Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@Sepiola

ich glaube kaum das du dich auf eine Stufe mit dem Übersetzer stellen kannst:

Und ich weiß genau, das Du das nicht beurteilen kannst und es keine Rolle spielt, was Du glaubst. Ich kann sehr wohl beurteilen, ob ein Übersetzer nahe am Text bleibt oder sich eigene Interpretationen leistet. Und ob hier von einem einzelnen Gefecht die Rede ist oder nicht.

Ich verweise nochmal auf die Gegenstempel CA58 und TIB193,welche in keinem der rechtsrheinischen Lagern des Haltern Horizont auftauchten. Den Rest erspare ich mir.
Was Du Dir ersparst, ist die Beweisführung. In meiner Geldbörse befindet sich eine spanische Euromünze aus dem Jahr 2005, aber was beweist das? Ich war 2005 nicht in Spanien.

Du müsstest jetzt zwei Dinge zeigen:
1. Wie lässt sich nachweisen, wann die Gegenstempel geschlagen wurden?
2. Wie viele Münzen mit diesen Gegenstempeln gibt es, und wo wurden sie überall gefunden?

Und dann müsstest Du darlegen, welche logischen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.

Zu 1.
Wenn wir beispielsweise wissen, dass ein Gegenstempel im Jahr 5 n. Chr. geschlagen wurde, dann wissen wir, dass diese Münze 4 n. Chr. noch nicht verloren worden sein kann. Sie kann frühestens 5 n. Chr. verloren worden sein, sie kann genausogut auch 10 n. Chr. verloren worden sein oder 15 n. Chr. oder zu irgendeinem viel späteren Zeitpunkt.

Zu 2.
Wo und wann eine einzelne Münze verloren geht, hängt vollkommen vom Zufall ab, da Münzen nicht absichtlich und systematisch verloren werden. Wenn es von einem bestimmten Münztyp in einer größeren Region nur wenige Exemplare gibt, kann man aus der Verteilung dieser Münzen überhaupt keine Schlussfolgerungen ziehen.
Insbesondere lassen sich aus dem Fehlen bestimmter Münzen erst ab einer statistisch relevanten Menge Schlussfolgerungen ziehen. Wenn in einer großen Münzsammlung sich jeweils Dutzende von 1-Cent-, 5-Cent, 10-Cent-usw.-Münzen befinden, jedoch kein einziges 2-Cent-Stück, könnte man darüber spekulieren, ob hier ein Dieb zugange war, der sich auf 2-Cent-Stücke spezialisiert hat.
Wenn hingegen in meiner Geldbörse unter insgesamt 20 Münzen kein einziges 2-Cent-Stück zu finden ist, dann hat das gar nichts zu sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich glaube kaum das du dich auf eine Stufe mit dem Übersetzer stellen kannst:

Wilhelm Capelle (Philologe) – Wikipedia
Auch wenn Wilhelm Capelle in Klassischer Philologie promoviert wurde und als solcher durchaus verschiedene antike Texte übersetzt hat, ist seine Übersetzung Suetons hier nicht richtig. Das Wort "res" bedeutet zunächst einmal nur so viel wie Ding oder Sache, es kann zwar in einem eindeutig militärischen Kontext auf eine Schlacht oder ein Gefecht bezogen werden, dies ist aber immer eine Interpretation (von Capelle und anderen Übersetzern seiner Zeit gewählt, um so entsprechend dem Zeitgeist militärische Aspekte zu betonen). Es geht hier zwar um den Rheinübergang von Tiberius, allerdings nimmt Sueton in diesem Abschnitt Bezug auf die Führungseigenschaften des Tiberius. Die Geschichte mit dem Anschlag wird in einem Zusammenhang erwähnt, in dem Sueton schildert, dass der ansonsten absolut nicht abergläubische Tiberius, zuversichtlich ein Gefecht begann, wenn Nachts ein Licht ohne ersichtlichen Grund erlosch, weil dieses Vorzeichen sich für ihn und seine Vorfahren immer als günstig erwiesen hätte. Da "Sed re prospere gesta non multum afuit quin a Bructero quodam occideretur" unmittelbar hinter der Schilderung des Vorzeichens folgt, ist der Bezug von "res" auf das Vorzeichen und nicht auf "proelia" sicher. Sueton sagt hier also nur, dass Tiberius einmal, nachdem (das ist grammatikalisch eindeutig) ein solches Vorzeichen geschehen war, fast von einem Brukterer getötet worden sei. Er drückt damit aus, dass dieses Vorzeichen wohl doch nicht so eindeutig war. Auf ein Gefecht des Tiberius in Zusammenhang mit der Rheinüberquerung gibt diese Stelle keinen Hinweis, denn auch das zuversichtliche Beginnen eines Kampfes nach dem Vorzeichen ist nur eine ganz allgemeine Äußerung zu den Eigenschaften des Tiberius und nicht zu dessen Germanenzügen.
 
