Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Könnten diese Münzen nicht auch theoretisch von Germanen verloren worden sein?
Theoretisch sind unendlich viele Szenarien möglich. Zum Beispiel könnte das gestempelte As einem Soldaten in Novaesium (Neuss) aus der Tasche gerutscht sein. Ein wandernder Zimmermann, der auf einer Baustelle zu tun hatte, hat das dann anno 1820 gefunden und später seinem Neffen zum Spielen geschenkt, in der Gegend von Kalkriese. Und der hat es dann verloren.
Eine einzelne Münze kann auf hunderterlei Weise an ihren Fundort gelangt sein, darum beweist eine einzelne Münze überhaupt nichts.

Jedoch wurde weder der Stempel CA58, noch der TIB193 bisher in Haltern gefunden.

Und was genau beweist das, wenn eine bestimmte Münze an einem bestimmten Ort nicht gefunden wurde?
 
Münzfunde sind allein nicht ausreichend. Deshalb interessieren die Ausrüstungsgegenstände, die zur Probenahme verwendet wurden. Mal sehen, wann die Doktorarbeit zugänglich ist.
 
Und was genau beweist das, wenn eine bestimmte Münze an einem bestimmten Ort nicht gefunden wurde?
Wenn eine bestimmte Münze ODER ein bestimmter Gegenstempel in statistisch relevanten Mengen auftaucht (auch was die Distribution anbelangt) und die Menge der Münzen am Fundplatz N wiederum statistisch signifikant ist, dann kann man daraus entsprechende Rückschlüsse ziehen.

Bei Werz muss man natürlich auch sagen, dass der tw. Gegenstempel nach K‘Riese datiert und K‘Riese dabei als Ort der Varusschlacht festgelegt ist.
 
Höchstens Grabbeigaben für den Tumulus, aber selbst das halte ich für eher unwahrscheinlich.

Oder z.B. Werkzeuge die Bei der Errichtung möglicherweise kaputtgegangen sind?
Oder vielleicht hatte Germanicus auch aus irgendwelchen Gründen das Bedürfnis irgendetwas am Ort zu hinterlassen, dass seine eigene Anwesenheit dort später bezeugen konnte?

etc.

Das würden dann sicherlich keine größeren Mengen an Artefakten gewesen sein, aber möglich wäre es durchaus, dass dort Dinge zurückgelassen wurden.
 
Zum CA58 Gegenstempel von U. Werz folgendes:

"Die Trägermünzen geben einen ersten Hinweis auf die zeitliche Einordnung des Gegenstempels. Es
wurden Asse der zweiten Lyoner Altarserie, deren Prägung mit dem Jahr 9 n.Chr. begann, kontermarkiert. Demgegenüber wurden aber nur wenige Münzmeisterprägungen, die in großer Zahl erst
nach der Thronbesteigung des Tiberius ins Rheingebiet gelangten, mit diesem Gegenstempel versehen.
Somit sind die möglichen Anlässe für eine Verwendung in der ersten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrzehnts, aber noch vor dem Regierungsantritt des Tiberius zu suchen.
Die auf den augusteischen Prägungen angebrachten Einstempelungen bilden eine homogene
Gruppe."

Also genau in die Zeit der Tiberius-Feldzüge 10/12 n. Chr. Die Trägermünze von Kalkriese ist im Übrigen ein Lugdunum I As.

