Das Thema "Befestigungen" ist spannend. Dennoch kurz zurück zur Frage der Bedeutung des WW1 für Heute.
Nach Ausbruch des Krieges entwickelte sich in der weltweiten medialen Öffentlichkeit ein "Propaganda-Krieg", in dem es um die Überlegenheit von "Kultur" vs "Zivilisation" ging.
Diese Konfliktlinie trennte die Kriegsparteien durch die Selbstwahrnehmung in Kombination mit der Selbstüberhöhung der eigenen Position. Kritische oder oppositionelle Stimmen, wurden - brüsk - zu Seite geschoben, auch weil sich die entsprechenden "Bildungs-Eliten" aktiv an diesem symbolisichen Konflikt, wie z.B. Max Weber etc., aktiv beteiligt haben.
In dem Maße, in dem der Krieg voranschritt und militärische Lösungen - als "Siegfrieden" - unwahrscheinlicher wurden, setzte sich dennoch eine eskalierende Spirale in Gang und es radikalisierten sich die Positionen auf beiden Seiten der Kriegsparteien.
Mit der Konsequenz, dass moderate Positionen an Bedeutung verloren - zunächst - und durch die Radikalisierung die symbolische Aufladung des eigenen Heroismus in Kombination mit - angeblich - gerechtfertigten Kriegszielen, Wege für eine friedliche Lösung erschwerten, wie sehr gut und plausibel bei Goemans beschrieben (sehr lesenswert zur Beeendigung von Kriegen)
Die Bedeutung des WW1 liegt damit u.a., neben der Eskalationsdynamik des Ausbruchs, auch in der Erkenntnis, dass die Kriegsparteien durch - teil - nicht beabsichtigte Nebenfolgen einen Friedenschluss erschweren.
Die verbale Radikalisierung der eigenen Seite, die primär der Mobilisierung der eigenen Bevölkerung dienen soll und muss, wird zu einem Problem, wenn es um die Forderungen und Konzessionen im Rahmen von Friedensverhandlungen geht. Ein Problem dass man zum Ende des WW1 vor allem in Deutschland sehen konnte als sowohl die Politik wie die Gesellschaft aus "allen Wolken fiel", als die OHL mitteilte, dass sie nicht weiter kämpfen konnte und schnellstens ein Waffenstillstand einzuleiten sei.
Das war für die öffentliche Meinung eine "Vollbremsung" und sie mußte Mechanismen entwickeln, die mentale Radikalisierung in eine konstruktive Sicht in den zu erwartenden Frieden umzubauen. Große Teile der Gesellschaft schafften diesen evolutionären Schritt nicht und verarbeiteten diesen Schock im Rahmen der These von der "Dolchstoßlegende".
Das Problem, dass sich an dieser Entwicklung zeigte ist, dass die moderaten Stimmen erst zum Ende hin sich durchsetzen konnten. Aber erst zu einem Zeitpunkt, an dem es eigentlich zu spät war und man durch ein früheres Agieren hunderttausende von Leben hätte retten können.
Diese Form der Radikalisierung des Diskurses kann man als Reaktion auf den Ukraine-Krieg, also dem völkerrechtswidrigen Angriff von Russland auf die Ukraine, erkennen. Deutlich geworden an der medialen Behandlung von Positionen, die sich weder an den Zielen von Putin noch an den Zielen von Selensky orientiert haben, sondern im Rahmen einer dritten Position versucht haben, auf die Notwendigkeit einer Lösung hinzuweisen. Auch und vor allem, weil es keine militärische Lösung geben wird.
Dieses vor allem auch vor dem Hintergrund, dass Verhandlungen dann erfolgreich sind, wenn man die Position des Verhandlungspartner (Gegner) versteht. Eine der Grundlagen beispielsweise der "Harvard-Methode" zur Verhandlungsführung. Und eine Sicht, die zwingend notwendig ist, sofern man im Sinne von Max Weber eine "verstehende" Position einnimt, um analytisch überhaupt eine ausreichende Tiefenschärfe und die richtige Zuordnung von Kausalität vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund machen die Lehren aus dem WW1 deutlich, dass man keine Denkverbote aussprechen sollte, der "Geheimdiplomatie" eine hohe Priorität einräumen sollte und darauf vertrauen darf, dass die Seite sich durchsetzt, die langfristig die attraktiveren Angebote für die Bevölkerung macht. (vgl. Aussagen des ex-Premierminister Bennett aus Israel)
Wie ausgeführt: "Auch andere Themen wie die Zukunft des Donbass und der Krim sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien in diesen Tagen Gegenstand von intensiven Gesprächen gewesen. Bennett wörtlich: "Ich hatte damals den Eindruck, dass beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand hatten.""
Denn der Krieg wird nach dem Krieg entschieden durch den Wiederaufbau und nicht auf dem Schlachtfeld. Da wird eigentlich nur "abgeschlachtet". Und in diesem Sinne liegt die Stärke des Westens nicht in seinen militärischen Optionen, die bereits gigantisch sind, sondern in seiner Finanzmacht und den kapitalistischen Märkten und sofern "richtig" eingesetzt in dem Potential der ukrainischen Bevölkerung eine lebenswerte Zukunft zu bieten.
Afflerbach, Holger (2013): Die Kunst der Niederlage. Eine Geschichte der Kapitulation. Orig.-Ausg. München: Beck
Goemans, H. E. (2000): War and Punishment. The Causes of War Termination and the First World War. Princeton: Princeton University Press