Was wurde im Mittelalter gegessen?

Der Anteil von Rind und Geflügel ist aber nicht von einem Jagdprivileg des Adels abhängig. Außerdem würde ich da doch auch Schwein und Schaf als Fleischlieferant erwarten.
 
Was wir erwarten, ist das eine, was man aber in den Knochen – anhand der Isotopenanalyse – nun gefunden hat, ist das andere: Bauern wie Adlige haben im Frühmittelalter weniger Fleisch konsumiert als bisher angenommen. Diesen Fakt kann man nicht mit dem Verweis auf das Vorhandensein von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel aus der Welt schaffen, denn diese Tiere waren auch schon im Frühmittelalter da – und die Analyse sagt sogar explizit, dass Rinder und Geflügel zu jener Zeit trotzdem wenig konsumiert wurden.

Was sich in England im Hochmittelalter (mit der Ankunft der Normanen) änderte, waren das Jagd- und Fischereiprivileg – Wild und Fische waren von nun an dem Adel vorbehalten.

Und meine Frage in diesem Zusammenhang war: Ab wann wurden diese Privilegien in Mitteleuropa eingeführt/praktiziert?
 
England ist England. Im Frankenreich sind Analysen zu dortigen Verhältnissen nicht anwendbar. Wirtschaft und Gesellschaft unterschieden sich. Solche Statistiken verführen dazu, Erkenntnisse entsprechend heutiger Sichtweisen zu übertragen. Aber damals gab es schon in Britannien mehrere unterschiedliche Gesellschaften und selbst England kann nicht als Einheit betrachtet werden.

Was haben die Untersuchenden denn erwartet? Ein Fleischkonsum höher als heute? Bisher ist da nichts konkretisiert, die Information damit weder beurteilbar noch belastbar. Wir wissen, dass ein Hof weniger Ackerland und mehr Vieh hatte als im Hochmittelalter, das Vieh, insbesondere Rinder und Pferde, dafür aber kleiner war. Einige schlossen unzulässigerweise auf einen hohen Fleischkonsum. Es gibt nämlich Gesellschaften mit noch mehr Vieh, aber erstaunlich geringem Fleischkonsum, wenn etwa die Nutzung der Milch im Vordergrund steht oder die Anzahl des Viehs ein Maß für den Reichtum ist. Auch im Frühmittelalter wurden Werte gern in Rindern angegeben. Seriöse Autoren berücksichtigen das auch ohne eine solche Studie. (Was Abfallanalysen angeht, muss im Frühmittelalter eine höhere Personenzahl pro Hof angenommen werden.) Eine höhere Verfügbarkeit von Vieh ergibt eben nicht einen höheren Fleischkonsum. Und von Ernährungsgewohnheiten und Tabus war da noch keine Rede.

Hierzulande gibt es übrigens auch Beispiele, dass Bürger und Bauern besser aßen als mancher Adlige. Aber besser heißt nicht unbedingt mehr Fleisch. Dann kann auch nicht pauschal von Bauern und Adligen geredet werden. Wenn da nicht genauer differenziert ist, ist die Studie im Grunde ebenfalls nicht zu gebrauchen, Klein-Fritzchens Vorurteile zu bestätigen.

Und hjwien weißt einfach nur darauf hin, dass spätere Jagdregelungen für die Erklärung nicht ursächlich sein können. Jagd ist zeitintensiv und die Privilegien haben sich auch deshalb weiterentwickelt. Noch im Spätmittelalter konnten etwa Hasen und Kaninchen ausgenommen sein oder bestimmte Fallen erlaubt. Es ist aber zu erschließen, dass Wild nur bei Hungersnot zu einem wichtigen Faktor wurde.

Ein Fischereiprivileg gab es hier nicht. Das Fischereirecht hing teils am Besitztum, konnte aber auch an einer Gemeinheit hängen oder sachenrechtlich für sich betrachtet werden. Aber es gibt regionale Unterschiede und mit der Zeit erwarben Kirche und Adel immer größere Teile dieser Rechte. Fisch war vor allem wegen der Fastenbestimmungen knapp.

