Paulus Bedeutung für das Christentum

Dion

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Je weitgespannter das Netz der Gemeinden wurde und je rarer die Menschen, die den Herrn persönlich erlebt hatten, desto wichtiger wurden schriftliche Zeugnisse wie die Paulusbriefe und dann die Evangelien.
Paulus hat Jesus nie kennengelernt – was er über ihn schrieb, war alles nur vom Hörensagen. Und dieses Hörensagen war damals nicht anders als heute, d.h. mit Vorsicht zu genießen.

Dementsprechend konnte Paulus nicht von Jesus zum Apostel ernannt werden, sondern hat sich selbst dazu ernannt. Trotzdem war und ist sein Einfluss auf das Christentum so enorm, dass man sagen kann, ohne Paulus hätten wir heute keines oder ein anderes Christentum, auf jeden Fall weniger frauenfeindliches.
 
dass man sagen kann, ohne Paulus hätten wir heute keines oder ein anderes Christentum, auf jeden Fall weniger frauenfeindliches.

Die ersten beiden Aussagen sind mir zu kristallkugelig.

Die dritte Aussage ist etwas, was man Paulus (neben Sexfeindlichkeit, dabei predigt er sexuelle Enthaltsamkeit als Ideal, nicht als Verpflichtung) gerne nachsagt, was man häufig liest, allerdings wird da meist nur ein Halbsatz zitiert, der Paulus frauenfeindlich erscheinen lässt:

Die Frau verfügt nicht über ihren Körper, sondern der Mann...
Die ganze Stelle liest sich aber so:

Ihr sagt: 'Es ist gut für einen Mann, überhaupt keine sexuelle Beziehung zu einer Frau zu haben. 2 Meine Antwort ist: Um sexuelle Unmoral zu vermeiden, sollte jeder Mann seine Ehefrau haben und jede Frau ihren Ehemann. 3 Der Mann soll der Frau die eheliche Pflicht erfüllen, aber auch die Frau dem Mann. 4 Die Frau verfügt nicht über ihren Körper, sondern der Mann, ebenso aber verfügt auch der Mann nicht über seinen Körper, sondern die Frau. 5 Verweigert euch einander nicht - höchstens für eine begrenzte Zeit und im gegenseitigen Einverständnis, wenn ihr für das Gebet frei sein wollt. Aber danach sollt ihr wieder zusammenkommen, damit euch der Satan nicht verführt, weil ihr euch ja doch nicht enthalten könnt. 6 Ich sage das als Zugeständnis, nicht als Gebot. 7 Ich wünschte zwar, alle Menschen wären so wie ich, doch der eine hat diese Gabe von Gott, der andere jene. (Matthäus 19.22) 8 Zu den Unverheirateten und Witwen sage ich: Es ist gut, wenn sie ehelos bleiben wie ich. 9 Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, dann sollen sie heiraten. Das ist besser, als vor Begierde zu brennen. (1. Timotheus 5.14) 10 Für die Verheirateten aber gilt ein Gebot - es stammt nicht von mir, sondern vom Herrn: Eine Frau soll sich nicht von ihrem Mann scheiden lassen. (Matthäus 5.32) 11 Hat sie sich aber doch von ihm getrennt, dann soll sie unverheiratet bleiben oder sich wieder mit ihm versöhnen. Auch ein Mann darf seine Frau nicht verstoßen. 12 Den anderen aber sage ich - hier habe ich kein Wort des Herrn: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat, die weiter bei ihm bleiben will, so soll er sich nicht von ihr trennen. 13 Dasselbe gilt für eine gläubige Frau, die einen ungläubigen Mann hat: Wenn er weiter bei ihr bleiben will, soll sie sich nicht von ihm trennen. 14 Denn der ungläubige Ehemann ist durch die Frau in die Nähe Gottes gebracht und die ungläubige Frau ist durch den Bruder in die Nähe Gottes gebracht. Sonst müsstet ihr ja auch eure Kinder als fern von Gott betrachten. Nun aber sind auch sie in die Nähe Gottes gebracht. (Römer 11.16) 15 Wenn aber der ungläubige Partner auf einer Trennung besteht, dann willigt in die Scheidung ein. Der Bruder oder die Schwester ist in diesem Fall nicht sklavisch an die Ehe gebunden. Gott hat uns doch zu einem Leben in Frieden berufen! (Römer 14.19) 16 Wie willst du denn wissen, Frau, ob du deinen Mann zu Christus führen und retten kannst? Oder weißt du, Mann, etwa, dass dir das bei deiner Frau gelingt?
[...]
Der Unverheiratete sorgt sich um die Angelegenheiten des Herrn - wie er dem Herrn gefallen kann; 33 der Verheiratete sorgt sich um die Angelegenheiten der Welt - wie er der Frau gefallen kann - (Lukas 14.20) 34 und so zieht es ihn nach beiden Seiten. Ebenso ist es mit der alleinstehenden oder einer noch ledigen Frau: Sie sorgen sich um die Angelegenheiten des Herrn - dass sie mit Körper und Geist für ihn da sind. Die verheiratete Frau aber sorgt sich um die Angelegenheiten der Welt - wie sie ihrem Mann gefallen kann.
Alle Pflichten, die Paulus der Frau auferlegt, erlegt er also auch dem Mann auf. Paulus kann also nicht als Urheber christlicher Misogynie ausgemacht werden. Nur weil dieser Vorwurf immer wieder wiederholt wird, ergibt er sich aus den paulinischen und auch aus den pseudopaulinischen Schriften nicht.
 
Das ist nicht die entscheidende Stelle, @El Quijote, sondern diese aus dem 1.Korinther 14,33-35 – Zitat:

Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden: Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, in der Versammlung zu reden.

Damit hat die Kirche später Frauen mundtot gemacht, und das nicht nur in der Kirche, sondern auch außerhalb. Ja die Kirche ging so weit, ihnen sogar das Singen in den Kirchen zu verbieten. Die Folge war u.a.: Man zerdrückte Hoden von präpubertären Jungen und machte sie so zu Kastraten – der letzte starb im Vatikan im Jahr 1922. Dies alles zu Ehren Gottes der Ordnung und des Friedens.
 
Paulus hat Jesus nie kennengelernt – was er über ihn schrieb, war alles nur vom Hörensagen. Und dieses Hörensagen war damals nicht anders als heute, d.h. mit Vorsicht zu genießen.