Ich negiere ja nicht das man Metallteile der XIX. Legion in Kalkriese gefunden hat, sondern das man sich seitens der NDS schon wieder vorzeitig auf Varus festlegt. Es wurden bei der Analyse von A. Diekmann ja auch Übereinstimmungen in Haltern gefunden - was nicht überrascht, da ja sehr wahrscheinlich die XIX. dort stationiert war (Bleibaren-Fragment). Jedoch wurde weder der Stempel CA58, noch der TIB193 bisher in Haltern gefunden. Ein weiteres Problem sind die Hortfunde von Kalkriese und deren nähere Umgebung. Es ist bemerkenswert das ALLE(!) nur aus Edelmetalle bestehen und vergraben wurden - nicht ein einziges As ist darunter! Das Soldatenkleingeld (Asse, Dupondien) hingegen wurde NICHT vergraben, sondern lag lose herum. Wer hat bei einer Schlacht die Zeit sein Hab und Gut zu vergraben und dabei noch zu sortieren ? Die Separierung von Denaren und Aurei sticht augenfällig gegenüber dem Kleingeld hervor. Weitere Edelmetall-Hortfundorte sind u.a. Gehrden (NDS) oder Seppenrade (NRW) - Schlussmünze Gaius/Lucius Denar. Das spricht m.E. gegen eine Vergrabung auf römischer Seite, sondern spricht für die Germanen. Durch Cassius Dio wissen wir, dass Gefangene nach der Schlacht ausgelöst worden sind und die Freigelassenen nie wieder Italien betreten durften. Den Römern wird nicht entgangen sein wohin die Lösegelder hingegangen sind. In Kalkriese wurden auch Siegelkapseln gefunden - ein möglicher Hinweis für Namenslisten der Auszulösenden(?).

Das varianische Funde gemacht wurden heißt nicht das auch Varus zwangsläufig da gewesen sein muss...
Varus
Theoretisch sind unendlich viele Szenarien möglich. Zum Beispiel könnte das gestempelte As einem Soldaten in Novaesium (Neuss) aus der Tasche gerutscht sein. Ein wandernder Zimmermann, der auf einer Baustelle zu tun hatte, hat das dann anno 1820 gefunden und später seinem Neffen zum Spielen geschenkt, in der Gegend von Kalkriese. Und der hat es dann verloren.
Eine einzelne Münze kann auf hunderterlei Weise an ihren Fundort gelangt sein, darum beweist eine einzelne Münze überhaupt nichts.
Das sehe ich genauso.
 
Wenn eine bestimmte Münze ODER ein bestimmter Gegenstempel in statistisch relevanten Mengen auftaucht (auch was die Distribution anbelangt) und die Menge der Münzen am Fundplatz N wiederum statistisch signifikant ist, dann kann man daraus entsprechende Rückschlüsse ziehen.

Schon klar.
Insbesondere lassen sich aus dem Fehlen bestimmter Münzen erst ab einer statistisch relevanten Menge Schlussfolgerungen ziehen. Wenn in einer großen Münzsammlung sich jeweils Dutzende von 1-Cent-, 5-Cent, 10-Cent-usw.-Münzen befinden, jedoch kein einziges 2-Cent-Stück, könnte man darüber spekulieren, ob hier ein Dieb zugange war, der sich auf 2-Cent-Stücke spezialisiert hat.
Wenn hingegen in meiner Geldbörse unter insgesamt 20 Münzen kein einziges 2-Cent-Stück zu finden ist, dann hat das gar nichts zu sagen.

Aber was heißt das nun bezüglich der hier diskutierten Stempeltypen?

Da die einzelnen Typen an den meisten Fundorten mit jeweils nur einer einzigen Münze vertreten sind, lassen sich aus dem Fehlen des jeweiligen Typs keine Rückschlüsse ziehen.
 
Meintest Du damit "dass der tw. Gegenstempel zeitlich nach Kalkriese datiert und Kalkriese damit als Ort der Varusschlacht festgelegt ist" ?
Nein, wie Carolus sagte, den Zirkelschluss riskierend werden vereinzelt Gegenstempel als bereits 9 aufgetragen datiert, weil sie in K‘Riese gefunden wurden. Dies finde ich bedenklich, gleichwohl ich K‘Riese für einen Ort der Varusschlacht halte und die Indizienkette dafür wieder einmal - trotz Hermundures Zeter und Mordio - gestärkt wurde.
 
Wenn erwiesen ist dass jede Legion einen eigenen metallurgischen Fingerbadruck hat und man diesen irgendwo mit statistischer Signifikanz findet kann die Anwesenheit jener dort als eriwesen ansehen. Jetzt wäre es mal interessant diese Muster mit anderen Fundorten wie z.B. Barkhausen und Hedemünden zu vergleichen.
 