Zudem suggerierst du eine Subsistenzwirtschaft, die der Adel für seine Güter zwar anstrebte, aber in aller Regel nicht erreichen konnte. Und da die Bauern erst recht nicht alles produzieren konnten, gab es Handel. Es gibt in Mitteleuropa Gegenden in denen ob der Bodenqualität und des Wetters Nahrungsmittel zugekauft werden müssen, nur um zu existieren. Und ein guter Teil dieser Gegenden war besiedelt. Für England wird übrigens von einem besser entwickelten Handel ausgegangen als in weiten Teilen des Frankenreichs.
 
Was wir erwarten, ist das eine, was man aber in den Knochen – anhand der Isotopenanalyse – nun gefunden hat, ist das andere: Bauern wie Adlige haben im Frühmittelalter weniger Fleisch konsumiert als bisher angenommen.
Ich habe mal einen Vortrag über die Geschichte des Mais’ gehalten. Bei der Frage, ob Mais in den Great Plains konsumiert wurde, wurde in der Literatur mit der ich mich vorbereitet habe darauf hingewiesen, dass das über die Isotopenanalyse so gut wie nicht nachzuweisen sei, da die Kost z.B. von Bisons aufgrund deren Präriegrasdiät dieselben oder zumindest sehr ähnliche Isotopenablagerungen zur Folge hätte, wie die Kost von Mais. Nun stelle ich mir vor, der Bauer aß - very British - sein Porridge und der für die Schlachtung vorgesehene Jungbulle bekam Hafer: das dürfte via Isotopenzusammensetzungen kaum auseinanderzuhalten sein.
 
Was wir erwarten, ist das eine, was man aber in den Knochen – anhand der Isotopenanalyse – nun gefunden hat, ist das andere: Bauern wie Adlige haben im Frühmittelalter weniger Fleisch konsumiert als bisher angenommen. Diesen Fakt kann man nicht mit dem Verweis auf das Vorhandensein von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel aus der Welt schaffen, denn diese Tiere waren auch schon im Frühmittelalter da – und die Analyse sagt sogar explizit, dass Rinder und Geflügel zu jener Zeit trotzdem wenig konsumiert wurden.

Was sich in England im Hochmittelalter (mit der Ankunft der Normanen) änderte, waren das Jagd- und Fischereiprivileg – Wild und Fische waren von nun an dem Adel vorbehalten.

Und meine Frage in diesem Zusammenhang war: Ab wann wurden diese Privilegien in Mitteleuropa eingeführt/praktiziert?

Das Jagdprivileg des Adels bestand mehr oder weniger in ganz Europa bereits im Hochmittelalter. Zu welchem konkreten Datum im Frühmittelalter dies eingeführt wurde, lässt sich wohl nur gebietsweise feststellen. Das adlige Jagdprivileg hängt mit dem Prozess der Feudalisierung zusammen und die verlief in den verschiedenen Regionen unterschiedlich.

Die Jagd selbst wurde vom mittelalterlichen Adel nicht wegen der Nahrungsbeschaffung sondern aus sportlichen Gründen und um des Vergnügens willen betrieben. Und aus diesem Grund hat der Adel auch die Jagd als Standesprivileg durchgesetzt und nicht weil man den Bauern kein Wild gönnen wollte. Man wollte einfach nicht, dass das gewöhnliche Volk den Wildtierbestand vermindert, denn das wäre einer Beeinträchtigung des Jagdvergnügens gleichgekommen.

Bei Burggrabungen zeigt es sich immer wieder, dass auch auf den Adelsitzen der Anteil des Wildes am gesamten Fleischkonsum sehr gering war.

Dass man durch alle Stände hindurch im Frühmittelalter weniger Fleisch gegessen hat, als später, trifft vermutlich zu - aber nur aus dem Grund, weil man im Frühmittelalter offenbar ganz allgmein weniger gegessen hat als im Hochmittelalter. Der mittelalterliche "Landesausbau" in Mitteleuropa, in dessen Verlauf die Ackerflächen massiv gewachsen sind (Rodung), fand im Hochmittelater / Anfang Spätmittelalter statt.
 