Dementsprechend konnte Paulus nicht von Jesus zum Apostel ernannt werden, sondern hat sich selbst dazu ernannt. Trotzdem war und ist sein Einfluss auf das Christentum so enorm, dass man sagen kann, ohne Paulus hätten wir heute keines oder ein anderes Christentum, auf jeden Fall weniger frauenfeindliches.

Auch mir ist das 1. viel zu hypothetisch und 2. viel zu ideologisch gefärbt. Paulus war Jude, stammte aus einer sehr stark patriarchalisch geprägten Kultur.

Was Paulus angebliche Sexualfeindlichkeit angeht, so hat El Quichote schon darauf hingewiesen, dass sexuelle Enthaltsamkeit bei Paulus lediglich ein Ideal, keineswegs aber eine normative Verpflichtung war.

Zur Frauenfeindlichkeit im Christentum ist zu sagen, dass es eine Reihe von Quellen und Indizien gibt, die darauf hindeuten, dass Ende des 1. und Anfang des 2. Jahrhunderts durchaus noch Frauen wichtige Gemeindeposten einnehmen konnten.

Plinius der Jüngere berichtet Kaiser Trajan von seinen Maßnahmen gegen bithynische Christen, und er schreibt davon, dass er zwei Diakonissen (ministrae) habe foltern lassen, dabei aber nichts als einen verschrobenen Aberglauben vorgefunden habe.

Plinius minor Epistula II, 96:

"Quo magis necessarium credidi, duas ancillis quae ministrae dicebantur quid esset veri et per tormenta quarere nihil aliud inveni, quam superstionem pravam et immodicem."

"Daher erachtete ich es für dringende Notwendigkeit, aus zwei Mägden, die Diakonissen (Dienerinnen) genannt werden, die Wahrheit auch noch auf der Folter herauszufinden. Ich habe aber nichts herausgefunden, als einen verschrobenen grenzenlosen Aberglauben."

Paulus selbst erwähnt eine Apostelin namens Junia, die später im 12.-13. Jahrhundert zum Junias mutierte.

Dazu Gerd Theißen, die Jesusbewegung-Sozialgeschichte einer Revolution 2004 S. 56:

"Die Wandermission war nicht auf den Zwölferkreis beschränkt. Paulus unterscheidet in 1.Korinther 15, 3-8 die Zwölf deutlich von den Aposteln. Apostel sind für ihn alle, die eine österliche Erscheinung hatten und missionierten (1. Kor 9, 1). Paulus nennt das Paar Junia und Andronikos Apostel und betont, dass sie schon vor ihm Jesusanhänger wurden. Im Römerbrief nennt Paulus sie namentlich und schreibt "Sie sind berühmt unter den Aposteln." (Röm 16, 7).

Karl Suso Frank, Lehrbuch der alten Kirche Gütersloh 2002 S. 105 schreibt:

"Paulus nennt eine ansehnliche Zahl von Frauen, die gleich ihm oder mit ihm missionierten und beim Aufbau von Gemeinden mitwirkten. (vgl: Röm 16, 1-15, Phil 4, 2-3) Phoebe in Korinth wird als Diakonin bezeichnet, Junia galt wie Andronikus als hochberühmt unter den Aposteln (Röm 16, 7). "

Der gleiche Autor zu Führungspositionen im Christentum (Karl Suso Frank Lehrbuch der alten Kirche S. 54 und 100:

"Der Geist teile, so Paulus, jedem bestimmte Gnadengaben (charismata) zu, damit alle Gemeindemitglieder (vgl Röm 16) Männer und Frauen zum Nutzen aller und zum Wohle des einen Leibes beitragen (1. Kor 12, 4-30), sei es in gemeindlicher, sei es in missionarischer Arbeit. Paulus zählt Weisheitsrede, Lehre, Heilungsaufgaben, Wunderkräfte, Prophetie, Zungenrede und ihre Auslegung, Fürsorge, Leitungs- und Verwaltungsaufgaben auf. An ihrer Spitze standen Paulus zufolge Propheten, Apostel und Lehrer ( 1. Kor 12, 28). Andernorts nennt er fürsorgende Vorsteher ( 1. Thess 5, 12, 12, 8), Lenker (1.Kor 12, 28) episkopoi und diakonoi (Phil 1, 1) Die Abgrenzung und Zuordnung der Ämter war nicht ganz klar. Feste Ämter hatten sich bis dahin anscheinend noch nicht eingebürgert."

In Anlehnung an die jüdische Institution des Ältestenrats nahmen in einigen Gemeinden Älteste (Presbyter) Vorsteherposten in den Gemeinden ein. (Jak 5, 14, 1. Petr 5, 1-4) In den paulinischen Gemeinden gab es dagegen keine Presbyter.

Im 1. und 2. Jahrhundert konnten Frauen in verschiedenen christlichen Gemeinden wichtige Gemeindeposten einnehmen, und Paulus äußert sich mehrfach lobend über Frauen wie Phoebe und Junia, die er ausdrücklich eine berühmte Apostelin nennt. ( Röm 16) Die Rolle von Frauen in der Kirche des 1. und 2. Jahrhunderts unterschied sich recht stark von der im 4. und 5. Jahrhundert.

Paulus wird gerne als Frauenfeind bezeichnet, meist kommt dann ein Verweis auf eine Stelle in der Vulgata (mulier taceat in ecclesiam-Die Frau möge in der Kirche schweigen). Aus den oben zitierten Passagen aus Paulus Schriften, lässt sich aber Paulus kaum als Kronzeuge für eine besonders frauenfeindliche Haltung anführen-im Gegenteil! Paulus selbst scheint mit der Zusammenarbeit mit Frauen kein Problem gehabt zu haben, Phoebe und Junias nennt er namentlich, bei letzterer betont er sogar, dass sie vor ihm Jesusanhängerin war und berühmt sei unter den Aposteln.


Worin ich dir zustimmen würde, ist die These, dass Paulus großen Einfluss auf das frühe Christentum hatte, dass er großen Anteil daran hatte, dass sich das Christentum früh auf die Heidenmission konzentrierte. Das Christentum ist aus dem Judentum und aus dem Hellenismus entstanden. Paulus war in beiden Welten völlig heimisch, er beherrschte Griechisch sehr gut, und er war römischer Bürger. Paulus Missionserfolg in Athen hielt sich anscheinend in Grenzen, immerhin aber war er so rhetorisch versiert, dass er genug Interesse weckte, um auf dem Areopag sprechen zu dürfen und mit Epikureern und Stoikern zu diskutieren. .
 