@Sepiola

die Anzahl der Gegenstempel CA58 / TIB193 und deren Fundorte sind bei U. Werz seiner Doktorarbeit aufgelistet. Diese ist im Netz abrufbar und teilweise wie im Fall Kalkriese sogar mit Fundnummern hinterlegt. Und natürlich habe ich mir dazu meine Gedanken gemacht. Jedoch hatten andere Sachen Vorrang und mussten für das LDA geschrieben werden. Dazu kommt noch die Feldforschung für das LDA, welche einen nicht unwesentlichen Faktor beisteuert. Allein für den südlichen Saalekreis und Burgenlandkreis (Saale, Luppe und Unstrut) ist das Fundmaterial bezüglich der römischen Kaiserzeit (vor allem Militaria, Münzen etc.) so stark angestiegen und hat sich vervielfacht, dass es allein schon Wert wäre es zu publizieren. Was fehlt ist die Zeit dafür.
 
@Kagouti

für Sueton Tiberius 19 habe ich selbst schon 5 verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gelesen. Sie dienen mir lediglich als Gedankenstütze. Die numismatischen Befunde sprechen weder für Varus, noch für Germanicus. Letzterer konnte ja nun auf Grund des metallurgischen Fingerabdrucks auch ausgeschlossen werden. Das wusste ich aber auf Grund der Gegenstempel schon vorher. Das Lager Haltern hatte auch etwas länger bestanden als die Siedlung in Waldgirmes - auch das zeigten die Stempelanalysen.
 
Da "Sed re prospere gesta non multum afuit quin a Bructero quodam occideretur" unmittelbar hinter der Schilderung des Vorzeichens folgt, ist der Bezug von "res" auf das Vorzeichen und nicht auf "proelia" sicher. Sueton sagt hier also nur, dass Tiberius einmal, nachdem (das ist grammatikalisch eindeutig) ein solches Vorzeichen geschehen war, fast von einem Brukterer getötet worden sei. Er drückt damit aus, dass dieses Vorzeichen wohl doch nicht so eindeutig war.
Also "re prospere gesta" heißt doch "nachdem die Sache günstig vollbracht worden ist" (wie "res gestae divi augusti") und bezieht sich kaum auf das Herunterfallen der Öllampe. Andererseits war davor ja nicht von einem bestimmten Gefecht, sondern allgemein von Gefechten die Rede, weshalb auch dazu der Bezug von "re" nicht recht passt (und auch weil die proelia im Satz weiter weg stehen). Mit "re" ist wohl tatsächlich der ganze Feldzug gemeint, obwohl dann das "sed" nicht so viel Sinn ergibt; am ehesten noch, wenn man in den Text hineinliest, dass so ein nächtliches Herunterfallen im Feldzug irgendwann mal vorgekommen ist, dann wohl einschließlich nächtlichem Gefecht, und Sueton dann sagt, dass der Feldzug trotzdem fast mit einem Mordanschlag zu Ende gegangen wäre.
 