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Bei der mittelalterlichen Jagd sollte man vielleicht zwischen der Hohen Jagd auf Hochwild und der Jagd auf Niederwild unterscheiden. Hochwild, also Hirsche, Wildschweine, Wisente, Auerhähne, Fasane etc. oder die Beizjagd, war dem König bzw. dem Hochadel vorbehalten. Die Entwicklung dieses Regals setzte in Deutschland schon im Frühmittlalter mit der Etablierung von Wildbannforsten ein.
Niederwild, also Hasen, Kaninchen, aber auch Rehe oder Singvögel konnten auch vom niederen Adel, Klerus örtlich auch von Bürgern oder Bauern bejagt werden.
Ein Grund für die Deutschen Bauernkriege war, dass das adelige Jagdrecht mehr und mehr ausgedehnt wurde, Allmenden, die auch zur Jagd genutzt werden konnten, enteignet wurden. Teilweise war es den Bauern nicht mal erlaubt, Wild von ihren Feldern zu vertreiben, was zu hohen Wildschäden führte. An vierter Stelle forderten die Bauern in den Memminger 12 Artikeln das freie Jagd- und Fischereirecht.
 
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Das hat sich aber im Hochmittelalter mit der Ankunft der Normanen wohl geändert. (Meine) Begründung: Weil die Normanen den Bauern die Jagd und den Fischfang verboten, blieb mehr Fleisch für den Adel übrig.

Der Anteil von Rind und Geflügel ist aber nicht von einem Jagdprivileg des Adels abhängig. Außerdem würde ich da doch auch Schwein und Schaf als Fleischlieferant erwarten.

Die englische Sprache bietet hier interessante Aufschlüsse:

Das lebende Schwein heißt pig, das Schweinefleisch heißt pork (vgl. französisch porc).
Das Schaf auf der Weide heißt sheep, auf dem Teller heißt es mutton (vgl. französisch mouton).
Und das Fleisch vom Rind heißt beef (vgl. französisch bœuf), die lebenden Rinder heißen je nachdem cow oder ox - vom Französischen ist allerdings die Bezeichnung cattle abgeleitet, welches auf das lateinische capitalis zurückgeht und eigentlich den Privatbesitz bezeichnet.

Man sieht hier gut, welche Sprache die Leute sprachen, die sich um das Vieh kümmern mussten und welche Sprache die Leute sprachen, die das Fleisch verzehrten und die Herden ihr Eigen nannten.
 
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England ist England. Im Frankenreich sind Analysen zu dortigen Verhältnissen nicht anwendbar. Wirtschaft und Gesellschaft unterschieden sich. Solche Statistiken verführen dazu, Erkenntnisse entsprechend heutiger Sichtweisen zu übertragen.
Man muss sicher unterscheiden zwischen einem England vor und einem England nach dem Ankommen der Normanen. Die letzteren waren wohl schon weiter im Feudalismus vorangeschritten als Engländer jener Zeit.

Dass eine seriöse Studie - und dafür halte ich die zitierte – Ergebnisse frisiert, um sie dem heutigen Zeitgeist anzupassen, halte ich für weit hergeholt.

Nun stelle ich mir vor, der Bauer aß - very British - sein Porridge und der für die Schlachtung vorgesehene Jungbulle bekam Hafer: das dürfte via Isotopenzusammensetzungen kaum auseinanderzuhalten sein.
Eine seriöse Studie müsste das berücksichtigen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich die Studie nicht gelesen habe, weil die fürs Download Geld verlangen.

Das adlige Jagdprivileg hängt mit dem Prozess der Feudalisierung zusammen und die verlief in den verschiedenen Regionen unterschiedlich.

Die Jagd selbst wurde vom mittelalterlichen Adel nicht wegen der Nahrungsbeschaffung sondern aus sportlichen Gründen und um des Vergnügens willen betrieben.
Beides ist klar. Aber woher kommt die Ansicht, dass sich Adel proteinreicher Ernährte als niedere Stände, wie das auch in der Einleitung der Studie gesagt wird. Das war übrigens auch mein Wissenstand bisher.