Auch mir ist das 1. viel zu hypothetisch und 2. viel zu ideologisch gefärbt. Paulus war Jude, stammte aus einer sehr stark patriarchalisch geprägten Kultur.
[...]
Das Christentum ist aus dem Judentum und aus dem Hellenismus entstanden. Paulus war in beiden Welten völlig heimisch, er beherrschte Griechisch sehr gut, und er war römischer Bürger.
Paulus' Frauenbild sollte man nicht nur vor seinem jüdischen Hintergrund betrachten, sondern insbesondere vor dem griechisch-römischen Hintergrund.
Ziemlich zeitgleich mit dem 1. Korintherbrief verfasst Seneca seine Schrift "De constantia sapientis", in der es gleich im ersten Satz heißt, die Männer seien zum Befehlen geboren, die Frauen zum Gehorchen.

Tantum inter Stoicos, Serene, et ceteros sapientiam professos interesse quantum inter feminas et mares non inmerito dixerim, cum utraque turba ad uitae societatem tantundem conferat, sed altera pars ad obsequendum, altera imperio nata sit.

Wohlgemerkt: Die Absicht des Satzes ist es nicht, das Verhältnis zwischen Mann und Frau zu definieren (dass Männer zum Befehlen und Frauen zum Gehorchen geboren sind, ist für Seneca eine Selbstverständlichkeit), es geht hier um das Verhältnis zwischen Stoikern und sonstigen Philosophen.


Wenn Paulus hingegen den Korinthern eigens schreibt, dass die Frauen sich unterordnen sollen und in öffentlichen Versammlungen nichts zu melden haben, muss man sich doch eigentlich wundern. War das denn keine Selbstverständlichkeit? Gab es hier eine speziell korinthische "Unart", die Paulus meinte korrigieren zu müssen?
 
Paulus war Jude, stammte aus einer sehr stark patriarchalisch geprägten Kultur.
Klar war das mit ein Grund, dass er Frauen den Mund verbot. Und selbst die Tatsache, dass er selbst gute Erfahrungen mit Diakonissinnen hatte, verhinderte nicht, ihnen das Recht abzusprechen, in der Gemeinde zu sprechen – und damit auch, dort gehört zu werden.

Die Folge war, dass Männer – mit Berufung auf Paulus – die Frauen aus den Führungspositionen herausdrängen konnten; seit dem 3. Jhdt. bis in die Neuzeit und darüber hinaus wirkte dieses Verbot, erst die Aufklärung drängte die Rolle der Kirche in der Gesellschaft zurück und ermöglichte so in den nachfolgenden Jahrhunderten Frauenemanzipation, wovon in der nach wie vor männerdominierten katholischen Kirche kaum die Rede sein kann. Da regieren immer noch Paulus-Jünger.
 
Trotzdem war und ist sein Einfluss auf das Christentum so enorm, dass man sagen kann, ohne Paulus hätten wir heute keines oder ein anderes Christentum

Das kann man sicher behaupten.

auf jeden Fall weniger frauenfeindliches.

Auf jeden Fall wissen wir nicht, wie sich die Geschichte sonst entwickelt hätte. Man könnte spekulieren, dass es eine marginale Gruppe, etwa wie die Ebioniten, geblieben wäre. Und dann? Wer weiß, vielleicht hätte sich in der Spätantike der Mithraismus zur beherrschenden Religion entwickelt, da hatten Frauen nicht nur zu schweigen, sondern waren gänzlich ausgeschlossen - im Vergleich dazu war das Christentum geradezu ein Paradies der Frauenemanzipation.

Im kontrafaktischen Dampfplaudermodus könnte man auch behaupten, ohne Paulus hätte es gar keine Aufklärung und erst recht keine nachfolgende Frauenemanzipation gegeben - darüber zu diskutieren ist müßig.

Die Folge war, dass Männer – mit Berufung auf Paulus – die Frauen aus den Führungspositionen herausdrängen konnten
Wenn man sich andere Glaubenssysteme und Staatsideologien so ansieht, die mit Paulus nichts am Hut hatten, das polytheistische Rom, den monotheistischen Islam, den praktisch götterabstinenten Konfuzianismus, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass auch in einem hypothetischen "Christentum ohne Paulus" den Männern auch ohne Berufung auf Paulus genug Begründungen eingefallen wären, um Frauen aus Führungspositionen herauszudrängen - bzw. sie erst gar nicht in Führungspositionen aufsteigen zu lassen.
 
Ich weiß, dass traditionell denkende Katholiken das anders sehen, aber beispielsweise die Protestanten in Deutschland bilden meines Erachtens schon auch eine christliche Kirche, und keine frauenfeindliche.
Ja, aber das auch erst seit dem 20. Jahrhundert: Erst 1992 wurde Maria Jepsen als die weltweit erste Frau zur Bischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche gewählt – selbstverständlich gegen heftigen Widerstand der Ewiggestrigen – Zitat:

Rund 80 Pastoren in "Nordelbien" drohen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, sollte Jepsen zur Bischöfin gewählt werden. Sie sprechen von einer Katastrophe für die Kirche und untermauern ihre Ablehnung mit Bibel-Zitaten wie "Das Weib schweige in der Gemeinde".


... habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass auch in einem hypothetischen "Christentum ohne Paulus" den Männern auch ohne Berufung auf Paulus genug Begründungen eingefallen wären, um Frauen aus Führungspositionen herauszudrängen - bzw. sie erst gar nicht in Führungspositionen aufsteigen zu lassen.
Möglich – aber wir sollten uns an die Tatsachen halten: In Europa berief man sich auf Paulus – und in der offiziellen katholischen Kirche beruft man sich auf ihn noch immer –, um Frauen kleinzuhalten.

Von Jesus kam das nicht, denn der war möglicherweise verheiratet (er wurde Rabi genannt, und Rabis mussten verheiratet sein), und ganz sicher waren manche seiner 12 Aposteln verheiratet, dass die Kirche die Frauen ausschloss und selbst von ihren (männlichen) Priestern verlangte (Synode von Elvira), sich bei Strafe von Frauen fernzuhalten (Paulus: Ich wünschte, alle Menschen wären wie ich), ist auf ihn zurückzuführen.