Das Lager Haltern hatte auch etwas länger bestanden als die Siedlung in Waldgirmes - auch das zeigten die Stempelanalysen.
Anhand von Gegenstempeln auf Münzen lässt sich leider nicht entscheiden, ob nun Haltern oder Waldgirmes etwas länger bestanden hat. Das liegt schlichtweg daran, dass eine gefundene Münze zunächst nur einen Terminus post quem für ihren Fundkontext gibt und das streng genommen auch nur dann, wenn sie aus einem geschlossenen Befund stammt. Da es sich bei Haltern um ein Militärlager und bei Waldgirmes um eine Zivilsiedlung, die möglicherweise als Zentralort der Ubier im Rahmen der anscheinend bereits kurz nach der Eroberung begonnenen Neustrukturierung der germanischen Siedlungsgebiete, um eine Provinzverwaltung aufzubauen, geplant wurde (so Eck), sind die Fundkontexte auch nicht direkt miteinander zu vergleichen, weil Gegenstempel in einem Römerlager sehr wahrscheinlich früher in Erscheinung treten, als in einer zivilen Siedlung mit wohl hauptsächlich germanischer Bevölkerung.
ie numismatischen Befunde sprechen weder für Varus, noch für Germanicus. Letzterer konnte ja nun auf Grund des metallurgischen Fingerabdrucks auch ausgeschlossen werden.
Das ist so schlichtweg falsch. In Kalkriese sind bislang keine Münzen gefunden worden, die später als das Jahr 9 n. Chr. geprägt wurden. Damit geben die Münzfunde einen Terminus post quem für das Jahr 9 n. Chr., die Niederlage von Varus fand in der zweiten Hälfte dieses Jahres statt, so dass sich Varus durch die Münzfunde nicht ausschließen lässt (um fair zu bleiben, Tiberius und Germanicus übrigens auch nicht). Die zahlreichen Gegenstempel des Varus sind aber schon mal ein gewichtiges Indiz (mehr zunächst einmal nicht) dafür, dass hier ein Bezug zu Varus bestehen könnte, ebenso das Fehlen späterer Prägungen. Aufgrund des Münzspektrums allein kann aber keine sichere Entscheidung getroffen werden, ob nicht doch Tiberius oder Germanicus mit Kalkriese zu verbinden sind, dafür reicht die Datierungsschärfe archäologischer Funde nicht aus, die beiden letzteren sind jedoch weniger wahrscheinlich als Varus. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es Hortfunde von Gold- und Silbermünzen gibt, die anscheinend gezielt vergraben wurden, um sie vor dem Zugriff durch die Germanen zu sichern. Das war sicher kein Legionärsgeld, sondern vermutlich ein Teil der Legionskasse oder andere Beträge, die für "größere Ausgaben" bestimmt waren. Wenn man tief ins Feindesland vordringt wie Tiberius oder Germanicus und mit Kämpfen rechnet, macht es nicht viel Sinn Gold- und Silbermünzen in größeren Mengen mit sich herumzuschleppen, Varus dagegen wähnte sich in befriedetem Gebiet und war auf dem Rückweg aus dem Sommerlager, so dass diese Befunde besser zu Varus als zu Tiberius und Germanicus passen.
Die Münzfunde sind aber nur ein Teil des Fundspektrums von Kalkriese, so belegen zahlreiche Funde, dass Tross zugegen war - dies war bei Varus der Fall, nicht aber bei Tiberius oder Germanicus. Es handelt sich eindeutig um eine römische Niederlage und das Schlachtfeld scheint auch recht gründlich geplündert worden zu sein, so sind die allermeisten Metallfunde recht klein. Es gibt mehrere Knochengruben, in denen menschliche Überreste beigesetzt wurden, die einige Zeit lang an der Oberfläche gelegen haben müssen (dies ist für die Varusschlacht überliefert). Metallurgische Untersuchungen haben jetzt anscheinend gezeigt, dass die 19. Legion hier anwesend war. In der Summe sprechen die archäologischen Befunde recht deutlich für Varus.
 
Mit "re" ist wohl tatsächlich der ganze Feldzug gemeint, obwohl dann das "sed" nicht so viel Sinn ergibt
Das "sed" ergibt sehr wohl Sinn, gerade wenn man es auf den gesamten Feldzug bezieht. Denn Sueton beschreibt ja, dass Tiberius auf strengste Disziplin hielt und nichts dem Zufall oder Glück überließ.