Dass man durch alle Stände hindurch im Frühmittelalter weniger Fleisch gegessen hat, als später, trifft vermutlich zu - aber nur aus dem Grund, weil man im Frühmittelalter offenbar ganz allgmein weniger gegessen hat als im Hochmittelalter. Der mittelalterliche "Landesausbau" in Mitteleuropa, in dessen Verlauf die Ackerflächen massiv gewachsen sind (Rodung), fand im Hochmittelater / Anfang Spätmittelalter statt.
Man musste Roden, weil im Hochmittelalter die Bevölkerung im Vergleich zum Frühmittelalter überproportional wuchs. Man hat gelernt, besser das Land zu kultivieren – Dreifelderwirtschaft, Anwendung des Kummets – und es gab besseres Klima.

Hochwild, also Hirsche, Wildschweine, Wisente, Auerhähne, Fasane etc. oder die Beizjagd, war dem König bzw. dem Hochadel vorbehalten. Die Entwicklung dieses Regals setzte in Deutschland schon im Frühmittlalter mit der Etablierung von Wildbannforsten ein.
Wenn das, also die Etablierung von Wildbannforsten, in Deutschland schon im Frühmittelalter einsetzte, dann kann man das auch für die umliegende von den Franken regierte Länder annehmen.

Ausnahme war England, das diese Entwicklung aufgrund der Insellage offenbar nicht mitgemacht hatte.

Man sieht hier gut, welche Sprache die Leute sprachen, die sich um das Vieh kümmern mussten und welche Sprache die Leute sprachen, die das Fleisch verzehrten und die Herden ihr Eigen nannten.
Auch dies bestätigt u.a. die Annahme, dass sich erst durch die Normanen die Essensgewohnheiten in England änderten – oder hat jemand eine bessere Erklärung?
 
Dass eine seriöse Studie - und dafür halte ich die zitierte – Ergebnisse frisiert, um sie dem heutigen Zeitgeist anzupassen, halte ich für weit hergeholt.
Das ist ja schon die Unterstellung von bösen Willen. Eine Sache, die Geisteswissenschaftler lernen (sollten!) ist, sich ihres eigenen ideologischen Hintergrundes bewusst zu sein, um Verzerrungen durch die eigene ideologische Position zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Das lernen Naturwissenschaftler nicht in dem Maße, weil sie glauben, sich auf ihre Zahlen und Daten verlassen zu können. Aber auch die werden interpretiert und da kann dann auch mal der eigene ideologische Hintergrund dem Verfasser einer Studie ein Schnippchen schlagen. Ganz ohne Ergebnisfrisur, einfach menschlich.*

Eine seriöse Studie müsste das berücksichtigen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich die Studie nicht gelesen habe, weil die fürs Download Geld verlangen.
Wissenschaftler machen Fehler. Das hat nicht mit ihrem Wissenschaftsethos (Seriosität ist eine Frage des Ethos) zu tun, sondern kommt vom errare humanum est.*

Auch dies bestätigt u.a. die Annahme, dass sich erst durch die Normanen die Essensgewohnheiten in England änderten –
Nein, das wäre der falsche Umkehrschluss. Das normannische Superstrat sagt nur etwas über die Sozialstruktur und die damit verbundenen Ernährungsgewohnheiten der Zeit nach 1066 aus, nichts über die Zeit davor. Die Opposition von pig und pork, sheep und mutton, beef und cow/ox/bull sagt uns nichts darüber, welche Unterschiede der Speiseplan eines angelsächsischen Adeligen zu dem eines Bauern aufwies. Nur durch die Diglossie und dass die Sprachen an gewisse Strata gebunden waren (Bevölkerung, unterworfener angelsächsischer Adel auf der einen, normannischer Adel auf der anderen Seite, wobei zu erwarten ist, dass der angelsächsische Adel sich schnell angepasst haben wird, ähnlich, wie einige Jahrhunderte später die gälischsprachigen schottischen Lairds nach 1746 recht schnell die Herkunftssprache vergaßen und damit auch die Bindung an ihre Crofter), ist diese Opposition entstanden.