Zusätzlich dazu gab es später abenteuerliche Begründungen – z.B.: femina, das lateinische Wort für Frau, komme von fe-minus, d.h. von fe (fides, Glaube) und minus (weniger). :D
 
Ja, aber das auch erst seit dem 20. Jahrhundert: Erst 1992 wurde Maria Jepsen als die weltweit erste Frau zur Bischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche gewählt – selbstverständlich gegen heftigen Widerstand der Ewiggestrigen

Ok, aber es war eben von "heute" die Rede.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass Dion auf die dunklen Seiten des Christentums etwas deutlicher hinweist als auf die hellen.
Aus christlicher Perspektive wäre dazu wohl zu sagen, dass gerade die Kritiker der Kirche zu den wertvollsten Werkzeugen in den Händen des Herren zählen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Von Jesus kam das nicht, denn der war möglicherweise verheiratet (er wurde Rabi genannt, und Rabis mussten verheiratet sein),
Eine Behauptung, die vor ca. 15 Jahren auch schon mal @askan in diesem Forum getätigt hat, für die mir nie ein Beleg untergekommen ist, auch bei Rainer Kesslers Sozialgeschichtes des antiken Israels nicht. Meines Wissens gibt es keinerlei Belege für (oder gegen) eine Ehe Jesu. Tut aber auch nichts zur Sache, weil die Tatsache, dass ein Protagonist des frühen Christentums verheiratet gewesen wäre (bei Petrus ist irgendwo von seiner Schwiegermutter und - ich meine in apokryphen Texten - seiner Frau und Tochter die Rede) nichts zum Recht von Frauen in antiken Gesellschaften aussagt. Dass Kaiser Augustus verheiratet war, besagt nichts über die Stellung der Frau im römischen Reich. Dass Sokrates verheiratet war, besagt nichts über die Stellung der Frau im klassischen Athen (obwohl über Xanthippe die ein oder andere kauzige Erzählung überliefert ist - hätten wir nur die, würden wir uns womöglich ein ganz falsches Bild von der Stellung der Frau in Attika machen.

... dass die Kirche die Frauen ausschloss und selbst von ihren (männlichen) Priestern verlangte (Synode von Elvira), sich bei Strafe von Frauen fernzuhalten (Paulus: Ich wünschte, alle Menschen wären wie ich), ist auf ihn zurückzuführen.
Mag sein, wird Paulus aber nicht gerecht und musst du nicht ihm ankreiden, sondern denen, die genau so fragmentarisch zitiert haben, wie du es hier tust (und ist nebenbei genau die Fragmentzitiererei, die ich in #2 kritisiert habe!!): Paulus hat ausdrücklich gesagt, dass Ehelosigkeit ein Ideal sei, er aber genau wisse, dass bei vielen Gläubigen beider Geschlechter das sexuelle Verlangen so groß sei, dass sie eben besser nicht ehelos wären, sondern sich gegenseitig hingäben. Was er verlangt, ist, dass das im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft und nur in diesem Rahmen geschähe.

Zusätzlich dazu gab es später abenteuerliche Begründungen – z.B.: femina, das lateinische Wort für Frau, komme von fe-minus, d.h. von fe (fides, Glaube) und minus (weniger). :D
Solche Wortspielereien - wie diese von Heinrich Kramer - gab es im Mittelalter zuhauf. Mariä Verkündigung wurde so auch zur Umkehrung des Sündenfalls, schließlich sei das englische (anglish, not english) AVE (Maria, gratia plena) die Umkehr von EVA.

Allerdings war Kramers Wortspielerei fe-mina, die noch die lateinische Grammatik beugen musste, da *mina nunmal keine Form von minus ist, selbst für die Maßstäbe der mittelalterlichen Etymologie schräg.

Nebenbei: Wenn man sich die biblischen Texte zur Wiederauferstehung Christi ansieht, kann man sehen, dass nicht nur keine biblische Grundlage gibt, sondern dass dieses sogar diametral zu biblischen Verkündigung steht: Es waren laut biblischer Überlieferung die Frauen (und der jugendliche Johannes), die unterm Kreuz ausharrten. Während die Männer sich nach der Kreuzigung verkrochen und einschlossen, waren es die Frauen, die das Grab aufsuchten. Kramer stand also, wennman so will, im Widerspruch zur höchsten Autorität des Mittelalters, zur Bibel.

Die Wirkung des "Hexenhammers" sollte man - wenn man sich seine Publikationsgechichte ansieht - nicht geringschätzen. ABER: Von den offiziellen Stellen, von der Inquisition in Rom, wurde er für nicht voll genommen. Viele empörte schon das einleitende Totschlagargument (im doppelten Wortsinne), dass, wer nicht an Hexen glaube, ein Häretiker sei und entfernt werden müsse. Allerdings - gerade was das fe-mina-Argument anbelangt, kennzeichnete es Thomasis als lächerlich und empfahl Thomasius seinen Lesern: "Freunde, haltet an euch mit dem Gelächter" (quod femina dicta sit a fe et minus - risum teneatis amici -, quia semper minorem habeat et servet fidem). Thomasius schrieb dies freilich 250 Jahre später.
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Wir müssen uns doch nicht darüber unterhalten, dass es Misogynie gab und gibt und dass sie teilweise ekelhafteste Formen annahm. Was nicht gerechtfertigt ist, ist, Paulus als speziellen Frauenfeind darzustellen. Das war er nicht. Er stand im Einklang mit dem jüdischen Gesetz und griechisch-römischen Gepflogenheiten.

Ich weiß auch nicht, ob man in Zeiten, in denen jemand von seinen Anhängern weltweit mit dem Spruch grab them by their pussy gefeiert wird und von vielen Millionen Amerikanern, darunter Frauen, (liebende?*) Ehemänner, Väter, Mütter, Söhne etc. gewählt und beinahe wiedergewählt wurde und der nach wie vor die Ikone der Neurechten ist - trotz all seines Verhaltens, welches ja insbesondere seinen evangelikalen Anhängern ein Dorn im Auge sein müsste, wenn sie ehrlich mit sich selbst wären** - ob man in diesen Zeiten sich so erhaben über die Misogynie eines verkrachten Dominikanermönchs im ausgehenden Mittelalter auslassen muss.

*das Adjektiv giltt für alle Familienangehörigen von Frauen, die little fingers gewählt haben.
**wie kann es sein, dass eine Partei, welche die evangelikale rechtsaußen Sarah Palin (Mutter vieler Kinder, davon mindestens eines behindert) groß gemacht hat, die gegen Abtreibung selbst von behinderten Ungeborenen ist - was im Übrigen voll legitim ist, nicht, dass ich hier falsch verstanden werde - einen Mann wählt, der sich auf offener Wahlkampfbühne über Behinderte aufs Allerfieseste lustig macht?
 
Klar war das mit ein Grund, dass er Frauen den Mund verbot. Und selbst die Tatsache, dass er selbst gute Erfahrungen mit Diakonissinnen hatte, verhinderte nicht, ihnen das Recht abzusprechen, in der Gemeinde zu sprechen – und damit auch, dort gehört zu werden.

