie in den zwölf vorhergehenden Jahren eigentlich so gut wie keine Anwendung mehr fand), offiziell erst am 9. Mai 1945 außer Kraft gesetzt.

De facto ist die Weimarer Verfassung mit dem Ermächtigungsgesetz außer Kraft gesetzt worden, de jure alledings nie. Weder unter der Naziherrschaft, noch durch die Kapitulation der Wehrmachtn noch durch die Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Alliierten 1945 wurde die Weimarer Verfassung offiziell aufgehoben. Man kann aber davon ausgehen, dass mit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 als Neuregelung die Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt wurde.

Offiziell außer Kraft gesetzt wurde allerdings im September 1945 das Ermächtigungsgesetz durch das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 1.
 
(Ob die Nazis dann auf andere Art und Weise legal ihre Macht sich hätten sichern können oder ob sie die Macht illegal sich hätten gesichert hätten, ist eine andere Frage.)

Die Frage lässt sich eindeutig beantworten:
Die Nazis hatten sich bereits die Macht gesichert, und zwar mit legalen und illegalen Mitteln.

Ohne gewaltsame Manipulationen wäre das Ermächtigungsgesetz vom 14. März 1933 nicht zustande gekommen, und wenn es (etwa durch ein anderes Verhalten der Zentrumsabgeordneten) am 14. März 1933 nicht zustande gekommen wäre, dann wäre es durch weitere gewaltsame Manipulationen spätestens wenige Wochen später zustande gekommen.
 
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