*Damit wir uns nicht missverstehen: ich unterstelle weder Fehler noch (unbeabsichtigte) ideologische Verzerrungen. Es geht mir allein um die Aussagen „frisiert, um sich an den Zeitgeist anzupassen (zu weit hergeholt)“ bzw. „Eine seriöse Studie muss...“
Nein, auch in einer mit bestem Gewissen verfassten UND seriösen Studie können Fehler und Ideologische Verzerrungen unterlaufen. Ein wesentlicher Bestandteil wissenschaftlicher Debatten hängt sich an Methodikfehlern des Debattenauslösers auf.
 
das dürfte via Isotopenzusammensetzungen kaum auseinanderzuhalten sein.
Was man mit dieser Methode auseinanderhalten kann und was nicht, hätte ich jetzt bei den Untersuchern vorausgesetzt (bezogen auf die altengl. Essgewohnheiten) - interessant wären vergleichende Untersuchungen (wie sieht es aus im Frühmittelalter in Wessex, bei den engl. Wikingern, bei den Schotten)
 
Hier war die Studie zum Frühmittelalter in England (d.h. wohl in den angelsächsischen Königreichen) verlinkt - wenn wir die Merowingerzeit mit ihren "fränkischen" Gewohnheiten 6.-8. Jh. vergleichen, so soll der Verzehr von Speck (Schwein) sehr verbreitet gewesen sein (bei Küster mal gelesen), was sich doch in den Reihengräbern nachweisen lassen müsste: sind die mal bzgl ihrer Essgewohnheiten untersucht worden?

(scherzando) Wenn sich Goten, Langobarden, Vandalen, Gepiden, Sachsen, Wikinger allesamt als veggi erweisen sollten, dann teile ich die Zweifel hinsichtlich esspolitischer Korrektheit ;):D
 
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Was man - leicht zugespitzt - ohne Zweifel sagen kann, ist, daß das Römische Reich ein Schweinefleischreich war. Wenn es da nicht einen absoluten Bruch in den Ernährungsgewohnheiten gab, dürften sich entsprechende Tendenzen ins MIttelalter fortgesetzt haben.
 
Was man - leicht zugespitzt - ohne Zweifel sagen kann, ist, daß das Römische Reich ein Schweinefleischreich war. Wenn es da nicht einen absoluten Bruch in den Ernährungsgewohnheiten gab, dürften sich entsprechende Tendenzen ins MIttelalter fortgesetzt haben.

Haben sie sich ja auch. Lange bevor ein gleichnamiger Fleischproduzent den Markt dominierte, liefen in mittelalterlichen Städten "Tönnes-Schweine" herum. Mit dem Attribut eines Schweines war der Heilige Antonius von Padua zu erkennen, und die Tönnes-Säue waren als Unterstützung der städtischen Armen gedacht. In vielen, nicht nur ländlichen Gegenden war es bis weit ins 20. Jahrhundert nicht unüblich, dass auch in Städten Schweine oder ein paar Hühner gehalten wurden. Die Schlachtung einer solchen Sau war ein gesellschaftliches Ereignis.

Schweine galten zwar vielfach als Kreaturen des Satans, andererseits aber auch als Glückssymbole. Konditoren stellten Marzipanschweine als Glückssymbole her, und auch Spardosen wurden und werden gerne in Form eines Sparschweins dargestellt.
 
Nach allem, was bisher gesagt wurde, kann man lediglich feststellen, dass es in England im Frühmittelalter keine Unterschiede in der Ernährung zwischen Adel und Bauern gab. Ob dem auch auf dem Festland, speziell in Mitteleuropa, so war, wissen wir nicht, können es aber annehmen.

Weiter können wir annehmen, dass sich die Unterschiede in den Essgewohnheiten auf dem Festland früher herausgebildet hatten, weil dort der Feudalismus schon weiter fortgeschritten war als in England.

Ist das korrekt?
 
Eine seriöse Studie müsste das berücksichtigen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich die Studie nicht gelesen habe, weil die fürs Download Geld verlangen.

Wenn man deinem Link folgt, kann man das Manuskript unter "Save PDF" ohne Bezahlschranke herunterladen.
 
Vielen Dank, Heine, vorgestern habe ich gerade das probiert und erhielt eine Reihe von Fragen, die am Ende aufs Bezahlen hinausliefen.
 
Beides ist klar. Aber woher kommt die Ansicht, dass sich Adel proteinreicher Ernährte als niedere Stände, wie das auch in der Einleitung der Studie gesagt wird. Das war übrigens auch mein Wissenstand bisher.