Die Folge war, dass Männer – mit Berufung auf Paulus – die Frauen aus den Führungspositionen herausdrängen konnten; seit dem 3. Jhdt. bis in die Neuzeit und darüber hinaus wirkte dieses Verbot, erst die Aufklärung drängte die Rolle der Kirche in der Gesellschaft zurück und ermöglichte so in den nachfolgenden Jahrhunderten Frauenemanzipation, wovon in der nach wie vor männerdominierten katholischen Kirche kaum die Rede sein kann. Da regieren immer noch Paulus-Jünger.

Irgendwo nötigt mir ja die Entschlossenheit, rhetorisch schwer zu haltende Positionen oder selbst haltloses Terrain zu verteidigen Respekt ab- Etliche Diskussionen im Forum hätten niemals den Umfang erreicht und auch nicht die Kontroverse. Nach Chans Sperre ist es im Unterforum Christentum sehr ruhig geworden, und zu meiner eigenen Überraschung musste ich mir eingestehen, dass ich solche Diskussionen und Mitglieder vermisse.

Eigentlich geben doch die Quellen, die (echten) Paulusbriefe, die Apostelgeschichte Informationen, die die These stützen, dass Paulus ein fanatischer Frauenfeind gewesen ist, der Frauen auf eine rein passive Rolle beschränken wollte so gar nicht her.

Im 1. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts konnten Frauen durchaus noch wichtige Ämter in den Gemeinden besetzen, es gibt dafür Indizien in christlichen wie außerchristlichen Quellen. Paulus arbeitete mit Frauen wie Phoebe, Junia, Priscilla oder Lydia zusammen, er lobt sie, und es fällt auf, dass solche Frauen häufig in Gemeinden auftreten, die von Paulus gegründet wurden.

In der ApG. wird eine Purpurhändlerin namens Lydia namentlich erwähnt. Wenn man dieser Quelle Glauben schenken will, war Lydia aus Philippi die erste europäische Christin. Lydia lud Paulus und Silas nach einem Knastaufenthalt ein, bei ihr zu wohnen. (ApG 16, 40, ApG 16, 14). Anscheinend lud sie die beiden nicht nur in ihr Haus ein, nach ApG 16, 40 wurde ihr Haus zum Kult- und Gemeindezentrum und Lydia zu einer bedeutenden Mäzenin und Gemeindevorsteherin. Im Philipperbrief lobt Paulus die Gemeinde von Philippi für eine großzügige Spende, die er vor allem Lydia zuschreibt.

Bei der zweiten Missionsreise (ApG 18, 1-17) logiert Paulus bei einem Ehepaar Prisca (Priscilla) und Aquila. Die beiden wurden wegen des Judenedikts des Claudius aus Rom ausgewiesen. Paulus bezeichnet sie als Mitarbeiter, die ihn mehrfach auch in gefährlicher Lage unterstützten. Paulus schreibt, sie hätten für seinen Hals ihr Leben riskiert. (Röm 16, 3-4) Dass Prisc(ill)a als Mitarbeiterin des Paulus und Verkündigerin des Evangeliums vor ihrem Mann Aquila genannt wird, lässt darauf schließen, dass man ihren Beitrag zur Verbreitung des Christentums für wichtiger, als den ihres Mannes hielt. Es ist durchaus auch ein Indiz für die wichtige Rolle von Frauen im Urchristentum.

Priszilla und Aquila – Wikipedia
 
Es ist durchaus auch ein Indiz für die wichtige Rolle von Frauen im Urchristentum.
Ja, aber wir wollen bitte schon noch weiter unterscheiden zwischen dem Urchristentum und dem, was danach geschah. Deswegen gehen Hinweise auf die Rolle von Frauen im Urchristentum, also in den ersten 2-3 Jahrhunderten, hier fehl.

Meines Wissens gibt es keinerlei Belege für (oder gegen) eine Ehe Jesu.
Jesus wir in der Bibel unzählige Male Rabbi genannt. Und ein Rabbi musste damals – wie heute noch in im orthodoxen Judentum – verheiratet sein. Ein Rabbi ist ein Schriftgelehrter, der u.a. die Tora auslegt – was Jesu auch getan hat, so zum Beispiel bei der Ehebrecherin in Joh 8,1-11, als die Schriftgelehrten die Frau zu ihm brachten und fragten, was mit ihr zu geschehen sei. Das zeigt, dass die Schriftgelehrten Jesus als ihresgleichen ansahen.

Dass Kaiser Augustus verheiratet war, besagt nichts über die Stellung der Frau im römischen Reich.
Das wird hier auch nicht verhandelt, sondern ob Jesus selbst verheiratet war. Wenn ja, wäre es unsinnig, von seinen priesterlichen Nachfolgern Ehelosigkeit zu verlangen. Aber Paulus sagt es ganz klar – 1. Korinther 7,38:

Wer seine Verlobte heiratet, handelt also gut; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser.

Verlobungsversprechen absichtlich nicht zu erfüllen, also das gegebene Wort zu brechen, das ist eine ziemlich unverschämte Empfehlung, so dass man an Paulus‘ Moral schon zweifeln darf.

Übrigens, dass die Apostel und die Brüder Jesu verheiratet waren, sagt uns Paulus auch – 1. Korinther 9,5:

Haben wir nicht das Recht, eine Schwester im Glauben als Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?
 
Solche Wortspielereien - wie diese von Heinrich Kramer - gab es im Mittelalter zuhauf. Mariä Verkündigung wurde so auch zur Umkehrung des Sündenfalls, schließlich sei das englische (anglish, not english) AVE (Maria, gratia plena) die Umkehr von EVA.

Allerdings war Kramers Wortspielerei fe-mina, die noch die lateinische Grammatik beugen musste, da *mina nunmal keine Form von minus ist, selbst für die Maßstäbe der mittelalterlichen Etymologie schräg.

Nebenbei: Wenn man sich die biblischen Texte zur Wiederauferstehung Christi ansieht, kann man sehen, dass nicht nur keine biblische Grundlage gibt, sondern dass dieses sogar diametral zu biblischen Verkündigung steht: Es waren laut biblischer Überlieferung die Frauen (und der jugendliche Johannes), die unterm Kreuz ausharrten. Während die Männer sich nach der Kreuzigung verkrochen und einschlossen, waren es die Frauen, die das Grab aufsuchten. Kramer stand also, wennman so will, im Widerspruch zur höchsten Autorität des Mittelalters, zur Bibel.