Mit einer Ausnahme: Tiberius glaubte fest an das seltsame Lampenorakel. Diese abergläubische Marotte erwähnt Sueton quasi in Klammern, sie ist wohl kaum mit "res gesta" in Verbindung zu bringen.
 
Für mich scheint jetzt gesichert dass Kalkriese in den Kontext der Varusniederlage gehört. Die Gründe dafür sind zum einen die vielen Funde der Vergangenheit die auf die Anwesenheit eines Trosses mit vielen zivilen Gegenständen usw. hinweisen als auch die Tatsache dass den Historikern und Archäologen zur Folge hier eine römische Niederlage stattgefunden hat. Die Knochengruben und das Lager mit der vollen Legionärskasse sind auch ein Indiz. Zudem passt Kalkriese weder geographisch noch von den Funden her zu den Pontes Longi oder Angrivarierwall, da die PL im westlichen Münsterland gelegen haben müssen und auch nicht zum Angrivarierwall. Hierfür käme ein anderer Ort viel eher in Frage. Aber all dies alleine ist bisher eher unscharf gewesen. Jetzt aber haben wir die metallurgischen Analysen und die schließen den Kreis insgesamt recht gut.
 
Nein, natürlich nicht!
Die Aussagen der alten Autoren sind für die hermundurischen Thesen nicht nur unbrauchbar, sondern samt und sonders kontraproduktiv!
Ich konnte dem Ganzen nicht richtig folgen. Was genau behauptet denn Hermundure oder was genau ist jetzt ihre Aussage? Und wo liegt der Kontrapunkt?
 
Ich konnte dem Ganzen nicht richtig folgen. Was genau behauptet denn Hermundure oder was genau ist jetzt ihre Aussage? Und wo liegt der Kontrapunkt?

Kurzgefasst: Germanicus war weder an der Ems noch an der Lippe unterwegs und schon gar nicht in Kalkriese, sondern in Sachsen-Anhalt. Die römischen Leichen in Kalkriese gehören zu der Geschichte mit Tiberius und dem Brukterer.
 
Kurzgefasst: Germanicus war weder an der Ems noch an der Lippe unterwegs und schon gar nicht in Kalkriese, sondern in Sachsen-Anhalt. Die römischen Leichen in Kalkriese gehören zu der Geschichte mit Tiberius und dem Brukterer.
Danke für die Zusammenfassung. Da muss ich sagen, ohne Hermundure böses nachzusagen, das ist schon bei den Haaren herbeigezogen. Germanicus in Sachsen Anhalt? Das ist sehr weit weg!
 
@vindus

Mein Favorit, oder eher gesagt wo ich den Untergang des Varus vermute, liegt zwischen unterer Diemel und unterer Werra (zwischen Kneblinghausen und Hedemünden. Aber für das Jahr 16 n. Chr. war Germanicus zwischen Weser/Werra und der Elbe-Saale-Region. Es gibt ja die Funde des Germanicus-Horizont, nur nicht an Lippe und Ems.
 
@vindus

in Thüringen,Süd-NDS,vereinzelt Küstenregion NDS, Nord-HE und Sachsen-A. haben wir die Funde. Sogar die gewünschten Münzen mit dem Gegenstempel des Germanicus. Auch das passende Fibelspektrum. Das Ems-Lippe Gebiet dagegen ist ohne Funde. Das sollte einem zu denken geben.
 
@Sepiola

Kalkriese scheidet nach dem metallurgischen Fingerabdruck bezüglich der Legionen des Germanicus aus. Auch du musst dich mit den Fakten abfinden. Ob du willst oder nicht...

Mit der Tatsache, dass Germanicus die Schlacht in Kalkriese nicht verloren hat, finde ich mich gern ab, zumal ich derlei nie behauptet habe.

Und wenn Du Dich mit der Tatsache abfindest, dass auch Tiberius die Schlacht in Kalkriese nicht verloren hat, könnten wir uns ja mal über realistische und vernünftige Alternativen unterhalten.
 
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