Die Ansicht kommt daher, dass zum Mindesten im Hoch- und im Spätmittelalter die oberen Stände resp. Adlige, Patrizier, Kaufleute (und oft auch Mönche, obwohl die eigentl. nicht durften) tatsächlich mehr Fleisch gegessen haben als Bauern und Handwerker. Dies kann sowohl aus Schriftquellen wie auch aus arächologischen Befunden abgleitet werden. Seltsam ist das Ganze eigentlich nicht sondern lediglich eine soziale Frage (wie auch noch lange nach dem Mittelalter). Fleisch war einfach teurer als Getreidenahrung.

Man kann das beispielsweise bereits an Berichten über Festmähler ablesen. Bei Hoffesten aber auch kleineren Anlässen auf Burgen wurde reglerecht geschlemmt, wobei vorwiegend (wenn möglich exotisch gewürztes) Fleisch und Geflügel verputzt wurde. Im Gegensatz dazu wurde zwar auch auf ländlichen Festmählern (z.B. Kirchweih) geschlemmt, aber dort eben hauptsächlich Alltagsnahrung, d.h. Getreidemus, Haferbrei, Hirsebrei - in rauhen Mengen.

Ausnahmen gab es natürlich auch im Mittelalter, vor allem regionale. So ist in einigen Gegenden des Alpenraums im Verlauf der Epoche der Proteinkonsum erheblich gestiegen, was auch auf politische Gründe zurückgeführt werden kann. In der Gebirgsregion von Uri beispielweise sind im Zuge des Landesaubaus immer mehr Bauern unabhängiger von ihren Grundherren geworden (Loskauf, Umwandlung der Lehen in Eigen, etc.). Basis und Berechnugnsgrundlage für die zu leistenden Abgaben waren bis anhin an die Ackerflächen gebunden gewesen. Der Wegfall der Abgaben, aber auch die Ablösung von Naturalabgaben zu Geldzahlungen, ermöglichte es den Bauern, die wenig ertragreichen Äcker in Heuwiesen für Winterfutter umzuwandeln, sich noch stärker auf die Alpwirtschaft zu konzenrierten und den Viehbestand zu erhöhen. So wurde nicht nur mehr Fleisch gegessen sondern es wurde erstmals auch Überschuss produziert, den man (Fleisch, Käse) in die lombardischen Städte exportieren konnte.
 
Ich habe keinesfalls Manipulation nach unserem Zeitgeist unterstellt. Ich habe nur schon zu oft erlebt, dass naturwissenschaftliche Studien

- heutige Verhältnisse für die Vergangenheit übernehmen,
- heutige Sichtweisen für die Vergangenheit annehmen oder
- ihre Vorurteile und populärwissenschaftlich verbreiteten Blödsinn als gesicherte historische Kenntnis betrachten.

Wenn das, was über die Studie gesagt wurde, stimmt, vermute ich, dass das hier auch zutreffen könnte. Solche Schlagzeilen stimmen mich vorsichtig.

Auch Historikern gelingen natürlich solche Fehler. Hans Delbrück hat viele nachgewiesen, aber für unser Thema, die Beurteilung der Landwirtschaft des Frühmittelalters, die Verhältnisse des späten 19. Jahrhunderts vorausgesetzt. Das erscheint heute unglaublich. Aber damals war der Blick des Historikers nicht für die Wirtschaftsgeschichte geschult.

Und hätte der Architekt und Freizeit-Sprachwissenschaftler Michael Ventris nicht mit John Chadwick zusammengearbeitet, hätte er seine Entzifferung der Linear-B-Schrift vielleicht verworfen, weil er sich einige Abweichungen nicht erklären konnte und ihm die Ähnlichkeit als Zufall erschien.

Das sind nun nicht gerade Leichtgewichte für die erwähnten Thematiken und es können noch mehr aufgeführt werden. Und heute nehmen sich häufig Naturwissenschaftler ohne entsprechende Schulung heraus, in "wissenschaftlichen Studien" historische Schlüsse zu ziehen. Und noch häufiger wird aus Zusammenfassungen von den Medien falsch zitiert oder abgeleitet. Ich sage nur riesige Ritter auf Miniaturponies.