Die Wirkung des "Hexenhammers" sollte man - wenn man sich seine Publikationsgechichte ansieht - nicht geringschätzen. ABER: Von den offiziellen Stellen, von der Inquisition in Rom, wurde er für nicht voll genommen. Viele empörte schon das einleitende Totschlagargument (im doppelten Wortsinne), dass, wer nicht an Hexen glaube, ein Häretiker sei und entfernt werden müsse.

Kramer Institoris hat versucht, seiner Schrift mehr Autorität zu verschaffen, indem er im Vorwort die Hexenbulla von Innozenz VIII. und sozusagen ein Gutachten von verschiedenen Theologen der Universität zu Köln.

Diese(s) Gutachten fiel freilich inhaltlich sehr vorsichtig und verhalten aus. Die radikalen Schlussfolgerungen Kramers wurden von den Professoren und Doktoren nicht gedeckt.

Institoris führt sie aber gleichwohl als argumentum ad verecundiam für seine Thesen an. Der Papst hat mich beauftragt und steht hinter mir. Die namhaften Autoritäten der Uni Köln sind einer Meinung mit mir- und überhaupt, wer an Hexerei zweifelt ist womöglich selbst der Häretik schuldig: Argumentum ad verecundiam plus Argumentum ad verecundiam plus Totschlagsargument= absolute Wahrheit.

Institoris erster Feldversuch, eine Hexenverfolgung zu starten, misslang gründlich. Der Bischof von Brixen komplimentierte ihn aus Tirol und sagte offen, dass er Institoris für einen Verrückten hielt.
 
Noch etwas zur Geschichte des Zölibats. Hier wird der Eindruck erweckt, dass der Zölibat frauenfeindlich sei und sich aus Paulus' Worten abgeleitet seit dem 3./4. Jhdt. durchgesetzt habe:

dass die Kirche die Frauen ausschloss und selbst von ihren (männlichen) Priestern verlangte (Synode von Elvira), sich bei Strafe von Frauen fernzuhalten (Paulus: Ich wünschte, alle Menschen wären wie ich), ist auf ihn zurückzuführen.

Nun... erstens stimmt das so nicht. Der allgemeinverbindliche Zölibat ist nicht in der Antike sondern im fortgeschrittenen Hochmittelalter aus Gründen des Erbrechts formuliert worden. Irgendwo habe ich mal eine Darstellung gelesen, dass Gemeindepriester auch fürderhin noch mit ihren Frauen und Kindern oft genug in der Kirche selbst hausten (gemeint war wirklich in der Kirche und nicht in einem angebauten Raum), leider ist das schon sehr lange her, dass ich das gelesen habe und ich war wohl auch noch ziemlich jung, so dass ich weder weiß, ob konkrete Quellen angegeben waren, noch wie verlässlich diese Darstellung einzustufen ist.

Die Synode von Elvira verlangt tatsächlich VON KIRCHENOFFIZIELLEN, dass sie nur noch mit verwandten Frauen in einem Haushalt lebten und sich einer weiteren sexuellen Beziehung mit ihren Ehefrauen enthielten. Frauenfeindlich ist das nicht. Es geht hier um die Kirchenmänner. Es sind eben diese Kirchenmänner: 22 Bischöfe, 36 Presbyter und eine ungenannte Zahl an Diakonen (residentibus etiam tringinta sex presbyteris adstantibus diaconibus), die hier sich selbst und ihren Nachfolgern den Ehevollzug und die verbieten. (Placuit in totum prohibere episcopis, presbyteris et diaconibus vel omnibus clericis positis in ministerio abstinere se a coniugibus suis et non generare filios...). Begründet wird das nicht, aber man kann sich denken, dass hier - da davon ausgegangen wird, dass die Amtsträger häufig bereits verheiratet sind und Kinder haben - die Argumente ähnlich waren, wie heute für die Beibehaltung des Zölibats: Der Priester ist mit seiner Gemeinde verheiratet und soll sich um seine Gemeinde kümmern und nicht die Gemeinde zu Gunsten einer eigenen Familie vernachlässigen.

Auch interessant ist im Übrigen, dass jemand nur dort Kleriker werden soll, wo man ihn und seine Lebensgeschichte kennt:

Omnes qui in peregre fuerint baptizati, eo quod eorum minime sit cognita vita, placuit ad clerum non esse promovendos in alienis provinciis.‎

Ansonsten sind die Sexualvorschriften der Synode von Elvira eigentlich die, dass man keinen außerehelichen Sex haben soll, seinen Partner bzw. seine Partnerin nicht verlassen soll, selbst wenn der/die heidnisch ist, aber nur, wenn der Partner oder die Partnerin heidnisch ist und einen verlässt, sich wieder einen neuen Partner, eine neue Partnerin, der/die aber katholisch sein muss, suchen darf. (Eltern wird die Kommunion verweigert, wenn sie ihrer Tochter (hier nur die Tochter, nicht auch der Sohn) gestatten, einen heidnischen Mann zu ehelichen.) Wird man von einem christlichen Partner verlassen, muss der/die Verlassene bis zum Ableben des Verlassenden dem Ehegelübde treu bleiben.
Am interessantesten sind eigentlich die Strafen: Für eine bestimmte Dauer (5, 7 Jahre) wird keine Kommunion gewährt, die Kommunion wird nur bei ernsthaft erkrankten gewährt, die Kommunion wird nur als Sterbesakrament gewährt und - schwerste Strafe - die Kommmunion wird nicht einmal als Sterbesakrament gewährt (nec in finem [impertiendam] esse illi communionem]

Dass offensichtlich auch ganz konkrete Fälle den Klerikern auf den Nägeln brannten mag man an titulus XLIV sehen:

Meretrix quae aliquando fuerit et postea habuerit maritum, si postmodum ad credulitatem venerit, incunctanter placuit esse recipiendam.

Die, die eine Prostituierte gewesen ist, aber später geheiratet hat, soll, wenn sie danach zum Glauben gekommen ist ohne Zaudern aufzunehmen erlaubt sein.
 
Jesus wir in der Bibel unzählige Male Rabbi genannt. Und ein Rabbi musste damals – wie heute noch in im orthodoxen Judentum – verheiratet sein.
Ich sag ja: Ich kenne die Behauptung. Einen Beleg dafür habe ich noch nirgends gefunden. Letztendlich versuchst du mir gegenüber die Behauptung mit sich selbst zu belegen. Wo steht in den antiken jüdischen Quellen, dass nur Rabbi genannt werden darf wer geheiratet hat? Am besten im Pentateuch, aber unter gewissen Umständen würde ich selbst die Mischna akzeptieren.