Das Problem dabei ist, das man Vergleichsmaterial findet. Und das wird man nur haben, wenn eine Legion längere Zeit an einem Ort gelegen hat und weiß das die Legion hier gelegen hat. Also muss man wissen wo die 17. und 18. Legion vorher gelegen hat. Am besten einige Zeit.
Jedes Erz hat eine spezielle Isotopenzusammensetzung, abhängig vom Fundort. Da damals sehr viel Material wiederverwertet wurde, durch umschmelzen oder umschmieden, verändert sich die Isotopenzusammensetzung.
Wenn eine Legion zum Beispiel lange in Spanien gelegen hat, haben die Waffen und Kettenhemden eine entsprechende Signatur. Und dann wird die Legion nach Belgien verlegt, so ändert sich langsam die Isotopenzusammensetzung. Das ganze wird dann noch komplizierter wenn Vexilationen hier noch dazu kommen oder die Legionen kurzfristig mit Legionären aus anderen Legionen aufgefüllt werden. Da braucht man dann noch Statistik dazu. Und mehr metallurgische Untersuchungen von Proben um eine weitere Vergleichsbasis zu bekommen. Und das wird teuer und Zeitaufwendig.
 
Aber wir beobachten relativ kleine Zeitfenster, in denen viel Material in Rüstung und Ausrüstung nicht so rasch komplett ausgetauscht und ersetzt wurde.

Das Interessante ist: welches, und wieviel Material an Ort A hat einen metallurgischen Zwilling an Ort B, C und D? Und wie homogen sind die Funde auf einer möglichen Wegstrecke?
Oder: wer belagerte den Auerberg in Bayern, woher stammen die römischen Funde am Dünsberg in Hessen?
Finden sich in Nordhessen Metalle von Legionen aus Mainz oder vom Niederrhein?

Die statistischen Verfahren von Multivarianzanalysen bieten enorme Aussagemöglichkeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn erwiesen ist dass jede Legion einen eigenen metallurgischen Fingerbadruck hat und man diesen irgendwo mit statistischer Signifikanz findet kann die Anwesenheit jener dort als eriwesen ansehen. Jetzt wäre es mal interessant diese Muster mit anderen Fundorten wie z.B. Barkhausen und Hedemünden zu vergleichen.

Damit wird es schon deswegen etwas kniffelig, weil es sein kann, dass Legionen mitunter rotierend abgelöst wurden und mehrere Legionen nacheinander den gleichen Standort hatten, was das Einsickern entsprechender Metalle und ihrer metallurgischen Fingerabdrücke zur Folge haben müsste.

Dann wäre da auch noch die Möglichkeit, dass an einem bestimmten Aufenthaltsort das Erz knapp oder unzugänglich war, was den Import aus einer anderen Gegend oder das Einschmelzen von Altmetall notwendig gemacht haben könnte, so dass es auch durchaus sein kann, das bei einer Legion auf einmal Metallfunde auftauchen, die keinem Standort unmittelbar zugeordnet werden können, oder vielleicht einem ganz Anderen, an dem sich die Legion nie aufhielt.

Die Sache mit der statistischen Signifikanz setzt natürlich eine entsprechend große Menge metallischer Funde voraus.
 
Aber wir beobachten relativ kleine Zeitfenster, in denen viel Material in Rüstung und Ausrüstung nicht so rasch komplett ausgetauscht und ersetzt wurde.

Ich denke, insofern wir über eine Zeit mit größeren Auseinandersetzungen reden, ist gerade in dieser Zeit überdurchschnittlich viel Material ausgetauscht worden.
Und sofern wir uns noch über den Nachgang der Varusschlacht unterhalten, ist auch der Hinweis darauf, dass Legionen mit Teile anderer Verbände aufgefüllt worden sein können, nicht von der Hand zu weisen, gerade im Hinblick auf die Überlebenden der Schlacht, die sich an den Rhein retten konnten, von deren Verbänden allerdings nicht mehr viel übrig war.
Die wird man sicherlich bei anderen hinzugezogenen Verbänden "untergesteckt" haben.
 
In diesem Zusammenhang aus totaler Laiensicht gefragt: die Euphorie über den "metallurgischen Fingerabdruck von röm. Legionen" schwindet angesichts der Zweifel, dass man genügend Vergleichsfunde finden und damit einen Datensatz für sämtliche säuberlich voneinander geschiedene Legionen zusammenstellen kann (ganz zu schweigen vom Zeitraum, in welchem der Vergleichsdatensatz gültig sein soll) - begreife ich das richtig?
 