Und wenn ich etwas höre, dass die Widerlegung einer Halbwahrheit verkündet, wäre ich dumm, nicht misstrauisch zu sein.

Überhaupt, Fleisch. Das muss ja auch haltbar gemacht werden. Geräuchert, luftgetrocknet und mit genug Salz auch gepökelt. 1 Schwein reicht für eine Familie, mehr als 2 ergibt bei dieser Verwendung keinen großen Sinn, allenfalls, wenn auf dem Hof viele Bedienstete sind. Das ist auch an den Berechtigungen in der Allmende abzulesen, die spätestens zusammen mit den historischen Dorfformen im Frühmittelalter entstand, weil beides verflochten ist. Die war keineswegs frei, wie sich das ahnungslose Wirtschaftswissenschaftler vorstellen*. Jeder Berechtigte war etwa zur Hude für eine bestimmte Anzahl Schweine berechtigt. Und diese Anzahl entspricht diesen geringen Zahlen auch da, wo auch mehr Land für die Schweinehude hätte genommen werden können. Oft waren die Armen auch berücksichtigt. Im Laufe des Mittelalters entwickelten sich unterschiedliche Meierqualitäten mit unterschiedlich großem Recht an der Allmende. Auch das ist wichtig für den Fleischkonsum. (Selbst Rittergüter hatten für die Allmende oft nur eine einfache Meierqualität, jedenfalls in Westfalen. Die Region ist im Mittelalter und der frühen Neuzeit immer zu berücksichtigen. Allgemeine Aussagen sind sehr oft nur Idealisierungen um überhaupt ein Bild von der Vergangenheit vermittelbar zu machen.)

Alte Hühner kommen in die Suppe, gebratene Hähnchen sind ein eher seltenes Vergnügen. Eier sind, wenn sie nicht gerade in der Sonne stehen, etwa einen Monat haltbar. Wenn sie vor Ablauf gekocht werden, sind sie im Kühlschrank wieder einen Monat haltbar. Wie lange ohne Kühlschrank, kann ich nicht sagen. Das Einlegen ist natürlich auch noch möglich. Und der Adel muss die Abgaben auch erst einmal verwerten, die teils zu einem Termin aufgelaufen sind.

In den 80ern war es sinnvoll, wenn sich zwei Familien, die noch selbst wursteten, ein Schwein teilten, da vieles eben besser und sinnvoller vom Metzger geliefert werden konnte. Ab einer bestimmten Menge Mettwürsten wird es eben ungesund, schon weil die selbstgemachten meist fetter und besser gewürzt sind. und das heißt eben nicht, dass in jener Zeit nur noch die halbe Menge Schwein gegessen wurde, wie entsprechende Untersuchungen irgendwann vielleicht erstaunt feststellen werden.

Um ein Bild von der Ernährung in der Vergangenheit zu haben, muss man sich erst einmal klar machen, wie Lebensmittel genutzt werden konnten, bzw. genutzt wurden. Der Wein, der in Vinland vielleicht gefunden wurde und neuerdings für die Zeit übrigens tatsächlich fast bis zum St. Lorenzstrom nachgewiesen ist, war angeblich unbrauchbar, weil ungenießbar, wie manche Autoren schreiben. Noch in den 50ern wusste jeder Landwirt in Norddeutschland, dass er da, wo er wächst, immer noch zu Essig verarbeitet werden konnte, was ein wichtiges Produkt für die Haltbarmachung von Lebensmitteln, für Reinigungsmittel und gegen einige Unkräuter ist. Sein Wachsen wäre bei einer dauerhaften Besiedlung wichtig geworden. Hier in Ostwestfalen taugt er noch zu Wein, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist. Und erst seit ein paar Jahren gibt es wieder Reben speziell für unser Klima, die noch besser gedeihen. Die waren nämlich im 19. Jahrhundert verschwunden und die Zucht erschien wirtschaftlich lange unsinnig.

*Und das gilt fast überall auf der Welt, da Menschen eben nicht so unpraktisch blöd sind, wie manche Theoretiker sich das vorstellen.
 
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