Ein Rabbi ist ein Schriftgelehrter, der u.a. die Tora auslegt – was Jesu auch getan hat, so zum Beispiel bei der Ehebrecherin in Joh 8,1-11, als die Schriftgelehrten die Frau zu ihm brachten und fragten, was mit ihr zu geschehen sei. Das zeigt, dass die Schriftgelehrten Jesus als ihresgleichen ansahen.
Danach habe ich nicht gefragt. Johannes erklärt z.B. häufiger mal den Begriff Rabbi (> διδάσκαλος). Manche - z.B. Hesemann - haben daraus den Schluss gezogen, Jesus sei selbst ein Pharisäer gewesen. So nutzten alle möglichen den Begriff Rabbi, um Jesus eine Gruppenzugehörigkeit oder einen Familienstand anzudichten. BELEGE dafür FEHLEN!

Vom heutigen rabbinischen Judentum darfst du aber nicht ausgehen, denn das rabbinische Judentum ist ein Resultat aus Entwicklungen die mit der Zerstörung des Tempels 70 (Vespasian, Titus) und der Vertreibung der Juden aus Iudaea und der Umbennenung Iudaeas in Palaestina (Hadrian) - also gewissermaßen einer das Judentum betreffenden damnatio memoriae - zusammenhängen. Das Judentum vor der Zerstörung des Tempels war eines der Tieropfer, damit hat das heutige rabbinische Judentum, das ein Judentum des fortgesetzten Studiums der Heiligen Schriften ist, nichts mehr zu tun.


Aber Paulus sagt es ganz klar – 1. Korinther 7,38:

Wer seine Verlobte heiratet, handelt also gut; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser.

Verlobungsversprechen absichtlich nicht zu erfüllen, also das gegebene Wort zu brechen, das ist eine ziemlich unverschämte Empfehlung, so dass man an Paulus‘ Moral schon zweifeln darf.
Ich verstehe deine moralische Empörung nicht. Also, natürlich verstehe ich sie, um ehrlich zu sein, schon. Ich verstehe was du insinuieren willst. Sie ist ziemlich aufgesetzt und Paulus absichtlich missverstehend, um ihm etwas vorwerfen zu können. Mit einer angemessenen historischen Behandlung des Sujets hat das aber nichts mehr zu tun.

Übrigens, dass die Apostel und die Brüder Jesu verheiratet waren, sagt uns Paulus auch – 1. Korinther 9,5:

Haben wir nicht das Recht, eine Schwester im Glauben als Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?
Wenn man jetzt so argumentierte wie du, könnte man aus der Stelle schließen, dass Jesus unverheiratet war. Denn während alle anderen als verheiratet bezeichnet werden, ist es ausgerechnet die Lichtgestalt per se, die in der Liste der Verheirateten nicht als Bsp. aufgeführt wird.

Nebenbei verstehe ich dein auftrumpfendes "Übrigens" nicht. Wenn ich mich recht erinnere, schrieb ich gestern von Petrus' Schwiegermutter und Tochter.

Edit: Spitze herausgenommen. Anmerkung: Nicht gestern, heute Vormittag.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, aber wir wollen bitte schon noch weiter unterscheiden zwischen dem Urchristentum und dem, was danach geschah.

Und hier sollte ein ganz wesentliches Charakteristikum des ganz frühen Christentums nicht übersehen werden: Sowohl Jesus wie auch Paulus rechneten mit dem baldigen Ende der bisherigen Weltordnung und dem Anbruch des Gottesreichs. Ehe, Familie, Nachkommenschaft wurden vor diesem Hintergrund zweitrangig, wenn nicht bedeutungslos. Das zeigt sich in vielen Stellen der Evangelien und der Paulusbriefe, zwei Beispiele:

"Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein." (Lukas 14,26)

"Denn ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht." (1. Kor 7, 29ff)
 
Diese(s) Gutachten fiel freilich inhaltlich sehr vorsichtig und verhalten aus. Die radikalen Schlussfolgerungen Kramers wurden von den Professoren und Doktoren nicht gedeckt.
Das spielte offenbar keine Rolle, das Machwerk „Hexenhammer“ wurde, teilweise mit kirchlichen (Imprimatur) Genehmigung, 30.000 mal gedruckt. Das ist für damalige Zeit eine ungeheuer hohe Auflage. Entsprechend breit und stark war die Wirkung – sogar in den protestantischen Ländern.

Es geht hier um die Kirchenmänner.
Natürlich geht es beim Zölibat um Kirchenmänner. Dass die Beschlüsse der Synode zunächst kaum Wirkung zeigten, spricht nicht für deren Gültigkeit.

Später, im Hochmittelalter, wurde das noch einmal bekräftigt, was aber auch nicht viel Wirkung zeigte, wie die Berichte über die Hurerei der Bischöfe und der Päpste zeigen – allein zum Konzil von Konstanz, wo u.a. Jan Hus zum Tod verurteilt wurde, kamen 700 Huren angereist, die heimlich tätigen nicht eingerechnet.

Einen Beleg dafür habe ich noch nirgends gefunden.
Ich auch nicht. Ich habe das tatsächlich den Regeln des heutigen Judentums entnommen, und wenn die, wie du schreibst, nicht mit jenen zur Zeit Jesu geltenden übereinstimmen, dann bin ich am Ende mit meinem „Latein“.

Ich verstehe was du insinuieren willst. Sie ist ziemlich aufgesetzt und Paulus absichtlich missverstehend, um ihm etwas vorwerfen zu können.
Ich insinuiere nichts, ich zitiere nur. Und an dem Satz ist nichts zu deuteln: Es ist ethisch nicht okay, wenn man dazu angeleitet wird, das gegebene Wort brechen.

Und ja, ich weiß, dass mit Kephas Petrus gemeint ist. Aber deiner Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass Jesus da als einziger nicht als verheiratet genannt wird, könne man schließen, dass er nicht verheiratet war, kann ich nicht folgen. Obwohl du mir das unterstellst, argumentiere ich nicht auf diese Art.

"Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein." (Lukas 14,26)
Ja, ich kenne das. Jesus spricht hier zu seinen Jüngern, um sie auf die kommenden Kämpfe mit den Ungläubigen einzustimmen. Er verlangt von ihnen, alles zu verlassen, was ihnen lieb und teuer ist und für ihn (im Kampf mit dem Schwert) zu sterben, denn nur dann würden sie das wahre Leben (im Himmel) gewinnen. Das war eine beliebte Begründung für die Kreuzzüge. Und die Zahl derer, die für den Glauben gestorben sind, ist Legion; der ganze Heiligenkalender ist voll davon: Dass kleine Kinder mit diesen Schauergeschichten aufwachsen, kümmert niemand - ist halt die Sache der Religion, in die sich der Staat nicht einzumischen habe.

Nicht anders argumentieren islamische Gelehrte, wenn sie ihre Jünger in Dschihad, den heiligen Krieg gegen die Ungläubige, schicken.

Solche Aussagen sind für mich mit der Grund, Religionen – wie auch bestimmte Ideologien – abzulehnen. Leider gibt es Millionen Gläubige, die nicht nur darüber hinwegsehen, sondern es auch bejahen, schließlich müsse man sich und seinen Glauben verteidigen. Wenn sich alle nur verteidigen würden, dann dürfte niemand der Angreifer sein. Aber dem war und ist nicht so. Bis heute nicht.
 
Ja, aber wir wollen bitte schon noch weiter unterscheiden zwischen dem Urchristentum und dem, was danach geschah. Deswegen gehen Hinweise auf die Rolle von Frauen im Urchristentum, also in den ersten 2-3 Jahrhunderten, hier fehl.

Jesus wir in der Bibel unzählige Male Rabbi genannt. Und ein Rabbi musste damals – wie heute noch in im orthodoxen Judentum – verheiratet sein. Ein Rabbi ist ein Schriftgelehrter, der u.a. die Tora auslegt – was Jesu auch getan hat, so zum Beispiel bei der Ehebrecherin in Joh 8,1-11, als die Schriftgelehrten die Frau zu ihm brachten und fragten, was mit ihr zu geschehen sei. Das zeigt, dass die Schriftgelehrten Jesus als ihresgleichen ansahen.

Das wird hier auch nicht verhandelt, sondern ob Jesus selbst verheiratet war. Wenn ja, wäre es unsinnig, von seinen priesterlichen Nachfolgern Ehelosigkeit zu verlangen. Aber Paulus sagt es ganz klar – 1. Korinther 7,38:

Wer seine Verlobte heiratet, handelt also gut; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser.

Verlobungsversprechen absichtlich nicht zu erfüllen, also das gegebene Wort zu brechen, das ist eine ziemlich unverschämte Empfehlung, so dass man an Paulus‘ Moral schon zweifeln darf.

Übrigens, dass die Apostel und die Brüder Jesu verheiratet waren, sagt uns Paulus auch – 1. Korinther 9,5:

Haben wir nicht das Recht, eine Schwester im Glauben als Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?

Das rabbinische Judentum existierte aber zu Jesus und Paulus Zeiten noch nicht- es ist erst im Laufe der Zeit aus der Bewegung der Pharisäer entstanden. Noch bis zu Luthers Zeiten war es üblich, dass Rabbiner ihr Amt ehrenamtlich bekleideten und einem bürgerlichen Beruf nachgingen. Theoretisch kann jeder, der in der Tora und im Tannach bewandert ist, einen Gottesdienst abhalten.

Jesus war anscheinend sehr bewandert in der Schrift, immer wieder wird erwähnt, dass er in Disputationen mit Pharisäern und Schriftgelehrten als überlegen hervorgeht. Ein Studium bei einem bekannten Gelehrten wie Gamaliel hatte Jesus vermutlich nicht absolviert. Zu dieser Zeit war Rabbi eher eine Höflichkeitsanrede an eine Persönlichkeit, der hinreichend mit Tora und Tanach vertraut war, als das es ein festes Amt mit vorgeschriebenen Amtspflichten und Zuständigkeitsbereichen oder auch einer vorgeschrieben Ausbildung an einer Hochschule war.

Jeder, der hinreichend mit der Schrift vertraut war und rhetorisches Talent besaß, konnte in der Synagoge das Wort ergreifen oder auch predigen. Das taten Jesus und die Apostel ja auch. Immer wieder sind Synagogen Treffpunkte und Predigtstätten.

Wir hatten in anderen Threads schon mal Voraussetzungen, Qualifikationen etc.. für angehende Messias-Bewerber, Propheten, Wunderrabbis und Möchtern-Propheten, Wunderrabbis, Messias-Darsteller gesammelt:

1. Er musste gut bei Stimme sein.

2. Er musste gut zu Fuß sein.

3. Eine überzeugende Performance: Wunder, Exorzismen, Zungenreden, Geisterbeschwörungen, Krankenheilungen,

4. Ein dickes Fell haben oder sich wachsen lassen, wenn ein Shitstorm von Kritiker aufkommt oder einem ein wütender Mob oder eine alarmierte Obrigkeit das Fell gerbt.
 
Ich insinuiere nichts, ich zitiere nur.
Das ist falsch. Du fällst ein moralisches Urteil und moralische Urteile von dir fallen - zumindest was Christentum und Islam anbelangt, bei anderen Religionen bin ich mir nicht sicher - immer zu Ungunsten des Religionsvertreters bzw. der jeweiligen Religion aus. Niemals unvoreingenommen.

Hier unterstellst du, Paulus habe dazu aufgerufen, ein Versprechen zu brechen.

Es ist immer wieder derselbe Mechanismus, den ich schon oben in Beitrag #2 kritisiert habe: du entkontextualisierst einen Halbsatz - verhältst dich damit mehr wie ein mittelalterlicher Theologe, denn wie ein Historiker - und ignorierst das Drumherum.

Das Drumherum ist: Paulus empfiehlt die Ehelosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit, ABER er sagt auch, dass diejenigen, bei den das sexuelle Verlangen zu groß ist, heiraten und Spaß aneinander haben sollen. Das ist der Kontext.

deiner Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass Jesus da als einziger nicht als verheiratet genannt wird, könne man schließen, dass er nicht verheiratet war, kann ich nicht folgen.
Das ist nicht meine Schlussfolgerung, sondern ich sagte, man könnte aus dieser Stelle schlussfolgern. Es gilt weiter, was ich schrieb: mir ist kein Sachverhalt bekannt, der darauf schließen lässt, dass Jesus un/verheiratet war.



Solche Aussagen sind für mich mit der Grund, Religionen – wie auch bestimmte Ideologien – abzulehnen.
Das ist dein gutes Recht. Aber bitte berücksichtige, dass wir ein Geschichtsforum sind und keine pro- oder antireligiösen Debatten führen, sondern Debatten über Ereignisse, Wirkungen, Narrative.
 
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