In diesem Zusammenhang aus totaler Laiensicht gefragt: die Euphorie über den "metallurgischen Fingerabdruck von röm. Legionen" schwindet angesichts der Zweifel, dass man genügend Vergleichsfunde finden und damit einen Datensatz für sämtliche säuberlich voneinander geschiedene Legionen zusammenstellen kann (ganz zu schweigen vom Zeitraum, in welchem der Vergleichsdatensatz gültig sein soll) - begreife ich das richtig?

Die Vorstellung eines "metallurgischen Fingerabdrucks" im Bezug auf die Legionen beeinhaltet ja ohnehin das Problem, dass "Fingerabdruck" etwas unveränderliches insinuiert.

Das erscheint aber bereits im Hinblick auf die personelle Fluidität problematisch.


Aber an dieser Stelle einmal die Rückfrage, selbst wenn man genug Funde hätte um einen solchen metallurgischen Fingerabdruck einzelner Legionen für bestimmte Zeitspannen erstellen zu können, was wollte man damit anfangen?

Die Vorstellung man könnte damit an Hand von ein paar Sandalennägeln oder Funden einzelner Ausrüstungsgegestände die Bewegung einzelner Legionen nachvollziehen können, wird man vergessen können.

Dafür werden in den meisten Fällen einfach die hinreichenden Fundmengen fehlen, Einzelstücke können auf tausend Wegen zu irgendwelchen Fundorten gelangt sein.
 
Bei dem "metallurgischen Finderabdruck" geht es nur um Buntmetall, d.h. Bronze und Messing. Buntmetalle können tatsächlich durch Einschmelzen sehr leicht wiederverwendet werden. Legionäre trugen eine Menge Kleinkram aus Buntmetall, auch am Gürtel und an der Rüstung. Diese Teile waren sicherlich anfällig sicherlich für Beschädigung, insbesondere bei Kampfhandlungen. Durch das Einschmelzen von Altmetallen entstehen neue Legierungen. Der Hauptbestandteil von Buntmetall ist bekanntlich immer Kupfer, ansonsten eben Zinn, Zink, Nickel, Arsen, Blei und was sonst noch da ist. Die durchaus verschiedenen Buntmetallegierungen, die der Schrottsammler der Legion zusammengesucht hat, treffen im großen Schmelztiegel der Legion zusammmen und dort entsteht eine spezifische Legierung der Legion.

Alteisen konnten die Römer damals nicht auf die gleiche Weise verwerten, weil man Eisen mit den damaligen Methoden gar nicht einschmelzen konnte.
Diese Methode ist daher auf Sandalennägel, Schwertklingen und anderen Gegenstände aus Eisen gar nicht anwendbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit wird es schon deswegen etwas kniffelig, weil es sein kann, dass Legionen mitunter rotierend abgelöst wurden und mehrere Legionen nacheinander den gleichen Standort hatten, was das Einsickern entsprechender Metalle und ihrer metallurgischen Fingerabdrücke zur Folge haben müsste.

Dann wäre da auch noch die Möglichkeit, dass an einem bestimmten Aufenthaltsort das Erz knapp oder unzugänglich war, was den Import aus einer anderen Gegend oder das Einschmelzen von Altmetall notwendig gemacht haben könnte, so dass es auch durchaus sein kann, das bei einer Legion auf einmal Metallfunde auftauchen, die keinem Standort unmittelbar zugeordnet werden können, oder vielleicht einem ganz Anderen, an dem sich die Legion nie aufhielt.

Die Sache mit der statistischen Signifikanz setzt natürlich eine entsprechend große Menge metallischer Funde voraus.
Ich weiß leider auch nicht wie gut die verfahren sind b.z.w. weiß ich nicht woran das ausgemacht wird. Laut den Fachleuten und Zuständigen mit welchen ich mal gesprochen habe und den Berichten aus verschiedenen Artikeln soll jede Legion eindeutig zuordenbare metallurgische Muster besitzen. Wenn sich das allerdings als Fehler herausstellen sollte wäre damit auch die Aussagekraft der Methode im A****.
 
Zurück
Oben